Vorwort.
Mas „Lesebuch für Fortbildungs-, Fach- und Ge-
^ Werbeschulen" besteht aus einem allgemeinen Seile (A)
und einem besonderen Teile (E>).
Teil A saßt die gemeinschaftliche Bildungsgrundlage für alle
Zöglinge ins Auge und eignet sich zur Einführung in Fortbildungs-,
Fach- und Gewerbeschulen jeder Art. Teil B, der für die einzelnen
Berufe und Berufsgruppen noch besonders geeigneten Lesestoff bringt,
ist bestimmt, in den fachlich gegliederten Schulen den allgemeinen Teil
zu ergänzen.
Entsprechend der Aufgabe der Fortbildungsschule, einerseits mit-
zuhelfen an der Ausbildung der Schüler für einen bestimmten Beruf
und sie andererseits tüchtig zu machen für ihre Stellung in der menschlichen
Gesellschaft, bringt der allgemeine Teil in seinem ersten Abschnitte
Lesestücke aus den vielgestaltigen Entwicklungsstufen und Erscheinungs-
formen des Erwerbslebens, während der zweite Abschnitt den Schüler
zur rechten Würdigung des Lebens in den sozialen Verbänden, in
Familie, Gemeinde und Staat, führen soll.
Um den Bedürfnissen der schulen in den verschiedenen Landes-
teilen gerecht zu werden, haben wir das Lesebuch so eingerichtet, daß
Abschnitt B, Iii (Im engeren Vaterlande) durch einen den heimatlichen
Verhältnissen der betreffenden Länder oder Landesteile angepaßten Ab-
schnitt ersetzt werden kann.
Bei Auswahl der einzelnen Lesestücke find wir von dem Gesichts-
punkte geleitet worden, daß das Lesebuch weder den Lehrer ersetzen, noch
die ini Unterrichte zu gebenden Belehrungen bieten kann. Es soll viel-
mehr dem Schüler zu einer vertieften und verklärten Auffassung der
beruflichen und gesellschaftlichen Verhältnisse verhelfen, den Unterricht
also lediglich unterstützen und ergänzen. Trockene Belehrungen, leit-
fadenmüßige Beschreibungen und gelehrte Abhandlungen find daher
von der Aufnahme in das Lesebuch grundsätzlich ausgeschlossen worden,
dagegen haben wir Wert auf solche Lesestücke gelegt, die durch lebens-
volle, anschauliche und packende Darstellung das Interesse des Schülers
zu erregen und dauernd zu fesseln vermögen.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
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und dem wir alle seine Wohltaten zuweilen mit schnödem Undank gelohnt
hatten. Fest und innig umschloß des Lehrers Hand die meine, und
tief blickte er in meine von Tränen überströmenden Augen, als wollte
er die Gedanken erraten, die auf dem Grunde des jugendlichen Herzens
schlummerten. Wie lange wir so Hand in Hand und Auge in Auge
einander gegenübergestanden haben, vermag ich nicht zu sagen. Erst
die tiefbewegte Stimme des Lehrers befreite mich von dem Banne, der
mich gefesselt hielt, und nie werde ich den Segenswunsch vergessen, den
er mir zurief: „Gott bewahre dir dein kindlich dankbares Gemüt und
deine reine Seele!" Mir war die Kehle in diesem Augenblicke wie
zugeschnürt, und nur ein leises, schluchzendes „Behüt' Sie Gott!" dem
Lehrer zurufend, stürmte ich leidenschaftlich erregt zur Türe hinaus.
In dieser Stimmung war es mir unmöglich, sofort nach Hause zurück-
zukehren und alle die neugierigen Fragen meiner kleinen Geschwister zu
beantworten. Ich wandte mich daher nach der entgegengesetzten Seite
und schlug einen schmalen, schattigen Pfad ein, der mich zu einem
kleinen, von grünem Laubholz umkränzten Waldsee führte. Hier am
Ufer des Sees warf ich mich auf das dichte, schwellende Moos des
Waldbodens und ließ noch einmal alle die schönen, freudvollen Tage
meiner Schulzeit vor meinem geistigen Auge vorüberziehen. Aber nicht
nur der so sorglos und friedlich verlebten Vergangenheit gedachte ich in
diesem Augenblicke, ich richtete meine Blicke auch in die noch dunkel vor
mir liegende Auknnft. M. Ebeltng, Maurerbursche in Neustrelitz.
