12
I. Der Staat.
In den Demokratien des Altertums übt die Volksgemeinde
unmittelbar die höchste Gewalt aus; z. B. in Athen.
In den demokratischen Republiken der Neuzeit liegt die höchste
Getvalt im wesentlichen in der Hand der Volksvertretung:
so in Frankreich, mit Einschränkung in den Vereinigten Staaten,
wo dem Präsidenten besondere Rechte zustehen, und in der
Schweiz, wo in gewissen Füllen Abstimmungen des ganzen
Volkes stattfinden.
Der Präsident wird entweder vom Volk gewählt (so in den
Vereinigten Staaten) oder von der Volksvertretung (so in der
Schweiz und in Frankreich).
8 4. Die Staatseinkünfte (Finanzen).
Die Einkünfte des Staats stammen entweder aus eigener wirtschaft-
licher Tätigkeit des Staates oder aus Abgaben der Staatsbürger,
k. Einkünfte aus eigener wirtschaftlicher Tätigkeit des Staates:
a) aus Grundeigentum.
Diese Einuahmeqnelle hat ihre größte Bedeutung im natural-
wirtschaftlichen Zeitalter; vgl. die Krongüter zur Zeit der fränkischen
Könige und in der deutschen Kaiserzeit.
Aber auch heute bezieht z. B. der preußische Staat aus den
Domänen und Forsten nicht unbeträchtliche Einnahmen.
b) Aus Staatsbetrieben.
Z. B. aus dem Betriebe der Postz und der Eisenbahnen (vgl.
die preußischen Staatseiscnbahnen); aus Berg- und Hüttenwerken
und Salinen; aus Fabrikbetrieb.
Wenn die Erzerigung oder der Vertrieb eines Gegenstandes
dem Staate vorbehalten wird, spricht man von einem Monopol;
vgl. das Tabak- und Kafseemonopol Friedrichs des Großen,
das Tabakmvnopol Österreichs, Frankreichs, Italiens.
2. Einkünfte aus Abgaben an den Staat (Steuern).
Wir unterscheiden direkte und indirekte Steuern:
a) Direkte Steuern sind solche, die (nach der Absicht des Gesetzgebers)
derjenige, der sie zahlt, auch tragen und nicht auf andere überwälzen
soll, bei denen also der Steuerzahler auch der Steuerträger ist. 1
1) Früher sprach man von einem Postregal ebenso wie von einem Münz-,
Bergwerks- und Zollregal. Regalien sind staauiche Hoheitsrechte, die für die Staats-
finanzen nutzbar gemacht werden.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T63: [Jahr Senat Plebejer Gesetz Volk Recht Staat Bürger Gewalt Rom], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Friedrichs
Extrahierte Ortsnamen: Athen Frankreich Vereinigten_Staaten Schweiz Schweiz Frankreich Friedrichs Frankreichs Italiens
14
I. Der Staat.
1. Zölle, die von gewissen Waren beim überschreiten der Grenze
erhoben werden. Wir unterscheiden:
a) Finanzzölle, die allein deshalb erhoben werden, um die
Staatseinnahmen zu erhöhen, z. B. die Zölle auf Kolonial-
waren, Kaffee, Tee, Kakao;
d) Schutzzölle, die den Zweck haben, die Einfuhr ausländischer
Waren im Interesse der inländischen Gütererzeugung zu er-
schweren und ihren Preis zu erhöhen, also die inländische
Gütererzeugung zu schützen; z. B. Zölle auf Eisenwaren, Seiden-
waren, Baumwollwaren, auf Getreide u. a.
2. Verbrauchssteuern, welche von Verbrauchsgegenständen er-
hoben werden, die im Jnlande erzeugt werden;
z. B. eine Biersteuer, eine Branntweinsteuer, Zuckersteuer,
Salzsteuer.
