zur Beförderung guter Gesinnungen re. 41
den, welche der Arbeit und dem Lernen bestimmt waren,
zu seinem Vergnügen mißbrauchte, denn dadurch raubte
er sich ja selbst die kostbare Zeit zum Lernen, welche nie
wjeder kommt. Siegmund nahm nur an Alter und an
körperlicher Stärke, aber n cht an Kenntnissen und Ge»
sch-cklichkeüen zu, und die Vorh:rsagung feines redli-
chen Lehrers, daß er nie nn brauchbarer Mensch werden
würde, ging genau in Erfüllung^
6. Der Kleine Verschwender.
2)ater Erich hielt seine Kinder früh dazu an, daß sie
durch Arbeit etwas erwerben mußten. Seine Töchter
nährten und strickten auch außer den Schulstunden, und
er kaufte ihnen dann zuweilen ihre kleinen Arbeiten ab.
Seine Söhne drechselten, oder machten allerlei Papp-
Arbeiten. Auch diese kaufte ihnen Erich ab, wenn sie
sauber und nett gemacht waren Diese Kinder hatten
also immer Geld in Händen, welches sie nach ihren
Willen verwenden konnten; aber der Baker ermahnte sie
yft, es nützlich anzuwenden, und damit sparsam um-
zugehen. Marie und Karl, die beiden jüngern Kin-
der Erichs, befolgten auch diese Ermahnungen und
kauften sich für ihr gesammeltes Geld allerlei Dmge,
welche sie nöthig hatten, z. B. Papier Federn, Blei-
stifte, Messer und Scheeren Wie groß war immer
ihre Freude, wenn sie einige Groschen durch ihre Ar-
beit erworben hatten, und wie lieb war ihnen alles,
was sie für ihr eigenes Geld gekauft hatten! Aber
Gustav, Erichs ältester Sohn, ging nicht so haushäl-
terisch mit seinem Gelde um. Alles, was er sahe, und
was ihm auf den ersten Anblick gefiel, wollte erhaben,
und daher kaufte er oft ganz unnütze Dinge, oder auch
solche-, die er jetzt gerade nicht bedurfte. Er hatte
z. B. ein recht gutes Resser, aber nun sahe er eins,
welches eine schönere Schaale hatte, oder ein wenig
größer war. gleich kaufteer es, und gab dann, was
die Leute forderten, daher er immer viel zu theuer ein-
kaufte. Wenn er hinterher etwas Nochwendiges zu kau-
fen hatte, so fehlte es ihm an Geld, und er. wollte
dann von seinen Geschwistern etwas borgen, aber das,
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand]]
Extrahierte Personennamen: Siegmund Erich Erich Karl Karl Gustav Gustav
44 Erzählungen
gehen: es wäre ihm nicht möglich gewesen, Tage lang
den Schmutz an seinen Stiefeln sitzen zu lassen, oder
die mit Tiare befleckten Hände an seinen Kleidungsstü-
cken abzuwischen, wie es so viele unreinliche Kinder
thun. Ne sahe man chn anders, als mit ausgekämm-
ten Haaren und g-wafchenen Händen in die Schule
gehen, sem Rock war immer sorgfältig ausgebürstet,
seme Stiefeln waren gesäubert, und in seinen Schul-
büchern w -r kein Fleck und kein Ohr zu finden. Sei-
nen Hut warf er nie unter den Tisch, und mit der
Lmte g'.ng er rmmer sehr behutsam um: auch fehlte
es ihm nie an einem Taschentuchs. Albert war die
Freude seiner Eitern und seiner Lehrer.
9. Der Lügner.
Heinrich wurde von seinen Eltern nach dem Post-
hause geschickt, um einen Brief abzugeben, an wel-
chem sehr viel gelegen war. Auf dem Wege begegnete
ihm Franz mit einigen andern Knaben. Franz war
ein zänkischer Knabe und besonders war er mir Hein-
rich beständig im Streit, weil dieser eine heftige Ge-
müthsart hatte, und also leicht gereizt war. Auch bieß-
mal geriethen sie mit einander in Streit, weil keiner
dem andern aus dem Wege gehen wollte/ In der Hitze
des Streits ließ Heinrich den Brief fallen, trat darauf,
und beschmutzte ihn dabei so sehr, daß die Aufschrift
nicht mehr zu lesen, und das Papier durchlöchert war.
