Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
5
Die krausen Eisenbeschläge an den Türen der Wandschränke glänzten wie
Silber; die schweren Messingleuchter auf dem Gesimse des mächtigen
Ofens und die Krüge, die Schüsseln und Teller von Zinn auf den
Kandelbrettern blinkten und blitzten heute wie immer. Auf dem steinen,
mit einem buntgestickten Tuche belegten Tische zwischen den beiden Lehn-
stühlen an der Fensterwand harrte ein blauer Steiukrug seines Blumen-
schmuckes und über die längliche Truhe, die zugleich als Sitzbauk diente,
war eine weiche, dunkelfarbige Decke gebreitet. Zum Morgeuimbiß gab
es Sonntags feineres Brot, Wecksemmel und Schönroggen, und man
blieb länger und ruhiger dabei sitzen als Werktags. Jeder mußte dazu
im Feiertagskleid erscheinen und lauten Scherz und weltliche Kurzweil
litt des Meisters frommer Sinn dabei nicht; dazu war nach der Kirche
den ganzen übrigen Tag noch Zeit genug. Die Hausgenossen bewegten
sich langsamer und gemessener, traten sachter auf, rückten die Stühle
leiser und benahmen sich gegeneinander rücksichtsvoller als sonst, wo man
sich in der kurzen Zeit zwischen der Arbeit nicht mit Förmlichkeiten ab-
gab. Bloße Förmlichkeiten waren es aber auch heute nicht; es lag in
diesem maßvollen Wesen nichts Gemachtes, sondern es war echte Souu-
tagsstimmuug, die sich unwillkürlich den Gemütern aufprägte als eine
würdige Vorbereitung für den Gottesdienst.
Die Häuser selbst hatten ein ungewöhnliches Aussehen in dieser
Sonntagsruhe; denn wenn sie auch nicht wie ihre Bewohner andere
Kleider anziehen konnten, so standen sie doch, Giebel neben Giebel, still
und ernst in den engen, gebogenen Gassen und kein Arbeitsgeräusch drang
aus ihren feiernden Dielen. Die Schlagfenster der Kramläden und
Werkstätten waren geschlossen, ebenso die Fleischschragen, die Brotbänke
und die Kisten der Gewandschneider; denn Sonntags durfte nichts ver-
kauft werden, es sei denn, daß man das erste oder das letzte Gewand
für ein armes Menschenkind zu seinem Eingang ins Leben oder zu seinem
Ausgang daraus nötig hatte: eine Windel oder ein Totenhemd. Das
sechstürmige Rathaus lag in einer unnahbaren Würde breit und mächtig
da; es brauchte ja heute nicht zu regieren, die Treppen ruhten sich aus
von den gewichtigen Schritten der Gestrengen und Hochgewaltigen und
die Stuben waren gelüftet von all den weisen Gedanken und dumpfen
Sorgen, die darin brüteten und schwelten.
Die Glocken läuteten zur Kirche und die Andächtigen folgten dem
feierlichen Rufe. Ernste Männer, Ratsherren und Handwerker, in pelz-
verbrämten Schauben* oder in geschonten Leibröcken aus dunklem Tuche
schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und
silbergestickten Schappeluch und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen,
samtbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jungfrauen mit nieder-
geschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten
an der Seite der würdigen Eheherren und Väter, während Knechte und
Mägde sich ihnen bescheiden anschlossen. Auch im Böttcherhause war
niemand zurückgeblieben.
_____________ Julius Wolfs
* Schaube — langes, weites Obergewand.
f Schappel — kranzförmige Kopfzierde.
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Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
7
7. Weihnachten.
(Tsslg rührendste Fest der Christenheit ist das Weihnachtsfest. An dem
^ Tage, den wir da feiern, erfüllte sich das große Wort: „Also hat
Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit
alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben
haben." Weihnachten ist das Geburtsfest Jesu Christi, des Sohnes
Gottes, unseres Herrn und Heilandes.
Tiefer Winter liegt über der Welt, alles Leben in der Natur ist
eingeschlummert, die längste Nacht des Jahres umhüllt die Erde; da
kommt das Weihnachtsfest und in allen Christenherzen wird es licht und
warm. Es ist als ob ein goldener Frühlingstag voll Duft und Glanz
und Liederklang mit einem Male aufgegangen sei; denn die Glocken in
Stadt und Land läuten die alte, immer wieder neue Engelsbotschaft
durch die Welt: „Freuet euch, denn der Heiland ist für euch alle da!"
