346 Neue Geschichte. 3. Periode. Preußen.
Burschen!" rief er jubelnd aus, als er die Linie herunlerritt; „unser König hat die Schlacht gewonnen und der Feind ist völlig geschlagen. Es lebe unser großer König!" — „Ja, ja!" antworteten sie, „unser König Fritz soll leben, und unser Vater Zielen, unser Husarenkönig auch!" — Als der König am Morgen über das
Schlachtfeld ritt und den Verwundeten seine Theilnahme bezeigte, riefen ihm schwer verwundete Offiziere und Gemeine zu: „Wir freuen uns und danken Gott, daß Ew. Majestät leben!" Ein durch den Leib geschossener, dem Tode sehr naher Grenadier sagte: „Nun will ich gern sterben, da ich nur weiß, daß wir gesiegt haben und daß unser König lebt!" — Den Winter blieb Friedrich in Sachsen, wo Leipzig sein Hauptquartier war. Umringt von den Gefahren der nächsten Zukunft und durch eine Menge Geschäfte
beschwert, widmete er dennoch hier manche Stunde den geistigen
Erholungen und den Wissenschaften. Seine Abneigung gegen die deutschen Gelehrten ist bekannt, aber der berühmte Professor G ellert, den er damals zu sich rufen ließ, erhielt seinen Beifall. Friedrich nannte ihn „den vernünftigsten aller deutschen Gelehrten."
8. Friede von Hubertsburg, 1763. Das Jahr 1761 eröffnete sich unter traurigen Aussichten für den König von Preußen. Seine besten Soldaten waren todt oder gefangen; die großen
Verluste wieder zu ersetzen, war unmöglich; die Engländer weigerten sich, ihn fernerhin mit Geld zu unterstützen, und alle seine Staaten waren gänzlich erschöpft. Das arme Sachsen mußte also herhalten und die Noth die Härte entschuldigen, mit welcher man seine letzten Kräfte auspreßte. Friedrich wandte sich diesmal nach Schlesien, und hier stellten sich ihm gleich so zahlreiche russische und östreichische Heere entgegen, daß er es für eine Tollheit hielt, eine Schlacht gegen sie zu wagen. Er bezog daher ein Lager bei Bnnzelwitz, eine Meile von Schweidnitz, und befestigte es so, daß die überlegenen Feinde es nicht anzugreifen wagten. Wirklich war auch Friedrich so vorsichtig und wachsam, daß sie ihn wenigstens nicht überraschen konnten; am Tage ließ er das Heer ruhen und schlafen; aber jeden Abend wurden die Zelte abgebrochen und die Soldaten in Schlachtordnung gestellt, als wenn der Feind in Anmarsch wäre. Erst mit der Morgendämmerung gingen alle wieder auseinander. Diese Einförmigkeit machte die Soldaten mißmuthig, mehr aber als sie alle war es der König. Ihm schienen die Aussichten in die Zukunft die trübsten zu sein. Was für ein Ende sollte das alles
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Extrahierte Personennamen: Fritz Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
216 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
Sie wurde Königin von Schweden, doch so, daß einige Neichsräthe für sie regierten, bis sie erwachsen war. Des Vaters Geist ruhte nicht auf ihr. Sie beging eine Menge Thorheiten und lieferte wieder ein lebendiges Beispiel, wie traurig es ist, wenn ein Weib aus ihrer Bestimmung heraustritt. Christina war eine Art von gelehrter Frau, und das machte sie zur Regierung ungeschickt. Sie legte endlich (1654) die Regierung nieder, wurde katholisch und ist in Rom, unzufrieden mit sich und der ganzen Welt (1689), 60 Jahre alt, gestorben. — Nach Gustav Adolphs Tode führten seine Generale den Krieg fort. An der Spitze der Geschäfte stand der kluge Kanzler Axel Oxenstierna. Aber freilich vermißte man den alles leitenden Geist des Königs; denn so weise auch der Kanzler war, so fehlte ihm doch das königliche Ansehen, und jeder General that, was er wollte. Viel ließe sich noch von den in diesem Kriege vorgefallenen Schlachten und Thaten erzählen; aber der Raum erlaubt es nicht.