Zu den indirekten Steuern gehören auch gewisse Steuern, die von
bestimmten Vorgängen des Handelsverkehrs erhoben und als Verkehrs-
steuern bezeichnet werden: Steuern von Verkaufsgeschüftcn aller Art,
insbesondere von Börsengeschäften, von Wechseln, von Urkunden. Die
Erhebung geschieht meist in der Form, daß die Verwendung eines
Stempels gefordert wird; daher nennt man sie auch Stempelsteuern.
8 5. Das Heerwesen.
1. Die erste Entwickelungsstufe ist die der allgemeinen Wehrpflicht
der Freien. Auf dieser Stufe pflegt das Fußvolk zu überwiegen.
So z. B. in Sparta, Athen, Rom und bei den germanisch-
romanischen Völkern bis zum Aufkommen des Rittertums.
2. Die Stufe der ritterlichen Heere. Ein ritterlicher Berufsstaud
übernimmt die Pflicht und das Recht, Waffen zu tragen, und schließt
sich als Adel gegenüber den übrigen Volksgenossen ab.
Vgl. die germanisch-romanischen Völker in der Zeit des Lehns-
wesens.
3. Die Stufe der geworbenen Heere. Sie tritt ein, nachdem die Geld-
wirtschaft aufgekommen ist, die dem Staate ein geordnetes Finanz-
wesen und die Soldzahlung ermöglicht. Die Reiterei tritt wieder
hinter dem Fußvolk zurück.
a) Die Zeit der Söldnerheere, die nach Bedarf angeworben werden;
vgl. die Landsknechte des 16. und 17. Jahrhunderts.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T59: [Heer Mann Soldat Krieg Jahr Offizier Land König Truppe Waffe], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T60: [Mann Heer Jahr Offizier Soldat Landwehr Truppe Krieg Armee Regiment], T101: [Baumwolle Kaffee Tabak Getreide Reis Zucker Holz Ausfuhr Wein Zuckerrohr]]
§ 7. Die Reichsverwaltung. — § 8. Die Reichsfinanzen.
19
§ 7. Tie Ncichsverwaltung.
Die oberste Reichsverwaltung unterscheidet sich dadurch von der Ver-
waltung Preußens und der meisten anderen Staaten, daß sie nicht die
Form eines Ministeriums hat, dessen Mitglieder einander gleichberechtigt
und für ihre Amtshandlungen verantwortlich sind, sondern daß der
Reichskanzler allein die Verantwortung trägt. Ihm sind Staatssekre-
täre untergeordnet, welche die Reichsämter verwalten:
Die Reichsämter sind:
1. Das Auswärtige Amt.
Die diplomatischen Vertreter bei auswärtigen Staaten führen
entweder den Titel Botschafter (bei folgenden Mächten: Österreich-
Ungarn, England, Frankreich, Rußland, Italien, Spanien, der
Türkei, den Vereinigten Staaten, Japan) oder Gesandte.
Die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen deutscher Reichs-
angehöriger im Auslande und ihr persönlicher Schutz ist Aufgabe
der Konsuln. Diese sind entweder besoldete Berufskonsuln oder
unbesoldete Wahlkonsuln, d. h. Kaufleute, die nebenher die Kon-
sulatsgeschäfte wahrnehmen.
2 Das Reichsamt des Inneren.
Ihm fällt unter anderem die Sorge für die weitverzweigte Ar-
beiterversicheruug zu.
3. Das Reichsjustizamt.
4. Das Reichsschatzamt.
5. Das Reichspostamt.
6. Das Reichseisenbahnamt.
7. Das Reichsmariueamt.
8. Das Reichskolonialamt.
Die Heeresverwaltung untersteht, abgesehen von Bayern, Sachsen
und Württemberg, welche eigene Kriegsminister haben, dem preußischen
Kriegsministerium. 8
8 8. Tie Rcichsfiminzen.
Die wichtigsten Einnahmequellen des Reichs sind folgende:
1. Indirekte Steuern:
a) Die Grenzzölle. Diese sind teilweise Schutzzölle, teilweise Finanz-
zölle.
d) Die Verbrauchssteuern, die von Tabak, Zucker, Salz, Brannt-
wein, Bier und Schaumwein erhoben^werden.