Wie sollte uns diese frohe Kunde nicht mit der innigsten Freude,
mit dem seligsten Troste erfüllen? „Der Heiland ist euch heute geboren!"
Dieses Wort gilt für alle Zeit und für alle Menschen, für die Kleinen
und die Großen, für die Geringen und die Vornehmen, für die Armen
und die Reichen. Wir alle haben in Christus dem Herrn den Erlöser-
aus Schuld und Sünde, den Retter aus dem Tode und ewiger Finsternis,
den Lehrer der Wahrheit und Tugend, den Helfer in jeder Not, den
Tröster in allem Leid, den Mittler und Fürsprecher bei Gott dem Vater,
den Führer zum ewigen Leben. Das Kindlein in der Krippe zu Beth-
lehem, das wir am Weihnachtsfeste im Geiste mit den frommen Hirten
anschauen und anbeten, sagt uns immer wieder, wie lieb uns Gott hat
und wie ihm alles daran gelegen ist, daß wir hienieden seine guten,
drüben im großen Vaterhause aber einst seine seligen Kinder werden.
Wenn du nun weißt, mein liebes Christen lind, wie lieb dich Gott
hat, und wenn du dich darüber freuest, wirst du in deiner Freude nicht
auch deinen Mitmenschen gegenüber gütig und freigebig sein wollen?
Das hohe Weihnachtsfest ist unter uns Christen zu einem Gabenfest
geworden. Weil alle wissen, daß ihnen Gott das Beste, seinen vielge-
liebten Sohn, schenkte, erfreuen sich alle gegenseitig mit Gaben. Und
wenn wir im zarten Jugendalter frohlockend auf den lichtstrahlenden,
reichgeschmückten Christbaum schauten und die Geschenke darunter bewun-
derten und staunend hörten, daß das Christkind gekommen sei und uns
bedacht habe, so war das eine große und tiefe Wahrheit, denn kein
duftender Lichtbaum und keine Weihnachtsgaben würden uns beschert
werden, wenn nicht das Christkind, der Heiland, uns wäre geschenkt
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
9
Wir feiern am hohen Osterfest das Gedächtnis der Auferstehung
Jesu Christi aus dem Grabe. Der Heiland starb am Kreuze. Er war
freiwillig in den bittersten Tod gegangen um die Schuld des sündigen
Menschengeschlechtes zu büßen; er war gehorsam geworden bis zum Tode
am Kreuze um unseren Ungehorsam gegen Gott zu sühnen. Indem er
sich ans reinster Liebe zu uns der göttlichen Gerechtigkeit opferte, hat er
uns den Zutritt zum Vater im Himmel wieder erschlossen. Er hat uns
geliebt und sich für uns hingegeben, damit wir vom Tode erlöst würden
und das ewige Leben hätten.
Aber hat der Vater im Himmel sein Opfer angenommen? Ist die
Sünde getilgt und die Schuld gebüßt? Darüber können wir nur Ge-
wißheit haben, wenn der Tod, der die Strafe der Sünde ist, aufgehoben^
wenn der Tod wenigstens über jenen keine Macht mehr hatte, der für
die Sünder gestorben ist. Jesus Christus hat sein Leiden und Sterben
vorhergesagt, aber auch mit ebenso großer Bestimmtheit seine Auferstehung,
seinen Sieg über den Tod. Und er ist am dritten Tage auferstanden.
Einzig groß und wunderbar steht diese Tatsache in der Geschichte der
Menschheit da; aber sie ist eine Tatsache, bezeugt von Augenzeugen, von
den Jüngern Christi, die den Auferstandenen mit ihren Angen sahen, mit
ihren Händen berührten, mit ihm verkehrten und aßen, die mit ihm redeten
und von ihm Belehrungen und Aufträge entgegennahmen, bis er in ihrer
Gegenwart zum Himmel fuhr.
Ans der Tatsache der Auferstehung Christi beruht das ganze Christen-
tum; auf diesem Grunde steht unser Glaube, baut sich auf unsere Hoff-
nung, erblüht immer wieder unsere Liebe zum Heiland.
