8s
pflanzte Capmaten, Falisker und Dejenter ergänzt und diese in vier
neue Tribus (die 22. bis 25.) vertheilt,
Gegen Roms zerrüttete Macht erhoben sich die Aequer, Volsker,
Etrusker und Gallier, von denen einzelne Corps noch in Roms Nahe
zurückgeblieben waren. Auch die Herniker und Latiner losten den lä-
stigen Bund mit Rom auf. Camillas, der zweite Gründer der Lckadt,
schon ein Greis, wendete als Diktator und consularischer Kriegstribun
die drohende Gefahr ab.
Inzwischen hatte der Bau der Hauser und die Wiederanschaffung
des Viehes und der Ackergcrathschaften viele Plebejer in Schulden ge-
stürzt und in das Elend der Schuldknechtschaft gebracht. Auch Ca-
millus übte patricische Harte gegen seine plebejischen Schuldner.
Edleren Sinnes war M. Man lins, C ap itolinus genannt als
Retter des Capitols, oder weil er auf der Burg sein Haus hatte. Er
schoß gegen 400 verschuldeten Bürgern Geld ohne Zinsen vor und be-
freite viele aus den Schuldkerkern, wodurch er sich den Ehrennamen
Patrone populi, Schutz Herr des Volkes, erwarb. Dadurch aber, und
durch die Beschuldigung der Patricier, daß sie das gallische Geld ver-
steckt hielten, reizte er ihren Haß. Der Dictatur Aulus Cornelius
Cossus beschuldigte ihn des Hvchverraths und ließ ihn einkerkern,
was aus Scheu gegen die diktatorische Macht keiner seiner Anhänger
hinderte. Drohungen des Volkes aber bewogen den Senat, ihn aus
dem Kerker zu entlassen. Voll Ingrimm über die ihm zugefügte
Schmach wiegelte er das Volk noch mehr auf; die Patricier beschul-
digten ihn, er strebe nach der Konigswürde. Obgleich seine vorgezeigten
Wunden und Ehrengeschenke, besonders der Anblick des von ihm ge-
retteten Capitols die Centurión bewogen, den des Hochverraths Ange-
klagten loszusprechen, so wurde er doch unter des Camillus vierter
Diktatur im Jahr 383 v. Chr., 371 nach R. E. von den Curien
geachtet und, während er mit seinem Anhänge das Capitol besetzt
hielt, hinterlistig vom tarpejischen Felsen hinabgestürzt. Sein Haus
wurde geschleift, die Patricier aber durften seitdem keine Wohnung auf
dem Capitol oder der Burg haben. Die Familie der Manlier beschloß,
daß keiner ihres Stammes künftig den Namen Marcus führen solle.
Bald erwachte aber bei dem Volke die Sehnsucht nach seinem Retter
und Schntzherrn, und eine gleich nachher ausbrechende Pest stellte
man als eine Folge der wahrscheinlich ungerechten Hinrichtung des
edlen Mannes dar.
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Extrahierte Personennamen: Camillas Cornelius
Cossus Marcus
86
X.
Die Licimscheir Nogationen.
Immer drückender wurde in der Stadt die Uebermacht der Pa-
tricier und das Elend des verarmten und verschuldeten Bürgerstandes
mit jedem Tage großer. Viele Schuldner mußten den harten Gläu-
bigern mit dem Verluste ihrer persönlichen Freiheit Genüge leisten.