2*
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T19: [Reich deutsch Kaiser Reiche Zeit Karl Jahr Ende Konstantin groß], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T62: [Gericht Recht Gesetz Richter Jahr Volksversammlung Senat Plebejer Beamter König]]
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn England Frankreich Italien Spanien Japan Sachsen Württemberg
§ 11. Deutschland als Wirtschaftseinheit. — § 12. Die soziale Gesetzgebung.
23
Beim Schwurgericht liegt das Urteil über die Schuld den
zwölf Geschworenen ob, während die Strafe von drei Berufsrichtern
festgestellt wird.
Hochverratsprozesse werden vor dem Reichsgericht verhandelt.
§ 11. Deutschland als Wirtschaftseinheit.
(Das Reichszoll- und -münzwesen.)
Das Deutsche Reich bildet ein von einer gemeinschaftlichen Zoll-
grenze umgebenes Zoll- und Handelsgebiet, in das auch das Groß-
herzogtum Luxembiirg eingeschlossen ist.
Aus der Zolleiiligling, die zwischen Preußen und Hessen-Darm-
sladt 1828 abgeschlossen wurde, ist der Zollverein erwachsen, der
vom 1. Januar 1834 an bereits die meisten deutschen Staaten
umfaßte, und dem nachher allmählich auch fast sämtliche übrigen
Staaten außer Österreich beilraten. Der Zollverein ist im Deut-
schen Reiche ausgegangen.
Das Deutsche Reich besitzt ein einheitliches Münz wesen und ein-
heitliches Maß und Gewicht.
Das Reichsmünzwesen beruht aus der Goldwährung. Silber-,
Nickel- und Kupfermünzen sind Scheidemünzen (nicht vollmertig
ausgeprägte Münzen); Silbermünzen braucht man nur bis zum
Betrage von 20 Jk in Zahlung zu nehmen.
Der Förderung des Geldverkehrs dient die Deutsche Reichs bank,
die aus der von Friedrich dem Großen gegründeten Preußischen Bank
entstanden ist. 8
8 l 2. Die soziale Gesetzgebung.
(Das Reichsversicherungswesen.)
Auf Grund der kaiserlichen Botschaft an den Reichstag vom 17. No-
vember 1881 ist durch drei Gesetze, das Krankenkassengesetz, das llnfall-
versicheruugsgesctz und das Juvalidenversicherungsgcsetz eine umfassende
Versicherungsgesetzgebung geschaffen worden.
1. Die Krankenversicherung. Die unselbständigen gewerblichen
Arbeiter haben sich, wenn ihr Lohn oder Gehalt nicht über 2000 Ji be-
trägt. bei einer Krankenkasse zu versichern (Orts-, Betriebs-, Jnuungs-
krankcnkasse). Im Krankheitsfälle erhalten sie freie ärztliche Behandlung,
freie Arznei und eine Krankenunterstützung. Die Beiträge werden zu
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Hessen-Darm- Deut-
24
Ii. Das Deutsche Reich.
zwei Dritteln vom Arbeitnehmer, zu einem Drittel vom Arbeitgeber
aufgebrachtst.
2. Die Unfallversicherung. Jeder Arbeiter, der in seinem
Berus während des Betriebes einen Unfall erleidet, erhält eine Ent-
schädigung, die im Ersatz der Heilnngskosten und für den Fall der Er-
werbsunfähigkeit in einer Rente besieht; ist er bei dem Unfall ums
Leben gekommen, so empfangen die Hinterbliebenen eine Entschädigung.
Die Kosten werden allein von den Arbeitgebern getragen, die sich zu
diesem Zwecke zu Bernfsgenossenschaften vereinigen.