11. Wallensteins Tod, 25. Februar 1634. Wallenstein setzte den Krieg fort und zwar im Ganzen zum Vortheil des Kaisers; doch vermied er jede Gelegenheit, große Schlachten zu liefern; vielleicht machte ihn auch seine zunehmende Kränklichkeit weniger unternehmend. Er pflog Unterhandlungen mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und sogar mit Oxenstierna. Er ließ den gefangenen Grafen Thuru frei und statt die Schweden aus Baiern zu vertreiben, bezog er Winterquartiere in den kaiserlichen Erblanden. Wenn wir sein ganzes Benehmen erwägen, so scheint er damals geschwankt zu haben, ob er dem Kaiser treu bleiben, oder sich mit den Schweden und Franzosen verständigen sollte, um das ihm verhaßte Königshaus von Spanien zu demüthigen, wohl auch um sich die böhmische Königskrone zu gewinnen. Denn die Stellung, welche ihm bei der .Uebernahme des Commandos eingeräumt worden war, erzeugte in ihm die verwegensten Pläne; der Möglichkeit einer abermaligen Absetzung wollte er in jeder Weise entgegentreten; in der Tiefe seiner Seele lebte der Wunsch, keinen Herrn mehr Über sich zu haben. So machte er da und dort Anknüpfungen, um seine Pläne zu sichern; aber es fehlte seiner Handlungsweise nach allen Seiten hin an Offenheit und Einfachheit. Seine Feinde am kaiserlichen Hofe, namentlich die Geistlichen und die spanische Partei, benutzten alles, was ihm schaden konnte, sprachen über die zu große Macht, welche ihm der Kaiser verliehen habe, und äußerten sogar die Vermuthung, daß
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Extrahierte Ortsnamen: Schweden Rom Sachsen Brandenburg Baiern Spanien
458
Neueste Geschichte. 3. Periode.
bereit; auch an der russisch-türkischen Grenze in Asien sollte der Kampf beginnen.
Die Türkei hatte, die Unvermeidlichst des Krieges voraussehend, alle ihre Streitkräfte aufgeboten, um ihre Existenz in Europa mannhaft zu vertheidigen. Der Krieg erhielt hier den Charakter eines Kampfes für die Religion; der Sultan erhob die heilige Fahne des Propheten und nahm den Titel Gazis d. H. Glanbens-kümpfer an; der Scherif in der jedem Mnhamedaner ehrwürdigen Stadt Mekka erklärte den Kampf gegen Rußland als ein Gebot der Religion. Von den tunesischen bis zu den arabischen Grenzen der Wüste, vom Nillande bis zum Euphrat und Tigris hin eilten die Bekenner des Halbmonds unter die an der Donau sich sammelnden Schaaren.
Wir beschränken uns auf einen den Verlauf der Kriegsereignisse andeutenden Ueberblick. Es Lann auch hier nicht Aufgabe dieser Erzählung sein, bei den erhebenden wie bei den erschütternden Vorfällen und Thaten dieses Krieges zu verweilen, so reich er auch an denkwürdigen Tagen und an dem Wechsel des Schlachten-Mcks war.
Am 24. April 1877 begannen die Russen ihre kriegerischen Bewegungen, indem sie den Pruth überschritten. Kaiser Alexander Ii. hatte am Tage zuvor au's User des Flusses sich begeben und in schweigendem Sinnen hinübergeblickt, ehe seine letzten Befehle den tückischen, wilden Dämon des Krieges entfesselten. Die großherzigen Bewegungsgründe, welche ihn zu diesem Kriege trieben, legte der Czar seinen Völkern und der staunenden Welt in einem Manifeste vor. Selten, außer den Kreuzzügen, hat die Geschichte ein kriegerisches Unternehmen mit so idealen, selbstlosen Zielen bezeichnet gesehen. Daß aber die politischen Ideale von den „Wirbeln der Zeitgewalt" erfaßt werden und nach der Erkenntniß der Täuschungen ermüdet am Ziele ankommen, das sollte Kaiser Alexander Ii. auch erfahren. Er reiste jetzt nach St. Petersburg zurück und begab sich erst im Juni zur Armee.