Muthlostgkeit und Niedergeschlagenheit herrschten unter geringen und
vornehmen Leuten; die Plebejer wagten es nicht einmal, sich mit den
Patriciern um das Kriegstribunat zu bewerben, und Patricier schienen
wieder das alleinige Vorrecht zu hohen Aemtern zu haben. In dieser
Zeit standen aber zwei Männer auf, welche mit scharfem Blick das
Uebel des Bürgerstandes erkannten und mit Beharrlichkeit eine Ver-
änderung der Verfassung durchsetzten, welche die Nation aus dem
Elende zu herrlicher Große führte, indem sie die Ansprüche der Demo-
kratie mit den Vorrechten der Aristokratie auf eine geschickte Weise aus-
glichen und vereinigten, und so eine innere Kraft und Einheit der Stände
hervorbrachten, durch welche Rom eigentlich die Herrscherin des Erd-
kreises geworden ist. Die Veranlassung zu diesem einflußreichen Unter-
nehmen wird in folgendem Mahrchen erzählt: Der Plebejer Cajus
Licinius Stolo war vermählt mit der jungem Tochter des reichen
Patriciers Marcus Fab ins Ambustus, dessen ältere Tochter
Gattin des consularischen Kriegstribun Servius Sulp ieins, eines
Parriciers, war. Einst geschah es, daß gerade, als sich die fabischen
Schwestern im Hause des Sulpicius einander die Zeit verplauderten,
der Lictor, um seinem vom Markte zurückkehrenden Herrn zu melden,
mit seinem Stabe heftig gegen die Hausthür schlug. Die jüngere
Schwester, dieser Sitte nicht gewohnt, erschrack darüber und wurde
von der altern ausgelacht. Sie fühlte sich tief getränkt, und durch
patricischen Glanz sich zurückgesetzt fühlend, klagte sie ihrem Vater,
daß in ihr plebejisches Haus Rang und Ehre nicht gelangen könne.
Dieser versprach ihr, auch ihrem Hause solle bald solche Amtsehre zu
Theil werden. Er machte nun mit seinem Schwiegersöhne Licinius und
einem tüchtigen jungen Manne plebejischer Abkunft, Lucius Sertiuö,
Entwürfe zur Gleichstellung ihres Standes mit dem patricischen.
Licinius und Sertius wurden alsbald im Jahr 376 v. Ehr., 378
n. R. Volkstribunen und machten folgende Rogationen oder Gesetz-
vorschläge: 1) Es sollen künftig keine Militgirtribunen, sondern Con-
fuln gewählt werden, und zwar jedesmal Einer aus den Plebejern;
2) jeder römische Bürger soll Antheil an dem Gemeinland (ager
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65
heftigsten Volksbewegungen wiederholt, denn es wurde für die Tribunen
das wirksamste Mittel, denpatriciern zu schaden und das Volk für sich
zu gewinnen. Cassius hatte zur Vertheilung auch ein ansehnliches
Stück Landes bestimmt, welches als Staatsacker im Besitze einiger
Privatpersonen war. So sahen sich viele Patricier, die dasselbe wider-
rechtlich besaßen, mit dem Verluste des Ihrigen bedroht. Sie feindeten
also den Cassius beim Volke an, und machten ihn verdächtig, daß er
nach der Königskrone strebe und der Bürger Feiheit bedrohe. Er wurde
daher nach Niederlegung seines Amtes des Hochverraths angeklagt,
von dem Gesammtvolke verdammt und hingerichtet, sein Haus aber
geschleift. So ging Cassius zwar unter, aber unter den Plebejern lebte
die Erinnerung an den vereitelten Vorschlag fort, den die Patricier, so
oft er wiederhole wurde, durch Betrug, Frevel und Gewalt zu verzögern
suchten. Als im Jahr 474 v. Chrl der Tribun Genucius wegen
Verzögerung der Landanweisung oder Assignation die Consuln vor ein
Bürgergericht forderte, fiel er durch Meuchelmord, dessen Anstifter
Patricier waren. Ihr frevelhafter Uebermuth setzte die übrigen Tri-
bunen in Angst und hielt sie eine Zeitlang von ähnlichen Unterneh-
mungen ab.
Inzwischen hatten seit 482 die Vejenter den Krieg wieder be-
gonnen, und zugleich erneuerten ihn die Volsker, bald nachher auch
die Aequer. In dieser Zeit blühete vor allen das Geschlecht der Fa-
bier, denn sieben Jahre hinter einander finden wir Fabier im Confulat.
