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Nägeln über und über gespickt sind. Kein Schmerzenslaut entringt sich
den Verzückten. Weltentrückt! Nur dem Gedanken des Jenseits lebend!
6. Wir fahren mit unserer Barke ein wenig weiter und legen vor
dem Totenplatze mit dem Scheiterhaufen an. Wenige Schritte entfernt
war soeben am Ufer eine Leiche hingelegt worden, die Füße im Wasser,
der Oberkörper auf den Rücken liegend außerhalb des Wassers. So bleibt
die Leiche eine geraume Zeit liegen, währenddem ein Scheiterhaufen er-
richtet wird. Inzwischen kamen am Ghckt hinab noch zwei andere Züge,
auch diese legten die Leichen, männliche oder weibliche, gleichviel, in gleicher
Weise neben die bereits daliegende. Die Angehörigen, die das notwendige
Holz selbst mitbringen, bleiben etwas oberhalb zurück. Traurigkeit und
Anteilnahme bemerkt man kaum, hier hat nur die Seele ihren Wert, nicht
ihre Gestaltung; die irdischen Reste werden sofort nach dem Tode dem
heiligen Strome überwiesen.
Der eine Scheiterhaufen ist fertig, an zwei anderen wird gebaut.
Sechs Männer der untersten Kaste holen den auf eine Art Tragbahre aus
Bambus gebundenen Leichnam aus dem Flusse; einer der Träger schöpft
mit der Hand Wasser und flößt es dem Verstorbenen als letzte Zehrung
in den Mund. Dann wird die Leiche auf den Scheiterhaufen gelegt,
dieser angezündet, und der Verbrennungsprozeß abgewartet. Ist dieser be-
endet, so wird die Asche dem heiligen Wasser des Ganges überantwortet,
auf daß der Leib im Weltmeere vergehe, derweilen die Seele aufsteigt, um
in der allumfassenden Weltenseele aufzugehen.
7. Der Vorgang der letzten Waschung im Ganges und des Ver-
brennens ist jeder pietätvollen Totenverehrung bar. Wer einmal dem Vor-
gänge zugeschaut, wird kaum Verlangen nach einem zweiten Male tragen.
Aber das Widerwärtige dieses Anblicks ist doch nichts im Vergleiche mit
dem, daß in unmittelbarer Nähe der mit halbem Leibe im Wasser liegen-
den Leichen, dort wo zahllose Andächtige ihre Waschungen vollführen und
ihre vielleicht von ansteckenden, ekelerregenden Krankheiten behafteten Leiber
im heiligen Gangeswasser baden, ebenso zahlreiche andere Gläubige das
heilige Wasser trinken, es in Gesäße schöpfen und es heimwärts bringen,
oft auf Hunderte von Meilen Entfernung, um während der Dauer eines
ganzen Jahres an besonderen festlichen Tagen mit allen Gliedern ihrer
Familie sich davon die Lippen zu netzen. Ist es da ein Wunder, daß
Pest und Cholera jahraus, jahrein Tausende von Opfern fordern!
Julius Meurer.
238. Die Japaner und ihr Land.
1. Als ich in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts das
Glück hatte, Japan zu besuchen und beinahe ein Jahr daselbst zu ver-
weilen, da klang das Wort Japan noch märchenhaft, orientalisch fremd
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der Reis immer gut gerät. Er pflegt und düngt und bewässert ihn aber auch
mit großartigem Fleiß, mit gewissenhaftester Sorgfalt und nach allen Regeln
der Landwirtschaft. Fleisch darf er eigentlich gar nicht essen, wenigstens nicht,
wenn er Buddhist ist, und das sind immerhin die meisten. Der glaubt an
Seelenwanderung. Wenn er also irgend ein Tier tötet, so muß er immer
denken, daß er die Seele seiner Großmutter oder seines Urgroßvaters, die
in dem Tiere gewohnt haben könnte, obdachlos macht. — Japanische
Arbeiter habe ich kaum etwas anderes essen sehen als ihre Schüssel Reis.