Rumänien hatte den Durchzug der russischen Heeresmassen und ihr erstes Verweilen zu überstehen. Dieses Land, bisher ein Vasallenstaat der Türkei, war entschlossen, dieses Verhältniß zu lösen. Es mußte dies in einem Augenblicke thun, wo es von Rußland, unter dessen vormuudschastlicher Protection es unleugbar gestanden hatte, gleichsam besetzt war. Die Lage war schwierig, aber Fürst Karl, vertrauend ans die Uebereinstimmung mit seinem
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Extrahierte Personennamen: Alexander_Ii Alexander Alexander_Ii Alexander Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Asien Europa Mekka Nillande Donau Petersburg
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
schlagen worden; die wenigen Geretteten suchten in den Gebirgen Zuflucht. So endete einer der schändlichsten Kriege, zu dem die Verkehrtheit religiöser Ansichten geführt hatte. Ein schreckliches Denkmal aber hinterließ er in der Stiftung des Jnquisitiousgerichtes, welches zur Aufspürung der Ketzereien gegründet wurde. (Abschnitt 70.)
Bald nach Ludwigs Ix.f-Tode hörten die Züge nach Palästina ganz auf; denn 21 Jahre darauf (1291) nahmen die Mu-hamedauer die letzte Stadt, welche die Christen dort gehabt hatten, Acre, ein, und überdies war der Eifer für die Eroberung des heiligen Grabes ziemlich abgekühlt. Man kann annehmen, daß diese Züge, aber freilich mit Unterbrechungen, etwa 200 Jahre, d. i. von 1096—1291, gedauert haben. Sie sind nicht allein als eine sonderbare Erscheinung der religiösen Schwärmerei merkwürdig, sondern auch hohe Zeugnisse des Glaubenseifers jener Zeiten, wo der Einzelne durch eine begeisternde Idee aus dem gemeinen Verlaufe des Lebens herausgerissen wurde und alle Mühen und Gefahren, ja den Verlust des Lebens selbst nicht achtete. .
Es ist wohl sehr natürlich, daß so große Bewegungen, wie die Kreuzzüge waren, wichtige Folgen für Europa haben mußten. Wenn auch diesen Kriegsfahrten des Abendlandes nach dem Morgenlande die klare Erwägung des erreichbaren Ziels und der zu Gebote stehenden Mittel fehlte, und wenn auch bei ihrer Ausführung vieles kurzsichtig und verkehrt angefangen wurde, fo hat doch das Walten der Vorsehung auch aus diesen großen und langdauernden Unternehmungen reiche und mächtige Erfolge hervorgehen lassen. Die bedeutendsten derselben waren folgende:
1) Der Geist des Ritterwesens wurde durch die Kreuzzüge veredelt. Bisher "hatten die Edelleute nur untereinander, gegen die Städte oder gegen ihre Lehnsherren Fehden geführt, und dadurch konnte nichts als Unordnung und Verwilderung entstehen. Nun aber wurde ihnen ein höheres, edleres Ziel gegeben. Ihre Thaten wurden nun von ganz Europa beobachtet und bewundert, und das Bewußtsein, für die Eroberung des heiligen Grabes zu fechten, gab ihnen eine schwärmerische Tapferkeit. Die Religion milderte ihre Roheit, und bald wurde es allgemeiner Grundsatz, daß es Schande sei, den Schwachen und Wehrlosen zu beleidigen und ihm Hülfe zu versagen.— (Wie aber die Kreuzzüge eine idealere und feinere Seite des Ritterthums entwickelten, so wurde durch dieselben auch das Verderbliche des ritterlichen
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Ludwigs Palästina Europa Europa Ritterthums
Johanniter. Tempelherren.