Was sollte er nun anfangen? Wenn er zu Hause kam,
und alles gestand, was vorgefallen war, so hatte er
die härteste Strafe zu erwarten, denn sein Vater war
sehr strenge, und halte ihm dießmal ausdrücklich ge-
sagt: bestelle ja dm Brief recht ordentlich, denn es ist
mir sehr viel daran gelegen. Heinrich kam endlich auf
den schlimmen Gedanken, er wolle sich durch eine Lüge
ous der Noch helfen. Er versichern also dem Vater,
auf seine Frage, mir großer Dreistigkeit, daß er den
Brief richtig bestellt habe; doch schlug ihm d s Herz
hei dieser Lüge. Als nach zehn Tagen keine Antwort-
auf dem Brief kam, ging Heinrichs Vater selbst nach
dem Posthause, um sich r« erkundigen, arrch der
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Franz Franz Franz Franz Heinrich Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs
4§ Erzählungen
schreckliche Begebenheit, und nehmet euch vor, daß sie
euch zur Warnung dienen soll. Cines Tages spielte
Christian mit einigen andern Knaben. Mit der größ-
ten Wildheit liefen sie die hohe und steile Treppe des
Hauses hinauf und hinunter. Endlich kam Christian
auf den unglücklichen Einfall, heute wieder etwas zu
versuchen, was er schon einigemal versucht hatte, nem-
lich sich mit dem halben Leibe über das Geländer dev
Treppe zu hängen, und so von oben hinab zu rutschen.
O hatte er doch in diesem Augenblicke an die Warnungen
seiner Pflege, Eltern gedacht, welche ihm dies Wage-
stück so oft untersagt hatten! Aber in seiner Wildheit
dachte er nicht daran, hängte sich über das Geländer,
bekam das Uebergewicht, stürzte hinab, und war auf
der Stelle todt.
ii. Der ehrliche Knabe.
Slaus spielte vor der Thür, als ein Nachbar ihn
herbei rief, und ihn freundlich bat, daß er ihm den
Gefallen thun, und vor dem Thor die Post erwarten
möchte, um ihm sogleich Nachricht geben zu können,
wenn er sie in der Ferne kommen sähe. Klaus war sehr
bereitwillig, diesen Auftrag zu vollführen, denn er war
ein dienstfertiger Knabe. Eilig lief er vor das Thor,
und stellrte sich auf eine Anhöhe, wo er die Landstraße
auf eine weite Strecke übersehen konnte. Er hatte nun
schon eine gute halbe Stunde gewartet, als Hemrich
vorbei kam. Da er Klausen ansichtig wurde, rief ec
ihm zu: komm mit mir, drüben auf der Wiese sind
alle unsere Schulkammeraden, wir wollen zusammen Ball
spielen. Klaus versicherte ihm, daß er jetzt nicht mit-
kommen könnte, so gern er aucb mitspielen möchte, denn
er habe seinem Nachbar versprochen, hier auf die Post
zu warten, und es ihm zu sagen, sobald er sie kom-
men sähe. Aber wie lange willst du denn hier in der
"Sonne stehen? erwiederte Heinrich, das hast du ja gar
nicht nöthig, und du hast nun schon lange genug gewar-
tet; ich dächte, du kämest immer mit. Doch Klaus
war nicht zum Weggehen zu bewegen, so sehr auch der
leichtsinnige Heinrich über seine Einfalt spottete, den»
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Extrahierte Personennamen: Christian Christian Heinrich Heinrich Klaus Heinrich Heinrich