Einst machte ich mit einigen deutschen Damen und Herren einen Ausflug
nach den berühmten Stromschnellen von Araschiyama. Stundenlang
trabte der Jinrickschakuli, der mich fuhr, in seiner Schere. Als wir an-
kamen, Pakten die Damen ihre Körbe aus, und wir aßen Fleisch, Wurst,
Käse, Eier, Butterbrot, wir, die wir im Wagen gesessen hatten, aber die
den Wagen gezogen hatten, kochten sich eine Schüssel Reis und trabten
dann, neu gestärkt, den Weg wieder zurück, zwar magere, aber sehnige,
kräftige Gestalten. Schon damals dachte ich, wenn so ein Mann mit
seinen braunen, muskulösen Beinen vor mir herlief, daß so einer einen
guten Soldaten abgeben müsse. Es ist ja auch klar, daß ein so leicht sich
ernährender Mann sich trefflich zum Feldsoldaten eignet. Im Felde ist ja die
Ernährungsfrage so überaus wichtig. Auch der tapferste Soldat ist nur ein
halber Held, wenn er nur halb satt zu essen bekommen hat. Da der Japaner
mit Reis zufrieden ist, Reis und Tee, so hat es die Verpflegungsbehörde
leicht, ihn satt zu machen. Wie einfach ist anch der Reis zuzubereiten, wie
einfach zu essen! Ein Messer ist unnötig, eine Gabel ebenfalls. Zwei
dünne Holzstäbchen, ähnlich den hölzernen Wollstricknadeln, genügen. Es
muß freilich das Essen mit ihnen gelernt sein. Es ist zwar nicht so
schwer, wie man denken sollte, aber auch nicht so. einfach, wie es ans den
ersten Blick aussieht. Auch hier macht nur Übung den Meister. Wir
hatten acht japanische Seeoffiziere zur Ausbildung an Bord gehabt, daher
hatte uns der Mikado (Kaiser) zu einem feierlichen Essen eingeladen. Das
war damals eine große Seltenheit und hohe Auszeichnung. Wenn wir
aber von dem Reis uns mit Hilfe der Stäbchen hätten sättigen müssen,
dann wäre Schmalhans Küchenmeister gewesen. Ich erinnere mich noch
deutlich des halb unterdrückten, verwunderten Lächelns der Dienerinnen,
die nicht begreifen konnten, wie ungeschickt wir uns mit den Stäbchen
anstellten. Zum Glück hatte aber der Mikado ein Einsehen gehabt und
uns vorher ein glänzendes Essen nach europäischer Art anrichten lassen.
Das japanische kam nur der Wissenschaft wegen.
4. Sehr anspruchslos sind auch die Japaner in bezug auf die
Wohnung. Die Häuser sind meistens nur aus Holz und Papier; sie
brennen leicht ab, sind aber auch bald wieder aufgebaut. Eines Tages
brannte es in Tokio. Wie gewöhnlich brannten etliche tausend Häuser ab.
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337
werden. Das ängstliche Gefühl des Neulings ist bald überwunden, und
schnell und sicher geht die Fahrt „bergetief" hinab. Aber haben wir unten
eine fürchterliche Finsternis erwartet, die nur von dem Lämpchen des
Bergmanns matt erhellt wird, so sind wir angenehm enttäuscht, denn
unten erstrahlt alles im elektrischen Licht. Auf breiten Hellen Gängen
laufen die kleinen Grubenwagen, die das Salz zur Förderstelle schaffen.
Von den Hauptgängen zweigen sich andere ab, und bald besindet man sich
in einem Gewirr von Salzstraßen. Zwischen ihnen hat man überall
Salzpfeiler stehen lassen, um die Decke zu stützen; ja die Behörde schreibt
jetzt vor, daß die Hohlräume wieder ausgefüllt werden, damit nicht Erd-
senkungen und Einstürze erfolgen, wie das in Staßfurt geschehen ist. Das
Lossprengen des Salzes geschieht durch Sprengpulver und Dynamit, mit
Hilfe der elektrisch betriebenen Bohrmaschinen. Die Elektrizität spielt im
Bergbau überhaupt eine große Rolle, da sie über Tage erzeugt wird und
sich überall leicht hinleiten läßt. In Salzdetfurth wird nur die Förderung
im Schacht mit Dampf betrieben. Sind die Salze losgesprengt, so regen
sich auch schon viele Hände, um sie in Grubenwagen zu füllen und an
den Schachtfüllort zu befördern.