Mit Unwillen folgten die Legionen dem verhaßten Cónsul Käso Fa-
bius in den vejentischen Krieg; ihm zum Trotz wichen sie in der
Schlacht, damit er rühmlos nach Rom zurückkehre. Demnach wurde
im folgenden Jahr, 480 v. Chr., 274 n. R., M. Fabius Cónsul
mit dem C. Manlius Vulso. Sie zogen beide gegen Veji und
fanden ein zahlreiches Heer der Etrusker im Felde. Wie es Sitte war,
hatten die Consuln abgesonderte Lager bezogen. Bei einem Gewitter
schlug ein zündender Blitz in das Feldherrnzelt oder Prätorium des
Manlius, zertrümmerte den Altar und tödtete sein Streirroß. Die
Haruspices weissagten daraus, das Lager werde vom Feinde genommen
werden.
(Siehe die Abbildung Ns 12.)
Um dem Schicksale zu entgehen zog er in das Lager des Fabius.
Die Etrusker schlossen hierauf das vereinigte Lager ein, aber die Con-
suln hielten sich ruhig, trotz aller Aufforderung zu einer Schlacht. Als
aber ihre Soldaten geschworen hatten, nur als Sieger zurückkehren zu
wollen, so führten sie die Legionen zum Kampf hinaus und trieben die
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63
stimmten den Publilius Volero, einen kühnen Mann, der schon
als Hauptmann oder Centurio gedient hatte, zum gemeinen Soldaten.
Da ihn die eingeschüchterten Tribunen, die er um Beistand anrief,
nicht schützten, als der Gerichtsdiener sich seiner Person bemächtigen
wollte; so schrie er laut: ,7 Ich spreche das Volk an und flehe zum
ganzen Bürgerstande um Schutz. Mitbürger, zu Hülfe! zu Hülfe,
ihr Waffenbrüder! Auf die Tribunen dürft ihr nicht warten, die eurer
Hülfe selbst bedürfen." Die Volksmenge horte seinen Ruf, mißhan-
delte die Lictoren und zerbrach ihre Ruthenbündel.
(Siehe die Abbildung Ng 13.)
Nachdem der Aufstand sich gelegt hatte, beriefen die Consuln, die sich
in die Curie geflüchtet hatten, den Senat und beklagten sich über Vo-
lero's Frechheit; doch wagte man nicht, , mit Strenge gegen das auf-
geregte Volk zu verfahren. Am nächsten Wahltage wurde Volero Volkö-
tribun für das Jahr 472 v. Chr., 282 n. R. Man erwartete, er
werde durch eine Anklage der Consuln Rache nehmen, allein nur auf
seines Standes Wohl bedacht, machte er den Vorschlag, daß die
Wahlen der plebejischen Obrigkeiten, die bisher in den Centuriatcomitien
geschahen und daher ganz von den Patriciern abhängig waren, künftig
durch die Tribus geschehen sollten, wo die Bürger nach Köpfen stimmten,
damit diese Wahlen ganz frei würden. , Die Patricier vereitelten aber
das ganze Jahr hindurch die Versammlungen der Gemeinde. Volero
erhielt aber auch für das folgende Jahr das Tribunat und fügte noch
den Vorschlag hinzu, daß die Pebs abgesondert von den Patriciern be-
fugt seyn solle, in der Gemeinde der Tribus über alle Gegenstände des
öffentlichen Wohls zu berathschlagen und zu beschließen. Heftig wider-
setzte sich der adelsstolze Appius. Um aber dem Ausbruche größerer
Unruhen vorzubeugen, verstand sich endlich der Senat, durch den billig-
denkenden Consul Titus Quinctius bewogen, zur stillschweigenden Ge-
nehmigung des Vorschlags (lex Publilia).
