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und breite Schultern; der Kopf ist übermäßig groß, und das Ge-
sicht, aus dem die kleinen Augen wild herausblitzen, ist ungewöhnlich
breit. Sie zerschneiden sich in ihrer Kindheit mit unzähligen Rissen
Kinn und Wangen, um durch die vielen Narben das Wachsen des
Bartes zu unterdrücken. Lue leben von Wurzeln und rohem Fleisch,
das sie als Sattel auf das Pferd legen und durch Reiten mürbe
machen. Von ihrer Kindheit an streifen sie auf Bergen und in
Wäldern umher und lernen Hunger und Kälte ertragen. Sie tragen
leinene Kittel und Pelze von Waldmäusen; die Beine aber umwickeln
sie mit Bocksfellen. Von ihren Pferden sind sie unzertrennlich; sie
essen, trinken und schlafen daraus. Ackerbau und Handwerke, Re-
ligion und Gesetze kennen sie nicht. Treu' und Glauben sind bei
ihnen unbekannte Dinge; sie wissen, wie die wilden Thiere, Nichts
von Recht und Unrecht. Der Krieg ist ihr Leben, und es folgen
ihnen dahin ihre schmutzigen Weiber und ungestalteten Kinder aus
zahllosen, mit Fellen überzogenen Wagen. Die Schlacht beginnen
sie mit einem fürchterlichen Geheul. Wie der Blitz fliegen sie herbei
und kehren eben so schnell wieder zurück; kaum wird man sie gewahr,
so sind sie auch schon da und stürmen die Verschanzungen oder plün-
dern- das Lager."
Diesen wilden und gefürchteten Horden stellte sich in Frankreich
ein römischer Feldherr, mit dem sich einige deutsche Volksstämme
verbunden hatten, entgegen. Aus den catalaunischen Feldern kam es
zur Schlacht, der blutigsten vielleicht, die je in Europa geschlagen
wurde; denn fast 200,000 Leichen bedeckten die Wahlstatt, und den-
noch war der schreckliche Hunnenkönig nicht besiegt, sondern nur zu-
rückgedrängt.
Das nächste Jahr brach Attila von Pannonien aus in Italien
ein. Die rauchenden Trümmer zerstörter Städte bezeichneten den
Weg des häßlichen, wilden Menschenschwarmes und Furcht und
Schrecken giengen vor ihnen her. Viele Bewohner der adriatischen
Meeresküste flüchteten sich auf die nahen Inseln, bauten sich später
dort an und legten so den Grund zu der nachmals durch Handel
und Schifffahrt so berühmt gewordenen Stadt und Republik Vene-
dig. Rom selbst schwebte in größter Gefahr; da zog Papst Leo
der Große an der Spitze einer Gesandtschaft dem unwidersteh-
lichen Sieger entgegen, sein Leben wagend für die ihm anvertraute
Heerde. Aber siehe da! die Bitten des gottbegeisterten Oberhirten
rührten das eisenumpanzerte Herz des Wütherichs; die ihm ange-
drohte Rache des Himmels schreckte ihn; die Schrecken des Todes
wandelten ihn an; er kehrt plötzlich mit all seinen Schaaren um,
und Rom ist gerettet!
Bald darauf starb Attila, der Schreckliche! Seine Hunnen
legten ihn in einen goldenen Sarg, diesen in einen silbernen und
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Extrahierte Personennamen: Attila_von_Pannonien Leo
der_Große Leo Attila
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europa Italien Rom
100
„Reicht just sein Helmbusch dem Marschall an’s Maul
„Doch ist er auch klein, so ist er nicht faul
„Zu trotzigem, stolzem Befehle.“
Und wohl vernimmt’s der wack’re Pipin,
Bemerkt, wie die Grollenden flüstern,
Mit Murren folgend gen Welschland zieh'n,
Ihm säumig gehorchen und frevelhaft kühn
Sich mürrischer täglich verdüstern.
Und stark im Geiste, gewaltig und klug,
Erwägt er’s mit weisen Gedanken.
