Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1910

1. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 5

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
5 Die krausen Eisenbeschläge an den Türen der Wandschränke glänzten wie Silber; die schweren Messingleuchter auf dem Gesimse des mächtigen Ofens und die Krüge, die Schüsseln und Teller von Zinn auf den Kandelbrettern blinkten und blitzten heute wie immer. Auf dem steinen, mit einem buntgestickten Tuche belegten Tische zwischen den beiden Lehn- stühlen an der Fensterwand harrte ein blauer Steiukrug seines Blumen- schmuckes und über die längliche Truhe, die zugleich als Sitzbauk diente, war eine weiche, dunkelfarbige Decke gebreitet. Zum Morgeuimbiß gab es Sonntags feineres Brot, Wecksemmel und Schönroggen, und man blieb länger und ruhiger dabei sitzen als Werktags. Jeder mußte dazu im Feiertagskleid erscheinen und lauten Scherz und weltliche Kurzweil litt des Meisters frommer Sinn dabei nicht; dazu war nach der Kirche den ganzen übrigen Tag noch Zeit genug. Die Hausgenossen bewegten sich langsamer und gemessener, traten sachter auf, rückten die Stühle leiser und benahmen sich gegeneinander rücksichtsvoller als sonst, wo man sich in der kurzen Zeit zwischen der Arbeit nicht mit Förmlichkeiten ab- gab. Bloße Förmlichkeiten waren es aber auch heute nicht; es lag in diesem maßvollen Wesen nichts Gemachtes, sondern es war echte Souu- tagsstimmuug, die sich unwillkürlich den Gemütern aufprägte als eine würdige Vorbereitung für den Gottesdienst. Die Häuser selbst hatten ein ungewöhnliches Aussehen in dieser Sonntagsruhe; denn wenn sie auch nicht wie ihre Bewohner andere Kleider anziehen konnten, so standen sie doch, Giebel neben Giebel, still und ernst in den engen, gebogenen Gassen und kein Arbeitsgeräusch drang aus ihren feiernden Dielen. Die Schlagfenster der Kramläden und Werkstätten waren geschlossen, ebenso die Fleischschragen, die Brotbänke und die Kisten der Gewandschneider; denn Sonntags durfte nichts ver- kauft werden, es sei denn, daß man das erste oder das letzte Gewand für ein armes Menschenkind zu seinem Eingang ins Leben oder zu seinem Ausgang daraus nötig hatte: eine Windel oder ein Totenhemd. Das sechstürmige Rathaus lag in einer unnahbaren Würde breit und mächtig da; es brauchte ja heute nicht zu regieren, die Treppen ruhten sich aus von den gewichtigen Schritten der Gestrengen und Hochgewaltigen und die Stuben waren gelüftet von all den weisen Gedanken und dumpfen Sorgen, die darin brüteten und schwelten. Die Glocken läuteten zur Kirche und die Andächtigen folgten dem feierlichen Rufe. Ernste Männer, Ratsherren und Handwerker, in pelz- verbrämten Schauben* oder in geschonten Leibröcken aus dunklem Tuche schritten langsam, bedächtig dahin. Geschmückte Frauen mit gold- und silbergestickten Schappeluch und schönen Gürtelketten, an denen die faltigen, samtbesetzten Kleider geschürzt waren, und sittsame Jungfrauen mit nieder- geschlagenen Augen, das Gebetbuch in den gefalteten Händen, wandelten an der Seite der würdigen Eheherren und Väter, während Knechte und Mägde sich ihnen bescheiden anschlossen. Auch im Böttcherhause war niemand zurückgeblieben. _____________ Julius Wolfs * Schaube — langes, weites Obergewand. f Schappel — kranzförmige Kopfzierde.
1910

2. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 7

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
7 7. Weihnachten. (Tsslg rührendste Fest der Christenheit ist das Weihnachtsfest. An dem ^ Tage, den wir da feiern, erfüllte sich das große Wort: „Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben." Weihnachten ist das Geburtsfest Jesu Christi, des Sohnes Gottes, unseres Herrn und Heilandes. Tiefer Winter liegt über der Welt, alles Leben in der Natur ist eingeschlummert, die längste Nacht des Jahres umhüllt die Erde; da kommt das Weihnachtsfest und in allen Christenherzen wird es licht und warm. Es ist als ob ein goldener Frühlingstag voll Duft und Glanz und Liederklang mit einem Male aufgegangen sei; denn die Glocken in Stadt und Land läuten die alte, immer wieder neue Engelsbotschaft durch die Welt: „Freuet euch, denn der Heiland ist für euch alle da!" Wie sollte uns diese frohe Kunde nicht mit der innigsten Freude, mit dem seligsten Troste erfüllen? „Der Heiland ist euch heute geboren!" Dieses Wort gilt für alle Zeit und für alle Menschen, für die Kleinen und die Großen, für die Geringen und die Vornehmen, für die Armen und die Reichen. Wir alle haben in Christus dem Herrn den Erlöser- aus Schuld und Sünde, den Retter aus dem Tode und ewiger Finsternis, den Lehrer der Wahrheit und Tugend, den Helfer in jeder Not, den Tröster in allem Leid, den Mittler und Fürsprecher bei Gott dem Vater, den Führer zum ewigen Leben. Das Kindlein in der Krippe zu Beth- lehem, das wir am Weihnachtsfeste im Geiste mit den frommen Hirten anschauen und anbeten, sagt uns immer wieder, wie lieb uns Gott hat und wie ihm alles daran gelegen ist, daß wir hienieden seine guten, drüben im großen Vaterhause aber einst seine seligen Kinder werden. Wenn du nun weißt, mein liebes Christen lind, wie lieb dich Gott hat, und wenn du dich darüber freuest, wirst du in deiner Freude nicht auch deinen Mitmenschen gegenüber gütig und freigebig sein wollen? Das hohe Weihnachtsfest ist unter uns Christen zu einem Gabenfest geworden. Weil alle wissen, daß ihnen Gott das Beste, seinen vielge- liebten Sohn, schenkte, erfreuen sich alle gegenseitig mit Gaben. Und wenn wir im zarten Jugendalter frohlockend auf den lichtstrahlenden, reichgeschmückten Christbaum schauten und die Geschenke darunter bewun- derten und staunend hörten, daß das Christkind gekommen sei und uns bedacht habe, so war das eine große und tiefe Wahrheit, denn kein duftender Lichtbaum und keine Weihnachtsgaben würden uns beschert werden, wenn nicht das Christkind, der Heiland, uns wäre geschenkt
1910

3. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 9

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
9 Wir feiern am hohen Osterfest das Gedächtnis der Auferstehung Jesu Christi aus dem Grabe. Der Heiland starb am Kreuze. Er war freiwillig in den bittersten Tod gegangen um die Schuld des sündigen Menschengeschlechtes zu büßen; er war gehorsam geworden bis zum Tode am Kreuze um unseren Ungehorsam gegen Gott zu sühnen. Indem er sich ans reinster Liebe zu uns der göttlichen Gerechtigkeit opferte, hat er uns den Zutritt zum Vater im Himmel wieder erschlossen. Er hat uns geliebt und sich für uns hingegeben, damit wir vom Tode erlöst würden und das ewige Leben hätten. Aber hat der Vater im Himmel sein Opfer angenommen? Ist die Sünde getilgt und die Schuld gebüßt? Darüber können wir nur Ge- wißheit haben, wenn der Tod, der die Strafe der Sünde ist, aufgehoben^ wenn der Tod wenigstens über jenen keine Macht mehr hatte, der für die Sünder gestorben ist. Jesus Christus hat sein Leiden und Sterben vorhergesagt, aber auch mit ebenso großer Bestimmtheit seine Auferstehung, seinen Sieg über den Tod. Und er ist am dritten Tage auferstanden. Einzig groß und wunderbar steht diese Tatsache in der Geschichte der Menschheit da; aber sie ist eine Tatsache, bezeugt von Augenzeugen, von den Jüngern Christi, die den Auferstandenen mit ihren Angen sahen, mit ihren Händen berührten, mit ihm verkehrten und aßen, die mit ihm redeten und von ihm Belehrungen und Aufträge entgegennahmen, bis er in ihrer Gegenwart zum Himmel fuhr. Ans der Tatsache der Auferstehung Christi beruht das ganze Christen- tum; auf diesem Grunde steht unser Glaube, baut sich auf unsere Hoff- nung, erblüht immer wieder unsere Liebe zum Heiland. Aber vergessen wir es nicht! Was nützte uns die glorreiche Auf- erstehung des Herrn, wenn wir im geistigen Tode blieben, wenn wir vom Banne des Bösen in der Sünde uns festhalten ließen, wenn wir nicht mit gutem, reumütigem Willen die Gnade Christi gebrauchen wollten? Es will Frühling werden in der Natur, es muß auch Frühling, werden in unseren Seelen. Es muß in uns grünen und blühen, wir müssen nach der Wahrheit und nach dem Beispiele Christi leben: dann ist Ostern in unseren Herzen. Joseph Hecher. 10. Ostermorgen. J2)ie Lerche stieg am Ostermorgen Empor ins klarste Luftgebiet Und schmettert’, hoch im Blau ver- borgen, Ein freudig Auferstehungslied. Und wie sie schmetterte, da klangen Es tausend Stimmen nach im Feld: Wach auf, das-Alte ist vergangen, Wach auf, du froh verjüngte Welt! 2. Wacht auf und rauscht durchs- Tal, ihr Bronnen, Und lobt den Herrn mit frohem Schall! Wacht auf im Frühlingsglanz der Sonnen, Ihr grünen Halm’ und Blätter all! Ihr Veilchen in den Waldesgründen, Ihr Primeln weiß, ihr Blüten rot, Ihr sollt es alle mitverkünden: Die Lieb’ ist stärker als der Tod.
1910

4. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 11

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
11 12. Der Mensch und der Kranich. (\n den Tagen, wo die Blätter fallen und die Blumen sterben, saß die <\3 Familie eines hochbetagten Lehrers vor der reinlichen Wohnung und sah der früh scheidenden Sonne nach, die hinter den blauen Zinnen des Gebirges versank. Alle waren ernst und still und der Schleier der Weh- mut, der über der Gegend hing, schien auch die Herzen zu decken. Nur das Antlitz des alten Vaters, der umringt saß von Kindern und Kindes- kindern, war hell und heiter wie das eines Menschen, der eine lang genährte, teure Hoffnung der endlichen Erfüllung nahe sieht. Und als alle so bei- einander waren, zog ein Kranichvolk im kreisenden Fluge über sie hin gen Süden und alle Blicke wandten sich auf die Wanderer der Lüfte. Da erhob der alte Vater seine Stimme und sprach: „Wie gleicht der Mensch doch dem Kranich! Solange die Sonne wärmt und Früchte zeitigt, wohnt der Kranich bei uns und baut ein sicheres Nest für sich und die Seinen; wenn aber die Garben gebunden und die Trauben gesammelt sind und der Nord von den Bergen über die Ebene rauscht, dann vermag der Kranich nicht länger zu weilen. Er bricht ans mit den Seinen zur Wanderung über das Meer, dahin, wo die Sonne wärmt und der Frühling blüht. Und auch der Mensch ist nur ein Gast im Leben, baut wohl sein Haus und freut sich des Frühlings und arbeitet in den Monden des Sommers und sammelt die Garben des Fleißes. Doch wenn es um ihn rauh wird und öde, wenn der Baum seiner Kraft sich entlaubt und die Schneeflocken des Winters sein Haupt überdecken, dann vernimmt er wie der Kranich den Ruf zur Heimat; dann stillt der Engel des Todes die Sehnsucht des Menschen und nimmt ihn ans seine dunklen Fittiche und trägt den Schlummernden still über die Wasser der Zeit in das heimat- liche Land voll Paradiesbäume und Sonne." Der Alte schwieg. Sein Gesicht strahlte, als sähe er schon das Land der Sehnsucht geöffnet. Die Kinder aber lächelten wehmütig durch Tränen; denn es war ihnen bange vor dem Abschiede des freundlichen Greises. Gottfried August Bürger. 13. O lieb', solang' -u lieben bannst! ©lieb', solang' du lirben kannst! O lieb', solang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst.
1910

5. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 14

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
14 Jetzt, mein' ich, hält das Tor auf Jahr und Tag. Die Axt im Haus erspart den Zimmermann. (Nimmt den Hut.) Hedwig. Wo gehst du hin? Teil. Nach Altdorf zu dem Vater. Hedwig. Sinnst du auch nichts Gefährliches? Gesteh mir's! Tell. Wie kommst du darauf, Frau? Hedwig. Es spinnt sich etwas Gegen die Vögte. Auf dem Rütli ward Getagt, ich weiß und du bist auch im Bunde. Tell. Ich war nicht mit dabei; doch werd' ich mich Dem Lande nicht entziehen, wenn es ruft. Hedwig. Sie werden dich hinstellen, wo Gefahr ist; Das Schwerste wird dein Anteil sein wie immer. Tell. Ein jeder wird besteuert nach Vermögen. Hedwig. Den Unterwaldner hast du auch im Sturme Uber den See geschafft. Ein Wunder war's, Daß ihr entkommen. Dachtest du denn gar nicht An Kind und Weib? Tell. Lieb Weib, ich dacht' an euch; Drum rettet' ich den Vater seinen Kindern. Hedwig. Zu schiffen in dem wüt'gen See! Das heißt Nicht Gott vertrauen! Das heißt Gott versuchen! Tell. Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten. Hedwig. Ja, du bist gut und hilfreich, dienest allen, Und wenn du selbst in Not kommst, hilft dir keiner. Tell. Verhüt' es Gott, daß ich nicht Hilfe brauche! (Er nimmt die Armbrust und Pfeiler Hedwig. Was willst du mit der Armbrust? Laß sie hier! Tell. Mir fehlt der Arm, wenn mir die Waffe fehlt. (Die Knaben kommen zurück.) Walter. Vater, wo gehst du hin? Tell. Nach Altdorf, Knabe, Zum Ehni. Willst du mit? Walter. Ja freilich, will ich. Hedwig. Der Landvogt ist jetzt dort. Bleib weg von Altdorf! Tell. Er geht, noch heute. Hedwig. Drum laß ihn erst fort sein. Gemahn' ihn nicht an dich, du weißt, er grollt uns. Tell. Mir soll sein böser Wille nicht viel schaden, Ich tue recht und scheue keinen Feind. Hedwig. Die recht tun, eben die haßt er am meisten. Tell. Weil er nicht an sie kommen kann. — Mich wird Der Ritter wohl in Frieden lassen, mein' ich. Hedwig. So, weißt du das? Tell. Es ist nicht lange her, Da ging ich jagen durch die wilden Gründe Des Schüchentals auf menschenleerer Spur, Und da ich einsam einen Felsensteig
1910

6. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 16

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
16 Sommertag hat er schon da gesessen; denn er ist seit Jahren ein siecher Mann. Ein zehrendes Rückenmarkleiden zerstört langsam seinen Körper; kein Arzt kann helfen. In sich zusammengesunken, eine Menschenruine, kauert der Ärmste da. Arme und Beine sind in fortwährend zitternder Bewegung. Auffallend jedoch bei der gebrochenen Gestalt ist das Gesicht. Wohl sind tiefe Leidensspuren darin eingegraben; allein deutlicher noch tritt der Ausdruck einer kraftvollen Ruhe hervor. Die klaren, Hellen Augen gleichen dem Spiegel eines sonnenbeglänzten Waldweihers. Mit stillem Behagen schaut der Kranke den fleißigen Immen zu, die von der Linde sich duftige Beute holen. Ihr leises Summen und Schwirren dünkt ihm wie ein Ton ans der göttlichen Schöpferwerkstatt, der unend- liche Geheimnisse ahnen läßt. Der Mann sinnt über sein Leben nach. Einst war er voll Kraft und strotzender Lebenslust. Selbstgewählte Wege ging er, ein stolzer, herrischer Mensch. Jetzt aber, — ihm ist's als stünde der dorngekrönte Dulder von Golgatha vor ihm und spräche mit mildem Tone zu ihm wie einst zu einem anderen, der auch nur ans sich selbst vertraute: „Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, so wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst." Der Kranke hebt ein wenig die zitternden Hände; er will sie falten. Kraftlos sinken sie wieder auf die Sessellehnen zurück. Doch kraftvoll richtet sich seine Seele empor: „Führe mich, Herr, wie du willst!" Ein rascher Schritt schallt von der Straße herauf. Der Mann wendet den Kopf danach. Ein Freudenschein geht über sein Gesicht. Seine Frau kommt über den Hof. Um den Kopf hat sie ein weißes Tuch geschlungen. Auf der Schulter trägt sie einen Rechen. Eilig tritt sie auf den Kranken zu: „Es ist etwas später geworden, als ich dachte; ist dir die Zeit nicht lange geworden?" „Nein," antwortete er, „wie heiß du bist! Du hast dich gewiß um meinetwillen bei der Arbeit übereilt." Liebevoll streicht sie ihm die Haare aus der Stirne. „Du weißt doch, daß ich keine Ruhe habe, wenn du so allein hier sitzest. Die Kinder setzen das Heu fertig auf Kegel. Jetzt mußt du aber hineingehen; es weht schon kühl vom Tale her." Sie faßt den Kranken unter den Armen und führt ihn ins Haus. Geschäftig geht nun die Frau hin und her das Essen zu bereiten. Über- allhin folgen ihr die Augen des Mannes. Jetzt trägt sie das einfache Mahl auf. Er spricht das Tischgebet. Dann setzt sie ihm die Speisen vor, schneidet sie und gibt sie ihm in den Mund. Ohne alle Hast tut
1910

7. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 20

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
20 Ihr wurdet derweilen alt und grau Und immer noch schleicht die verschleierte Frau Mit starrem Aug' und segnenden Händen Zwischen des Hauses armen vier Wänden Vom dürftigen Tisch zum leeren Schrein, Von Schwelle zu Schwelle aus und ein Und kauert am Herde und bläst in die Flammen Und schmiedet den Tag mit dem Tage zusammen. 5. Herzliebe Eltern, drum nicht verzagt! Und habt ihr euch redlich gemüht und geplagt Ein langes, schweres Leben lang, So wird anch euch bei der Tage Neigen Ein Feierabend vom Himmel steigen. 6. Wir Jungen sind jung — wir haben Kraft, Uns ist der Mut noch nicht erschlafft, Wir wissen zu ringen mit Not und Müh'n, Wir wissen, wo blaue Glücksblumen blüh'n; Bald kehren wir lachend heim nach Haus Und jagen Frau Sorge zur Tür hinaus. Hermann Sudermann. M Das taube Mmerlein. Per öffnet leise Schloß und Tür? Wer schleicht ins Haus hinein? Es ist der Sohn, der wiederkehrt Zum tauben Mütterlein. 2. Er tritt herein. Sie hört ihn nicht; Sie saß am Herd und spann. Da tritt er grüßend vor sie hin Und spricht ste ,,Mutter" an. 3. Und wie er spricht, so blickt ste auf, Und — wundervoll Geschick — Sie ist nicht taub dem milden Wort; Sie hört ihn mit dem Blick. 4. Sie tut die Mrme weil ihm ans Und er drückt sich hinein. Da hörte seines Herzens Schlag Das taube Müllerlein.
1910

8. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 22

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
22 endigen konnte. Unserem teuren Vater ist wohl und wir alle müssen und werden ihm folgen. Nie wird sein Bild aus meinem Herzen erlöschen und der Schmerz um ihn soll uns nur noch enger untereinander vereinigen. Vor fünf und sechs Jahren hat es nicht geschienen, daß Ihr, meine Lieben, nach einem solchen Verluste noch einen Freund an einem Bruder finden, daß ich den lieben Vater überleben würde. Gott hat es anders gefügt und er gönnt mir noch die Freude Euch etwas sein zu können. Wie bereit ich dazu bin, darf ich Euch wohl nicht mehr versichern. Wir kennen einander alle auf diesem Punkt und sind des lieben Vaters nicht unwürdige Kinder. Sie, teure Mutter, müssen sich Ihr Schicksal jetzt ganz selbst wählen und in Ihrer Wahl soll keine Sorge Sie leiten. Fragen Sie sich selbst, wo Sie am liebsten leben, hier bei mir oder bei Christophinen oder im Vaterlande mit Luise. Wohin Ihre Wahl fällt, da wollen wir Mittel dafür schaffen. Vorderhand müssen Sie ja doch der Umstände wegen im Vaterlande leben und da läßt sich unterdessen alles ordnen. Alles, was Sie zu einem gemächlichen Leben brauchen, muß Ihnen werden, beste Mutter, und es ist nun sofort meine Sache, daß keine Sorge Sie mehr drückt. Nach so viel schwerem Leiden muß der Abend Ihres Lebens heiter oder doch ruhig sein und ich hoffe, daß Sie im Schoße Ihrer Kinder und Enkel noch manchen frohen Tag genießen werden. Alles, was unser teurer Vater an Briefschaften und anderen Schriftsachen hinterlassen, kann mir durch Christophine mitge- bracht werden. Ich will suchen, seinen letzten Willen zu erfüllen, der auch für Sie, liebste Mutter, Nutzen bringen soll. Herzlich umarmen wir Sie und die lieben Schwestern. Meine Lotte würde selbst geschrieben haben; aber wir haben das Haus voll Gäste und in dieser Zerstreuung war’s unmöglich. Sie hat mit mir den verewigten Vater, den sie immer recht herzlich ge- liebt hat, beweint und ihr Anteil an diesem Verluste hat sie mir noch lieber und teurer gemacht. Auch meine Schwiegermutter und Wolzogens, die gerade hier sind, sind sehr davon gerührt worden und lassen tausendmal grüßen. Ihr ewig dankbarer Sohn Friedrich Schiller. Jena, den 19. September 1796.
1910

9. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 24

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
24 3. Sie lehrte dich den frommen Spruch, Sie lehrte dich zuerst das Reden, Sie faltete die Hände dein Und lehrte dich zum Vater beten. Sie lenkte deinen Kindessinn, Sie wachte über deine Jugend. Der Mutter danke es allein, Wenn du noch gehst den Pfad der Tugend. 4. Wie oft hat nicht die zarte Hand Auf deinem lock'gen Haupt gelegen! Wie oft hat nicht ihr frommes Herz Gefleht für dich um Gottes Segen! Und hattest du die Lieb' verkannt, Gelohnt mit Undank ihre Treue, Die Mutter hat dir stets verzieh'n, Mit Liebe dich umfaßt aufs neue. 5. Und hast du keine Mutter mehr Und kannst du sie nicht mehr beglücken, So kannst du doch ihr frühes Grab Mit frischen Blumenkränzen schmücken. Ein Muttergrab, ein heilig Grab, Für dich die ewig heil'ge Stelle! O, wende dich an diesen Ort, Wenn dich umtost des Lebens Welle! Wilhelm Kaulisch. 22. Kindes- und Bruderliebe. Trommel erdröhnte und der schrille Ton der Pfeife mischte sich in den rasselnden Wirbel. Eilig versammelte sich die Kompanie. Vor der Kaserne hielt der Hauptmann hoch zu Roß. Jetzt trat lautlose Stille ein und mit markiger Stimme verkündete der gestrenge Hauptmann: „Soldaten! Ein ehrloser Ausreißer muß eingebracht werden. Dreißig Taler gehören dem, der den elenden Wicht ein- sängt!“ Dann kommandierte er zwanzig Soldaten zur Verfolgung des Flüchtigen. Allein die Verfolger nahmen die Sache nicht allzu ernst. Streng und hart war die Behandlung der Soldaten auch noch zur Zeit Friedrichs des Großen und so war es keine Seltenheit, wenn ein
1910

10. Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz - S. 25

1910 - Zweibrücken : Kranzbühler
25- Soldat seiner Fahne untreu wurde; aber last ebenso selten gelang es, einem Fahnenflüchtigen auf die Spur zu kommen. „Ei, so lauf!“ dachte auch jetzt mancher Verfolger bei sich;, „die dreißig Taler möchte ich mir wohl gerne verdienen; aber ebenso gerne spare ich dem armen Teufel das Gassenlaufen.“ So kehrten denn alle Kameraden mit demselben Bescheid zurück: „Herr Hauptmann, der Ausreißer ist entwischt!“ Endlich eilt keuchend noch einer herbei. , Wahrhaftig, er schleppt den Heerflüchtigen hinter sich her und — sollte man’s glauben 1 — es ist sein leiblicher Bruder! Staunen und Unwille malt sich auf den Gesichtern der Kameraden, und als sich der verräterische Bruder seinen Judaslohn auszahlen läßt, treffen ihn verächtliche und wütende Blicke. „Schwer Geld!“ sagte der Hauptmann, als er die dreißig Taler ausgezählt hat, „Ja, schwer Geld!“ wiederholt mit gepreßter Stimme der Empfänger. Auf der Stelle wird an dem Ausreißer die festgesetzte Strafe vollzogen: sechsmaliges Gassenlaufen. Dreimal schon ist er durch die heiße Gasse gerannt und der blutige Schweiß träufelt ihm vom Leibe. Da tritt sein Bruder, der Verräter, hervor. „Herr Haupt- mann,“ sagt er, „halten’s zu Gnaden, wenn der Soldat auch einmal ungefragt ein Wort spricht! Ich bitte untertänigst, daß ich die anderen drei Gassen für meinen Bruder laufen darf!“ „Was fällt dir ein?“ herrscht ihn der Hauptmann an; „packt's dich an deiner Seele, du Schelm, daß du deinen eigenen Bruder eingefangen hast ?“ „Zu Befehl, Herr Hauptmann!“ antwortet der Soldat, „unser Vater klagte uns jüngst in einem Briefe seine bittere Not. Durch Krankheit geriet er in Schulden und ganzer dreißig Taler halber wollen ihn die Gläu- biger von Haus und Hof treiben. Wie sollten wir Brüder dem armen Vater helfen? Lange sannen wir vergeblich hin und her; endlich kam uns ein Ausweg in den Sinn: Zahlt man nicht dem dreißig. Taler aus, der einen Deserteur einbringt? Wohlan, so ehrlos es sein mag, einer muß heerflüchtig werden; der andere muß ihn einsangen und mit dem schmachvoll erworbenen Lohne den armen Vater retten. Doch wer soll schimpflich den Fahneneid brechen? — — Wer soll schmählich den Bruder verraten? — — Wir losten darum. — — Haltens zu Gnaden, Herr Hauptmann, das übrige kann jeder selber erraten.“ Die harten Gesichtszüge des Hauptmanns milderten sich und leise zitterte seine Stimme, als er sagte: „Der Ausreißer muß sechs- mal Gasse laufen, so verlangt’s die Vorschrift. Doch hat ’s damit vorläufig noch keine Eile. Ich will den Fall dem König melden.“'
   bis 10 von 823 weiter»  »»
823 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 823 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 46
1 5
2 0
3 25
4 55
5 265
6 4
7 107
8 13
9 19
10 64
11 0
12 2
13 0
14 0
15 29
16 84
17 1
18 15
19 122
20 0
21 4
22 6
23 0
24 19
25 12
26 40
27 1
28 5
29 82
30 29
31 4
32 0
33 97
34 4
35 1
36 18
37 333
38 60
39 230
40 0
41 10
42 0
43 16
44 0
45 137
46 1
47 7
48 7
49 11

