Bartholomäusnacht.
79
worden ist; aber die Unruhe legte sich bald wieder bei den fortgesetzten Freundschaftsversicherungen der Katholiken.
Auf den Admiral hatten diese es besonders abgesehen; denn er war das gefürchtetste Haupt der Hugenotten. «Der König Karl, ein junger, erst 22jähriger Fürst, aber ein zur Unselbständigkeit erzogener Schwächling, der ränkevollen Leitung seiner Mutter ganz hingegeben, faßte ihn bei seiner schwachen Seite und machte ihm weis, die Truppen, die er jetzt zusammenzöge, wären gegen die Spanier in den Niederlanden bestimmt und Coligny sollte sie anführen. Darüber war der gute alte Mann so erfreut, daß er seit-
dem von nichts Anderem als von dem Feldzuge gegen die Spanier träumte.
Indessen bereitete man ihm seinen Untergang. Katharina dingte einen Meuchelmörder, der mit geladenem Gewehre in einem Hause, bei welchem der Admiral täglich vorbeiging, wenn er vom Louvre kam, hinter eine Fenstergardine sich stellte und ihm auflauerte. Coligny kam, der Schuß fiel, die Kugel durchbohrte ihm den linken Arm und zerschmetterte den Zeigefinger der rechten Hand. Doch hatte er noch so viel Besonnenheit, auf das Fenster zu weisen, aus welchem der Schuß gekommen war. Während einige seiner Begleiter ihn nach Hause führten, schlugen andere die Hausthüre ein; aber der- Mörder hatte sich bereits gerettet. Als der König erfuhr, daß der Streich mißlungen fei, warf er — er spielte gerade Federball — wüthend das Schlagnetz auf den Boden und rief: „Werde ich denn nie Ruhe haben?" Schnell faßte er sich wieder und nahm zur unverschämtesten Heuchelei seine Zuflucht.
. Dem jungen Conde und Navarra, die zu ihm kamen, um sich über den versuchten Meuchelmord zu beschweren, betheuerte er: niemand könne darüber ausgebrachter sein als er, und er würde den Thäter aufs härteste bestrafen. Dann besuchte er mit seiner Mutter den kranken Admiral selbst, schwur bei Gott, er werde eine schreckliche Rache ausüben, und sagte ihm die schönsten Worte.
So verdorben der junge König auch schon war, so hatte er sich doch noch aus einem Ueberreste von menschlichem Gefühle der Ermordung aller Hugenotten widersetzt. Aber Katharina wußte ihn zu behandeln. In dem Staatsrathe, der deswegen gehalten wurde, und dem die wüthendsten Hugenottenfeinde beiwohnten gab sie vor, Coligny habe eine Verschwörung gegen die Katholiken gemacht. Da stand der König heftig auf und schwur, daß er und alle Hugenotten sterben müßten; nicht einer dürste entrinnen.
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Schlacht bei Hohenfriedberg.
323
seit einiger Zeit trugen sie blaue Pelze und andere Mützen als vorher, ungefähr wie auch ein östreichisches Regiment. Darauf baute er seinen Plan. Er wollte sich durchzuschleichen suchen. Als er dem östreichischen Lager nahe kam, zogen gerade mehrere Regimenter von Neustadt, welches sie vergebens angegriffen hatten, wieder ins Lager zurück. Ziethen schloß sich an, indem er seinen Leuten streng befahl, ganz ruhig wie im Frieden zu reiten, und weder zu schießen, noch den Säbel zu ziehen. Er selbst zog die Tabackspfeife heraus, wie im tiefen Frieden. Voraus schickte er einige geborene Ungern, die in ihrer Landessprache die Feldwachen, auf welche sie stießen, freundlich begrüßen, sollten. Auch durch ein feindliches Dragonerregiment ritten sie ungestört hindurch, und so befand sich Ziethen bald mitten unter den Feinden. Es war ein schöner, heller Tag. Er konnte das ganze Feld übersehen, welches mit Oestreich ent bedeckt war. Die einen thaten dies, die andern jenes. Je näher man dem Lager kam, desto größer wurde die Gefahr, und Ziethen ließ seine Husaren näher zusammenrücken, um sich im Nothfall durchschlagen zu können. Dennoch merkten die Oestreich er nichts, ja ein feindlicher Oberst kam ganz treuherzig zu Ziethen geritten, bot ihm freundlich einen guten Tag und erzählte ihm, daß sein Regiment auch bald nachkommen würde. Aber wie vom Donner wurde er gerührt, als Ziethen seinen Husaren zurief: „Nehmt ihn gefangen! es ist ein Oestreichs!" Eine Strecke mar-schirten die Husaren noch ganz ruhig, mitten durch die Oestreich er durch. Nun aber wandte sich der Weg, und Ziethen schwenkte sich jetzt plötzlich, um bei dem Lager vorbeizuziehen. Da erkannte mau ihn: „Ziethen! Ziethen! Preußen! Preußen!" rief man nun aus allen Seiten. Alles gerieth in Bewegung, und obgleich die Husaren sich in starken Trab setzten, so holte man sie doch ein. Aber Ziethen ließ einhauen und schlug sich mit geringem Verluste glücklich durch. Aehnliche Thaten verrichteten auch die andern Generale, und selbst die Feinde hatten vor den Preußen Achtung.