„„Sei heut’ des Weges, der Mühen genug,
„„Gehemmt der Schaaren gewaltiger Zug!
„„Errichtet zum Fechtspiel die Schranken!
„„Herbei gebracht den gewaltigen Leu!
„„Den Kämpfer will ich ihm stellen! —““
Wohl seltsam scheint die Bestellung und neu,
Und mit Neugier murmeln, es murmeln mit Scheu
Die trotzigen, stolzen Gesellen.
Rings wird der Platz mit Gittern umhegt,
Dahinter die Sitze der Ritter,
Erhaben des Königs Balkon. — Da frägt
Wohl Jeder, zu Unmuth und Sorgen erregt:
„Wie schwach doch, wie schwankend das Gitter I
„Ein Ruck mit der mächtigen Tatz, und es fällt,
„Und das Ungethüm sitzt uns im Nacken.
„Doch der dort oben, der winzige Held,
„Wohl hat er sich trefflich sicher gestellt,
„Zu schaun, wie die Krallen uns packen!“
Und der Leu wird gebracht im vergitterten Haus,
An der Schranke geöffnet das Pförtchen.
Und der Thiere König er schreitet heraus,
Und die Ritter erfasst nun Schrecken und Graus,
Und keiner redet ein Wörtchen.
Doch zweifelnd sieht sich der Löwe befrei n
Und reckt in der Freiheit die Glieder
Und schreitet getrost in die Schranken hinein
Und zeigt der Zähne gewaltige Reih n,
Laut gähnend, und strecket sich nieder.
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135
brachen die Soldaten, besonders Pappenheim's wilde Wallonen, in
die Häuser- ein, durchsuchten jeden Winkel und verübten viele Gräuel.
Väter wurden vor den Augen der Kinder ermordet; Weiber wurden
in den Armen ihrer Männer erstochen, Kinder an den Wänden zer-
schmettert; Jungfrauen sprangen aus den Fenstern oder stürzten sich
in die Elbe. Um 10 Uhr sieng die Stadt an zu brennen, und das
Feuer trieb alle Einwohner auf die Straße, wo das Morden fort-
gesetzt wurde. Ein Sturmwind peitschte die Flammen nach allen
Richtungen hin; die Luft glühte und die Plünderer selbst mußten
sich eiligst auf die Wälle zurück ziehen. Nach 16 Stunden legte
sich der Brand; eine der ersten Städte Deutschlands lag in Asche,
nur der Dom, ein Kloster und einige Fischerhütten waren verschont
geblieben. Am dritten Tage hielt Tilly seinen Einzug. Als man
den Dom öffnete, fand man noch 1000 halbverhungerte Menschen
in demselben, Tilly ließ Brod unter sie austheilen und begnadigte
sogar die Prediger, welche das Volk während der Belagerung un-
ablässig zum Widerstände aufgehetzt hatten.
Es ist durchaus unwahr, daß Tilly das Morden und Brennen
gebilligt oder gar befohlen habe; dagegen spricht seine Gemüthsart
und sein Charakter. Auch suchte er bei der Plünderung Nichts für
sich, sondern nahm fliehende Waisen und schwache Greise in seinen
Schutz mit den schönen Worten: „Das sei meine Beute." Die
in der Stadt zerstreuten Soldaten waren in ihrer Wuth nicht mehr
zu zügeln, denn wer vermag den Tiger zu bändigen, wenn er einmal
Blut geschmeckt hat? Welche Macht vermag die entfesselte Leiden-
schaft zu bezwingen, die dem Meere gleicht, das die User durch-
brochen hat? Tilly mußte blos geschehen lassen, was er nicht hin-
dern konnte.
Nachdem dieser furchtbare Krieg eine Menge ähnlicher Schauer-
scenen, wenn auch in minder großem Maaßstabe, erzeugt hatte,
wurde endlich der von ganz Deutschland sehnlichst erwartete Friede
vermittelt, worüber man zuerst in Münster und später in Osna-'
brück unterhandelte, weßhalb derselbe der westphälische Friede ge-
nannt wird. Durch denselben wurde unter Anderem festgestellt, daß
die Protestanten gleiche Religionsübung und gleiche Rechte mit
den Katholiken erhalten und an Schweden die Insel Rügen
nebst einem Theil von Pommern abgetreten werden solle. Frank-
reich erhielt das Elsaß, und die Schweiz und die Nieder-
lande wurden als unabhängige Staaten erklärt.