3. Das Handwerk.
Lin Handwerk soll der Bub' nicht
treiben;
denn dazu ist er viel zu gut.
Lr kann so wunderniedlich schreiben,
ist so ein feines, junges Blut.
Nur ja kein Handwerk — Gott be-
wahrel
Das gilt ja heute nicht für fein:
„Und wenn ich mir's am Munde spare,
es muß schon etwas Beff'res sein!"
Das ist der wunde Punkt der Zeiten:
ein jeder will aufs hohe Pferd;
ein jeder will sich nobel kleiden,
doch niemand seinen Schneider ehrt.
Der Hände Arbeit kam zuschanden
der Arbeitsbluse schämt man sich;
das rächt sich noch in deutschen Landen,
das rächt sich einmal bitterlich.
Das Handwerk hat noch gold'nrn
Boden,
hält es nur mit dem Zeitgeist Schritt,
folgt es den Künsten und den Moden,
und bringt man Liebe zu ihm mit.
wenn Bildung sich und Fleiß ver-
mählen
und tut der Meister feine Pflicht,
mögt ihr es zum Beruf erwählen:
es ist das Schlechteste noch nicht.
Deutsche Töpferzeituuz.
4. Die Berufswahl.
„Für einen Bauer ist er zu schwächlich, wird halt ein Pfarrer
oder ein Schneider werden müssen!" Das war das Ergebnis der Be-
ratung, die eines Abends über mich in der Stube des Waldbauern
abgehalten wurde. Meine Mutter ging zu dem Geistlichen, Hilfe
i*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
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24. Trinker-Ausreden.
Eine der Hauptursachen der Krankheiten ist die Unkenntnis des
Volkes in gesundheitlichen Fragen. Die große Menge, ob gebildet
oder ungebildet, lebt nach Grundsätzen und Anschauungen, die die
Gesundheit untergraben.
Ein Kernpunkt der Lebenskunstist die Ernährung, die richtige
Auswahl von Speise und Trank. Über kein Gebiet aber herrschen
so viele und so große Irrlehren wie über die Frage: Was soll der
Mensch trinken? Wissenschaftliche Tatsachen, die tägliche Erfahrung,
das Handgreiflichste wird auf den Kopf gestellt, um dem Genusse von
Wein, Bier und Branntwein mit Gewissensruhe frönen zu können.
Welche Ausreden sind es denn, womit der Trinker sein
Gläschen beschönigt? „Ich habe Durst", sagt der eine. Und doch
* hat er schon oft erlebt, wie er nach einem fidelen Abend, an dem er
mit so und so viel Glas den Riesendurst bezwungen, nachts vor
Durst erwacht und gierig nach der Wasserflasche greift. Der Alkohol,
den er im Wein, Vier und Schnaps zu sich genommen, hat im
Körper den Wassergehalt vermindert und sein Flüssigkeitsbedürfnis
gesteigert. Er will sich mit Wein und Bier den Durst stillen,
obwohl er längst erfahren hat, daß Alkohol Durst erzeugt. Wer
würde an einem Abend 5 bis 10 Seidel Wasser trinken? Es ist
unmöglich; denn der Durst wäre schon nach dem ersten Seidel gefüllt.