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tief)er, als Peter der Einsiedler, der nun sein Werk herrlich gekrönt sah. Welches Entzücken mochte sein Herz durchbeben, als die dort wohnenden Christen ihm die Hände drückten und ihm einmal über das andere ihren Erretter nannten!
Wer sollte aber das neue Reich beherrschen? Keiner war wohl würdiger als Gottfried von Bouillon, und auf ihn fiel auch die einstimmige Wahl als König von Jerusalem. Aber der wackere Mann lehnte diesen Titel ab; die Regierung nahm er an. Nie würde er, sagte er, eine Königskrone da tragen, wo der König der Könige eine Dornenkrone getragen habe. Er nannte sich nun Schutzherr Jerusalems und des heiligen Grabes. Aber schon das Jahr darauf starb er, von allen mit Recht betrauert; denn seines Gleichen war im ganzen Heere nicht. Sein Bruder Balduin erbte nach ihm das Reich, war aber nicht so bescheiden wie er, und nannte sich ohne Bedenken König von Jerusalem.*)
64. Der Ritterorden der Johanniter, Templer und Deutschen. — Fortgesetzte Kreuzzüge. — Folgen derselben.
Schon fünfzig Jahre, ehe der erste Kreuzzug unternommen wurde, hatten einige fromme Kaufleute aus Amalfi in Jerusalem ein Kloster und ein Hospital angelegt, welches sie nach dem von ihnen gewählten Schutzpatron das Hospital des heiligen Johannes von Jerusalem nannten, und in welchem arme und kranke Pilger ausgenommen werden sollten. Diese menschenfreundliche Absicht wurde von allen, die davon hörten, höchlich gelobt und die Stiftung reichlich beschenkt, so daß ein Flügel nach dem andern angebaut und die Zahl der pflegenden Mönche recht vermehrt werden konnte.
*) Die Thaten der Kreuzritter, besonders Gottfrieds von Bouillon und Tancreds,hat ein ausgezeichneter Dichter des 16. Jahrhunderts, Torquato Tasso, in einem herrlichen Gedichte: Das befreite Jerusalem, in italienischer Sprache besungen. Tasso wurde 1544 in Sorrento, einer Seestadt im Königreiche Neapel, geboren, zeichnete sich schon als Kind durch ausnehmende Talente aus und lebte nachher an verschiedenen Orten Italiens, am meisten in Ferrara, wo er das Unglück hatte, in Melancholie zu verfallen und von dem Herzoge sieben Jahre lang im Irrenhause gefangen gehalten zu werden. Mit Mühe erhielt er seine Freiheit wieder, lebte, immer argwöhnisch, selbst" gegen seine Freunde, bald hier, bald dort, und starb endlich 1595 in Rom, eben als er als Dichter auf dem Capitol gekrönt werden sollte. Sein „befreites Jerusalem" ist auch ins Deutsche übersetzt von Grieö und von Streckfuß.
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Heinrich Iv. im Bann.
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zu fragen: „Bist du für den Papst, oder bist du für den
König?" Aus jener Zeit haben wir noch ein Lied übrig, das diesen Zustand schildert. Es mag hier einen Platz finden, damit -man zugleich den Zustand der damaligen Sprache und Poesie daran erkennen möge:
Dar nah Ving sich ane der ubile Strit (Darnach fing sich an der üble Streit)
Des manig Man virlos den Liph (In dem mancher Mann verlor den Leib)
.Dü benti Vierden Heinriche (Durch den vierten Heinrich).
Vieworrin war diz Riche.
(Verworren war dies Reich),
Mohrt, Ronb nnti Brant (Mord, Raub und Brand)
Civurtin Kirichin nnti Lant
(Zerfühlten, d. i. zerstörten Kirche und Land).