Mit Unwillen folgten aber die Legionen dem verhaßten Consul
Appius Claudius Regillensis in das Feld gegen die Volsker,
und nöthigten ihn zum Rückzüge. Dafür übte er an der ungehorsamen
Armee unerbittlich die Strenge des römischen Kriegsrechts: die Fahnen-
träger, die Hauptleute und Doppelsöldner, die ihrem Gliede entlaufen
waren, aus der übrigen Menge aber der zehnte Mann, wurden ent-
hauptet. Glücklicher führte sein College Ouinctius, dem die Bürger
wohl wollten, den Feldzug gegen die Aequer. Appius wurde nachher
wegen seiner Härte, und weil er die Ackervertheilung Hintertrieben hatte,
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90
Oskern abgelernten atellanischen Possenspiele, wie sie wahrscheinlich in
der Stadt Atella in Kampanien gewöhnlich waren.
Auch ließ man zur Abwehr der Pest durch den Dictator L. Man-
lius Jmperiosus einen Nagel in die Tempelwand des capitolini-
schen Jupiters einschlagen. Da der nur zu diesem Geschäft gewählte
Dictator aber auch eine Trnppenanshebung halten wollte, zwangen ihn
die Volkstribunen zur Niederlegung seines Amtes und forderten ihn im
Jahr 362 v. Chr. wegen seiner Strenge vor Gericht, ihm auch die
schlechte Behandlung seines auf dem Lande lebenden Sohnes, Titus
Man lius, vorwerfend. Voll Unwillen beschloß der Jüngling öffent-
lich zu zeigen, daß er es mit seinem Vater und nicht mit dessen
Feinden halte. Mit einem Dolche unter dem Kleide ging er früh zur
Stadt, gerade vor das Haus des Tribuns Marcus Pomponius, der
ihn sogleich vorließ. Nach gegenseitiger Begrüßung sagte Manlius, er
habe etwas mit ihm ohne Zeugen zu sprechen. Kaum waren sie beide
allein, als der Jüngling den Dolch zog und ihn auf der Stelle zu
durchbohren drohete, wenn er nicht eidlich ihm versicherte, die Klage
gegen seinen Vater Lucius Manlius zurückzunehmen.
(Siehe die Abbildung N= 19.)
Der Tribun, der den Stahl des tollkühnen starken Jünglings vor
seinen Augen blitzen sah, schwur den verlangten Eid und gab seine
Klage auf. Das Volk aber belohnte diese That kindlicher Liebe damit,
daß es den jungen Mann zum Kriegstribun ernannte.
In demselben Jahr 362 war wahrscheinlich durch eine vulkanische
Erschütterung auf dem Markte zu Rom eine weite Kluft von unermeß-
licher Tiefe entstanden, die man auszufüllen vergebens versuchte. Nach
dem Aussprüche eines Sehers mußte in diesen Abgrund das beste Gut
des römischen Volkes geworfen werden, wenn man dem Staate seine
Dauer sichern wollte. Da man hierüber in Ungewißheit war, so trat
ein edler Jüngling, Marens Curtins, hervor und fragte, ob es
für Römer ein höheres Gut gebe, als kriegerische Tapferkeit. Darauf
weihete er sich zum Opfer für die Götter der Unterwelt, schwang sich
in voller Rüstung auf sein herrlich geschmücktes Roß und sturtzte sich
in den Schlund, an dessen Stelle nachher der curtische See ent-
standen seyn soll.
(Siehe die Abbildung N= 20.)
Da sich schon damals viele Plebejer durch die auf Wochenmärkten
und Sammelplätzen erschlichene Stimmenmehrheit zu Staatsämtern
drängten, so machte der Bürgertribun Cajus P otelius, auf Betrieb
der Patricier, einen Gesetzvorschlag gegen ungebührliche Amtsbewerbung
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Extrahierte Personennamen: Titus
Man_lius Marcus_Pomponius Manlius Lucius_Manlius Marens_Curtins Cajus_P
67
Minucius in Noch war. Ohne Saumen begann der Kampf. Die
Aequer, von zwei Seiten angegriffen und eingeschlossen, baten, der
Dictator mochte sie entwaffnet abziehen lassen. Er bewilligte es gegen
die Abtretung ihrer Stadt Corbio; dann ließ er von drei Spießen ein
Joch machen, so daß zwei in die Erde gesteckt und einer quer darüber
gebunden wurde, und durch diesen Galgen zogen die Aequer ohne
Waffen mit Schande ab. Der Dictator hielt nach diesem Sieg einen
herrlichen Triumphzng, legte schon am sechzehnten Tage seine Würde
nieder und begab sich wieder zu seinen ländlichen Beschäftigungen.