„Ich friere, mir ist zu kalt — ich muß mich durch ein
Gläschen wärmen", sagt ein anderer, und doch belehrt ihn das Thermo-
meter, daß bei Genuß von Wein, Bier und Branntwein die Blut-
wärme sinkt. Der Alkohol lähmt gewisse Teile des Gehirns, sodaß
die Blutgefäße der Haut sich erweitern und eine Blutflut zur Haut
entsteht; dies zeigt das rote Gesicht und das scheinbare Gefühl der
Erwärmung. Diese Täuschung ist die Ursache des Erfrierens all
jener Unglücklichen, die durch ein Schnäpschen sich Wärme zu schaffen
versuchten; denn die Blutflut in der Körperoberfläche gibt leicht ihre
Wärme an die kalte Umgebung ab, bis das Blut immer mehr und
mehr sich abkühlt. Sonderegger sagt in seinem trefflichen Buche
„Vorposten der Gesundheitspflege": „Ich wunderte mich über die
Fuhrleute in Kasan, die zu Hunderten den Frachtverkehr besorgen,
wie sie bei einer Kälte von 30 bis 35* C Tag und Nacht auf den
Beinen sein können und, um von Staüon zu Staüon zu gelangen,
stets mehrere Stunden unterwegs sein müssen. Meistens sind diese
Fuhrleute Tataren, die mit höchst seltenen Ausnahmen genau nach
dem Koran leben und keine geistigen Getränke genießen. Diesem
Umstande ist meines Erachtens ihre Ausdauer, ihre körperliche
Frische und ihre große Willenskraft zuzuschreiben." Es erfroren
bekanntlich Karl Xii. auf einem kurzen Zuge nach Gladitsch 3000
bis 4000 Mann, die sich mit Branntwein gegen die Kälte gestärkt
hatten. Seit langem ist den russischen Soldaten bei Wintermärsche rr
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Extrahierte Personennamen: Sonderegger Karl_Xii Karl
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der Wutki strengstens untersagt. Die Nordpolfahrer Weyprecht, Roß,
Nansen und andere bekunden übereinstimmend, daß man nur bei
Meldung alles Alkohols gegen die große Kälte gewappnet sei.
„Aber mir ist so schrecklich heiß/ erwidert mir ein anderer,
„ich trinke gegen die Hitze." Der Sprecher scheint keine Erfahrung
über Strapazen in der Hitze zu haben. Livingstone, der Jahrzehnte
im heißen Afrika zubrachte, schreibt: „Ich habe über 20 Jahre
nach dem Grundsätze der völligen Enthaltsamkeit gelebt; meine
Meinung ist, daß die schwersten Arbeiten, die größten Strapazen
ohne alkoholische Getränke ertragen werden können." Dasselbe be-
stätigen andere Afrikareisende, wie Peters, Emin Pascha, Graf v. Götzen,
Stanley u. a. Es gibt in den Tropen keinen besseren Zustand für den
Europäer als gänzliche Enthaltsamkeit von allen geistigen Getränken.
„Ich muß schwer arbeiten und brauche den Schnaps, den
Wein und das Bier" — so reden diejenigen, die von Jugend aus
gewohnt sind, die Flasche mit zur Arbeit zu nehmen und die noch
nie gehört haben, daß Alkohol nicht stärkt, sondern nur antreibt,
indem er das Müdigkeitsgefühl betäubt. Alkohol ist stets nur
„Peitsche", nie aber „Hafer". „Die augenblickliche Stärkung ist ein
Pendelschlag," sagt Prof. Binz, „dem naturgemäß der entsprechend
starke Ausschlag nach der anderen Seite folgt; der Gegenausschlag
aber ist die Lähmung." Überall, wo große, andauernde körperliche
Arbeit geleistet werden soll, wird der Enthaltsamkeit gehuldigt. Rad-
fahrer, Schwimmer, Reiter, Ruderer leben während ihrer Trainier-
zeit ohne Alkohol, um ihre Leistungsfähigkeit aufs höchste zu spannen.
„Nehmt keinen Alkohol, wenn ihr einen Treffer erzielen wollt", sagen
die Schweizer Schützen und leben wochenlang vor dem Preisschießen
enthaltsam. — „Gebraucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Ball-
spieler sein wollt", sagte Grace, der Meister von England. —
„Gebraucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Fußgänger sein wollt",
sagte Weston, der die halbe Welt zu Fuß bereift hat. — „Ge-
braucht keinen Alkohol, wenn ihr ein guter Reiter sein wollt", sagte
Houlan, der alle Reiter hinter sich' ließ. — „Gebraucht keinen
Alkohol, wenn ihr ein guter Schwimmer sein wollt", sagte Kapitän
Webb, der den Kanal durchschwommen hat. — Nur du allein sagst:
Ich bringe meine Arbeit ohne Alkohol nicht fertig.
Was man als erregende Wirkung des Alkohols ansah, hat die
Wissenschaft als Lähmung erwiesen: Der rote Kopf und die blaue
Nase des Trinkers sind nur eine Folge von Lähmung der Nerven
und der Muskeln.