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 3
1 115
2 0
3 11
4 86
5 21
6 50
7 0
8 2
9 25
10 0
11 29
12 55
13 24
14 0
15 6
16 101
17 307
18 2
19 20
20 2
21 69
22 0
23 10
24 61
25 3
26 7
27 0
28 29
29 0
30 5
31 0
32 6
33 0
34 0
35 0
36 129
37 2
38 16
39 154
40 75
41 29
42 124
43 33
44 0
45 112
46 19
47 2
48 6
49 8
50 6
51 7
52 18
53 0
54 66
55 0
56 0
57 0
58 3
59 14
60 17
61 37
62 2
63 2
64 10
65 9
66 10
67 2
68 38
69 17
70 27
71 58
72 111
73 15
74 0
75 21
76 52
77 261
78 0
79 43
80 8
81 8
82 56
83 0
84 26
85 0
86 2
87 109
88 0
89 0
90 0
91 77
92 331
93 0
94 181
95 6
96 4
97 4
98 25
99 4

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 23
1 49
2 13
3 26
4 4
5 61
6 27
7 17
8 1
9 1
10 3
11 9
12 68
13 40
14 3
15 0
16 0
17 2
18 0
19 9
20 0
21 0
22 0
23 0
24 36
25 18
26 4
27 0
28 49
29 4
30 0
31 6
32 16
33 147
34 16
35 4
36 19
37 0
38 0
39 100
40 0
41 4
42 17
43 79
44 0
45 0
46 40
47 4
48 0
49 0
50 70
51 130
52 154
53 6
54 17
55 9
56 2
57 0
58 2
59 79
60 5
61 4
62 23
63 0
64 9
65 21
66 4
67 4
68 0
69 0
70 6
71 13
72 5
73 0
74 2
75 24
76 10
77 0
78 19
79 0
80 1
81 248
82 14
83 7
84 20
85 0
86 13
87 2
88 0
89 29
90 0
91 8
92 1
93 1
94 8
95 14
96 10
97 4
98 2
99 28
100 102
101 6
102 82
103 2
104 2
105 14
106 15
107 28
108 0
109 3
110 10
111 67
112 14
113 13
114 33
115 2
116 46
117 0
118 0
119 1
120 0
121 5
122 10
123 17
124 100
125 34
126 17
127 16
128 0
129 10
130 0
131 36
132 0
133 31
134 0
135 0
136 72
137 22
138 0
139 5
140 6
141 6
142 20
143 14
144 1
145 12
146 0
147 2
148 0
149 0
150 3
151 34
152 91
153 0
154 130
155 14
156 6
157 1
158 0
159 5
160 0
161 6
162 0
163 0
164 2
165 12
166 26
167 3
168 40
169 13
170 1
171 2
172 2
173 12
174 0
175 110
176 0
177 25
178 0
179 20
180 0
181 0
182 15
183 173
184 0
185 2
186 0
187 0
188 44
189 0
190 4
191 1
192 2
193 4
194 6
195 14
196 71
197 0
198 0
199 13