Aber vergessen wir es nicht! Was nützte uns die glorreiche Auf-
erstehung des Herrn, wenn wir im geistigen Tode blieben, wenn wir
vom Banne des Bösen in der Sünde uns festhalten ließen, wenn wir
nicht mit gutem, reumütigem Willen die Gnade Christi gebrauchen wollten?
Es will Frühling werden in der Natur, es muß auch Frühling,
werden in unseren Seelen. Es muß in uns grünen und blühen, wir
müssen nach der Wahrheit und nach dem Beispiele Christi leben: dann
ist Ostern in unseren Herzen.
Joseph Hecher.
10. Ostermorgen.
J2)ie Lerche stieg am Ostermorgen
Empor ins klarste Luftgebiet
Und schmettert’, hoch im Blau ver-
borgen,
Ein freudig Auferstehungslied.
Und wie sie schmetterte, da klangen
Es tausend Stimmen nach im Feld:
Wach auf, das-Alte ist vergangen,
Wach auf, du froh verjüngte Welt!
2. Wacht auf und rauscht durchs-
Tal, ihr Bronnen,
Und lobt den Herrn mit frohem Schall!
Wacht auf im Frühlingsglanz der
Sonnen,
Ihr grünen Halm’ und Blätter all!
Ihr Veilchen in den Waldesgründen,
Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot,
Ihr sollt es alle mitverkünden:
Die Lieb’ ist stärker als der Tod.
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Extrahierte Personennamen: Jesu_Christi Jesus_Christus Jüngern_Christi Christi Christi Christi Joseph_Hecher
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
14
Jetzt, mein' ich, hält das Tor auf Jahr und Tag.
Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. (Nimmt den Hut.)
Hedwig. Wo gehst du hin?
Teil. Nach Altdorf zu dem Vater.
Hedwig. Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir's!
Tell. Wie kommst du darauf, Frau?
Hedwig. Es spinnt sich etwas
Gegen die Vögte. Auf dem Rütli ward
Getagt, ich weiß und du bist auch im Bunde.
Tell. Ich war nicht mit dabei; doch werd' ich mich
Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft.
Hedwig. Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist;
Das Schwerste wird dein Anteil sein wie immer.
Tell. Ein jeder wird besteuert nach Vermögen.
Hedwig. Den Unterwaldner hast du auch im Sturme
Uber den See geschafft. Ein Wunder war's,
Daß ihr entkommen. Dachtest du denn gar nicht
An Kind und Weib?
Tell. Lieb Weib, ich dacht' an euch;
Drum rettet' ich den Vater seinen Kindern.
Hedwig. Zu schiffen in dem wüt'gen See! Das heißt
Nicht Gott vertrauen! Das heißt Gott versuchen!
Tell. Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten.
Hedwig. Ja, du bist gut und hilfreich, dienest allen,
Und wenn du selbst in Not kommst, hilft dir keiner.
Tell. Verhüt' es Gott, daß ich nicht Hilfe brauche!
(Er nimmt die Armbrust und Pfeiler
Hedwig. Was willst du mit der Armbrust? Laß sie hier!
Tell. Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt.
(Die Knaben kommen zurück.)
Walter. Vater, wo gehst du hin?
Tell. Nach Altdorf, Knabe,
Zum Ehni. Willst du mit?
Walter. Ja freilich, will ich.
Hedwig. Der Landvogt ist jetzt dort. Bleib weg von Altdorf!
Tell. Er geht, noch heute.
Hedwig. Drum laß ihn erst fort sein.
Gemahn' ihn nicht an dich, du weißt, er grollt uns.
Tell. Mir soll sein böser Wille nicht viel schaden,
Ich tue recht und scheue keinen Feind.
Hedwig. Die recht tun, eben die haßt er am meisten.
Tell. Weil er nicht an sie kommen kann. — Mich wird
Der Ritter wohl in Frieden lassen, mein' ich.
Hedwig. So, weißt du das?
Tell. Es ist nicht lange her,
Da ging ich jagen durch die wilden Gründe
Des Schüchentals auf menschenleerer Spur,
Und da ich einsam einen Felsensteig
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
16
Sommertag hat er schon da gesessen; denn er ist seit Jahren ein siecher
Mann. Ein zehrendes Rückenmarkleiden zerstört langsam seinen Körper;
kein Arzt kann helfen. In sich zusammengesunken, eine Menschenruine,
kauert der Ärmste da. Arme und Beine sind in fortwährend zitternder
Bewegung. Auffallend jedoch bei der gebrochenen Gestalt ist das Gesicht.