„Aber ich bin schwach und muß mich stärken, ich brauche
ein kräftiges, gutes Nährmittel, darum trinke ich Wein und
Bier." Und dazu benutzt du ein Gift?! Alkohol ist ein schweres
Gift für den Menschen; dies ist eine allgemein anerkannte wissen-
schaftliche Tatsache. Früher schrieb man dem Alkohol fälschlicher--
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T104: [Nil Meer Wüste Afrika Küste Land Sahara Gebiet Sudan Fluß]]
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Mit der Arbeit ging es natürlich ebenso rasch zurück wie mit dem
Neiße; die besten Kunden verlor er bald, und die Zechgenossen waren
sehr unsichere Käufer und schlechte Zahler. Kein ordentlicher Gesell hielt
es bei ihm aus, und der Lehrjunge trieb dumme Streiche.
Das war der schlimme Anfang vom bösen Ende. Die Frau bekam
die Schwindsucht und starb, kaum 30 Jahre alt, in Gram und Kummer.
Drei arme Kinder standen an ihrem Totenbette, ein viertes lag hilflos
in den Windeln.
Eine Zeitlang schien es, als ob das Unglück, wie er es nannte, ihn
aus feinem wüsten Leben aufgeschreckt und zur Einkehr gebracht hätte.
Man sah ihn einige Wochen in keinem Wirtshause; aber in die Kirche
ging er auch nicht. Um sich zu zerstreuen und sich zu trösten, besuchte
er dann den Kegelklub wieder. Bald war er wieder ein Stammgast
seiner Vereine in alter Weise. Das hielt er aber nicht lange mehr aus;
sein Besitztum war überschuldet, seine körperliche und auch die geistige
Kraft ganz erschöpft. Die Gemeinde mußte sich seiner unglücklichen
Kinder erbarmen; sie erhielten als Pflegekinder eine armselige Unterkunft
bei herzlosen Menschen. Ein Jahr nach dem Tode der Mutter brach
bei dem Vater der Wahnsinn aus; er wurde ins Irrenhaus gebracht. —
Das ist die Geschichte von Tausenden! Wie man's treibt, so geht's.
Nach Meister Konrads Werkstatt.
52. Mäßigkeit.
Joachim Nettelbeck erzählt in seiner Lebensbeschreibung folgendes
Vorkommnis, das sich in Lissabon im Jahre 1780 zutrug, als er
Rückfracht für sein Schiff suchte:
Eines Tages sprach mich ein portugiesischer Kaufmann in Be-
gleitung eines deutschen Handlungsdieners auf der Börse an und bat
mich höflichst, zu Mittag sein Gast zu sein; nach Verlauf der Börsen-
zeit werde er mir einen Wink geben, mit ihm zu gehen. Ich sagte
zu und hatte den Mann im Gewühl kaum aus den Augen verloren,
als mehrere Schiffskapitäne aus meiner Bekanntschaft, die das mit
angesehen hatten, mich mit Fragen bestürmten, ob dieser Mann mir
etwa bekannter sei als ihnen, die er gleichwohl wie mich zu Tische
geladen habe. Ich mußte das schlechterdings verneinen und war
gleich ihnen über seinen Einfall einigermaßen verwundert. Das
hinderte jedoch nicht, daß wir nach geendigter Börsenstunde zusammen-
gerufen wurden. Es waren unsrer neun Schiffskapitäne im buntesten
Gemisch: Dänen, Hamburger, Lübecker, Schweden, Schwedisch-Pommern
und Danziger. Auch fanden wir, als wir im Hause unsers Gast-
gebers anlangten, dort bereits mehrere Kaufleute versammelt und ein
schmackhaftes Mahl bereitet, wobei zugleich tapfer getrunken wurde;
denn unser Wirt verstand die Kunst des Zunötigens aus dem Grunde,
und so artete es nach aufgehobener Tafel bald in ein Gelage aus,
wo weder Maß noch Anstand mehr beobachtet wurde. Bei mir, der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand]]
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Hnb nun bedenke man noch, daß diese Maschinen heutzutage
in Tausenden von Exemplaren in der Xdclt verbreitet sind, dann
wird man sich einen Begriff machen können von der Bedeutung,
welche die Zündhölzchenindustrie in unserer Zeit erlangt hat.
wir sehen, das kleine Zündhölzchen, das rasch vergängliche, hat
eine ruhmreiche Geschichte; es ist eine bewundernswerte Leistung des
Menschengeschlechts; in ihm steckt eine ungeheure Lumme scharf-
sinniger Geistesarbeit. Der Neger hat recht, wenn er beim Anblick
des seltsamen Dinges, das Licht und Feuer sprüht, ausruft, es sei
ein Zauber; denn das kleine Hölzchen übertrifft sicher die wunder-
baren Aünste der alten Magier. «. ga[ten^orft.