Eine Hauptschlacht gewann der König in diesem Kriege bei Hohenfriedberg in Schlesien, unweit Striegau (4. Juni 1745). Binnen fünf Stunden war der an Zahl überlegene Feind geschlagen. Die unerschrockenen Preußen aus dem rechten Flügel waren wider Vermuthen des Feindes durch Wasser und Morast gewatet und hatten den Feind mit dem Bajonnete angegriffen; dadurch war der Sieg entschieden worden. Besonders schlimm ging es den Sachsen, die in diesem Kriege auf der Seite der
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224 Neue Geschichte. 2. Periode. Dreißigjähriger Krieg.
und Kinsky das traurige Ende ihrer Männer. Jene Schüsse hatten die Hauptwache in Bewegung gebracht. Lesli fand sie unter dem Gewehre; er beruhigte sie, und befahl ihr, wieder in die Wacht-stube zu gehen, ließ sie nochmals dem Kaiser schwören und blieb auch bei ihr, um jede Bewegung zu verhindern, so wie Gordon in der Citadelle als Wächter zurückgeblieben war. Sein Gewissen mochte es ihm unmöglich machen, am Morde seines Wohlthäters Antheil zu nehmen.
Jetzt gingen Buttler, Geraldiuo und Deveroux mit den Dragonern gerade auf die Wohnung Wallensteins zu. Als sie an die Thüre kamen, hörten sie in dem Hause daneben das herzzerschneidende Jammern der Gräfinnen Kinsky und Trczka über den Tod ihrer Männer, und Buttler besorgte, der Herzog möchte dadurch aufgeweckt werden. Er blieb unten bei der Wache, die ohne Widerstand Deveroux und die Dragoner einließ. Geraldino hatte die Hinterthüre besetzt. Deveroux stürmte mit den Dragonern, alle mit Hellebarden bewaffnet, die Treppe hinauf. Zwei Kammerdiener im Vorsaale fragten um die Ursuche der so späten Erscheinung und baten, den Herzog nicht im Schlafe zu stören. Der Herzog wachte von dem Lärme auf, sprang im bloßen Hemde aus dem Bette und da er in dem Augenblicke das Geschrei der Gräfinnen im Nachbarhause hörte, fragte er die vor dem Hause stehende Schildwache, was es gäbe? Aber in demselben Augenblicke rannten die Dragoner, die mit heftigen Drohungen den Schlüssel zu des Herzogs Gemach vergebens verlangt hatten, die Thüre auf. Deveroux stürzte mit wüthendem Gesicht ins Zimmer und schrie: „Bist du der Schelm, der das kaiserliche Volk zum Feinde überführen und ihrer kaiserlichen Majestät die Krone vom Haupte reißen will? Du mußt jetzt sterben!" — Wallenstein hob seine Arme gen Himmel und sprach kein Wort; Deveroux aber stieß ihm die Hellebarde in die Brust, mit solcher Gewalt, daß sie durch und durch ging. Ohne Laut fiel der mächtige Friedland zu Boden und wälzte sich in seinem Blute. Er war 50 Jahre alt. Einer der Dracsoner packte den Leichnam und wollte ihn aus dem Fenster werfen, aber Deveroux litt es nicht. Indessen kamen Buttler und Lesli herauf, nahmen die Schlüssel zu sich und bemächtigten sich des Geldes und der Kostbarkeiten, während das Blut des Gemordeten noch rauchte. Man wickelte die Leiche in einen vom Tische heruntergenommenen Teppich und ließ sie auf Lesli's Wagen nach der Cidatelle zu den andern vier Leichen bringen. Hier lag
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Extrahierte Personennamen: Kinsky Lesli Gordon Kinsky Geraldino Deveroux
Bonaparte als Konsul.