Wohl sind tiefe Leidensspuren darin eingegraben; allein deutlicher noch
tritt der Ausdruck einer kraftvollen Ruhe hervor. Die klaren, Hellen
Augen gleichen dem Spiegel eines sonnenbeglänzten Waldweihers. Mit
stillem Behagen schaut der Kranke den fleißigen Immen zu, die von der
Linde sich duftige Beute holen. Ihr leises Summen und Schwirren
dünkt ihm wie ein Ton ans der göttlichen Schöpferwerkstatt, der unend-
liche Geheimnisse ahnen läßt.
Der Mann sinnt über sein Leben nach. Einst war er voll Kraft
und strotzender Lebenslust. Selbstgewählte Wege ging er, ein stolzer,
herrischer Mensch. Jetzt aber, — ihm ist's als stünde der dorngekrönte
Dulder von Golgatha vor ihm und spräche mit mildem Tone zu ihm
wie einst zu einem anderen, der auch nur ans sich selbst vertraute: „Da
du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest;
wenn du aber alt wirst, so wirst du deine Hände ausstrecken und ein
anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst." Der
Kranke hebt ein wenig die zitternden Hände; er will sie falten. Kraftlos
sinken sie wieder auf die Sessellehnen zurück. Doch kraftvoll richtet sich
seine Seele empor: „Führe mich, Herr, wie du willst!"
Ein rascher Schritt schallt von der Straße herauf. Der Mann
wendet den Kopf danach. Ein Freudenschein geht über sein Gesicht.
Seine Frau kommt über den Hof. Um den Kopf hat sie ein weißes
Tuch geschlungen. Auf der Schulter trägt sie einen Rechen. Eilig tritt
sie auf den Kranken zu: „Es ist etwas später geworden, als ich dachte;
ist dir die Zeit nicht lange geworden?"
„Nein," antwortete er, „wie heiß du bist! Du hast dich gewiß
um meinetwillen bei der Arbeit übereilt."
Liebevoll streicht sie ihm die Haare aus der Stirne. „Du weißt
doch, daß ich keine Ruhe habe, wenn du so allein hier sitzest. Die Kinder
setzen das Heu fertig auf Kegel. Jetzt mußt du aber hineingehen; es
weht schon kühl vom Tale her."
Sie faßt den Kranken unter den Armen und führt ihn ins Haus.
Geschäftig geht nun die Frau hin und her das Essen zu bereiten. Über-
allhin folgen ihr die Augen des Mannes. Jetzt trägt sie das einfache
Mahl auf. Er spricht das Tischgebet. Dann setzt sie ihm die Speisen
vor, schneidet sie und gibt sie ihm in den Mund. Ohne alle Hast tut
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
20
Ihr wurdet derweilen alt und grau
Und immer noch schleicht die verschleierte Frau
Mit starrem Aug' und segnenden Händen
Zwischen des Hauses armen vier Wänden
Vom dürftigen Tisch zum leeren Schrein,
Von Schwelle zu Schwelle aus und ein
Und kauert am Herde und bläst in die Flammen
Und schmiedet den Tag mit dem Tage zusammen.
5. Herzliebe Eltern, drum nicht verzagt!
Und habt ihr euch redlich gemüht und geplagt
Ein langes, schweres Leben lang,
So wird anch euch bei der Tage Neigen
Ein Feierabend vom Himmel steigen.
6. Wir Jungen sind jung — wir haben Kraft,
Uns ist der Mut noch nicht erschlafft,
Wir wissen zu ringen mit Not und Müh'n,
Wir wissen, wo blaue Glücksblumen blüh'n;
Bald kehren wir lachend heim nach Haus
Und jagen Frau Sorge zur Tür hinaus.
Hermann Sudermann.
M Das taube Mmerlein.
Per öffnet leise Schloß und Tür?
Wer schleicht ins Haus hinein?
Es ist der Sohn, der wiederkehrt
Zum tauben Mütterlein.
2. Er tritt herein. Sie hört ihn nicht;
Sie saß am Herd und spann.