7. Nun sind wir schon eine geraume Zeit unten in der Erde und
wundern uns im stillen, daß uns die Luft, in der doch Hunderte von
Menschen rührig arbeiten, gar nicht stickig und verdorben vorkommen will,
auch nicht so heiß ist, wie man erwarten sollte. Woher kommt das?
Denk' dir einen Mann, der eine lange Pfeife raucht! Jedesmal, wenn er
saugt, steigt der Rauch unten aus dem Pseisenkopf durch das Rohr in
den Mund; von außen aber dringt Luft in den Pseisenkopf, wie du leicht
sehen kannst, wenn die Pfeife angezündet wird. Ähnlich ist es im Kali-
schacht. Den hat man durch eine senkrechte, luftdichte Holzwand, den
„Wetterscheider", in zwei ungleiche Teile geteilt. Der kleinere Teil ist
das Pfeifenrohr. An demselben saugt oben jemand, versteht sich, kein
Mensch, sondern eine große Maschine, die jede Sekunde große Mengen
verdorbener Lust, die „schlechten Wetter", aus dem Bergwerk zieht.
Sofort dringen durch den größeren Teil des Schachtes die „frischen
Wetter" ein, und der Bergmann kann 700 m unter Tage in frischer
Waldluft arbeiten; denn der Ingenieur weiß auch unten im Werk die
Wetter so zu leiten, daß sie an alle Arbeitsstätten kommen. Sind zwei
Schächte vorhanden, so ist die künstliche Bewetterung noch leichter.
8. Nachdem alles besichtigt ist, steigen wir wieder in ein Förder-
korb, und aufwärts geht's, dem Sonnenlichte entgegen, das wir doch auf-
atmend begrüßen. Wir treten nun in den Schachtturm und folgen dem
Lauf der kleinen Grubenwagen, um zu seheu, was mit den geförderten
Salzen geschieht. Auf einer Kettenbahn laufen sie geradeswegs in den
oberen Stock einer vierstöckigen Rohsalzmühle. Hier wird das Salz ge-
Kappey u. Koch. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. V. 22
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schweigen. Manche werden wahnsinnig, weil das Blut nach dem
Kopfe steigt und Gehirndruck verursacht. Kamele und Menschen
erliegen der auszehrenden, ermattenden Glut, und die Überlebenden
tötet der Durst auf qualvolle Weise, wenn ihr Kamel erlag und die
Wasserschläuche ganz austrockneten. Wollten sie zu Fuß weiter, so
erzeugt der glühende Sand schmerzhafte Brandwunden, einer läßt
den andern hilflos in der allgemeinen Not, und die Kräftigen wehren
dem Treiber, mit den kräftigen Kamelen zu entfliehen. Das Gepäck
wird abgeladen, und wohl der Karawane, wenn jeder Reisende noch
ein Kamel hat, das bis zum nächsten Brunnen aushält. Wer nicht
folgen kann, bleibt verlassen in der Wüste zurück und stirbt eines
elenden Todes. Der entseelte Körper dörrt zur Mumie ein, und
später vorüberziehende Karawanen schütten Staub auf die feder-
leichte, gebräunte Leiche, welche der Wind oft wieder aufdeckt, so
daß Glieder aus dem Sande emporragen und zahlreiche Sandmumien
die großen Karawanenstraßen wie Meilenzeiger bezeichnen.“
Julius Tischendorf.