3. Die Invalidenversicherung sichert allen Arbeitern und An-
gestellten, soweit sie nicht über 2000 Ji Lohn oder Gehalt beziehen, auch
abgesehen von Krankheiten und Betriebsunfällen, für den Fall, daß sie
erwerbsunfähig werden, oder beim Eintritt des 70. Lebensjahres eine
jährliche Rente zu. Der Versicherungsbeitrag wird zur Hälfte vom
Arbeitgeber, zur Hälfte vom Arbeitnehmer getragen; dazu zahlt das
Reich einen Zuschuß von jährlich 50 Ji für jede Rente.
Die Beiträge stufen sich nach der Höhe des Jahresverdienstes in
5 Klassen ab. Die jährliche Altersrente beträgt in der ersten Klasse 110,
in der 5. Klasse 230 Ji; die Invalidenrente ist nach der Zahl der Bei-
tragsjahre verschieden; sie beträgt im Mindestfalle 117 Ji.
Die Zahl der Versicherten betrug 1906:
in der Krankenversicherung 12,4 Millionen,
in der Unfallversicherung 19,2 Millionen,
in der Invalidenversicherung 14,1 Millionen.
In demselben Jahre wurden
in der Krankenversicherung für 4,8 Millionen Erkrankungsfülle
266 Mill. Mark aufgewendet;
in der Unfallversicherung wurden für 936 0oo Unfälle 143 Mill.
Mark aufgewendet;
in der Invalidenversicherung betrugen die Aufwendungen 166 Mil-
lionen Mark.
Im ganzen sind von 1885 bis 1906 für Versicherte 52/3 Milliar-
den Mark aufgewendet worden; an Beiträgen haben die Arbeitnehmer
31/4 Milliarden, die Arbeitgeber 32/3 Milliarden aufgebracht, das Reich
hat 435 Millionen zugeschossen. 1
1) In der Verteilung der Beiträge steht eine Änderung bevor.
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TM Hauptwörter (200): [T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
§ 15. Die Preußischen Finanzen.
29
3. aus eigenem Vermögen (z. B. Grundbesitz);
4. aus eigenem Gewerbebetrieb, z. B. Elektrizitätswerken, Gasanstalten
und dergl.
3. Die Kreise. Zur Beratung über Kreisangelegenheiten tritt der
Kreistag zusammen, dessen Mitglieder von den Städten, den größeren
Grundbesitzern und den Landgemeinden des Kreises gewählt werden. Er
berät unter Vorsitz des Landrats. Die laufenden Geschäfte führt,
ebenfalls unter Vorsitz des Landrats, der ans 6 Mitgliedern bestehende
Kreisansschuß.
4. Die Provinzen. Der Provinziallandtag, bestehend aus
Abgeordneten der Kreistage und der Stadtkreise, berät über gemeinsame
Angelegenheiten der Provinz (z. B. Chausseen, Anstalten für Arme, Irre,
Blinde, Taubstumme usw). Die Provinzialverwaltnng untersteht dem
Provinzialausschuß, dessen Mitglieder vom Provinziallandtag gewählt
werden; unter seiner Aufsicht führt der Landesdirektor oder Landeshaupt-
mann als Haupt der provinzialen Selbstverwaltung die laufenden Geschäfte.
8 15. Die prcnszischeu Finanzen.
Die wichtigsten Einnahmen des preußischen Staates sind
1. Einnahmen ans Staatsbesitz und Staatsbetrieb:
a) ans den Domänen und Forsten.
Aus ihnen entstammte noch unter Friedrich Wilhelm 1. etwa die
Hälfte der Reineinnahmen des Staates, heute ein wesentlich ge-
ringerer Teil.
b) Aus den Staatseisenbahnen.
Die Eisenbahnen sind erst seit den siebziger Jahren des letzten
Jahrhunderts verstaatlicht worden. Sie bilden heute eine der wich
tigsten Einnahmequellen des Staates,
o) Ans der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung.
2. Einnahmen ans den direkten Steuern:
a) aus der Einkommensteuer.