Der Krieg war aber damit noch nicht beendigt, denn die Aequer
wiederholten aus ihren Bergvesten ihre Verheerungszüge ans das römische
Gebiet, bis eine große Niederlage bei Eorbio im I. 446 v. Ehr.,
308 n. R. sie auf längere Zeit schwächte.
Die Tribunen bestanden unterdessen auf ihren Forderungen. Die
Patricier mußten im I. 457 v. Ehr., 297 n. R. bewilligen, daß von
nun an zehn Tribunen gewählt wurden, auch den Aventinus, wo
schon seit des Königs Ancus Zeit eine plebejische Ansiedelung war, zu
Wohnplätzen für die Plebejer vertheilen lassen. Besonders zeigte sich bei
Erneuerung des Ackergesetzes ein alter, aber unruhiger Kriegsmann
thatig, L. Siccius Dentatus, der in 120 Gefechten gestritten,
neun Triumphe begleitet, acht Feinde erlegt, und 45 Narben bekommen
hatte und mit Ehrenzeichen aller Art geschmückt war. Der Senat sah sich
endlich zur Nachgiebigkeit genothigt und bewilligte, daß im I. 454
v. Ehr., 300 n. R. drei Abgeordnete in die griechischen Städte Ita-
liens geschickt würden, um die besten Gesetze aufzusuchen und zu
sammeln. Daß sie auch nach Achen gegangen sind, um die Gesetze
des weisen Solon kennen zu lernen, laßt sich bezweifeln, weil damals
zwischen Athen und Rom noch gar keine Bekanntschaft und politische
Verbindung Statt fand, und Cicero, ein gültiger Zeuge, von einer
solchen Gesandtschaft nach Griechenland gänzlich schweigt.
Vi.
Die Negierung der Deeemvirn und ihr Sturz. Herstellung
und Begründung der Volksfreiheit. Die zwölf Tafeln.
Die Censur.
Als im I. 452. 302 n. R. die drei abgeschickten Gesandten
zurückgekehrt waren, wurde beschlossen, die bisherigen Obrigkeiten einst-
weilen aufzuheben, und an ihre Stelle zehn Männer zu wählen,
welche mit unbeschränkter Vollmacht die gesammelten Gesetze ordnen
5*
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V2
denn Schwärme neuer Einwanderer kamen herbei und wurden von den
schon angesiedelten Römern weiter zu ziehen bewogen. Durch einen
solchen Einfall wurde Rom im Jahr 361 v. Ehr. in Schrecken gesetzt,
wo die Gallier ein Lager im Sabinerlande jenseit der Brücke des Anio
hatten. Ihnen gegenüber schlug der Dictator Titus Quinctius Pennus
sein Lager auf. Wegen der Besetzung der Brücke fielen oft Gefechte
vor, aber noch blieb es unentschieden, wer sie besetzen würde. Da
trat, wie die römische Heldensage erzählt, ein Gallier von ausgezeich-
neter Körpergröße auf die leere Brücke und forderte höhnend mit lauter
Stimme den tapfersten Römer zum Zweikampf heraus, damit der Aus-
gang desselben darthue, welches Volk im Streite des andern Meister
sey. Lange herrschte Stille unter den edlen Jünglingen der Römer,
denn sie schämten sich eben so sehr, den Kampf mit dem Riesen aus-
zuschlagen, als sie den Ausgang des mit ungleichen Kräften angenom-
menen Kampfes fürchteten. Endlich erbat sich Titus Manlius,
des Lucius Sohn, der seinen Vater gegen den Tribun vertheidigt
hatte, vom Dictator die Erlaubniß aus, außer dem Gliede zu fechten.
