3. Die vorgeschichtliche Zeit des Landes.
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Unzweifelhaft ist in unserem Lande von der jüngeren Steinzeit ein ununterbrochener Fortschritt der Entwicklung bis auf die Höhe der Bronzezeit zu erkennen. Wenn man die Überreste dieser beiden Perioden aufmerksam verfolgt, gewinnt man den Eindruck, daß hier ein und derselbe Volksstamm sich zu einer ihm erreichbaren Kulturhöhe entwickelt hat. Auch die wenigen bisher gefundenen Wohnstätten mit ihrem Inventar deuten darauf hin, daß die Leute der jüngeren Stein- und der Bronzezeit in ununterbrochener Geschlechterreihe aufeinanderfolgten, daß kein Bevölkerungswechsel während dieser Perioden eintrat. Wie sich in den steinzeitlichen Niederlassungen auf dem Auhögl und auf der Insel im Würmsee die ersten Spuren der Metallverwendung zeigen, so treten in der bisher einzigen im südlichen Bayern gefundenen bronzezeitlichen Niederlassung unter der Burgruine in Karlstein bei Reichenhall die letzten Spuren der Verwendung von Steinmaterial neben der schon herrschenden Bronze zutage. Diese kleine, in entlegener Gebirgsgegend befindliche Ansiedlung gibt in ihren Resten nur das Bild von ärmlichen Behausungen, nicht von der Höhe der bronzezeitlichen Kultur. Immerhin aber gewährt sie einen Einblick in das Leben und Treiben ihrer Bewohner. Ant Fuße des steilen Bergkegels und terrassenförmig am Berghang übereinander lagen die Hütten, die am Berg in der Weise in den Hang eingeschnitten waren, daß der natürliche Felsen die Rückwand bildete und der Aushub nach vorn abgelagert wurde um Raum zu gewinnen. Der ebene Boden war festgestampft und Spuren von Pfostenlöchern lassen annehmen, daß Vorder- und Seitenwände aus Holzstämmen zusammengefügt waren. Das Dach ruhte schräg auf dem Felsen der Rückwand und den Stämmen der Vorderwand. Eine oder auch zwei Feuerstellen waren im Hüttenraum aus großen Steinen halbkreisförmig angebracht. Das Hausinventar bestand ans großen Tonkusen für Wasservvrrat, ans Mahlsteinen und Reibern von Granit, mit denen von den Weibern das Getreide gemahlen wurde; viele Nähnadeln von Bronze, Spinnwirtel und Webstuhlgewichte von Ton deuten daraus hin, daß hier von ihnen gesponnen, gewoben und die Kleidung bereitet sowie Netze gestrickt wurden. Denn die Männer oblagen dem Fischfang (Funde von Angeln aus Bronze, vieler Netzsenker) und der Jagd (Pfeilspitzen von Feuerstein und Bronze); sie beschäftigten sich mit Bronzegießen (Gußklumpen, Gußsorm, Schmelztiegelreste, neue Stücke mit Gußnaht). Viele vorkommende kleine Bronzepunzen oder Stichel (wie sie auch in den Schweizer Pfahlbauten zahlreich auftreten) dienten zu irgend einem hier betriebenen Handwerk. Am natürlichen Felsboden der Hütten und ihrer Umgebung fanden sich abgesprungene Schneiden von Bronzebeilen, ein Beweis, daß die Männer hier den Felsboden zur Herstellung der Hütten und das Holz der Stämme bearbeitet hatten. Außerordentlich häufig waren die Scherben der Töpfe, die ebenfalls hier von den Weibern hergestellt wurden. Selbst ganz kleine Geschirrchen, offenbar Kiuderspielzeug, fanden sich vor. Zerbrochene oder verlorene Schmucksachen von Bronze ließen
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11. Kloster Tegernsee.