Die Einkommen unter 900 Jis sind frei. Für die höheren Ein-
kommen steigt die Steuer prozentual je nach ihrer Höhe; bei einem
Einkommen
von 900 Jia beträgt sie 6 Ji oder 2/3 °/0
„ 3 000 „ „ „ 60 „ „ 2 „
" 10 000 „ „ „ 300 „ „ 3 „
" 100 000 „ „ „ 4000 „ „ 4 „ i).
1) Dazu werden nach den neuen Steuergesetzen Zuschläge treten.
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TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
34
Iv. Volkswirtschaftliches.
indem sie künstliche Düngemittel braucht. Der landwirtschaftliche Betrieb
wird immer intensiver, indem er sich bemüht, durch möglichst vorteil-
hafte Ausnutzung des Bodens möglichst hohe Erträge zu erzielen.
Im Zusammenhang mit dieser gesamten Entwickelung hat das Kapital
eine immer größere Bedeutung für unser Wirtschaftsleben gewonnen: wir
leben in einem kapitalistischen Zeitalter. Damit steht in Verbindung die
Ausbildung des Kreditwesens; das Metallgeld genügt nicht von fern
als Umlaufsmittel, es müssen die mannigfachsten Kreditmittel hinzu-
kommen (s. § 19). Im Dienste der ungeheuer gesteigerten Produktion hat
sich ein neuer Stand gebildet, der Arbeiterstand; und damit ist eine
neue Form der sozialen Frage entstanden (s. § 22, 3).
§ 18. Das Geld.
Metallgeld ist zuerst in Barren ftmgemünzt) im vorderasiatischen
Handel des 2. Jahrtausends vor Chr. verwandt worden; Münzen haben
zuerst die Lyder im 7. Jahrhundert geprägt. Ehe man das Metallgeld
kannte, hat man insbesondere das Vieh (lat. psounia von pecus, das
Vieh), ferner Salz, Häute, Muscheln als allgemeines Tauschmittel benutzt.
Die Edelmetalle empfehlen sich zum Gebrauch als Geld:
1. weil sie einen anerkannten hohen Wert besitzen;
2. wegen ihrer Dauerhaftigkeit (Vieh und andere Tauschmittel sind
in ihrer Dauer wesentlich beschränkt);
3. weil sie beliebig teilbar sind (man vergleiche wieder das Vieh);
4. weil sie verhältnismäßig leicht zu transportieren sind.
Das Geld dient uns:
1. als allgemeines Tauschmittel; wir tauschen dagegen Waren
jeder Art ein;
2. als allgemeines Wertmaß; wir bemessen nach ihm den Wert
der eingetauschten Waren;
4. als Sparmittel; wir sparen den Ertrag unserer Arbeit, soweit
wir ihn nicht verbrauchen, in der Form von Geld.
Im Deutschen Reiche herrscht die Goldwährung, d. h. Gold ist
das gesetzliche Zahlungsmittel. Scheidemünzen, in Deutschland Silber-,
Nickel- und Kupfermünzen, werden für den Kleinverkehr geprägt; sie
brauchen nur bis zu einem bestimmten Betrage in Zahlung genommen
zu werden, in Deutschland Silbermünzen bis zum Betrage von 20 Jio,
Nickel und Kupfermünzen bis zum Betrage von 1 Jl
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral]]
§ 19. Der Kredit.
35
Unter Papiergeld versteht man unverzinsliche Schuldscheine (Kassen-
scheine) des Staates; sie werden, obwohl kein Zwang besteht, von jeder-
mann zum Nennwert angenommen, da alle Staatskassen sie in Zahlung
nehmen. Allerdings darf der Gesamtbetrag des im Umlauf befindlichen
Papiergeldes nicht zu hoch sein; ist dies der Fall, so verliert es gegen-
über der Währungsmünze an Wert, und der Inhaber muß sich bei
Zahlungen einen Abzug (Agio) gefallen lassen. Bei uns dürfen Reichs-
kasseuscheine nur bis zum Betrage von 3 auf den Kopf der Be-
völkerung ausgegeben werden.