Mit dem Schilde eines Fußgängers bedeckt und mit einem kurzen spa-
nischen Degen umgürtet, tritt er auf gegen den riesenhaften Gallier,
der in vielfarbiger Kleidung und bunten, mit Gold ausgelegten Waffen
schimmerte. Gewandt wich der Römer den gewaltigen Schwertstreichen
seines Gegners ans, stieß mit seinem Schild den untern Rand des
gallischen Schildes in die Höhe, schmiegte sich mit dem ganzen Körper
zwischen des Feindes Körper und Waffen, und durchstach ihn so Wei-
chen und Wanst, daß er hinstürzte. Gegen den Leichnam erlaubte sich
Manlius keine Mißhandlung, nahm ihm aber die goldene Halskette
(torqnes) ab und wand sie sich selbst um den Hals. Daher nannten
ihn die Soldaten, als sie ihn jubelnd und unter Scherzen zum Dictator
führten, Targuatus, der Bekettete, welchen Namen des Manlius
Nachkommen beibehielten. Der Dictator lohnte ihn mit einem goldenen
Kranze und ertheilte ihm vor der Versammlung außerordentliche Lob-
sprüche.
(Siehe die Abbildung Ix- 21.)
Die Gallier zogen hierauf durch Tibur nach Kampanien. Im
folgenden Jahr kamen sie wieder und streiften bis an das collinische
Thor Roms, durch welches sie vor dreißig Jahren in die Stadt einge-
drungen waren. Sie wurden aber zurückgedrängt und bei Tibur ge-
schlagen. Mehrmals kamen sie zurück. Im Jahr 349 v. Ehr. suchten
sie Latium aufs Neue heim und behaupteten das albanische Gebirge,
von wo sie während des Winters in die Landschaft an der Küste
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I
95
wie in wenigen andern Städten Großgriechenlands. Eigenthümlich
war den Kampanern die burleske Komödie, die Atellanen (fabulae Atel-
lanae , nach der Stadt Atella benannt), deren Darstellungen die
Römer vorzüglich ansprachen.
Die verbündeten Sidiciner und Kampaner wurden sogleich im ersten
Treffen bei Teanum geschlagen; die Samniter besetzten die Anhöhe
Tifata, an deren Fuß Kapua lag, und verheerten rings die reiche
Ebene um die Stadt. Dies lockte Kampaner in das Feld und sie
wurden noch einmal geschlagen. Nach dem Verluste ihrer besten
Truppen sahen sie sich gezwungen, die Römer um Beistand anzu-
sprechen, denn mit diesen hatten sie schon Verkehr und kannten ihre
Macht. Rom soll zwar, weil es schon ein älteres Bündniß mit den
Samnitem geschlossen hatte, anfangs die Kampaner abgewiesen, nach-
her aber unter Schutz genommen haben, als die Gesandten ihr Vater-
land den Römern als Eigenthum übergeben hatten. Wahrscheinlicher
ist, daß Kapua zur Bundesgenossin Roms und Latiums erklärt wurde,
worauf die Römer die Einstellung der Feindseligkeiten gegen die Kam-
paner und Sidiciner forderten. Da diese nicht erfolgte, die Samniter
vielmehr, entrüstet über Roms Bundesbrüchigkeit, den Krieg eifrig fort-
setzten, so zogen zwei consularische Heere im Jahr 343 v. Ehr. gegen
sie aus. Der Consul M. Valerius Corvus, der ausgezeichnetste
Feldherr seiner Zeit und bei dem Heere vorzüglich durch seine Thatig-
keit und Leutseligkeit beliebt, lagerte sich am Waldgebirge Gaurus in
der Nahe des Lukrinersees, wo er siegreich einen verzweistnngsvollen
Kampf mit den Feinden bestand, welche hartnäckig ihre Stellung be-
haupteten. Wie Wüthende warfen sich die Römer, als schon der Tag
sich neigte, auf die standfesten Samniter, welche ihre Flucht damit
entschuldigten, 77 daß sie in den Augen der Römer Flammen gesehen
hatten, in ihren Blicken Raserei, und Wuth auf ihrem Antlitz." Der