67. Hand und Maschine.
Wenn der Mensch seinen höchsten Vorzug vor dem Tiere in seinen
geistigen Gaben erkennt, so darf er doch über jenen herrlichsten Geschenken
ein anderes nicht undankbar übersehen, durch das er sein Leben erhält
und schmückt, die Hand.
Dieses so einfach scheinende, so zweckmäßig und kunstvoll gebaute
Glied befriedigt ihm die notwendigsten Bedürfnisse. Die Hand sammelt
Nahrung und führt sie zum Munde, sie fertigt das weiche Gewand, baut
die stattliche Wohnung und verteidigt ihn gegen die gefährlichsten Feinde.
Fast jede Einwirkung des Menschen auf die umgebende Natur geschieht
durch die Hand. Die Sprache selbst erkennt dies an, indem sie die
menschlichen Werke im Gegensatz zu den Schöpfungen der Natur als
Werke der Menschenhand bezeichnet.
Doch in neuerer Zeit hat der Mensch einen anderen Gehilfen ge-
funden, welcher der Hand viele Arbeit abnimmt: die Maschine. Wohin wir
blicken, arbeitet die Maschine. Sie pflügt, sät, drischt, sie spinnt, webt,
strickt, näht; sie bewegt das Dampfschiff und das Dampfroß, daß sie mit
Windeseile dahinsausen; sie fertigt Papier und bedruckt es, daß in wenig
Stunden die Ereignisse des Tages oder die Gedanken der bedeutenden
Männer Tausenden durch die Zeitungen kund gegeben werden; selbst
Bilder bringt sie hervor im photographischen Apparat. Diese vielfache
Anwendung der Maschine läßt annehmen, daß sie wesentliche Vorteile
bietet. Vor allem ist es die Gleichmäßigkeit, durch welche sie die größte
Sorgfalt des Menschen übertrifft. Man nehme z. B. eine Teilmaschine;
sie macht einen Maßstab genau wie den andern. Die Rädchen, welche
zur Uhrenfabrikation von der Maschine gefertigt werden, sind einander so
gleich, daß man sie gegeneinander austauschen kann. Dann kommt die
Schnelligkeit in Betracht, die der Mensch nicht erreichen kann. Eine
Nähmaschine näht wohl zehn und mehr Stiche in der Zeit, in welcher
die Hand der geübten Näherin einen Stich macht. Wo die Maschine
nicht wesentlich schneller arbeitet als die Menschenhand, vermag sie dadurch
Größeres zu leisten, daß sie eine große Anzahl von Stücken zu gleicher
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung]]
122
schälten die Pflöcke und verwandelten sie in eine mehlartige
Masse. Diese wurde in einem großen Bottich mit allen anderen
Bestandteilen, die zur Herstellung des Papiers notwendig sind,
vermischt. Der Brei kam nun in die Papiermaschine. Um
9 Uhr 20 Minuten ging der erste Bogen Papier fertig aus der
Maschine hervor. Die beiden Fabrikanten sprangen in bereit-
stehende Wagen und fuhren mit dem Bogen in eine vier Kilo-
meter entfernte Zeitungsdruckerei. Der Satz stand in Bereit-
schaft, um 10 Uhr druckte man und hatte im Nu eine Zeitung
vom Tage und mit dem Datum des Tages in der Hand. Es
war also nur eine Zeit von 2 Stunden 25 Minuten notwendig
gewesen, um einen lebenden, blühenden Baum in eine Zeitung
zu verwandeln. Dabei wären noch 30 Minuten zu sparen ge-
wesen, wenn sich nämlich die Zeitungsdruckerei in nächster
Nähe der Papierfabrik befunden hätte.