Maßlose Ausgabe von Papiergeld kann die wirtschaftliche Ver-
nichtung weiter Bevölkerungskreise zur Folge haben; das furchtbarste
Beispiel ist die Assiguateuwirtschaft der französischen Revolution.
Heute hat z. B. Griechenland Papierwährung; dort werden
Papierdrachmen nicht zum vollen Nennwert angenommen.
8 19. Tcr Kredit.
Je mehr der Handel wuchs, der heute in zahllosen, unendlich mannig-
faltigen Beziehungen die Länder und die Menschen untereinander ver-
bindet, desto stärker hat sich das Bedürfnis erwiesen, noch bequemere
Zahlungsmittel zu finden als das Geld. Dies sind die Mittel des
Kredits.
Jemand genießt Kredit, heißt: er genießt das Vertrauen, daß er
die übernommenen Verpflichtungen, insbesondere seine Zahlungsverpflich-
tungen, in Zukunft erfüllen werde.fi
Der Kredit hat zunächst die Bedeutung, daß er Zahlungen er-
leichtert.
Ein Kaufmann in London z. B. bezahlt die von einem Kauf-
mann in Hamburg gekauften Waren in Form eines Wechsels;
diesen Wechsel erwirbt durch Vermittelung einer Bank ein zweiter
Kaufmann in Hamburg, der in London eine Zahlung zu leisten
1) Habe ich dies Vertrauen zu jemandem, so kaun ich ihm (gegen Schuldschein)
Geld leihen in der Erwartung, daß er mir zu gewisser Zeit das Kapital zurückgeben
und bis zum Zeitpunkt der Rückgabe jährlich Zinsen zahlen wird: z. B. einer Spar-
kasse oder einem Bankier, dem ich Geld zur Verwaltung und Verzinsung anvertraue;
oder einem Grundbesitzer, dessen Grundbesitz mir dann zum Pfande dient (Hypolheken-
schuld).
Ich kann mir ferner von jemandem, der mir für gelieferte Waren Geld
schuldet, anstatt des Geldes eine Zahlungsanweisung geben lassen (einen Wechsel oder
einen Scheck) in der Erwartung, daß er den Wechsel zu bestimmter Zeit einlösen oder
daß die von ihm beauftragte Bank den Scheck einlösen wird.
3*
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TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland London Hamburg Hamburg London
36
Iv. Volkswirtschaftliches.
hat, und läßt ihn nach London zurückgehen. So ist eine bequeme
Form der Zahlung gesunden; bares Geld wird nicht verwandt, es
wird dem Verkehr nicht entzogen.
Ähnliche Dienste leisten Papiergeld (s. § 18), Banknoten (s. §20),
Schecks (s. § 20).
Die Bedeutung des Kredits besteht ferner darin, daß er die
Kapitalsvereiuigung und damit die Produktion befördert.
Eine Summe, die ich mir erspart habe und für den Augenblick
nicht brauche, würde, wenn ich sie bei mir zu Hause behalte, nie-
mand nützen. Verleihe ich sie aberz, so bringt sie nicht nur
mir selbst Zinsen, sondern sie wird auch, indem sie in Ver-
bindung mit anderen Kapitalien tritt, für große, bedeutsame Unter-
nehmungen fruchtbar gemacht: z. B. für die Bedürfnisse des
Staats, Eisenbahnen, Fabriken, Handels- und Schiffahrtsunter-
uehinungen usw.
Zugleich aber regt der Kredit zum Sparen an.
Weiß ich, daß ich durch Verleihen von gespartem Gelde meine
Einkünfte vergrößern kann, so werde ich desto mehr darauf bedacht
sein, Geld zurückzulegen.
Durch die Ausbreitung des Kredits hat sich unser Wirtschaftsleben
stark entwickelt; ohne seine Mithilfe ist es nicht mehr denkbar. Aber
freilich kann der Kredit schwere Nachteile zur Folge haben.