Einer so schwierigen und umfangreichen Kulturarbeit jedoch waren die einzelnen Grundbesitzer nicht gewachsen. Mit Aussicht auf raschen Erfolg konnte damals nur eine im Mönchtum einheitlich geordnete und zahlreiche Arbeiterschaft den Anbau ganzer Länderstriche wagen. Die Stiftung eines Klosters kam in jenen Zeiten einer wahren Großtat gleich; denn jedes Kloster bedeutete für seinen weiten Umkreis einen Brennpunkt für das wirtschaftliche wie für das geistige Leben.
Oatilo und Tassilo, die letzten bayerischen Herzoge aus dem Geschlechte der Agilolfinger, hatten ihr Land mit einem Netz von Klöstern überzogen. Mit ihnen wetteiferten die Edlinge, allen voran jene aus der Sippe der Honsi, die so güterreich waren, daß man nach ihnen einen eigenen Gau, den Honsigau, benannte. Die Klöster Altomünster, Ilmmünster, Schlehdorf und Benediktbeuern, im Honsigau gelegen, sind Stiftungen dieser reichen bayerischen Adelssippe. Doch auch im Suudergau, im Gebiete der Mangfall, besaßen die Honsi nicht wenige Ländereien. Und gerade hier sollte dnrch ihren praktischen, religiösen Sinn ein Kloster erstehen, das an äußerem Glanz und geistigem Streben nicht bloß alle audereu Housiklöster übertraf sondern sogar manches herzogliche Kloster gleich von Anfang an in den Schatten stellte, das Kloster Tegernsee.
Vor fast 1200 Jahren gehörten der Tegernsee und seine weitere Umgebung zwei Brüdern aus der Housisippe, namens Adalbert und Otkar. Der Welt entsagend hatten die beiden beschlossen sich selbst samt ihrem Eigentum Gott zu weihen. Dicht am östlichen Seeufer erhoben sich ihrem Willen gemäß bald ein Kloster nach der Regel des hl. Benediktus und eine Kirche, die später einen kostbaren Schatz, den aus Rom feierlich übertragenen Leib des hl. Märtyrers Quirinus, bergen sollte. Als erstes Weihtum wurden
St. Quirins Mönchen der fischreiche See, die Berge, Wälder und Sümpfe ringsum und der benachbarte fruchtbare Warngan überlassen; ferner erhielten sie Salzquellen zu Reichenhall und Weinberge bei Bozen.
Mit dem Weihtum hatten die Tegernseer die übliche Verpflichtung übernommen Sümpfe auszutrocknen und den Urwald zu roden. Am Nordufer des Sees breitete sich ein weites Moor aus. Da konnte man alsbald sehen, wie die Mönche das Gestrüpp ausbrannten, Gräben zogen um das Wasser abzuleiten, die Torfschollen zerstießen und umlegten und wie allmählich unter ihren nie rastenden Händen fette Wiesen und Weiden und die sogenannten Niederhöfe, dann Kailsried und Georgenried, Ortschaften bei Gmuud gelegen, entstanden. Der nahe „Finsterwald", der schon durch den Namen seine frühere Wildnis verrät, erdröhnte unter den Axthieben der Mönche. Erschien ihnen das Dickicht allzu groß, dann legten sie Feuer an und der Brand mußte die Arbeit der Menschenhände verrichten. Dicke Feuersäulen loderten zum Himmel empor, um dem Sonnenlicht den Zugang in die Waldesnacht zu bahnen und Platz für neue Siedelungeu zu schaffen. Immer lichter wurde es im „Finsterwald". Aus den Sichtungen aber schauten später Äcker und Wiesen, Gärten
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22. Kloster Ettal und der Pfaffenwinkel.
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Schroffen des Wettersteines hinabsank, sind wir noch den Saumpfad herauf-
gezogen, der sich fo steil den Ettaler Berg entlang windet, und noch zittert in uns jeue wundersam wohlige Stimmung nach, welche den Städter überkommt, wenn die bergfrische Einsamkeit ihm entgegengrüßt, wenn er neben sich den schäumenden Gießbach in seinem felsigen Gelände rauschen hört und zum ersten Male wieder nach langer Zeit würziger, moosdurchfeuchteter Waldgeruch die Brust schwellt.