Auf diese großartige Erfindung, die rauschenden Bäume
des Waldes in Zeitungsblätter zu verwandeln, braucht sich in-
dessen die moderne Welt nicht viel einzubilden. Zu allem
Papier unserer Zeit wird ja vorwiegend Holzfaserstoff verwendet,
und das Papier ist schön und glatt und seidenartig; die schönsten
und zärtlichsten Dinge lassen sich darauf schreiben, welche die
Herzen entzücken, und mächtige, weltbewegende Dinge lassen
sich darauf drucken, die die Geister entflammen. Aber dieses
Papier aus Holzfaserstoff ist nicht dauerhaft. Vier, fünf Jahre,
und es ist eine fettige, braune Masse. Zehn Jahre, es wild
brüchig und beginnt zu zerfallen. Zwanzig Jahre — was wird
da sein ? So alt ist der allgemeine Gebrauch des Holzstoffs noch
nicht. Aber wenn er so alt sein wird? Was wird da geschehen?
Alle diese Massen von Zeitungen, die einen so treuen Spiegel
ihrer Zeit bildeten, eine so unerschöpfliche Fundgrube zum Studium
der Dinge und Menschen in einer großen Kulturepoche bilden —
sie werden einfach zerfallen. Zerfallen werden die unzähligen
Bücher, die man in den Bibliotheken anhäuft, alle die welt-
erschütternden Dramen unserer jungen Dichter, alle ihre Verse
werden zerfallen. —
Vor wenigen Tagen machte ich einen merkwürdigen Spazier-
gang durch die Jahrhunderte. Ich erging mich in dem Prunk-
saal der Wiener Hofbibliothek. Dort sind jetzt die Bücherschätze
von Jahrhunderten ausgestellt, namentlich aus dem Gutenberg-
Zeitalter. Man kann da sehen, wie die Bücher und Flugschriften
beschaffen waren, bevor der Junker Johann Gensfleisch von
Sorgenloch zum Gutenberge die zerlegbaren Typen erfand, man
kann seine herrliche 42zeilige Bibel bewundern und viele Bücher,
die nach ihr kamen. Und das Papier der berühmten Bibel ist
heute, nach fünfthalb Jahrhunderten, glatt, schön und rein, ohne
Flecken, ohne Risse und Brüche. Mit ihrem gelblich-weißen
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T147: [Jahr Erfindung Buch Gutenberg Buchdruckerkunst Johann Mainz Zeit Buchstabe Jahrhundert], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T110: [Tag Jahr Stunde Nacht Monat Uhr Zeit Winter Sommer Juni], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk]]
Extrahierte Personennamen: Johann_Gensfleisch_von
Sorgenloch Johann
125
welche Gefahren überwunden werden! Welche Handelsgeschäfte waren
durch Geschäftsreisen, Briefwechsel, Buchführung und Geldverkehr
durchzuführen! wie viel geistige Arbeit war unablässig auf die Ver-
vollkommnung aller Arbeitsvorgänge gerichtet! wie viele Millionen
wenschen waren mit irgend einem Handgriffe, mit irgend welcher
Tätigkeit an der Bollendung dieses einen Regenschirmes beteiligt!
Bedenkt man nun gar, was alles erforderlich war, uni die un-
ermeßliche Wenge der aufgeführten Hilfsmittel zu schaffen, deren
Borbereitung oft in ferne Zeiten zurückgreift, so kann man eine Bor-
stellung von dem gewaltigen Getriebe der Weltwirtschaft erlangen,
durch die sich der wensch die Naturkräfte und Naturerzeugnisse des
ganzen Erdballs dienstbar macht. Wan vergleiche mit dieser Welt-
wirtschaft die Einzelwirtschaft des wilden, der alle feine Bedürfnisse
seiner nächsten Umgebung entnimmt und selbst anfertigt, seine Hütte,
seine Nahrungsmittel, seine Werkzeuge, seine Waffen, seine spärliche
Kleidung, seinen Schmuck und selbst seine Götzen. Nack Launhardt.
Nelrriebsrnittet.
Die Ersetzung des Werkzeuges durch die
Maschine, bei der die bewegende Kraft
nicht mehr von Menschen ausgeht, hat eine
vollständige Umgestaltung der Technik des
Produktionsvorganges hervorgerufen.
E. v. Philippovick-
62. Im Arbeilsraum einer Fabrik.
Das Gebäude, in dem ich tätig zu sein hatte, war bequem, hell,
luftig und geräumig angelegt. Es hatte die Höhe eines zwei- bis drei-
stöckigen Hauses und erinnerte mich immer an das Innere einer Kirche.