Von Tenemarc unz in Apnliam (Von Dänemark bis Apulien),
Von Kirliugen unz an Ungerin (Von Kärnthen bis an Ungarn)
Den niman in mohte widirsten (Denn Niemand nicht konnte widerstehen),
Obi si woltin mit Truwiu un somit gen
(Obgleich sie wollten mit Treue und Zusammen gehen),
Diz stiftin Heriverte groze (Dies stiftete Verheerungen große)
Wider Neviu nnti Hnsgenoze (Wider Neffen und Hausgenossen).
Diz Riche alliz bikerte sin Gewefine
(Dies Reich alles, d. i. dies ganze Reich, kehrte seine Waffen)
In sin eiginin Adere u. s. w.
(In seine eigenen Adern).
Der sorglose Heinrich, nicht ahnend, was eben in Rom über ihn beschlossen sei, war gerade in dem unterworfenen Sachsenlande, baute die eingerissenen Schlösser wieder auf und verschenkte die Güter der gefangenen Sachsenhäupter, an seine Günstlinge. Dann -ging er wohlgemuth nach Utrecht, um da das Osterfest zu feiern; denn der Bischof Wilhelm war sein treuer Anhänger und ein munterer, geselliger Üdtann. Mit diesem Wilhelm trug sich aber ein Vorfall zu, der den Kaiser und alle seine Freunde sehr bestürzt machte. Es war am hohen Feste, als der Bischof mit großem Gepränge die Domkirche betrat und die Kanzel bestieg. Nach einem kurzen Eingänge leitete er die Rede aus den Papst und begann mit
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv Heinrich Heinrich) Heinrich Heinrich Heinrich Wilhelm Wilhelm
106 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
Brust. Auch geiselte er sich oft den Rücken selbst, um die Herzen seiner Zuhörer auf alle Weise zu rühren. Dazu nun seine ganz einzige Persönlichkeit, die ihn wie ein Wesen höherer Art ankündigte; die Aermlichkeit seiner Kleidung; die Freigebigkeit, mit welcher er alle Gaben, die man ihm von allen Seiten aufdrang, wieder an die Arme verheilte — es ist kein Wunder, daß seine Worte in den Gemüthern aller wie Funken zündeten. Was er sprach, schien ihnen Mahnung des Himmels. Selbst auf sein Eselch en gingihre Verehrung über; jeder freute sich, wer es streicheln oder füttern durfte; und wer gar ihm einige Haarß ausreißen konnte, verwahrte diese gleich der theuersten Haarlocke.
So zog der heilig geachtete Mann von Dorf zu Dorf, von "Stadt zu Stadt, von Land zu Land. Ueberall ging sein Ruf vor ihm her, in allen Bier- und Weinstuben wurde von nichts als von Kukupeter gesprochen, und wer ihn nicht selbst hatte hören und sehen können, hörte erstaunt den Erzählungen der Augenzeugen zu. Besonders war er durch' Italien und Frankreich gezogen; hier sahen sich alle schon im Geiste auf dem Wege nach Jerusalem; ein allgemeiner Schwindel hatte die Völker des Abendlandes ergriffen. Das vermag, ein einziger Feuerkopf! — Urban freute sich über diese Erfolge; eine solche Wirkung hatte er selbst nicht erwartet. Er berief, die allgemeine Stimmung zu benutzen, eine große Kirchenversammlung nach Piacenza in Ober-Italien und hier erschien eine solche Menge von hohen und niedern Geistlichen und von andern Leuten, die aus Neugierde kamen, daß kein Gebäude die Menschenmasse zu fassen vermochte. Alles was hier der Papst über die Befreiung 'bes heiligen Grabes sprach, wurde mit Entzücken ausgenommen. Auch ein Gesandter des griechischen Kaisers Alexius Com.nenns war da und überreichte einen in den kläglichsten Ausdrücken abgefaßten Brief, der den Eindruck noch erhöhte, so daß einer dem andern beim Auseinandergehen zurief: „Ja, ja, wir müssen uns erheben! Wir müssen die Ketten der niedergedrückten Christenheit sprengen!"