240. Eine Ansiedelung im brasilianischen Urwalde.
1. In den südlichen Provinzen Brasiliens liegen mehrere blühende
deutsche Kolonien, z. B. Joinville und Blumen au. Jährlich verlassen
über 20 000 Deutsche ihr Vaterland, um sich hier im fernen Westen eine
neue Heimat zu gründen. Die Regierung läßt längere Zeit vor der An-
kunft neuer Kolonisten die bereits besiedelte Straße in den Urwald hinein
verlängern. Man haut die Schlinggewächse und das Unterholz ab, fällt
die im Wege stehenden Bäume und baut einfache Holzbrücken über die
Bäche. Einen solchen Waldweg nennt man eine Pikade. Von diesem
Hauptwege werden nach rechts und links im Abstande von etwa 130 Metern
andere Pikaden geschlagen. Sie sind die Grenzen der einzelnen Grundstücke.
2. Nachdem der Ansiedler sich eine Fläche Landes erworben hat, ist
es seine erste Arbeit, sich eine Hütte zu errichten. Seine Nachbarn pflegen
ihn dabei mit Rat und Tat zu uuterstützen. Man rammt an den vier
Ecken des Hausplatzes starke Pfähle ein, von denen die beiden hintern
etwas kürzer sind als die vordern, und verbindet sie durch Querhölzer.
Die Wände stellt man aus gespaltenen Stämmen der Palmite, einer
schlanken Palme her, die man mit Cipo, einem Schlinggewächs, an den
Querhölzern festbindet. Das Dach besteht aus Palmblättern, die mit
Cipo an den Dachlatten befestigt sind. Vor dem Hause befindet sich ge-
wöhnlich eine überdachte Veranda. Hier wird an offenem Fenster gekocht;
hier hält man seine Mahlzeiten; hier empfängt man auch Besuche. In
der Hütte selbst ist nur Raum für die Betten, die Kleider und die not-
wendigsten Lebensmittel.
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Pferde und Gepäck behalten. Damit war das Kurfürstentum ganz
der Gnade des Feindes anheimgegeben. Nichts verpflichtete die
Franzosen, das Land zu schonen, denn einen früheren Vertrag hatte
Napoleon nicht anerkannt.
2. In den Gang der Verwaltung des Landes führte der General
Mortier nur wenig Veränderungen ein, um das Gerichtswesen kümmerte
er sich gar nicht. Das änderte sich auch nicht, als im Februar 1804
der Marschall Bernadotte, der spätere König von Schweden, den
Oberbefehl erhielt. Es kam den französischen Machthabern in erster
und letzter Linie darauf an, möglichst viel Vorteile aus den eroberten
Ländern zu ziehen. Am weitesten in seinen Ansprüchen ging der
General Mortier. Gleich nach seiner Ankunft forderte er eine Kriegs-
steuer von 2 Millionen Mark von dem hannoverschen Lande, an-
geblich, um sie zu Belohnungen für das Heer zu verwenden; sie war
aber vorwiegend, vielleicht ausschließlich für seine eigene Tasche und
die seiner nächsten Verwandten bestimmt. Damit war jedoch die
Reihe der „Geschenke“, welche Mortier erhielt, noch nicht zu Ende.
Von den Ständen des Landes bekam er eine „Gabe“ von 80 000 Mark.