54. Die Türken vor Wien (1683).
Um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts eroberten die Tür-
ken Constantinopel. Von hier ans suchten sie ihre Macht nach allen
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26
„Schnell," zürnet auf der Herr, „schnell ihn verkauft
„Mit Weib und Kind, mit Allem, was er hat
„Bezahlet muß ich seyn!" Betroffen stürzte
Der Knecht auf seine Kniee vor dem Herrn,
Und weinend seufzet er zu ihm empor:
„O meine Kinder, mein unschuldig Weib!
„O habe doch Geduld mit mir! Zch will,
„Gewiß ich will dir Alles redlich zahlen!"
Da jammert höchlich dieses Knechts den Herrn,
Als er die Worte hört'; er ließ ihn frei,
Und auch die ganze Schuld erließ er ihm. —
Wie froh von hinnen geht der Knecht, so trifft
Im Augenblick' er seiner Mitknecht' einen,
Der war ihm hundert Groschen schuldig; rasch
Faßt' er ihn an, und würget ihn, und sprach:
„Bezahle mir, was du mir schuldig bist!"
Da fiel der Mitknecht auf die Knie vor ihm,
Und weinend seufzet er zu ihm empor:
„O habe doch Geduld mit mir! Ich will,
„Gewiß ich will dir Alles redlich zahlen!"
Der aber, harten Sinnes, weigerte
Sich deß' und ließ ihn in den Kerker werfen:
„Da," tobt' er, „mag er schmachten, winseln, heulen,
„Bis daß er zahle, was er schuldig ist!" —
Die andern Mitgenossen, als sie hörten
Das Unbild, das verübt der Trotzige,
Ergrimmten sie im Innern tief der Schmach,
Und brachten schnell die Kunde vor den Herrn.
Entrüstet rief ihn alsobald der Herr:
„Schalk aller Schalke!" zürnet er ihm zu:
„Steh', deine ganze große Schuld erließ
„Ich dir, von deinem heuchlerischen Fleh'n
„Herzinniglich gerührt, und solltest du
„Nicht auch erbarmt dich haben deines Mitknechts,
„Wie ich erbarmt mich habe über dich?
„So bin ich meines Wortes wieder quitt!
„Flugs in die Marterkammer, fort mit ihm,
„Und seine Füß' ihm in den Stock gelegt!
„Dort mag er schmachten, winseln, heulen, bis
„Rein abbezahlt ist alle seine Schuld."
Vergebt, so wird euch wiederum vergeben!
(Conz.)
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174
9. Beispiele von Erstickungen durch kohlensaures Gas.
1.
In dem Dorfe Gross-Enzersdorf in Niederösterreich hat sich fol-
gender Unglücksfall ereignet, welcher allen denjenigen zur nachdrück-
lichen Warnung dient, die in Keller zu gehen genöthigt sind, in wel-
chen sich gährende Getränke befinden.