Einige Monate darauf reiste Urban nach Frankreich, wo die Gemüther durch Kukupeter noch erhitzter waren, und hielt im Herbst 1095 in Elermont, einer Stadt fast in der Mitte von Frankreich, eine neue Versammlung. Himmel! was für Menschen strömten dahin zusammen! Auf einem ungeheuren Platze sah man, nichts als Menschen dicht auf einander gedrängt. In der Mitte auf einer Erhöhung erschien der Papst mit allem Gepränge seiner
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Extrahierte Personennamen: Urban Urban
Extrahierte Ortsnamen: Italien Frankreich Jerusalem Piacenza Ober-Italien Frankreich Elermont Frankreich
270 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Türken.
die Griechen sich der römischen Kirche unterwerfen wollten. In seiner Angst war zwar der Kaiser dazu bereit, aber das griechische Volk mißbilligte die Bereitwilligkeit desselben, und so ließ sich auch der Papst nicht erweichen.
Damals war in Ungarn Sigismund (nachmals deutscher Kaiser) König. Es war nämlich 1301 der alte Königsstamm (der arpadische) mit Andreas Iii.*) ausgestorben. Die Ungern, die damals noch das Wahlrecht hatten, wählten einen Urenkel Karls von Anjou, Karl Robert, der mit dem erloschenen Hause verwandt war. Da aber auch dieser neue Stamm mit dessen Sohne, Ludwig dem Großen (1382) ausstarb, so bestieg der Eidam desselben, Sigismund, der Luxemburger, den ungarischen Thron.
Sigismund, der durch die Türken zunächst bedroht war, brachte ein Heer zusammen, zu dem sich aus Lust an kriegerischen Abenteuern der oben genannte (1419 bei Monterean gefallene) Herzog Johann der Unerschrockene von Burgund und andere französische Ritter gesellt hatten. Die Franzosen hatten übermüthig geprahlt, sie könnten mit ihren Lanzen den Himmel, wenn er einfallen wollte, stützen. Als sie aber mit den Türken (1396) in der Schlacht bei Nikopolis (an der untern Donau) zusammentrafen, erlitten sie eine fürchterliche Niederlage. Unter den Gefangenen war auch Herzog Johann, der sich durch ein schweres Lösegeld loskaufen mußte. Sultan Bajesid oder Bajazeth ließ 10,000 Gefangene niedermetzeln.
Dieser Sieg hätte den Türken Ungarn und wer weiß wie viele europäische Länder geöffnet, hätten sie nicht auf einer andern Seite Beschäftigung erhalten. Es war unter den Mongolen ein neuer großer Eroberer aufgestanden, Timnrlenk, gewöhnlich Ta-merlan genannt. Er stürzte den Chan von Dschagatai, seinen Schwager, und ließ sich selbst zum Anführer aller Mongolen ausrufen. In Samarkand schlug er seinen Sitz auf und von hier aus unternahm er während einer mehr als dreißigjährigen Herrschaft den Umsturz aller aus dem alten Mongolenreich entstandenen Dynastien; in Hindostan drang er bis Delhi verwüstend vor; im Norden aber beugten sich vor ihm Tnrkestan und die sibirischen Wüsten jenseits des Jrtisch; im Nordwesten das Kiptschack und der russische Czar.
*) Er war der Gatte jener Königin Agnes, der Tochter Kaiser Albrechts I., die gegen die Mörder ihres Vaters so wüthete.
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Extrahierte Personennamen: Andreas_Iii Karls_von_Anjou Karls Karl_Robert Karl Ludwig_dem_Großen Ludwig Sigismund Sigismund Johann Johann Johann Bajesid Agnes Albrechts_I. Albrechts_I.