In der überfüllten Stube geht's gar lustig her; es ist ja heute Samstag und der Bauer, der die Woche über schweigend seiner einförmigen Arbeit nachgeht, liebt es am Feierabende der Rede freien, lauten Lauf zu lassen.
Jetzt gerade hat der eifrige Disput seinen Höhepunkt erreicht, und wer von draußen den Lärm hört, der durch die niederen Fenster in die Dämmerung hallt, könnte wohl glauben, daß ein heller Streit im Anzuge sei. Da läutet man in der Klosterkirche drüben zum Abendsegen. Alsbald verstummt das Johleu, andächtig falten die Männer ihre wetterharten Hände und.das Flüstern der betenden Lippen zieht allein noch durch die regungslose Stille. Leise verklingen die letzten Glockentöne, die Anwesenden machen das Zeichen des Krenzes und mit einem behäbigen „Guten Abend" nimmt der Wirt die unterbrochene Unterhaltung wieder auf.
In solchen Augenblicken erfährt es der Fremde, daß noch die uralten
Gepflogenheiten streng kirchlicher Frömmigkeit im Volke sich erhalten haben.
Auch die Straße, die er gegangen ist, hat ihn darüber belehren können. Am blühenden Rain und unter den weitschattenden Bäumen stehen die rohgezimmerten Wegkreuze mit dem Bilde des Erlösers; die sogenannten Marterln haben ihn mit schlichten Worten aufgefordert ein Vaterunser für jene zu beten, welche
jählings hier aus dem Leben geschieden sind, und tritt er von der Straße ins
Wirtshaus, so leuchteu ihm an der Türe die Anfangsbuchstaben der Namen der heiligen drei Könige, mit Kreide angeschrieben, entgegen, denen die Macht innewohnt die bösen Geister von der Schwelle zu bannen, während in der Stube zuerst sein Blick auf den geschnitzten Herrgott mit dem geweihten Palmzweiglein fällt, der zwischen den Fenstern seinen Platz gefunden hat. Denn mag auch die Zeit sich gewandelt haben, mag modernes Leben und städtische Anschauungsweise übermächtig in diese weltverlorenen Hochlandsdörfer gedrungen sein, etwas vom ehemaligen Klosteruntertanen steckt noch in jedem Bewohner des Ammergaues.
Und geistliches Gebiet ist ja der Gau gewesen seit nrvordenklichen Zeiten. Das langgestreckte, von der grünen Ammer durchflossene Gebirgstal, das sich vom einsamen Plansee an Ettal vorüber bis zum Passiousdorse Oberammergau hinzieht, bildete einst einen Teil des Pfaffenwinkels, wie der Volksmund jene weitgedehnten Gebiete nannte, welche eine festgefügte Kette stattlicher Klöster gegen die Hochebene hin abschloß, und von denen es hieß,
daß man vierzehn Tage darin herumreisen und alle Mittage und Abende auf
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11. Kloster Tegernsee.
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und Gehöfte hervor, die an Klosterhörige gegen Reichung eines jährlichen am St. Quirinstag fälligen Zinses verpachtet wurden. Einige vordem wilde Bergbäche flössen jetzt zahm und gehorsam in künstlich hergestellten Rinnsalen und waren gezwungen Mühlen zu treiben. Durch das ganze der Kultur
neu erschlossene Land zogen sich Straßen und Wege, Brücken und Stege.