zur Beförderung guter Gesinnungen re. 47
ermatte oft von seinem Vater gehört: ein ehrlicher Mann
hält sein Wort. 9war mußte er noch eine volle halbe
Stunde warten, ehe die Post kam, und hatte dabei viel
Sonnenhitze auszustehen, aber wie groß war auch dann
seine Freude, als er endlich den Postwagen in der Fer-
ne erblickte, und nun seinem Nachbar die erwünschte
Nachricht bringen konnte. Was würdet ihr gethan ha-
den, wenn ihr in demselben Falle gewesen wäret ì
12. Wer nicht hören will, muß fühlen.
Karl kam an einem sehr kalten Wintertage aus der
Schule. Cs hatte seit zwei Tagen stark gefroren, und
indem er mit einigen andern Knaben über eine Brücke
ging, sahe ec, daß der Fluß mit Eis belegt war.
Kommt, sagte er zu ihnen, wir wollen aufs Eis gehen!
Alle waren sogleich dazu bereit, und nun liefen sie eine
Treppe hinunter, die nach dem Flusse führte Da kam
ein alter Mann gegangen. ^Kinder! rief er, wo wollt
ihr hin? Traut dem Eise nicht, es ist noch lange nicht
stark genug, um euch zu tragen, ihr werdet einbrechen.
Da stutzten alle , und scheuten sich, auf das Eis zu ge-
Hen; nur der leichtsinnige Karl kehrte sich an die wohl-
gemeinte Warnung nicht, sondern ging doch auf das
Eis, er spottete sogar über die Andern, und ries ihnen
zu: schämt euch, ihr habt kein Herz; wer wird sich
fürchten! Aber er war kaum einige Schritte gegangen,
da brach er schon ein, und lag bis an den Hals im
Wasser. Me liefen schreiend davon, und Karl wäre
verloren gewesen, wenn nickt der alte Mann, welcher
aus gutherziger Besorgniß in der Nähe geblieben war,
hinzugelaufen wäre, und ihn gerettet hätte. Karl zit-
terte wie ein Espenlaub, war todtenblaß, und konnte
anfangs kein Wort hervorbringen. Ob man sich gleich
Mühe gab, ibn bald wieder zu erwärmen, so wurde ec
doch recht krank, und mußte einige Tage im Bette lie-
gen. Merke dir, sagte der Daker, als er wieder ge-
sund geworden war, die Warnung: wer nicht hören
will, muß fühlen.
Aber wenn nun alles gut abgelaufen, und Karl
nicht eingebrochen wäre, hätten die andern Krigben
I
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl
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zur Beförderung guter Gesinnungen re. zi
16. Der Unzufriedene.
Ädolph hatte wohlhabende und sehr gütige Eltern^
Da sie nur den einzigen Sohn hatten, so wandten sie
sehr viel an ihn, und Adolph.hatte daher alles, was
er sich nur wünschen mochte: gute Kleider, alle Tage
gut zu essen, und manches Vergnügen. Aber eben
darum, weil es ihm zu wohl ging, wurde er unge-
nügsam und unzufrieden, das heißt: ec freuete sich nie-
mals über das, was er hatte, und fand immer etwa-
daran zu tadeln, daher er beständig etwas anderes und
besseres verlangte. Wenn er z. B einen neuen Rock
bekam, so hatte er bald an den Knöpfen etwas auszu-
setzen, oder er war »hm zu weit, zu lang, zu enge u. s w.
Gingen seine Ettern mir ihm spazieren, so klagte er bald
über die Hitze, bald über den weiren Weg, seufzte be,
ständig, und sagte fast alle Augenblicke: wenn wir doch
nur erst da waren! War man endlich angekommen, so
gefiel es ihm wieder an diesem Orte nicht, und er
wünschte, daß seine Eltern mit ihm nach einem andern
Orre gegangen waren. Auf diese Art verbittert? sich
der unzufriedene Adolph fast jedes Vergnügen, und wur-
de seines Lebens nicht froh. Ec hatte keine Freunde/
denn wer möchte wohl gern mit einem solchen Unzufrie-
denen umgehen? Er hatte aber auch fast niemals ein fröh-
liches Herz, und genoß das Gute, welches er hatte, we,
mg oder gar nicht. Möchtet ihr ihm wohl ähnlich «erden Í
17* Der Barmherzige.