Bei anderer Gelegenheit erhielt er sechs Gedecke des feinsten Tisch-
zeuges. Ein besonders beliebtes und begehrtes Geschenk waren Wagen
und Pferde. Die ganze französische Generalität, Mortier an der
Spitze, mußte damit versehen werden. Es kam sogar vor, daß fran-
zösische Generale ein Pferd, welches ihnen aus irgend einem Grunde
nicht gefiel, oder welches unbrauchbar geworden war, zurückschickten
und sich ein neues, besseres ausbaten. Die Frau des berühmten
französischen Ministers Talleyrand ließ eines Tages einem hannoverschen
Rate mitteilen, die hannoverschen Abgesandten in Paris hätten ihr
zu erkennen gegeben (was natürlich eine Lüge war), daß man in
Hannover die Absicht hege, auch ihr ein Geschenk zu machen; sie
würde aber höchstens einiges Tafelgerät annehmen. So erhielt sie
ebenfalls sechs Gedecke feines Tischzeug. Der Schwager Mörders
hatte gleich zu Anfang 15 000 Mark erhalten. Nicht lange danach
wünschte er sich einen kostbaren Ring, den er im Schaufenster ge-
sehen hatte, und aus Furcht vor seiner Rache wurde derselbe für
87 000 Mark gekauft und ihm zum Geschenk gemacht. Dem Mar-
schall Bernadotte mußte ebenfalls ein Geschenk von 80 000 Mark
gemacht werden, und diese Gabe wurde später noch zweimal wieder-
holt. Im ganzen hatte das Land für solche Zwecke über 4 Millionen
Mark auszubringen. Dazu kamen noch die oft beträchtlichen Ge-
schenke, mit denen die einzelnen Städte und selbst Dörfer sich das
Wohlwollen ihres französischen Befehlshabers erkaufen mußten. Von
Osnabrück erhielt ein General allein 100 000 Mark.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Mortier Marschall_Bernadotte Mortier Mortier Mortier Osnabrück
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Ich schreibe Ihnen dies, geliebter Vater, damit Sie mit Beruhigung
an uns denken. Ihrem freundlichen Andenken empfehle ich meinen Mann,
auch unsere Kinder alle, die dem ehrwürdigen Großvater die Hände küssen,
und ich bin, und ich bleibe, bester Vater, Ihre dankbare Tochter
Luise.
266. An die Königin von Preußen.
■ Zur Feier ihres Geburtstages, den 10. März 1810.
1. Erwäg' ich, wie in jenen Schreckenstagen
still deine Brust verschlossen, was sie litt,
wie du das Unglück mit der Grazie Tritt
aus jungen Schultern herrlich hast getragen;
2. wie von des Kriegs zerrißnem Schlachtenwagen
selbst oft die Schar der Männer zu dir schritt,
wie trotz der Wunde, die dein Herz durchschnitt,
du stets der Hoffnung Fahn' uns vorgetragen:
3. O Herrscherin, die Zeit dann möcht' ich segnen!
Wir sahn dich Anmut endlos niederregnen —
Wie groß du warst, das ahneten wir nicht!
4. Dein Haupt scheint wie von Strahlen mir umschimmert,
du bist der Stern, der voller Pracht erst flimmert,
wenn er durch finstre Wetterwolken bricht!
Heinrich v. Kleist.
267. Andreas Hofer.
\. Zu Mantua in Banden
der treue Hofer war;
in Mantua zum Tode
führt' ihn der Feinde Zchar.
Ts blutete der Brüder Herz,
ganz Deutschland, ach, in Schmach
und schmerz,
mit ihm das Land Tirol!
2. Die Hände auf dem Rücken,
Andreas Hofer ging
ntit ruhig festen schritten;
ihm schien der Tod gering,
der Tod, den er so manches Mal
vom Zfelberg geschickt ins Tal
im heil'gen Land Tirol.
3. Doch als aus Aerkergittern
im festen Mantua
die treuen Waffenbrüder
die Hand' er strecken sah,
da rief er laut: „Gott sei mit
euch,
mit dem verratnen Deutschen Reich
und mit dem Land Tirol!"
4- Dem Tambour will der Wirbel
nicht unterm Schlägel vor,
als nun Andreas Hofer
schritt durch das ffnftre Tor.
Andreas, noch in Banden frei,
dort stand er fest auf der Bastei,
der Mann vom Land Tirol.
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Extrahierte Personennamen: Luise Heinrich_v Heinrich Andreas_Hofer Andreas_Hofer Andreas_Hofer Andreas
Extrahierte Ortsnamen: Mantua Mantua Deutschland Mantua
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so nicht zurückkehren würden. Und die Franzosen sagten das selbst.
Wenn sie sonst mit ihrem Kaiser in den Krieg gezogen waren, hatten
ihre Kosse gewiehert, so oft sie aus dem Stall geführt wurden, da-
mals hingen sie traurig die Köpfe; sonst waren die Krähen und
Haben dem Heere entgegengeflogen, damals begleiteten die Vögel
der Walstatt das Heer nach Osten, ihren Fraß erwartend.