Von den Höhen herunter grüßte da und dort eine Kirche oder Kapelle, erbaut zur Ehre Gottes und jener Heiligen, unter deren Schutz die Mönche
ihre Kulturarbeiten gestellt hatten. Als Schützer solcher Kulturarbeiten aber wurden mit Vorliebe Heilige gewählt, denen die altchristliche Kunst das Bild des Drachen beigegeben hat, wie St. Georg, St. Michael oder St. Margaret. Der Drache veranschaulicht Satan, den Urheber alles Bösen, aller
Unfruchtbarkeit und aller Wildnis. Dumpfseuchte Moore und finstere Wälder galten unseren Vorfahren als Wohnstätten Satans; hier hausten der Sage nach auch die Drachen, iu deren Vernichtung der Hörnene Siegsried seine junge Kraft stählte. Nicht zufällig finden wir darum die Kirche in Georgenried bei Gmund dem heiligen Georg, die Kirche in Wald bei Finsterwald
der heiligen Margaret geweiht; beide Ortschaften und Kirchen verdanken
nämlich dem Kulturfleiß der Tegernfeer Mönche ihre Entstehung. In Georgenried hatten sie also gleichsam den Moordrachen, in Wald den Walddrachen erlegt.
Zu dem so mühsam aus Moor und Urwald gewonnenen Neuland gesellten sich im Laufe der Zeit Ländereien, geschenkt aus Liebe zum Klosterpatron St. Quirinus und zwar so zahlreich, daß bereits zu Beginn des
9. Jahrhunderts Tegerusee zu jenen Abteien des fränkischen Reiches zählte, die dem Kaiser außer Geschenken auch Kriegsdienste zu leisten hatten. Die Kriegsbereitschaft fetzt für unser Kloster ein hochentwickeltes Handwerk voraus. Ausdrücklich erwähnt beim auch die Klofterchrouif Werkstätten und namentlich Schmiebe und Drechsler. Für den tegernseeischen Salztransport aus Reichenhall, für den Weintransport aus Tirol war eine Brücke und Sänbe am Inn von größter Wichtigkeit. Schon im Jahre 795 sehen wir die alte Römer-sieblnng Psunzen (— pons) bei Rosenheim im Besitze des Klosters. Noch in unseren Tagen heißt bort ein Platz die „Weinlänb"; die Straße aber, die von Rosenheim am Fuß des Irschenberg vorüber nach Tegernsee zieht, heißt die Scheiblerstraße. Ihren Namen trägt sie von den Scheiblern, b. h. von den Fuhrleuten, welche zu Klosters Zeiten von Reichenhall her über Psnnzen kommend das in Scheiben gepreßte Salz nach Tegernsee führten.
Dank dem wirtschaftlichen Geschick der Quirinusmönche hatte sich bis zum 13. Jahrhundert das tegernfeeische Klostergebiet zu zehn großen Wirtschaftsämtern ausgegliedert. Warngau, der Hauptort des gleichnamigen Gaues, nahm als Stapelplatz die tegernseeischen Bodenerzeugnisse auf. Was Kloster und klösterliche Meiereien davon entbehren konnten, wanderte zum Austausch ober Verkauf nach Holzkirchen auf den Kloftermarkt.
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Extrahierte Personennamen: Georg Michael Margaret Dumpfseuchte_Moore Georg Margaret Jahrhunderts_Tegerusee Drechsler
10. Kolonisierende und germanisierende Tätigkeit des bayerischen Stammes. 41
vor die Lösung seiner Kulturarbeit gestellt worden, schon im 8. Jahrhundert, als die Sachsen ihre heidnischen Götter noch gegen fränkisches Christentum verteidigten.
Diese Kulturarbeit des bayerischen Stammes erstreckte sich über ein weites, wechselreiches Gebiet: im Norden bis zu den dnnkelbewaldeten Granitmassen des Fichtelgebirges, im Osten zu den weichen Wassern des Plattensees, im Süden, vorbei an hochragenden Firnen und tiefgründigen Schluchten, einerseits zu den Steinwüsten des Karst, anderseits zu den Pforten des Landes, „wo die Zitrone blüht und das blaue Gewässer dämmert unter der Sonne Homers". Das Arbeitsfeld liegt vornehmlich in den heutigen dentsch-öster-reichischen Ostalpenländern tzder Inn erösterreich, in den Landen an der mittleren Donau oder Niederösterreich, in den Landen nördlich der oberen Donau entlang dem Böhmerwalde, ans dem sogenannten Nordgau. Das Ergebnis dieser mehrhnndertjährigeu Tätigkeit war die vorherrschende Geltung des Deutschtums in Steiermark, Kärnten und Kram, die ausschließliche Herrschaft des Deutschtums in Niederösterreich, in der heutigen Oberpfalz, in Teilen von Mittel- und Oberfranken und im Egerlande. Die bayerische Kolonisation griff aber auch über die politischen Grenzen deutscher Herrschaft hinaus und gewann ausgedehnte Gebiete im nordöstlichen Italien, im westlichen Ungarn, im südlichen Mähren, im südlichen und westlichen Böhmen.