Der Bauer Eichberger wollte eines Tages mit seinem Schwa-
ger Joseph List in seinen Keller gehen, in welchem sich mehrere
Eimer gährender Most, nebst mehreren Fässern Wein befanden. Bei-
den war nicht unbekannt, dass sich djurch die Gährung des Wein- und
Obstmostes in geschlossenen Kellern eine für das Leben höchst ge-
fährliche Luftart (kohlensaures Gas) entwickle, und dass daher solche
Keller zuvor eine Zeit lang geöffnet und die Luftsäure durch einen
Luftzug oder durch hineingeworfenes brennendes Stroh heraus getrie-
den werden müsse. Da sie aber Eile hatten, so nahmen sie hiezu
nicht Zeit und glaubten auch, dass die Sache nicht so gefährlich seyn
werde. Es gesellte sich, während der Keller geöffnet wurde, noch
ein Nachbar zu ihnen, und List gieng zuerst in den Keller, kehrte aber
sogleich zurück, um frische Luft zu schöpfen. Durch diesen Versuch
ermuntert giengen nun beide Schwäger mit einander, während der
Nachbar vor der Thüre stehen blieb, um den Erfolg abzuwarten. Eich-
berger empfand aber bald ein Zusammenschnüren der Lunge und kehrte
noch auf der Kellerstiege zurück; als er aber seinen vorausgegange-
nen Schwager im Keller fallen hörte, wollte er demselben zu Hilfe
eilen, fiel aber auch selbst besinnungslos zu Boden. Als nun der
Nachbar weder Tritte noch Zeichen mehr aus dem Keller vernahm,
machte er Lärm, und in wenigen Minuten waren mehr als 30 Menschen
beisammen, von denen sich jedoch Niemand in den Keller wagen
wollte. In demselben Augenblicke fuhr ein junger Bauer aus einem
benachbarten Orte an dem Keller vorbei. Als er hörte was geschehen
sei, liess er Pferd und Wagen stehen und eilte zur Rettung der Ver-
unglückten in den Keller, kehrte aber ebenfalls nicht wieder zurück.
Auch der 22jährige einzige Sohn des Bauern Mayerhofer kam herzu
und hörte, dass sein Vetter Eichberger auch im Keller geblieben sei.
„Ich muss wenigstens diesen herauf holen,“ rief er aus, „wenn es
mir auch nicht gelingt, Alle zu retten!“ und mit diesen Worten eilte
auch er seinem Verhängnisse entgegen, denn in wenigen Sekunden
hörte man auch ihn fallen. Nun schafften die Anwesenden Brenn-
materialien und eine Windmühle herbei, um durch Wind und Feuer
die tödtliche Luft auszutreiben, und einige waren bemüht, den Keller
von Aussen aufzugraben, um Luft zu machen. Natürlich erfordern
aber solche Mittel so viel Zeit, dass in der Noth gar keine Hilfe von
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30
mir zü helfen, liefen nun ;die Lieben fast so schnell als die Gemse,
eine Meile weit bis zu der nächsten Hütte, während ich zwischen
Furcht und Hoffnung auf meine ausgebreiteten Arme und Schenkel
an den Eiswänden gestützt, über dem tosenden Wasser schwebte. Ich
sank aber mit der Zeit immer tiefer; schon kam der Strom mir bis
an die Kniee; ich war vor Kälte fast erstarrt und erwartete nichts
Anderes, als den Aod.
„Nach Verlauf einiger Stunden hörte ich meine treuen Gefähr-
ten mich anrufen. Sie hatten in der nächsten Hütte einen Strick
gesucht, und da sie keinen gefunden, hatten sie eine Bettdecke in Strei-
fen geschnitten, diese zusammengeknüpft und so ein Seil verfertigt.
Dieses ließen sie hinunter, und ich band mir dasselbe mit vieler
Mühe um den Leib.
„Nun zogen sie mich mit vereinten Kräften so weit aus der
Spalte heraus, daß sie mich beinahe mit den Händen erreichen konn-
ten. Aber plötzlich zerriß der Strick — und ich — mit einem
Theile desselben um den Leib — glitschte unaufhaltbar wieder hin-
unter, eben so tief als vorher. Jetzt war die Noth aber noch größer,
nicht nur darum, weil der Strick kürzer geworden war, sondern
auch, weil ich bei diesem zweiten Fall einen Arm gebrochen hatte
und also um so weniger Kraft behielt, selbst Etwas zu meiner Ret-
tung beizutragen.
„Dennoch entfiel uns der Muth nicht. Sie schnitten die Strei-
fen noch einmal von einander, um den Strick wieder zu verlängern.
Dann warfen sie ihn mir zum zweiten Male hinunter. Von Gott
gestärkt, war ich noch behende genug, ihn mir mit einem Arme um
den Leib zu knüpfen. Und mit diesem noch schwächern Stricke waren
meine Freunde endlich so glücklich, mich aus dem bereits offenen
Grabe heraus an das helle Tageslicht zu ziehen.