4. Aber was jetzt zurückkehrte, das kam kläglicher, als einer
im Volke geträumt hatte. Es war eine Herde armer Sünder, die
ihren letzten Gang angetreten hatten, es waren wandelnde Leichen
Ungeordnete Haufen, aus allen Truppengattungen und Nationen zu-
sammengesetzt, ohne Kommandoruf und Trommel, lautlos wie ein
Totenzug nahten sie der Stadt. Alle waren unbewaffnet, keiner be-
ritten, keiner in vollständiger Montur, die Bekleidung zerlumpt und
unsauber, aus den Kleidungsstücken der Bauern und Frauen ergänzt.
Was jeder gefunden, hatte er an Kopf und Schultern gehängt, um
eine Hülle gegen die markzerstörende Kälte zu haben: alte Säcke,
zerrissene Pferdedecken, Teppiche, Schals, frisch abgezogene Häute von
Katzen und Hunden; man sah Grenadiere in großen Schafpelzen, Küras-
siere, die Weiberröcke von buntem Fries wie spanische Mäntel trugen.
5. Nur wenige hatten Helm und Tschako, jede Art Kopftracht,
bunte und weiße Nachtmützen, wie sie der Bauer trug, tief in das
Gesicht gezogen, ein Tuch oder ein Stück Pelz zum Schutze der
Ohren darübergeknüpft, Tücher auch über den untern Teil des Ge-
sichts. Und doch waren der Mehrzahl Ohren und Nasen erfroren
und feuerrot, erloschen lagen die dunkeln Augen in ihren Höhlen.
Selten trug einer Schuh oder Stiefel; glücklich war, wer in Filz-
socken oder in weiten Pelzschuhen den elenden Marsch machen
konnte. Vielen waren die Füße mit Stroh umwickelt, mit Decken,
Lappen, dem Fell der Tornister oder dem Filz von alten Hüten.
Alle wankten, auf Stöcke gestützt, lahm und hinkend. Auch die
Garden unterschieden sich von den übrigen wenig, ihre Mäntel waren
verbrannt, nur die Bärenmützen gaben ihnen noch ein militärisches
Ansehen. So schlichen sie daher, Offiziere und Soldaten durchein-
ander, mit gesenktem Haupt, in dumpfer Betäubung. Alle waren
durch Hunger und Frost und unsägliches Elend zu Schreckensge-
stalten geworden.
6. Tag für Tag kamen sie jetzt auf der Landstraße heran, in
der Regel, sobald die Abenddämmerung und der eisige Winternebel
über den Häusern lag. Dämonisch erschien das lautlose Erscheinen
der schrecklichen Gestalten, entsetzlich waren die Leiden, welche sie
mit sich brachten; die Kälte in ihren Leibern sei nicht fortzubringen,
ihr Hunger sei nicht zu stillen, behauptete das Volk. Wurden sie
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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in ein warmes Zimmer geführt, so drängten sie mit Gewalt an den
heißen Ofen, als wollten sie hineinkriechen; vergebens bemühten sich
mitleidige Hansfrauen, sie von der verderblichen Glut zurückzuhalten.
7. Gierig verschlangen sie das trockene Brot; einzelne vermochten
nicht aufzuhören, bis sie starben. Bis nach der Schlacht bei Leipzig
lebte im Volke der Glaube, daß sie vom Himmel mit ewigem Hunger
gestraft seien. Noch dort geschah es, daß Gefangene in der Nähe
ihres Lazaretts sich die Stücke toter Pferde brieten, obgleich sie
bereits regelmäßige Lazarettkost erhielten; noch damals behaupteten
die Bürger, das sei ein Hunger von Gott; einst hätten sie die schön-
sten Weizengarben ins Lagerfeuer geworfen, hätten gutes Brot aus-
gehöhlt, verunreinigt und auf dem Boden gekollert; jetzt seien sie
verdammt, durch keine Menschenkost gesättigt zu werden.