* *
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Die zukunftsreichsten Markenländer, Niederösterreich und Jnnerösterreich, sind dem bayerischen Staate verloren gegangen. Der Nordgau ist zum größeren Teile bei Bayern verblieben. Hier, auf dem Nordgau, begann die Kolonisation schon in der Zeit der letzten Agilolfinger: in der Gegend von Cham hatten die Mönche von St. Emmeram schon im 8. Jahrhundert großen Besitz, schon damals erstand hier die „cellaapud Chambe“ (Chammünster). Indes systematisch wurde die Kolonisation erst betrieben seit der markgräflichen Organisierung des Landes durch Karl den Großen.
Bei ihrer Einwanderung hatten die Bayern von dem nördlich der Donau gelegenen Lande nur ein südwestliches Stück in Besitz genommen. Noch bedeckte weitaus den größeren Teil des späteren Nordgaus Urwald, vom Bayerischen Wald im Südosten bis zur Pegnitz im Nordwesten, vom Fichtelgebirge im Norden bis tief herab ins Nabtal. Es genügt hinzuweisen aus die zahlreichen späteren Ortsnamen auf reut, fchwaud, brand, Han, gesell, loh, Wald, sowie auf die Ausdehnung, welche die Urkunden dem Nordwald geben, und auf die örtliche Lage einzelner Rodklöster.
Innerhalb dieses Waldlandes saßen zerstreut Slaven, sowohl Sorbenwenden, die von Norden und Westen her vordrangen, als ernch Tschechen, die Don Osten her einwanderten, ganz besonders in den Flußtälern der Eger, Wondreb und Nab.
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61. Die Austrocknung und Besiedelung des Donaumoores.
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hatten keine Vorgänger in einem ähnlichen Unternehmen. Wir hatten, wenn wir es nach der Größe des Flächeninhalts messen, kein Beispiel in Deutschland. Wir mußten uns die Grundlagen selbst suchen, auf die wir bauen sollten." Als erste, dringendste Aufgabe galt der Kommission die Entwirrung der Ansprüche auf Eigentum und Lehensbesitz im Donaumoore. Sodann glaubte sie die Knltivationsarbeiten dadurch rascher fördern zu können, daß sie die Lehensbarkeit der Moorgründe aufhob und diese ihren Besitzern gegen geringes Entgelt als freies Eigentum überließ.
Um die für die Austrocknnngsarbeiten erforderliche Geldsumme auszubringen war es notwendig eine Aktiengesellschaft zu gründen. Ihr mußten die am Donaumoor teilhabenden Gemeinden und Einzelbesitzer Stücke ihres Grundes abgeben und konnten dafür später verbessertes Land in der Nähe ihres Wohnorts beanspruchen. Die Hälfte der dem Ackerban nutzbar gemachten Flächen aber blieb den Aktionären als Entschädigung für die aufgewandten Kulturkosten überlassen.
Inzwischen vollendete Oberst v. Riedl die Pläne zur Austrocknung des Moores. Er hatte bei ihrer Herstellung sowohl die Ableitung des Wasserreichtums im Innern des Moores und jene der Quellergüsse au feiner Umrahmung als auch die Anlage der nötigen Straßen und Wegbauten vor Augen. Karl Theodor genehmigte schon während dieser vorbereitenden Arbeiten 34000 Mark ans seiner Kabinettskasse.