„Sollte ich denn wohl, meine Herren, jemals in meinem Leben
diese göttliche Hilfe vergessen? — Sollte ich nicht, so oft ich an
dieser Stelle vorbeigehe, dem Herrn, meinem Erretter, Gebete und
Thränen des Dankes zum Opfer bringen?"
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir
Gutes gethan hat. Psalm 103, N. 2.
34. Das Glasgemälde.
Ein armer Pilger, fromm und gut,
Mit weissem Stab und Muschelhut,
Im schwarzen, wollenen Gewand,
Zog weit umher von Land zu Land.
Er sah die Unschuld oft gedrückt,
Die Schuld mit Stern und Band ge-
schmückt.
Der Welt verworrenes Gewühl
Schien ihm fast nur des Zufalls Spiel.
So wallt er einst mit trübem Sinn
Durch eine rauhe Wildniss hin;
Der Himmel ist von Wolken schwer,
Es regnet, schneit und stürmet sehr.
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35
Mit Sehnsucht wartete indeß die Gemahlin des Herzogs auf
seine Zurückknnft. Sie sandte Boten nach allen italienischen See-
häfen; allein vergebens, und von Tag zu Tag wuchs die Vermu-
thung der Gewißheit entgegen, daß der Herzog verunglückt oder in
Gefangenschaft gerathen seyn müsse.
Das ganze Land nahm Antheil an der Trauer der Herzogin,
und von allen Seiten trafen Abgeordnete bei ihr ein, welche erklär-
ten, daß sie ihren geliebten Herrn um jeden Preis loskaufen wür-
den. Gerührt nahm die Herzogin diesen Beweis treuer Liebe an,
und mehrere Boten reisten ab, um den Aufenthalt des Herzogs
auszukundschaften.
Am herzoglichen Hofe lebte seit einigen Jahren ein Edelknabe
Namens Franz. Er war der Sohn eines Landmannes und hatte
einst den verirrten Herzog auf der Jagd zurecht gewiesen. Bisher
hatte er das vollste Vertrauen des Herzogs und seiner Gemahlin
genossen, und man war daher nicht wenige erstaunt, als man ihn
plötzlich vermißte und sich zugleich ergab, daß auch ein Theil der
kostbarsten herzoglichen Juwelen fehlte. Alle Nachforschungen nach
ihm 'blieben jedoch erfolglos, und sein Verschwinden blieb Jeder-
mann ein unauflösliches Räthsel.
. Wir kehren wieder zu dem gefangenen Herzog zurück. Dieser
arbeitete eines Tages in dem Garten seines grausamen Herrn an
einem Graben, welcher zu einem kleinen Lustsee führte. Dicke Schweiß-
tropfen rollten in der brennenden Mittagshitze über sein Angesicht,
seine Hände waren mit Schwielen angefüllt, seine Brust keuchte und
kaum vermochte er noch sich aufrecht zu erhalten, so sehr war er
von der ungewohnten Arbeit angegriffen.
Ein junger, vornehm gekleideter Türke kam durch die langen
Gänge des Gartens herab, gieng langsam an ihm vorüber, lindem
er halblaut, als ob er mit sich selber redete, in deutscher Sprache
die Worte flüsterte: Verrathet Euch nicht durch Euer Erstaunen, gnä-
diger Herr! Ich bin Euer Franz; ich bin gekommen Euch zu suchen
und Euch zu befreien.
Die Sprache^hat keine Worte um die freudige Ueberraschung
des Herzogs zu schildern.
Franz hatte wirklich die vermißten Juwelen entwendet und war
deshalb heimlich damit fortgegangen, weil er befürchtete, daß man
ihm bei seiner Jugend eine so große Summe nicht anvertrauen würde.