Die Möglichkeit der Kreditgewährung kann den einzelnen zu leicht-
sinniger Steigerung seiner Ausgaben verführen. Der Kredit erleichtert
übermäßige unreelle Spekulation; es ist in den letzten Jahrzehnten oft
genug vorgekommen, daß leichtgläubige Menschen ihr Geld Personen an-
vertrauten, die dies Vertrauen nicht verdienten, und es so verloren (vgl.
den Gründerschwindel und den Krach vom Jahre 1873). Aber auch ohne
dies sind die Verbindungen, die der Kredit knüpft, so ausgedehnt und so
eng. daß ein einziges unglückliches Ereignis, der verschuldete oder un-
verschuldete Zusammenbruch einer Firma, für zahlreiche Existenzen die
schlimmsten Folgen haben kann.
1) Ich kann sie z. B. einer Sparkasse oder einer Bank leihen, welche ihrerseits
das Geld weiter verleihen. Oder ich kann mir einen Staatsschuldschein kaufen, d. h.
die Summe dem Staate leihen. Oder ich kann mir eine Aktie, einen Anteilschein an
einem gewerblichen Unternehmen, kaufen, wodurch ich zum Teilhaber daran werden
oder ich kaufe eine Obligation, d. h. einen Schuldschein eines gewerblichen Unternehmens,
dem ich in dieser Form also Geld leihe.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat]]
§ 20. Die Banken.
37
§ 20. Die Banken.
Die wichtigsten Träger des Kredits sind die Banken. Der Name
rührt von den Wechslertischen (Banken) her, die es schon im Mittelalter
in den Handelsstädten Italiens gab. Ihr ältestes Geschäft ist das Wechsel-
geschäft. das in früherer Zeit besonders nötig war, weil jeder Kleinstaat
sein eigenes Geld hatte.
Wichtige Geschäfte der Banken sind heute folgende:
1. Das Depositengeschäft. Wertsachen, besonders Wertpapiere, kann
ich einer Bank anvertrauen, die sie mir besser aufbewahrt, als ich es
vermag, und zugleich verwaltet. Geld vertraue ich der Bank an,
nicht nur weil sie es mir besser aufbewahrt, sondern weil sie es mir
verzinst.
Wenn jemand ein Konto auf einer Bank hat, so kann er Zah-
lungsanweisungen (Schecks) auf die Bank ausstellen.
2. Das Leihgeschäft. Das Geld, das die Bank von ihren Kunden er-
hält, und wofür sie diesen einen Zins zahlt, verleiht sie ihrerseits
wieder — auf kurze Frist — an andere vertrauenswürdige Personen,
denen sie dann einen höheren Zins abnimmt, als sie ihren Kunden zahltl)
Ein Gutsbesitzer, der das Geld für das von ihm geerntete Ge-
treide noch nicht erhalten hat, aber etwa zum Bau einer Scheune
eine Summe braucht, leiht diese von der Bank, der er sie zurück-
zahlt, sobald ihm sein Getreide bezahlt ist. So bringt das Geld
dreifachen Nutzen: erstens dem, der es ursprünglich der Bank an-
vertraut hat, zweitens der Bank, drittens dem Gutsbesitzer, der es
entleiht.
3. Das Girogeschüft (Giro heißt Kreis).
Wenn z. B. zwei Personen bei der Reichsbank Summen eingezahlt
haben, also ein Konto haben, so können Zahlungen von der einen an
die andere dadurch auf die leichteste Art bewirkt werden, daß die
Summe von dem Konto der einen ab- und dem Konto der andern
zugeschrieben wird.
4. Der An- und Verkauf von Wechseln (s. o.).
Die Bank kauft Wechsel vor der Verfallzeit an (unter Abzug
des Diskonts) und verkauft sie wieder; auch dadurch dient sie dem
Geldverkehr.
1) Eine besondere Art von Banken sind die Hypothekenbanken, welche Grund-
stücke beleihen und den An- und Verkauf von Hypotheken (Schulden, für welche ein
Grundstück oder Gebäude als Pfand dient) vermitteln.
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]