Im Frühling 1790 ging man an die Ausführung des Projektes. Das rasche und gründliche Vorschreiten der Entwässerung leistete die sichere Gewähr, daß v. Riedl die Ursachen der Moorbildung richtig erkannt hatte und die kürzesten Wege zu ihrer Beseitigung einzuschlagen verstand. Zum Bau der Abzugsgräben für das Wasser zog man anfangs Militär, später gewöhnliche Akkordarbeiter heran. Außer ihnen halfen einige hundert Schulkinder der benachbarten Ortschaften, ferner gefänglich eingezogene Landstreicher oder geringere Verbrecher unter kundiger Aussicht mit. So war man imstande noch im ersten Jahre 2670 Hektar Sumpfland trocken zu legen. Im folgenden Winter wurde der Moorinspektion bereits der Auftrag in den der Aktiengesellschaft zufallenden Anteilen Plätze für Kolonien auszusuchen, welche festen Boden für die Errichtung von Wohnungen böten und von wo aus die Verteilung der Gründe für jede Familie zwanglos die hinreichende Anzahl von Äckern und Wiesen ergeben würde. Zu Beginn des Jahres 1791 waren 10 bis 15 Häuser im Entstehen; große Materialmagazine und eine Ziegelhütte mit Torsbrand wurden errichtet. Dies war der Anfang zur ersten Siedelung im Moor, Karls krön.
Feindlicher jedoch als alle Ungunst der Naturverhältnisse kämpften Neid und Mißtranen in diesen Jahren gegen die Bestrebungen zur Bodeuverbes-seruug und Kolonisation im Donaumoore. Der nicht erwartete Fortschritt der Landgewinnung weckte unberechtigten Eigennutz. Als die Aktiengesellschaft
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Extrahierte Personennamen: Riedl Karl_Theodor Karl Riedl Karls
Extrahierte Ortsnamen: Donaumoores Deutschland Donaumoore Donaumoor Moores Karls Donaumoore
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107. Mit einem Königsherzen.
genden Natur dieser Zug mit dem toten Herzen des geliebten Königs! — Ein Gegensatz, der auf der laugen, zweitägigen Fahrt sich auf allen Wegen wieder aufs neue geltend machte.
Aber auch von den vielen Tausenden, denen der Trauerzug begegnete, störte nicht ein einziger diese feierliche Stimmung. Mit entblößten Häuptern in lautloser Ehrfurcht, meist auch mit gefalteten Händen und im sonntäglichen Kleid standen sie längs den Häusern ihres Dorfes oder sie hatten sich an den Seitenwegen auf freiem Feld und unter Baumgruppen versammelt, während der Kirchturm ihres oft in weiter Ferne abseits liegenden Dorfes sein Trauergeläute zur Landstraße herübersandte. — Und hatte auch gar manche dieser erste günstige Tag auf Feld und Wiese zur lang verschobenen Arbeit verlockt, so hielten sie doch damit ein, sobald sie nur aus der Ferne den Zug gewahrten, und entblößten das Haupt und manch eine Gruppe von Landleuten sahen wir mitten in ihrem Felde niederknien und dem Herzen ihres Königs ihr gläubiges Gebet mit auf den letzten Weg geben: Wenn dann der hochwürdige Stiftsdechant all den großen und kleinen, andächtig harrenden Reihen in den Dörfern, am Feldrain und am Waldsaume die silberne Urne mit dem Trauerflor darhielt, da sah man es den Leuten an den Augen an: das war keine gemachte oder erheuchelte Rührung, sondern der schlichte Ausdruck altbewährter bayerischer Treue und Ehrfurcht für ihr Königshaus, daraus dieses Herz als eines der edelsten für das Wohl und den Frieden des Landes so aufrichtig gesorgt, so wohlmeinend geschlagen hatte.
Auf der Höhe von Neufahrn blickten wir nochmals nach München zurück, das ein sonniger Hauch überwob, und fuhren dann bergab, während der An-zinger Forst in dunkler Fläche hinter dem gleichnamigen Dorfe sich ausdehnte.