Er verkaufte einen Theil der mitgenommenen Edelsteine, verschaffte
sich prachtvolle türkische Kleider, miethete mehrere Türkensklaven und
lernte von ihnen und durch längeren Aufenthalt in der Türkei die
türkische Sprache. Er hatte mit furchtbaren Hindernissen und Ge-
fahren zu kämpfen, und dennoch ließ er sich nicht abhalten überall
nach dem geliebten Herrn zu forschen. Tag und Nacht hatte er
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Franz Franz Franz Franz
36
keine Ruhe, bis er ihn endlich durch Gottes wundervolle Fügung
gefunden hatte.
Er gieng nun wieder zu dem vornehmen Herrn, bei dem er
sich für den Sohn eines reichen und angesehenen Türken ausgegeben
hatte, gab vor, daß er nach Deutschland reisen wolle und daß er
daher einen deutschen Sklaben zu kaufen beabsichtige. Er bat den
vornehmen Herrn zugleich, daß er, im Fall er einen solchen hätte,
ihm denselben abtreten möchte. Die Sklaven wurden besichtigt und
um ihr Vaterland befragt; aber nur nach vielen Schwierigkeiten
entschloß sich der Türke einen so guten Arbeiter um eine hohe Summe
los zu geben.
Wer schildert das Entzücken des glücklichen Franz! — Er nahm
den Herzog zum Schein unter seine Sklaven auf und eilte so schnell
er konnte der deutschen Grenze zu. Hier entließ er seine Sklaven,
besorgte für sich und den Herzog Pilgerkleider, und unter dem Schutze
der Vorsehung gelangteg Beide wohlbehalten nach Breslau. ,
Von hier aus begab sich Franz allein nach Brieg und trat
dort als Pilger verkleidet in die Rathsversammlung. Niemand er-
kannte ihn, und er sprach zu dem versammelten Rathe: „Edle Her-
ren! ihr habt einst versprochen euren Herzog um jeden Preis zu
lösen, und ich bin gekommen euch zu fragen, ob ihr noch dazu ent-
schlossen seid." Alle erklärten sich bereit, und der edle Franz fuhr
fort: „Wohlan, so zahlt mir so viel Geld, als die herzoglichen Ju-
welen werth sind, die ich mitgenommen habe. Ich bin Franz, der
Edelknabe, der auszog euren und meinen Herrn zu retten. Jenen
Schmuck mußte ich verkaufen, um meinen Zweck zu erreichen, darum
gebet mir das Geld, denn ich muß die Kleinodien ersetzen, damit
ich nicht länger für einen Dieb gehalten werde. In wenigen Tagen
ist der Herzog wieder in eurer Mitte."
Schnell und freudig wurde die Summe aufgebracht; Franz eilte
nach Breslau zurück, holte den Herzog ab, und dieser wurde mit
allgemeinem Jubel von seinem geliebten und treuen Volke empfangen.
(R. nach dem Pr. L.)
38. Die Heimgabe.
An einem Sabattag war Rabbi Mei'r
Im Haus des Herrn und deutete dem Volk.-
Mit Heiterkeit die Sprüche des Gesetzes.
Zur selben Zeit ergriff ein schneller Tod
Ihm ungewarnt zween hoffnungsvolle Söhne.
Die Mutter legte weinend sie auf's Bette,
Und deckte sie mit ihrem Mantel zu,
Und saß in stummem, namenlosem Schmerz
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Franz Franz Franz Franz Franz Franz Franz Rabbi_Mei'r
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Breslau Brieg Breslau
37
Und rang vor Gott um Fassung und Geduld.
Ihr brünstiges Gebet war nicht vergebens:
Es wurde sanft und still in ihrem Herzen.
Derweile brach der Abend friedlich an,
Und Rabbi Meter kam vergnügt nach Hause.
Doch als die zarten Söhne nicht, wie sonst,
Mit muntern Grüßen ihm entgegen hüpften,
Da frug er sorglich: „Weib, wo sind die Kinder?"
Spricht die Gemahlin: „Etwa in der Schule."
Spricht Rabbi Meier: „Nein, da sind sie nicht,
„Schon hab' ich dort sie unterwegs gesucht."
Mit stummer Wehmuth reichte jetzt die Gattin
Den Becher ihm. Er sprach den Segen, trank,
Und frug noch einmal: „Weib, wo sind die Kinder?"