Da tritt er grüßend vor sie hin
Und spricht ste ,,Mutter" an.
3. Und wie er spricht, so blickt ste auf,
Und — wundervoll Geschick —
Sie ist nicht taub dem milden Wort;
Sie hört ihn mit dem Blick.
4. Sie tut die Mrme weil ihm ans
Und er drückt sich hinein.
Da hörte seines Herzens Schlag
Das taube Müllerlein.
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Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
22
endigen konnte. Unserem teuren Vater ist wohl und wir alle
müssen und werden ihm folgen. Nie wird sein Bild aus meinem
Herzen erlöschen und der Schmerz um ihn soll uns nur noch enger
untereinander vereinigen.
Vor fünf und sechs Jahren hat es nicht geschienen, daß Ihr,
meine Lieben, nach einem solchen Verluste noch einen Freund an
einem Bruder finden, daß ich den lieben Vater überleben würde.
Gott hat es anders gefügt und er gönnt mir noch die Freude Euch
etwas sein zu können. Wie bereit ich dazu bin, darf ich Euch
wohl nicht mehr versichern. Wir kennen einander alle auf diesem
Punkt und sind des lieben Vaters nicht unwürdige Kinder.
Sie, teure Mutter, müssen sich Ihr Schicksal jetzt ganz selbst
wählen und in Ihrer Wahl soll keine Sorge Sie leiten. Fragen
Sie sich selbst, wo Sie am liebsten leben, hier bei mir oder bei
Christophinen oder im Vaterlande mit Luise. Wohin Ihre Wahl
fällt, da wollen wir Mittel dafür schaffen. Vorderhand müssen Sie
ja doch der Umstände wegen im Vaterlande leben und da läßt
sich unterdessen alles ordnen.
Alles, was Sie zu einem gemächlichen Leben brauchen, muß
Ihnen werden, beste Mutter, und es ist nun sofort meine Sache,
daß keine Sorge Sie mehr drückt. Nach so viel schwerem Leiden
muß der Abend Ihres Lebens heiter oder doch ruhig sein und ich
hoffe, daß Sie im Schoße Ihrer Kinder und Enkel noch manchen
frohen Tag genießen werden.
Alles, was unser teurer Vater an Briefschaften und anderen
Schriftsachen hinterlassen, kann mir durch Christophine mitge-
bracht werden. Ich will suchen, seinen letzten Willen zu erfüllen,
der auch für Sie, liebste Mutter, Nutzen bringen soll.
Herzlich umarmen wir Sie und die lieben Schwestern. Meine
Lotte würde selbst geschrieben haben; aber wir haben das Haus
voll Gäste und in dieser Zerstreuung war’s unmöglich. Sie hat
mit mir den verewigten Vater, den sie immer recht herzlich ge-
liebt hat, beweint und ihr Anteil an diesem Verluste hat sie mir
noch lieber und teurer gemacht. Auch meine Schwiegermutter und
Wolzogens, die gerade hier sind, sind sehr davon gerührt worden
und lassen tausendmal grüßen.
Ihr ewig dankbarer Sohn
Friedrich Schiller.
Jena, den 19. September 1796.
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Extrahierte Personennamen: Christophine Friedrich_Schiller Friedrich
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Schulformen (OPAC): Sonntagsschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
24
3. Sie lehrte dich den frommen Spruch,
Sie lehrte dich zuerst das Reden,
Sie faltete die Hände dein
Und lehrte dich zum Vater beten.
Sie lenkte deinen Kindessinn,
Sie wachte über deine Jugend.
Der Mutter danke es allein,
Wenn du noch gehst den Pfad der Tugend.
4. Wie oft hat nicht die zarte Hand
Auf deinem lock'gen Haupt gelegen!
Wie oft hat nicht ihr frommes Herz
Gefleht für dich um Gottes Segen!
Und hattest du die Lieb' verkannt,
Gelohnt mit Undank ihre Treue,
Die Mutter hat dir stets verzieh'n,
Mit Liebe dich umfaßt aufs neue.
5. Und hast du keine Mutter mehr
Und kannst du sie nicht mehr beglücken,
So kannst du doch ihr frühes Grab
Mit frischen Blumenkränzen schmücken.
Ein Muttergrab, ein heilig Grab,
Für dich die ewig heil'ge Stelle!