Schon auf der Landstraße wurde der Zug in feierlicher Prozession von der Geistlichkeit, den Beamten und dem zusammengeströmten Volke eingeholt und so zogen wir durch das Dorf Anzing und geleiteten unter dumpfen Posaunenstößen das königliche Herz in die Kirche an demselben Försterhause vorüber, in dem es so manches Jahr nach glücklich vollbrachtem Weidwerke bei fröhlichem Mahle sich ergötzt hatte. — Man war in München im Zweifel gewesen, ob sich wohl znr Ehrenwache in Anzing genug Landwehrmänner vorfinden würden, und schon waren zur Vorsorge die Kürassiere zu diesem Dienste beordert. Aber zwei vollständige Kompagnien Landwehr, von je einem Major geführt, von denen die eine von Grasing, die andere von dem fünf Poststunden entfernten Erding aus völlig freiem Antriebe herübergekommen waren und durch das Dorf bis an die Kirche Spalier gebildet hatten, bewiesen deutlich, wie das Volk, das einst den lebenden König so hoch gehalten, nun auch jetzt für fein totes Herz, ohne jeden amtlichen Befehl, aus treuer Liebe von selbst zu sorgen wußte. Nachdem der Stiftsdechant unter Assistenz einer Menge von Geistlichen ans der Umgegend das königliche Herz auf dem würdig verzierten Katafalk beigesetzt hatte, während ein Männerchor nach besten Kräften
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Steub.2 Ludwig Cotta
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103. Eine Fußreise mit König Max Ii.
und gehoben durch die Landschaft. Und während nns früher die Menschen bloß Staffage waren, die Landschaft Hauptbild, wird uns späterhin die Landschaft Hintergrund und das menschliche Treiben fesselt uns als Hauptgruppe. Darum zieht es mich jetzt aus Hohenschwangau, der einsamen Ritterburg, fast allzu häufig zu der modernen Billa bei Berchtesgaden, wo das bunteste Menschentreiben so anmutig Tal und Matten belebt."
Über solche Dinge pflegte der König sinnig nachzudenken und fein sich auszusprechen. —
König Max liebte es den Cicerone zu machen, den Weg zu führen, versteckte Schönheiten, die er früher entdeckt, anderen zu zeigen und sich an ihrer Überraschung zu erfreuen. Jeder echte Wanderer hat ein Stück von dieser Leidenschaft des Cicerone, mag er nun Landschaften, Kunstwerken, Altertümern nachgehen oder dem gegenwärtigen Volksleben, und wir wandern darum jeden feffeluden Weg am liebsten zweimal: zuerst allein um selbständig zu suchen und zu fiuden und dann mit Freunden um ihnen das Gefundene wie unser Eigentum zu zeigen. Mehrmals sagte mir der König unterwegs, da ich in meinen Büchern den Wald so kräftig verteidigt habe, so wolle er mich nun auch selbst durch seine Wälder führen und mir ihre heimliche Pracht entdecken.
Bei einem Nachtlager aus dem Brunnenkops hatten wir uns abends in den nahen Wald zerstreut; der Köuig war arbeitend in dem Jägerhäuschen zurückgeblieben, wo ihn Depeschen aus München festhielten, als plötzlich ein prächtiges Alpenglühen von den Tiroler Bergen in sein Fenster herüberleuchtete. Sofort eilte er in den Wald und suchte uns, laut rufend, im Dickicht und ruhte nicht, bis er uns alle beisammen hatte, um uns „sein Alpenglühen", wie er's nannte, zu zeigen. Er hätte einen Bedienten nach uns schicken können, aber die Entdeckerfreude will sich selber mitteilen und mag keinen Bedienten.