andere Consul A. Cornelius Cossus hatte inzwischen sein Heer in
gefährliche Gebirgspässe Samniums, auf dem Apennin zwischen Sa-
ticula und Beneventum, geführt, und wurde von den Feinden einge-
schlossen. Der Tribun P. Decius Mus bemerkte es noch zu rechter
Zeit und besetzte mit achtzehnhundert Mann schnell eine Berghohe, die auf
dem Wege, woher die Samniter vordrangen, hervorragte. Decius er-
reichte vor ihnen die Höhe und beschäftigte die Anrückenden, so daß
der Consul mit seinen Legionen sich unangefochten aus der Schlucht
zurückziehen und eine bessere Stellung gewinnen konnte. Decius, von
dm Feinden eingeschlossen, behauptete sich kämpfend bis die Nacht
einbrach. Um Mitternacht zog er in aller Stille ab durch die sorglos
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
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96
schlafenden Feinde. Zwar wurde er in der Mitte ihres Lagers entdeckt,
entkam aber glücklich, da das Geschrei seiner Schaar den vom Schlafs
betäubten Feinden eine solche Bestürzung einjagte, daß sie die Eilenden
nicht verfolgen konnten. Mit Tagesanbruch (das Dunkel der Nacht
sollte solche Tapferkeit nicht verhüllen) hielt Decius seinen Einzug in
das Lager des Consuls, wo er als Retter begrüßt und durch öffent-
liches Lob geehrt wurde. Zur Belohnung erhielt er einen goldenen
Kranz und hundert Ochsen, nebst einem auserlesenen weißen, fetten
Stier mit vergoldeten Hörnern. Die Theilnehmer seiner That bekamen
auf immer die doppelte Portion Getreide, jeder einen Ochsen und
zwei Rocke. Die Legionssoldaten setzten dem Decius einen Graskranz
auf, womit die Rettung ans der Einschließung belohnt zu werden
pffegte; dann brachte ihm jeder ein Pfund Korn und ein Maas Wein.
Nachher wurde bei Suessula gekämpft, wo Valerius das feindliche
Lager eroberte und unermeßliche Beute (-40,000 Schilde, 170 Fahnen)
machte. Beide Consuln feierten einen glänzenden Triumph; Decius,
in den Gesängen der Soldaten verherrlicht, folgte ihnen zu Fuß.
Wahrscheinlich in Verabredung mit den Plebejern empörte sich die
in Kapna stehende römische Besatzung und rückte auf Rom los. Schon
hatten die Aufrührer bei Alba ein festes Lager bezogen und gewaltsam
einen Anführer ernannt, als ihnen M. Valerius als Diktator entgegen-
zog und Amnestie (Verzeihung und Vergessenheit des Geschehenen)
ankündigte, worauf sie zum Gehorsam zurückkehrten. Der Senat aber
gestand ihnen zu, daß keines Soldaten Namen ohne seinen Willen
aus der Liste gestrichen, und kein Kriegstribun wieder Hauptmann
werden solle. Nach Wiederherstellung der innern Ruhe kam im I. 341
mit den Samnitern ein Friedens- und Vertheidigungsbündniß zu Stande,
weil die Römer Latiums wachsende Macht fürchteten.
Xiv.
Latiums Unterjochung.
Die Latiner setzten als selbstständige Nation den Krieg mit den
Samnitern allein fort; die Römer traten zwischen beiden als Vermittler
auf. Latinische Gesandte kamen nach Rom und erklärten im Namen
ihres Volkes im Senate, daß, wenn eine wahre Verbindung zwischen
ihnen als zweien völlig freien und gleichen Völkern bestehen solle, die
Hälfte des Senats aus Latinern bestehen, und ein Consul aus ihrem
Volke gewählt werden müsse. Eben so sey auch die Zahl der Tribus
zu verdoppeln und die Besetzung der übrigen Magistrate zu thcilen.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T146: [Rom Römer Stadt Krieg Gallier Rmer Italien Heer Jahr Schlacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
73
Vh.