Spricht die Gemahlin: „Etwa auf Besuch."
Spricht Rabbi Meier: „Lange weilen sie,
„Und dunkel bricht bereits die Nacht herein."
Indessen wird die Abendkost gebracht.
Der Rabbi aß, doch war's ihm nicht ganz heimlich.
Sobald sie nun das Mahl gehalten hatten,
Begann das edle Weib: „Erlaube mir,
„Daß ich dich Etwas frage." — Liebevoll
Erwiderte der Rabbi: „Frage mich!"
Da hub sie an: „Es gab ein Freund mir jüngst
„Ein Kleinod in Verwahrung, aber nun
„Verlangt er's heim. Soll ich's zurück ihm geben?"
Verwund'rungsvoll entgegnete der Rabbi:
„Welch' eine Frag' ist deinem Mund entstoh'n?
„O freilich müssen wir zurück erstatten,
„Was uns vertraut aus Freundeshand ist worden,
„Sobald der Eigner es zurück verlangt."
Jetzt hub das edle Weib ein Licht vom Tische,
Und sprach: „So folge mir; mich hat's gefreut,
„Daß du mit mir die gleiche Meinung hegst."
Mit diesem Wort ergreift sie seine Hand
Und führt ihn zu der Kammer auf der Flur;
Erstaunt und Böses ahnend, folgte Mei'r:
„Was thust du," sprach er, „wie geheimnißvoll
„Ist deine Rede? Was begab sich hier?"
„Komm'!" fuhr sie zärtlich fort, „und sieh' es selbst,
„Und denke deines Spruch's und fasse dich!"
Nun trat sie hin zum Bette, wo die Leichen
Der Knaben lagen, zog den Mantel weg,
Und ließ auf sie den Schein der Lampe fallen.
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40
4. Der dritte naht mit Ueberfluß und füllet Küch' und Scheune,
Bringt uns zum 'süßesten Genuß viel Aepfel, Nüß' und Weine.
5. Verdrießlich braust der vierte her, in Nacht und Graus gehüllet,
Sieht Feld und Wald und Wiesen leer, die er mit Schnee erfüllet.
6. Nun sagt mir, wer die Brüder sind, die so einander jagen?
Leicht räth sie wohl ein jedes Kind, d'rum brauch ich's nicht zu sagen.
43. Räthsel.
Kennst du die Brücke ohne Bogen und ohne Joch, von Diamant,
Die über breiter Ströme Wogen errichtet eines Greises Hand?
Er baut sie auf in wenig Tagen, geräuschlos, du bemerkst es kaum;
Doch kann sie schwere Lasten tragen und hat für hundert Wagen Raum.
Doch, kaum entfernt der Greis sich wieder, so hüpft ein Knabe froh daher ;
Der reißt die Brücke eilig nieder; du siehst auch ihre Spur nicht mehr.
44. Buchstabenräihsel. (Logogryph.)
Mit M umschließt es manchen Garten; mit D trotzt es der Zeiten Lauf;
Mit B muß es des Feldes warten; mit L steh'« Jäger oft darauf.
45. Sylbenräthsel. (Charade.)
Drei Sylben.
Die beiden ersten sind des Lenzes Kinder,
Des Sommers Schmuck, des Herbstes Zier.
Die letzte Silbe nennt mit Flügeln uns ein Thier,
Das niemals fliegt, allein geschwinder
Als oft der schnellste Renner springt.
Ein Vogel ist's, der öfters wild
Mit Steinen seinen Magen füllt
Und ohne 'Nachtheil glüknde Kohlen schlingt.
Das ganze kostet vienig Geld
Und dient zum Schmuck, wem es gefallt.
Die Jahreszeiten.
46. Oer Frühling.
Nach den rauhen Stürmen des Winters weht endlich wieder
eine mildere Lust. Die Tage werden länger; der Schnee schmilzt;
die wärmenden Strahlen der Frühlingssonne wecken die schlummern-
den Kräfte der Natur zu neuem Leben und zu erneuter Thätigkeit.
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