8. Überall in den Städten der Heerstraße wurden für die Heim-
kehrenden Lazarette eingerichtet, und sogleich waren alle Kranken-
stuben überfüllt, giftige Fieber verzehrten dort die letzte Lebenskraft
der Unglücklichen. Ungezählt sind die Leichen, welche heraus-
getragen wurden; auch der Bürger mußte sich hüten, daß die Anstek-
kung nicht in sein Haus drang. Wer von den Fremden vermochte,
schlich deshalb nach notdürftiger Buhe müde und hoffnungslos der
Heimat zu. Die Buben auf der Straße aber sangen:
„Ritter ohne Schwert,
Reiter ohne Pferd,
Flüchtling ohne Schuh’,
nirgend Rast und Ruh’ —
so hat sie Gott geschlagen
mit Mann und Roß und Wagen!“
Und hinter den Flüchtigen gellte der höhnende Ruf: „Die Kosaken
sind da!“ Dann kam in die flüchtige Masse eine Bewegung des
Schreckens, und schneller wankten sie zum Tore hinaus.
Gustav Freytag.
270. Aufruf Friedrich Wilhelms Iii.
An mein Volk.
So wenig für mein treues Volk als für Deutsche bedarf es einer
Rechenschaft über die Ursachen des Krieges, welcher jetzt beginnt; klar
liegen sie dem unverblendeten Europa vor Augen. Wir erlagen unter
der Übermacht Frankreichs. Der Friede, der die Hälfte meiner Untertanen
mir entriß, gab uns feine Segnungen nicht; denn er schlug uns tiefere
Wunden als selbst der Krieg. Das Mark des Landes ward ausgefogen.
Die Hauptfestungen blieben vom Feinde besetzt; der Ackerbau ward gelähmt,
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
Extrahierte Personennamen: Gustav_Freytag Gustav Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms
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271. Der Trompeter an der Katzbach.
(26. August (8(3.)
(. Von Wunden ganz bedecket
der Trompeter sterbend ruht,
an der Aatzbach hingestrecket;
der Brust entströmt das Blut.
2. Brennt auch die Todeswunde,
doch sterben kann er nicht,
bis neue Tiegeskunde
zu seinem Ohre bricht.
3. Und wie er schmerzlich ringet
in Todesängsten bang',
zu ihm herüberdringet
ein wohlbekannter Alang.
ch Das hebt ihn von der Trde.
Tr streckt sich starr und wild —
dort sitzt er auf dem Pferde
als wie ein steinern Bild.
5. Und die Trompete schmettert,
fest hält sie seine Hand,
und wie ein Donner wettert
Viktoria in das §and.
6. Viktoria — so klang es,
Viktoria — überall;
Viktoria — so drang es
hervor mit Donnerschall.
7. Doch als es ausgeklungen,
die Trompete setzt er ab.
Das Herz ist ihm zersprungen,
vom Boß stürzt er herab.
8. Um ihn herum im Areise
hielt's ganze Regiment.
Der Feldmarschall sprach leise:
„Das heißt ein selig End'."
Julius Mvsen.