63
war sein Entschluß gefaßt, nach Frankreich zurückzukehren. In aller Stille ließ er zwei Fregatten ausrüsten, schiffte sich, ohne von seinen getreuen Kriegskameraden Abschied zu nehmen, ein, nahm seine zuverlässigsten Freunde: Berthier, Lannes, Murat (nicht mit Murad Bey zu verwechseln), Marmont, Bessieres und andere mit und kam, unentdeckt von den zahlreichen englischen Kreuzern glücklich nach Frankreich, wo er im Hasen von Frejus am 9. October 1799 ans Land stieg und von wo er, ohne Qnarantaine zu halten, nach Paris eilte. Ueber das bis aus 15,000 Mann geschmolzene Heer in Aegypten hatte er indessen dem braven Kleber den Oberbefehl hinterlassen, der aber keine andere Aussicht hatte, als sich mit allen seinen Leuten den Türken und Engländern zu ergeben. Dennoch that er sein Möglichstes, schlug auch selbst zweimal die an Zahl überlegenen Feinde, wurde aber plötzlich, als er mit einem andern Offizier auf der Gartenterrasse vor seinem Hause spazieren ging, von einem Türken erdolcht. Wer den Meuchelmord veranstaltet hatte, ist nicht ausgemacht. Viele vermutheten, gewiß mit Unrecht, auf Bonaparte, weil ihn dieser tödtlich haßte. Der feige und ungeschickte General Menon übernahm nun den Oberbefehl; aber jetzt ging alles mit Macht rückwärts und das Ende war, daß im Sommer 1801 die noch übrigen Franzosen eine Capitulation schloffen, nach welcher sie die Erlaubniß bekamen, nach Frankreich zurückzukehren. — So endigte die vielversprechende Unternehmung auf Aegypten.
118. Bonaparte als Consul. Friedensschlüsse von Luneville und von Amiens.
Bisher war Frankreich von fünf Directoren, *) von einem Rathe der Fünfhundert und einem Rathe der Alten regiert worden. Die Männer, die das große Wort hatten, ließen zwar ihre Feinde nur selten noch unter der Guillotine sterben, sie verurtheilten sie meistens zur Deportation nach dem ungesunden Cayenne in Südamerika; aber sie waren uneins und ränkesüchtig, und verloren daher das Zutrauen des Volks. Darauf baute Bonaparte seinen Plan, die Regierung umzustürzen. Er war mit Jubel in Paris empfangen worden; das machte ihn kühn. Er brachte mehrere der einflußreichsten Männer, namentlich den schlauen Sieyes, auf seine
*) Gohier, Moulins, Siöyes, Roger Ducos und Barras.
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324
Neueste Geschichte. 3. Periode.
Uebergangszeit Raum gelassen. Die Bauern werden erst nach Ablaus vorgeschriebener Fristen freie Eigenthümer ihres Besitzthums. — Inzwischen hat die russische Politik den Orient nicht aus den Augen gelassen, zumal es ihr gelang, hinsichtlich desselben noch während der Pariser Conserenzen eine Verständigung mit Frankreich herbeizuführen^, wie sich bei Behandlung der Donausürsten-thümersrage zeigte.