Am liebsten speiste der König im Freien, an einem weittragenden Aussichtspunkte oder am Gestade eines Sees, unter der Linde, in tiefer Waldeinsamkeit, aber auch am Rande einer belebten Landstraße, gleichviel, wenn der Ort nur ein malerisches Bild bot. So haben wir am vorletzten Reisetage im lauschigsten Waldesdnnkel hinter der Hnkener Klamm Tasel gehalten und am letzten unmittelbar neben der Reichenhall-Berchtesgadener Chaussee bei der Schwarzbach-wacht. Bei unserer unberechenbaren Art zu reisen hing es aber von hundert Zufällen aß, ob wir mittags oder abends zu dem ausgewählten schönen Punkte gelangten. Daher ein steter Wechsel von Hunger und Entbehrung und von Überfluß, der bei so vielerlei Strapazen eben doch nicht überflüssig war. Der König allein empfand jene Entbehrungen nicht; er aß äußerst wenig, trank noch weniger und hatte von dem richtigen Wanderhunger eines gefunden Fußgängers eigentlich gar keinen Begriff. Geschah es doch einmal, daß wir von morgens sieben bis abends sieben fuhren, ritten und stiegen ohne einen Bissen oder Tropfen über die Lippen zu bringen. Dafür tafelten wir dann auch -abends hoch oben unter der obersten Felskuppe des Wendelsteins bei der
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Extrahierte Personennamen: Max_Ii Max Max Max Klamm
125. Einnahme von Orleans.
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Die 2. und 4. Kavallerie-Division begleiteten auf beiden Flügeln, die 6. sollte westlich die Flanke sichern.
Nördlich von der Loire erstreckt sich die eintönige, aber fruchtbare Landschaft der Beauce, der
Kornkammer von Paris. Diese „schöne Au", eine leicht gewellte Ebene, erzeugt uns ihrem weichen, unerschöpflich tragfähigeu Tonboden die herrlichsten (Getreide-ernten und nährt einen bedeutenden Viehstand, besonders Pferde und Schafe. Daher liegt Dorf an Dorf, Ferme an Ferme; die Bevölkerung ist dicht und wohlhabend, doch selbst ihre Landsleute urteilen über sie ungünstig. Für den großen Krieg eignet sich das Land wenig; die Gegend ist schwer zu übersehen, der starke Anbau hindert die Truppenbewegungen, beherrschende Punkte gibt es kaum. Weder die Artillerie noch die Kavallerie vermögen sich dort recht Zur Geltung zu bringen und der Kamps muh sich meist in kleineren Gefechten von Ort zu Ort hinziehen.
Unter den zahlreichen Städten ist die wichtigste das nur 270 km Don Paris entfernte altberühmte Orleans, am rechten Ufer der prächtigen, schiffbaren Loire, mit den Vorstädten auf dem linken Ufer durch eine schöne, über 300 m lauge Brücke verbunden. Reich an stattlichen Bauten, ein Hauptsitz der Industrie, mit wissenschaftlichen Anstalten ausgestattet und umgeben von breiten Boulevards, erfreut sich die Stadt mit ihren mehr als 50000 Einwohnern eines blühenden Wohlstandes und vermittelt den Verkehr des Südens mit dem Norden und namentlich mit Paris.
General von der Tann stieß auf das erste der neu aufgestellten französischen Korps, das Xv., unter de la Motterouge, das 128 Geschütze und 60000 Leute, fast nur junge Mannschaft, zählte. Trotz feiner Stärke wich der Feind, in seinen Flanken von der Kavallerie umklammert, nach längerem, für ihn verlustreichem Gefecht bei Artenay (10. Oktober) vor den ersten drei bayerischen Brigaden. Der Rückzug wurde so fluchtartig, daß Motterouge das nördliche Loireufer zu räumen beschloß.
Am folgenden Tage marschierte Tann in breiter Front nach Süden gegen Orleans. Die 22. Division auf dem rechten Flügel geriet zuerst au den Feind und stürmte nach langem Gefecht das etwa eine Stnnde nordwestlich von Orleans gelegene verschanzte Dorf Ormes, konnte dann aber nur
Frontmarsch der Bayern von Artenay gegen Orleans.
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