272. Das preußische Volk im Jahre 1813.
Von Memel bis Demmin, von Kolberg bis Glatz war in dem unver-
geßlichen Frühling und Sommer des Jahres 1813 unter den Preußen
nur eine Stimme, ein Gefühl, ein Zorn und eine Liebe: das Vater-
land zu retten, Deutschland zu befreien und den französischen Übermut
einzuschränken. Krieg wollten die Preußen, Gefahr und Tod wollten sie,
den Frieden fürchteten sie, weil sie von Napoleon keinen ehrenvollen und
preußischen Frieden hoffen konnten. Krieg! Krieg! scholl es von den
Karpathen bis zur Ostsee, von dem Niemen bis zur Elbe. Krieg! rief
der Edelmann und Landbesitzer, der verarmt war; Krieg! der Bauer,
der sein letztes Pferd unter Vorspann und Fuhren tot trieb; Krieg! der
Bürger, den die Einquartierungen und Abgaben erschöpften; Krieg! der
Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte; Krieg! die Witwe, die ihren
einzigen Sohn ins Feld schickte; Krieg! die Braut, die den Bräutigam
zugleich mit Tränen des Stolzes und des Schmerzes entließ. Jünglinge,
die kaum wehrhaft waren, Männer mit grauen Haaren und wankenden
Knien, Offiziere, die wegen Wunden und Verstümmelungen lange ehren-
voll entlassen waren, reiche Gutsbesitzer und Beamte, Väter zahlreicher
Familien und Verwalter weitläufiger Geschäfte, in Hinsicht jedes Kriegs-
Kap pcy u. Koch, Deutsches Lesebuch siir Mittelschulen. V. 81
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Extrahierte Personennamen: August Viktoria Viktoria_— Viktoria_— Julius_Mvsen Glatz Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Aatzbach Viktoria Kolberg Deutschland Ostsee
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Am andern Morgen zog ein Trupp schwarzer Reiter in die
Stadt — auch durch das Wassertor. Einer kam zu Pferde hier in
die Sperlingsgasse vor unser Haus und stieg ab. Mir sank das Herz
in die Knie; es war mein Ludwig. „Adjes, Mutter! Adjes, Vater!“
rief er, „behüt’ euch Gott! ’s wird sich schon machen.“ Und dann
ritt er fort, den andern nach, die schon durch das grüne Tor zogen,
„Da geht’s nach Frankreich, Alte,“ rief mein Mann, während ich
heulte und jammerte. Aber es war noch nicht so weit.
5. Wir hörten lange Zeit nichts, bis eines Tages alle Glocken in
der Stadt läuteten und auch im ganzen Land, wie sie sagten. Es
war eine große Schlacht gewesen, und unsere hatten gewonnen, und
mein Ludwig war — tot. „Der erste,“ sagte mein Alter.
Wieder ging ein Jahr hin, und einmal kam das Kanonenschießen
so nahe, daß die Leute vor das Tor liefen, es zu hören; natürlich
liefen mein Gottfried und ich mit. Da kamen bald aus der Gegend
her, wo es so rollte und donnerte, Wagen mit Verwundeten, Freund
und Feind durcheinander, und immer mehr und mehr. Die wurden
alle in die Stadt gebracht.
„Herr, mein Heiland!“ muß ich auf einmal ausrufen, „ist das
nicht der Piär von damals, von Anno sechs?“ Richtig, er war’s.
Mit abgeschossenem Bein lag er auf dem Stroh und wimmerte ganz
jämmerlich. „Den nehm’ ich mit,“ sagte mein Alter und bat ihn
sich aus, und wir brachten ihn hier ins Haus. Da kurierten wir
ihn. Als er besser wurde, hatte mein Mann oft seine Rede mit ihm.
Einmal war der Franzos obenauf, einmal mein Alter. Da hieß es
plötzlich, die Deutschen seien wieder geschlagen und der Napoleon
abermals Obermeister. Mein Alter sah den Wilhelm bedenklich an,
als ginge er mit sich zu Rat. Als aber in der Nacht die Sturm-
glocken auf allen Dörfern läuteten, wußte ich, was geschehen würde,
und weinte die ganze Nacht, und am Morgen zog auch mein Wil-
helm fort mit den grünen Jägern zu Fuß. Vorher aber führte ihn
mein Alter noch an das Bett des Franzosen und sagte: „Das ist der
zweite.“ Der Franzos schaute ganz kurios drein und sagte gar nichts,
sondern drehte sich nach der Wand.
6. Das Kanonenschießen kam nun nicht wieder so nah’, und der
Wilhelm schrieb von großen Schlachten, wo viele tausend Menschen
zu Tode kamen, aber er nicht, und die Briefe kamen immer ferner
her, und auf einmal standen gar welsche Namen darauf. Die brachte
mein Alter dem Franzos hinauf, der nun schon ganz gut deutsch
konnte, und sagte lachend zu ihm: „Nun, Gevatter, nit raus? nit
raus?“ Und der Franzos machte ein gar erbärmlich Gesicht und
sagte, den Brief in der Hand: „Das sein mein Eimatsort, da wohnen
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