Den bei weitem wichtigsten Erfolg in Asien errang Rußland 1859 durch Besiegung und Gefangennehmung Schamyls, des Tscherkessenhelden, mit dessen Beseitigung die Unterwerfung des Kaukasus vollendet schien. Dem russischen Fürsten Barya-tinsky gebührt der Ruhm, diesen langwierigsten und gefährlichsten Gegner der russischen Vergrößerung nach Osten besiegt zu haben. Er hatte ihn in immer engere Grenzen eingeschlossen, und zuletzt auch sein Felsenfort Weden erobert. Mit nur 400 ihm bis in den Tod getreuen Münden floh Schamyl in den Süden Daghestans. Aber die Russen hefteten sich an seine Fersen und erstürmten seine letzte Zufluchtsstätte, das Felsennest Gunib, wobei alle Münden bis auf 47 fielen. Schamyl barg sich in einer Höhle, ergab sich aber auf die persönliche Aufforderung des Fürsten (8. Sept. 1859). Der Fürst ließ ihm Dolch und Pistolen und schickte den gefangenen, damals 68jährigen Helden nach Petersburg, wo er mit großer Achtung behandelt wurde. Seinen Aufenthalt erhielt er in Kaluga angewiesen. Mit Schamyls 'Gefangennehmung erlosch auch in wenigen Jahren der Kampf der Tscherkessen. Ein Theil wanderte auf türkisches Gebiet, wenige Stämme behaupteten sich noch im Gebirge. 1864 war die Unterwerfung des Kaukasus beendigt.
Fast noch wichtiger als dieses Ereigniß war für die Russen die Besitznahme des Amurlandes, eine unblutige Eroberung, welche dem Gouverneur Oftsibiriens Murawiew gelang, indem er während des Krieges, welchen Frankreich und England mit China führten, Unterhandlungen in Peking anknüpfte und in friedlicher Weise die Abtretung des Gebietes am linken Ufer des Amur und am rechten Ufer bis zum Ufsuri erlangte, 1858. Auch in den weiten Ebenen Tnran's drang die Macht Rußlands durch Kriegszüge gegen die Khane von Khiwa und Khokand vor. Seit 1865 besitzen die Russen Taschkend, die wichtigste Handelsstadt jener Gegenden, und die Provinz Turkestan wurde gegründet. Mit Japan wurden Handelsverbindungen angeknüpft.
Dagegen entstand der russischen Regierung eine neue Sorge
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478
Neueste Geschichte. 3. Periode.
Bündniß mit der Türkei ab, welche die Insel Cyperu an England abtrat. — Der Gegensatz der Machtentwickelung Englands und Rußlands im Orient zeigt sich aber noch auf einem andern weiter entlegenen Gebiete, wo er bereits die eigentliche Ursache zu einem Kriege Englands mit Afghanistan geworden ist. Dieses Land ist nach Centralasien hin, wo Rußlands Macht vordringt, eine schützende Vormauer des englischen Reiches in Indien. Die Königin von England hatte am 1. Januar 1877 den Titel und die Würde einer Kaiserin von Indien angenommen. Eine Gesandtschaft sollte dem Emir von Afghanistan, Schir Ali, die Anzeige davon überbringen; er lehnte den Empfang derselben ab, und eine zweite Botschaft wurde feindselig zurückgewiesen. Unterdeß hatte der Emir russische Verbindungen angeknüpft; ein russischer Gesandter war in Kabul erschienen. Nun begann England den Krieg und Schir Ali, der ohne russische-Hülse blieb, floh nach Turkestan, wo er kurze Zeit darauf starb. Sein Nachfolger Jakub Khan schloß im Mai 1878 Frieden, aber als die in Kabul eintreffende englische Gesandtschaft von fanatischen Ausrührern ermordet wurde, ist natürlich der Krieg aufs neue ausgebrochen.