Spurius Mälius. A. Cornelius Cossus. Fidenä^s Eroberung»
Einige Jahre hatte der innere und äußere Friede gedauert, als eine
Hungersnoth entweder durch Mißwuchs, oder durch Vernachlässigung des
Ackerbaues, weil die Versammlungen in der Stadt mehr Unterhaltung
gewahrten, oder auch durch Nachlässigkeit der Consuln über Rom kam,
welche so groß wurde, daß sich viele Bürger aus Verzweiflung, um nicht
eines qualvollen Todes zu sterben, mit verhülltem Haupte in die Tiber
stürzten. In dieser Zeit der Noch kaufte der reiche Ritter Spurius
Mälius Getreide in Etturien und vertheilte das Korn an die armem
Bürger. Diese Freigebigkeit, die unvorsichtig und in einem Freistaate
leicht der Mißdeutung ausgesetzt war, erwarb ihm großen Anhang. Die
Patricier beschuldigten ihn, er strebe nach dem Königthum und dem Se-
nate zeigte der auf Antrag der Bürgerschaft zum ersten Mal erwählte
Staats-Proviantmeister (praefectus annonae) Minucius an, daß in.
des Mälius Haus Waffen geschafft und dort Zusammenkünfte zur Errich-
tung eines Konigthums gehalten würden; schon seyen die Tribunen zum
Verrathe der Freiheit erkauft. Daher ernannte der Conful Titus
Qu in et ins Capitolinus den greisen, aber noch kräftigen und ent-
schlossenen L u c i u s Q u i n c t i u s C i n c i n n a t u s zum Dictator, und dieser
erwählte den Cajus Servius Ahala zum Obersten der Ritter. Ahala
ging Tages darauf aufbefehl des Dictators auf den Markt, wo Mälius und
seine Partei versammelt standen, und lud ihn ein, sich zu verantworten und die
Anklage zu widerlegen. Da er sich weigerte, ergriff ihn der Lictor, wurde
aber von den Seinigen wieder befreit und rief fliehend das Volk um Bei-
stand an. Ahala holte ihn aber ein und hieb ihn nieder. So wie der
Dictator diesen Mord als eine Großthat pries, durch welche dem Staate
die Freiheit wiedergegeben sey, so rühmte diese Frevelthat auch später Ci-
cero, vom Geiste des hartherzigen Aristvkratismus beseelt. Des Mälius
Haus wurde niedergerissen, damit der freie Platz (^equimaelium, Mälius-
platz) ein Denkmal des vernichteten Entwurfes bliebe. Die Kornvorräthe
des Mälius verkaufte Minucius an die Bürger, den Modius (-Z- eines Ber-
liner Scheffel) znm Preise eines As (etwa 6 Pfennige). Das neu er-
richtete Amt, welches Minucius bekleidete, war während der Republik
eine außerordentliche und nur für Zeitell der Theuerung angeordnete Ma-
gistratur. Erst durch des Augustus Anordnung wurde die Sorge der
Getreidevertheilung einer ständigen Magistratsperson übertragen.
Nach diesen inner» Unruhen brach im I. 438 ein Krieg gegen die Fi-
denaten an, welche an die Vejenter abgefallen waren und vier römische
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T55: [Rom Krieg Römer Jahr Heer Cäsar Hannibal Pompejus Marius Schlacht], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann]]
TM Hauptwörter (200): [T162: [Jahr Rom Senat Plebejer Volk Gracchus Cicero Gesetz Konsul Marius], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
Extrahierte Personennamen: Spurius_Mälius Cornelius_Cossus Ritter_Spurius
Mälius Cajus_Servius_Ahala Ahala Augustus