Es hatte keine Etagen. Man konnte in der Mitte des Raumes bis
hinauf zum Dache sehen, das zum großen Teil aus Glasplatten bestand,
um mehr Licht hereinzulassen. An den beiden Langseiten liefen je zwei
übereinander gebaute breite Emporen hin, zu denen von unten steile
einfache Holztreppen hinaufführten, die namentlich bei großen Trans-
porten beschwerlich zu überwinden waren. Aus der einen Empore befand sich
der Versuchssaal, wo eben vollendete Maschinen ausprobiert wurden, und
wohin der Zutritt der großen Verunglückungsgefahr wegen nur denen ge-
stattet war, die einen Auftrag dorthin hatten. In einem andern Teile
war der Drehersaal. Die übrigen Emporen standen augenblicklich fast
leer. Denn der eine Zweig unsrer Maschinenproduktion, der hier seinen
Sitz hatte, lag sehr danieder. Auf dem östlichen Ende und der dortigen
Schmalseite des ganzen Baues fehlten die Emporen bis auf eine einzige
kleine ganz; dadurch war ein weiter, geräumiger Platz geschaffen, lichter
und freundlicher — gleich dem Altarplatze einer Kirche. Und wo in unsern
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
167
gangszeit, die vom Klein- zum Großbetriebe hinüberführt. Hat es
solche Übergangszeiten schon früher gegeben? War das Handwerk die
ursprünglichste Betriebsart? Die Geschichte und die Völkerkunde be-
antworten diese Fragen dahin, daß man im ganzen fünf gewerbliche
Betriebsarten unterscheiden kann, nämlich das Hauswerk, das Lohnwerk,
das Handwerk, den Verlag und die Fabrik.
Das älteste und ursprünglichste Betriebssystem war das Haus-
werk. Wollen wir dieses kennen lernen, so müssen wir bis in die
Zeit der alten Deutschen zurückgehen oder auch die Beschäftigung solcher
Völker kennzeichnen, die wirtschaftlich noch auf derselben Kulturstufe
stehen wie die alten Deutschen.
Der norwegische Bauer z. B. ist nicht bloß wie der westfälische
Hofschulze sein eigner Schmied und Schreiner; er baut auch sein Holz-
haus selbst, fertigt seine Ackergeräte, Wagen und Schlitten, gerbt das
Leder, schnitzt „mancherlei hölzernes und schmiedet selbst sein metallenes
Hausgerät. Ähnliche Zustände herrschen noch in der Bukowina. Im
kleinen Kreise der Familie oder doch nur innerhalb der Dorfgrenzen
besorgt der Bukowiner Landbewohner sich alle seine Lebensbedürfnisse
selbst. Beim Bau des Hauses versteht es der Mann in der Regel,
die Arbeiten des Zimmermanns, Dachdeckers und dergl. zu versehen,
während das Weib das Bemörteln der geflochtenen und gestockten
Wände oder das Dichten der Blockwandfugen mit Moos, das Stampfen
des Fußbodens und viele andere einschlägige Arbeiten übernehmen muß.
Vom Anbau der Gespinstpflanze oder von der Aufzucht des Schafes
an bis zur Fertigstellung der Bett- und Kleidungsstücke aus Leinen,
Wolle oder Pelzwerk, Leder, Filz oder Strohgeflecht erzeugt ferner
das Bukowiner Landvolk alles, selbst die Farbstoffe, aus eigens ge-
zogenen Pflanzen sowie die nötigen, allerdings höchst primitiven Hand-
werkszeuge. Und so ist es im allgemeinen auch mit der Nahrung.
Mt ziemlich bedeutender Mühe pflegt der Bauer sein Maisfeld, stellt
er auf der Handmühle das Mehl her, das er zum Backen seiner Haus-
kost verwendet. Auch seine einfachen Ackerwerkzeuge, die Gefäße und
Geräte für Wirtschaft und Küche weiß er herzustellen. Nur die Be-
arbeitung des Eisens, das aber die eingeborene Bevölkerung nur in
äußerst geringen Mengen verbraucht, überläßt er im allgemeinen den
im Lande zerstreut lebenden Zigeunern. — Wie in Norwegen, in der
Bukowina und in anderen Ländern noch heute im Hause alle zum
Leben nötigen Geräte und Waren selbst erzeugt und nur im Hause,
m der Familie verwendet und verbraucht werden, so war es auch in
den ältesten Zeiten bei uns. Der Erzeuger war zugleich der Ver-
braucher, und diese Art des gewerblichen Betriebes wollen wir mit dem
Namen Haus werk bezeichnen. War der Bedarf ein sehr mannig-
faltiger, so reichten die Hände der Familie zur Erzeugung der nötigen
Güter nicht aus; dann wurde die Familie durch Aufnahme von
Sklaven und durch Ansetzung von Hörigen künstlich erweitert.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide]]
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Streusand in acht, es ist ein widerlicher Anblick, wenn er so umherliegt
wie aus Ihrem Pulte."