Rußlands Unternehmungen und Geschicke haben in Abschnitt 163 unsre Theilnahme vielfach erregt; es bleibt hier noch übrig, das russische Vordringen in Centralasien und die durch den Nihilismus hervorgerufenen Zustände kurz zu überblicken. Zuvor ist dessen zu gedenken, daß Rußland in dem Kriege zwischen Deutschland und Frankreich durch seine Neutralität eine weitere Ausdehnung des Krieges vermeiden half. Seinerseits benutzte es damals die Umstände, um sich von einigen im Pariser Frieden 1856 ihm auferlegten Beschränkungen zu befreien (Pontusfrage). Die in London deshalb abgehaltene Conferenz hob die Neutralisation des schwarzen Meeres auf, gestattete dagegen der, Pforte, die Dardanellen den Flotten befreundeter Mäcljte öffnen zu dürfen. Ausdehnung der russischen Ostgrenzen nach Turan hin und Macht-eutwickeluug in Mittelasien waren seit der 1839 gegen Khiwa unternommenen, obgleich mißlungenen Expedition feste Ziele der russischen Politik geblieben. Langsam und sicher wurde die weitere Annäherung vorbereitet; das Fort Aralsk unweit der Mündung des Syr Darja wurde gegründet, eine Flotille beherrschte den Aralsee. 1853, mitten im Krimkriege, erzwang eine neue Expedition gegen Khiwa einen Vertrag des Khans mit Rußland; 1865 wurde
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Ludwig der Fromme und seine Söhne.
45
entschloß. Er gab ihm das Königreich Alemannien. Wer darüber fuhren die drei ältesten Söhne wild auf und empörten sich gegen den Vater. Er wurde von ihnen in Compiegne gefangen genommen, und Lothar gab ihm Mönche zur Gesellschaft, die ihn bereden sollten, auch ein Mönch zu werden. Judith wurde ohne Umstände ins Kloster gesteckt.
Aber bald sah man, daß man unter Lothar nicht glücklicher sei. Die beiden andern Söhne erbarmten sich des armen Vaters und brachten es dahin, daß er wieder eingesetzt wurde ‘ nachdem er versprochen hatte, das Land nach seinen besten Kräften gut zu regieren, und nun wurde auch Judith wieder aus dem Kloster^ge-holt. Aber kaum war er wieder in Freiheit, als er auch schon wieder mit dem unseligen Theiluugsprojecte zum Vorschein kam. Sogleich standen die Söhne wieder bewaffnet da und kündigten dem Kaiser den Gehorsam auf. Bei Colmar (im Elsaß) sollte schon eine Schlacht zwischen dem Vater und den Söhnen entscheiden. Da fand sich der Papst Gregor Iv. beim Kaiser ein und erbot sich zum Friedensstifter; was konnte lobenswerther sein! Aber Gregor benutzte seinen Aufenthalt im Lager nur dazu, um die Mannen des Kaisers zum Verrath gegen ihren Herrn zu bereden. Als es eben zur Schlacht kommen sollte, gingen die meisten Mannen des Alten zu den Söhnen über, und Ludwig blieb fast ganz einsam stehen. Daher wird das Feld noch heute das Lügenfeld genannt. Die wenigen Getreuen fragten nun den Kaiser, was sie machen sollten? „Ach!" sagte der gebeugte Mann, „geht nur lieber auch zu meinen Söhnen über, damit um meinetwillen kein Blut vergossen werde!" So wurde er denn zum zweiten Male gefangen genommen. Die drei Söhne theilten nun das Reich unter sich; Lothar führte den Vater mit sich fort und ließ ihn in einem Kloster in Soissons genau bewachen; Judith wurde nach Italien geschickt und der kleine Karl einstweilen in ein Kloster (Prüm bei Trier) gebracht. Aber'lothar merkte, daß doch viele den armen Mann mit mitleidigen Augen ansahen. Darum wollte er ihn zum Regieren unfähig machen. Das konnte dadurch geschehen, wenn man den Kaiser dahin brachte, Kirchenbuße zu thun; denn so Einer durfte nie wieder die Waffen tragen, und konnte also auch nicht füglich König und Kaiser sein. Nun wurde Ludwig von den Geistlichen so lange bestürmt, bis er endlich, um nur Ruhe zu haben, versprach, sich der Buße zu unterwerfen. Dazu wurde er in eine Kirche geführt; hier mußte er sich auf einen Bußsack
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Wilhelm der Eroberer.
99
Wilhelm persönlich und hatte eine große Vorliebe für ihn und alle Normannen.