O, wende dich an diesen Ort,
Wenn dich umtost des Lebens Welle!
Wilhelm Kaulisch.
22. Kindes- und Bruderliebe.
Trommel erdröhnte und der schrille Ton der Pfeife mischte sich
in den rasselnden Wirbel. Eilig versammelte sich die Kompanie.
Vor der Kaserne hielt der Hauptmann hoch zu Roß. Jetzt trat
lautlose Stille ein und mit markiger Stimme verkündete der gestrenge
Hauptmann: „Soldaten! Ein ehrloser Ausreißer muß eingebracht
werden. Dreißig Taler gehören dem, der den elenden Wicht ein-
sängt!“ Dann kommandierte er zwanzig Soldaten zur Verfolgung
des Flüchtigen.
Allein die Verfolger nahmen die Sache nicht allzu ernst. Streng
und hart war die Behandlung der Soldaten auch noch zur Zeit
Friedrichs des Großen und so war es keine Seltenheit, wenn ein
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Kaulisch Wilhelm Friedrichs
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Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
25-
Soldat seiner Fahne untreu wurde; aber last ebenso selten gelang
es, einem Fahnenflüchtigen auf die Spur zu kommen.
„Ei, so lauf!“ dachte auch jetzt mancher Verfolger bei sich;,
„die dreißig Taler möchte ich mir wohl gerne verdienen; aber
ebenso gerne spare ich dem armen Teufel das Gassenlaufen.“ So
kehrten denn alle Kameraden mit demselben Bescheid zurück: „Herr
Hauptmann, der Ausreißer ist entwischt!“ Endlich eilt keuchend
noch einer herbei. , Wahrhaftig, er schleppt den Heerflüchtigen
hinter sich her und — sollte man’s glauben 1 — es ist sein leiblicher
Bruder! Staunen und Unwille malt sich auf den Gesichtern der
Kameraden, und als sich der verräterische Bruder seinen Judaslohn
auszahlen läßt, treffen ihn verächtliche und wütende Blicke. „Schwer
Geld!“ sagte der Hauptmann, als er die dreißig Taler ausgezählt hat,
„Ja, schwer Geld!“ wiederholt mit gepreßter Stimme der Empfänger.
Auf der Stelle wird an dem Ausreißer die festgesetzte Strafe
vollzogen: sechsmaliges Gassenlaufen. Dreimal schon ist er durch
die heiße Gasse gerannt und der blutige Schweiß träufelt ihm vom
Leibe. Da tritt sein Bruder, der Verräter, hervor. „Herr Haupt-
mann,“ sagt er, „halten’s zu Gnaden, wenn der Soldat auch einmal
ungefragt ein Wort spricht! Ich bitte untertänigst, daß ich die anderen
drei Gassen für meinen Bruder laufen darf!“ „Was fällt dir ein?“
herrscht ihn der Hauptmann an; „packt's dich an deiner Seele, du
Schelm, daß du deinen eigenen Bruder eingefangen hast ?“ „Zu
Befehl, Herr Hauptmann!“ antwortet der Soldat, „unser Vater klagte
uns jüngst in einem Briefe seine bittere Not. Durch Krankheit geriet
er in Schulden und ganzer dreißig Taler halber wollen ihn die Gläu-
biger von Haus und Hof treiben. Wie sollten wir Brüder dem armen
Vater helfen? Lange sannen wir vergeblich hin und her; endlich
kam uns ein Ausweg in den Sinn: Zahlt man nicht dem dreißig.
Taler aus, der einen Deserteur einbringt? Wohlan, so ehrlos es sein
mag, einer muß heerflüchtig werden; der andere muß ihn einsangen
und mit dem schmachvoll erworbenen Lohne den armen Vater retten.
Doch wer soll schimpflich den Fahneneid brechen? — — Wer soll
schmählich den Bruder verraten? — — Wir losten darum. — —
Haltens zu Gnaden, Herr Hauptmann, das übrige kann jeder selber
erraten.“
Die harten Gesichtszüge des Hauptmanns milderten sich und
leise zitterte seine Stimme, als er sagte: „Der Ausreißer muß sechs-
mal Gasse laufen, so verlangt’s die Vorschrift. Doch hat ’s damit
vorläufig noch keine Eile. Ich will den Fall dem König melden.“'
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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