Herr Mohrseld war an seinen Platz gekommen, den eine Barriere
von dem Saale schied, er deutete mit der Hand auf mich und auf einen
Stuhl und wendete darauf seine Aufmerksamkeit einer Menge von Briefen
zu, die seiner Ankunft harrten.
Eine tiefe Stille herrschte, die nur durch das eintönige Gekritzel der
Federn unterbrochen wurde, kein lautes Wort ward vernommen, und selten
hörte man hier und da ein unterdrücktes Zischeln. Von mir nahm kein
Mensch Notiz, keine Frage ward an mich gerichtet, ja nicht einmal ein
neugieriges Auge ruhte auf mir.
Der Kaufmann hatte die Durchsicht der Briefe beendet, er rief mehrere
junge Männer herbei und beauftragte sie mit ihrer Beantwortung.
„Um 1 Uhr muß alles zur Unterschrift fertig sein! — Sie, Herr Becker,
müssen sich vorsehen, damit Sie in den ftanzösischen Briefen nicht wieder
wie neulich Fehler einschleichen lassen. Sie arbeiten zu schnell, zu flüchtig;
nehmen Sie Herrn Horst zum Muster, seine englische Korrespondenz ist
eine Musterkorrespondenz. Übrigens merke ich bei Ihnen seit kurzem eine
Neuerung, die nichts taugt. Sie schreiben einen wunderlichen, Phrasen-
haften Stil und brauchen mitunter drei Zeilen, wo drei Worte ausreichen.
Unterlassen Sie das! Dergleichen Wortprunk ist überall eine Narrheit,
bei einem Kaufmann ist er es doppelt; aber das kommt von den un-
finnigen neuen Romanen und Almanachen, die Sie unaufhörlich lesen, die
Sie noch für jede solide Beschäftigung unfähig machen werden. Ich habe
Sie gewarnt, seien Sie auf Ihrer Hut!"
Das waren glänzende Aussichten! Welche Aufnahme konnte ein
Romanschreiber von einem Manne erwarten, der solche Ansichten hegte?
Zum Überfluß wandte sich noch Herr Mohrfeld in diesem Augenblicke zu
mir und sagte ziemlich kurz: „Nun, mein Herr, an unser Geschäft!"
„Zu Befehl!" stotterte ich und überreichte ihm meinen Brief; aber
-roch hatte er denselben nicht geöffnet, als wir durch einen dritten unter-
brochen wurden.
„Sieh da! Guten Morgen, Herr Kapitän Heysen!" rief der Kaufmann
lebhaft. „Sie kommen wahrscheinlich, um Abschied zu nehmen? Reisen
Sie glücklich, und bringen Sie sich und Ihre Mannschaft gesund zurück,
geben Sie mir auf Schiff und Ladung wohl acht, und machen Sie mir
keine Havarie (Seeschaden)! — Ihrer Frau sagen Sie, daß sie sich in
vorkommenden Fällen nur dreist an mich wenden soll. — Wenn Sie eine
einigermaßen gute Gelegenheit haben und sie geschickt zu benutzen verstehen,
sind Sie vor Weihnachten wieder hier. — Nun, adieu, Kapitän, Sie
haben" — hier warf er einen Seitenblick auf den Kalender — „keine
Zeit zu verlieren, es ist hoch Wasser; das Schiff löst die Taue, und ich
habe es nicht gern, wenn meine Kapitäne sich zum Blankeneser Sande
oder gar bis zur Lühe nachsetzen lassen. — Glückliche Reise!"
Der Kapitän beurlaubte sich, und ein anderer Mann nahm seinen
Platz ein. „Guten Morgen, Herr Flügge! Was bringen Sie mir?"
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