Als Eduard 1066 starb, bemächtigte sich Harald, Herzog von Mercia und Kent, der reichste und mächtigste der englischen Großen, des Thrones und wurde allgemein anerkannt. Wihelm fuhr zornig auf und verlangte Abtretung des Thrones, und da Harald die Forderung abschlug, so rüstete er sich. Pie.normänner waren die tapfersten Krieger jener Zeit; außerdem boten die kriegslustigen Ritter anderer Länder dem Herzoge ihre Dienste an. Aus einer zahlreichen Flotte setzte dieser nach der Südküste Englands über und landete glücklich. Als er ans Ufer sprang, fiel er. „Ein übles Vorzeichen!" murrten die Umstehenden. Aber er faßte sich schnell und ries, als wenn er absichtlich sich hingeworfen hätte: „So nehme ich von diesem Lande Besitz!"
Harald eilte herbei. Es kam zu einer blutigen Schlacht bei Hastings (Hehstings) an der Südküste (1066). Die Normänner gewannen einen großen Sieg; Harald fiel mit zweien seiner Brüder und einem großen Theil der sächsischen Ritterschaft. Wilhelm der Eroberer — so wurde er nun genannt — wurde nun ohne Widerspruch König von England; ein kräftiger Mann mit einer starken Seele, aber rauh, stolz und hart. Anfangs regierte er strenggerecht; er duldete keine Unordnung, suchte Normänner und Engländer durch Heirathen einander näher zu bringen und hörte jeden Unterthan an. Aber das änderte sich bald, als er nach der Normandie zurückreiste. Die nach England übergesiedelten Normänner ließen die unterworfenen Engländer ihren Uebermuth fühlen; der Haß gegen die Fremden, wuchs, und schon war der Tag bestimmt, an welchem man die Fremden, wie einst die Dänen, niedermachen wollte. Da kehrte Wilhelm schleunig nach England zurück und hielt ein strenges Gericht über die Uebelthäter. Jeder neue Aufftand führte neue Härten herbei. Er nahm den Engländern ihre Güter, machte diese zu Kronbesitznngen und übertrug sie seinem normannischen Adel. Mit eiserner Hand drückte er die Engländer in Sklaverei nieder und wandte Ehre, Reichthümer und Vertrauen nur den Normännern zu. Nur die Furcht hielt die unglücklichen Engländer von neuen Empörungen zurück. Als er nach 21 jähriger Regierung starb (1087), war die Freude der Engländer groß, und die bittere Reue, die er im Sterben über seine Härte empfand, konnte die Gemüther nicht mit seinem Andenken versöhnen.
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326
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
Es erschien plötzlich in Haiti ein spanischer Edelmann, Franz Bovadilla, den der König abgeschickt hatte, um die vielen, gegen Colombo einlaufenden Klagen zu untersuchen. Fände er ihn wirklich schuldig, so sollte er ihn absetzen und einstweilen selbst seine Stelle vertreten. Bovadilla aber war ein nichtswürdiger und höchst ehrgeiziger Mensch. Er nahm sich schon unterwegs vor, den ehrwürdigen Colombo schuldig zu finden, und kaum war er angekommen, so nahm er alles Eigenthum desselben in Beschlag, erklärte ihn sür abgesetzt und forderte alle Spanier auf, ihre Klagen gegen ihn bei ihm zu Papiere bringen zu lassen. Lange schon hatten sie diese Genueser aus Nationalstolz nicht leiden können, und wer nur den geringsten Vorwand zu einer Beschwerde finden konnte, brachte diese beim neuen Statthalter an. Im Gefühle seiner Unschuld verlangte Colombo, doch nun auch gehört zu werden. Aber Bovadilla ließ ihn nicht vor sich, sondern befahl, ihn und seine zwei Brüder in Ketten zu legen und, jeden auf einem besondern Schiffe nach Spanien zu schicken. Colombo ließ sich Alles gefallen und hoffte Genugthuung von der Gerechtigkeit des Königs. Wirklich war das Unrecht auch so schreiend, daß die besser denkenden Spanier selbst sich der unwürdigen Behandlung des berühmten Mannes schämten. Als die Schiffe nicht mehr weit von Spanien entfernt waren, befahl der Befehlshaber des Schiffes, ihm die Fesseln abzunehmen. „Nein!" rief Colombo, „ganz Spanien soll sehen, wie man den Entdecker einer neuen Welt belohnt!" So kam er in Spanien an, und dazu so abgerissen, daß Jsabella ihm erst Geld geben mußte, um anständig gekleidet bei Hofe erscheinen zu können. So kam er denn und warf sich mit dem Schmerze der gekränkten Unschuld vor König und Königin nieder. Beide schämten sich der unedeln Behandlung, versicherten, das sei ja gar nicht ihre Absicht gewesen, und sie würden ihm immer gewogen bleiben. Auch wurde der schändliche Bovadilla gleich wieder zurückberufen; aber Colombo wieder hinzuschicken mochte man für zu mißlich halten, da er dort zu sehr gehaßt wurde, und so erhielt ein spanischer Edelmann, Ovando, seine Stelle. Colombo fühlte sich tief gekränkt, und im bittern Unmuthe befahl er, daß die Ketten einst in seinen Sarg gelegt werden sollten.
Zwei Jahre lang lebte er nun mißvergnügt in Spanien. Da überwand endlich seine uuvertilgbare Liebe zu Seereisen den Un-muth seines Herzens, und er hielt bei Ferdinand noch einmal darum an, ihn auf Entdeckungen auszuschicken. Wer weiß, ob er er-
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Extrahierte Personennamen: Franz_Bovadilla Franz Bovadilla Bovadilla Bovadilla Ferdinand Ferdinand
158 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
Sie schlossen die Thore, um ihn nicht eher fortzulassen, und da er dennoch sich der Forderung weigerte, machten die Bürger die Geiseln mit Gewalt frei und wollten ihn noch während der Nacht überfallen und gefangen nehmen oder gar ermorden. Zu seinem Glück warnte ihn sein Hauswirth; dieser verschaffte ihm schlechte Kleider, in denen der Kaiser entfloh. Statt seiner legte sich ein treuer Ritter, Hartmann von Siebeneichen (in Tirol), der ihm ähnlich sah, ins Bette. Die ins Zimmer eindringenden Bürger fanden ihn, entließen ihn aber ungekränkt.
Indessen verstärkten die Städte der Lombardei ihren großen Lombardenbnnd, dem Alexander durch seinen Beitritt die Weihe aufdrückte, und die neue Festung, welche sie erbauten, nannten sie nach dem Papste Alessandria.
Erst nach einer siebenjährigen Rüstung konnte der Kaiser (1174) seinen fünften Römerzug unternehmen. Er zog mit einem furchtbaren Heere über die Alpen und hätte die Lombarden wohl bezwungen, wenn sie sich ihm im freien Felde entgegengestellt hätten. Aber sie blieben weislich hinter ihren Mauern und dadurch wurde Friedrich genöthigt, Zeit und Kräfte durch langweilige Belagerung zu zersplittern. Endlich hoffte er, seine Feinde durch einen Hauptschlag zu Boden zu schmettern — da erhielt er die ihn erschütternde Nachricht, daß sein mächtiger Vasall, Heinrich der Löwe, plötzlich aufgebrochen wäre, um, ohne Abschied, nach Deutschland zurückzukehren. Sogleich reiste ihm Friedrich nach, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. Er traf ihn am Comersee oder in Chiavenna, *) warf ihm seine Untreue vor und suchte Alles hervor, wodurch er glaubte, seinen Entschluß erschüttern zu können; aber vergebens! Heinrich, obgleich erst 46 Jahre alt, gab vor, er sei für die Kriegsbeschwerden schon zu alt, fei des Krieges satt und habe zu Hause mit der Regierung seiner Länder zu thun. Der eigentliche Grund war aber vielleicht der alte Haß der Welfen gegen die Ghibellinen. „Bedenke," rief Friedrich, „daß ich dir nie etwas verweigert habe, und du könntest jetzt zurücktreten, wo die Ehre der Deutschen, der Ruhm deines Kaisers und der Preis meines ganzen Lebens auf dem Spiele steht?" Da Heinrich auch jetzt noch unbeweglich blieb, sprang der Kaiser auf und warf sich, seiner Hoheit vergessend, vor seinem Vasallen nieder, dessen Kniee flehend umfassend. Aber auch
*) Als Ort dieser Zusammenkunft wird auch Partenkirchen in Südbaiern angegeben.
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Extrahierte Personennamen: Hauswirth Hartmann Alexander Friedrich Friedrich Heinrich_der_Löwe Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Siebeneichen Alessandria Deutschland Comersee Chiavenna