Äunj und Klaus gingen an einem sehr kalten
Wi- teriage mit einander über Feld. An der Straße
fanden sie einen unbekannten Menschen im Schnee
liegen, welcher fest zu schlafen schien. Kunz hatte
Mitleiden mit ihm, und aus Besorgnrß, daß er er-
frieren möchte, näherte er sich ihm, um ihn aus dem
Schlafe zu wecken Aber so v,el er ihn auch rüttelte,
so erwachte er doch nicht. Den kannst du lange rüt-
teln, rief Klaus lachend, er wird nicht aufwachen,
er ist betrunken; laß den Kerl liegen, und komm, es
ist kalt. Nein, antwortete Kunz, sa unbarmherzig
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Extrahierte Personennamen: Ädolph Adolph Klaus Kunz Klaus Kunz
zr Erzählungen
samt ich nicht seyn, wie leicht könnte -er arme Mensch
erfrieren, und mag er immerhin betrunken seyn, er ist
à Mensch, und zwar ein hüls-bedürftiger Mensch, ich
will thun, was ich kann, um ihm das -eben zu reden.
Nun, so mache, was du willst, rief Klau- unwillig,
ich mag nicht länger hier stehen und frieren; und damit
ging er weiter. Kunz bedeckte nun eiligst den Schla-
fenden mit Schnee, weil er gehört hatte, daß der
Schnee wärme, und lief dann so schnell als möglich nach
dem nächsten Dorfe, um einen Wagen zu holen. Glück-
licher Weise fand er auch gleich einen menschenfreund-
lichen Bauer, der eben aus der Stadt gefahren kam, und
mit dessen Hülfe er den Halbtod en fremden sehr bald
ins Leben brachte. Fröhlich wanderte er nun nach Hau-
fe. Was urtheilt ihr vom Kun,? Und was urtheilet
ihr vom Klaus? Wessen Betragen wollet ihr zum Mu-
ster nehmen?
lg. Die Furchtsame.
Äöilhelmine hatte eine abergläubische Wärterinn,
welche ihr oft Gespenstergeschichten erzählte, dabei
hatte man es ihr angewöhnt, immer bei einer Lampe,
und nie allein zu schlafen. Dadurch wurde sie furch,
sam Sie war schon »ehn Jahr alt, al- es sich traf
daß alle ihre Geschwister krank wurden, und da ihr
Vater gerade verreist war, so mußte es sich Wilhel-
mine mm erstenmal gefallen lassen, allein zu schlafen.
Darüber, qerieth sie nun in große Angst, besonders
da die Mutter keine Lampe in ihrer Kammer wollte
brennen lassen, sondern meinte: das große Mädchen
könnte auch wohl einmal im Finstern zu Bette gehen.
Gar zu gerne hätte sie in der Krankenstube geschla-
fen. aber dieß wollte die Mutter nicht zugeben, weil
sie dadurch leicht hätte angesteckt werden können. Wei-
nend ging Wilhelmine in ihre Kammer, zog sich ha-
stig aus, und steckte aus Furcht den Kopf unter da-
Decküette. Von Zeit zu Zeit zog sie ihn scheu her-
vor. um Lust m schöpfen, und sich ängstlich in der
Kammer ummsthen. Auf einmal glaubte sie an der
Kammerthüre «ine lange weiße Gestalt zu erblicken.
Voller Schrecken zog sie sich das Deckbette über den
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zur Beförderung guter Gesinnungen re. st
Kopf, und der Angstschweiß lief ihr von der Stirn.
Lange konnte sie es in dieser Lage nicht aushalten; sie
wagte es endlich auf einen Augenblick den Kopf hervor-
zmiehrn. und siehe da die schreckliche weiße Gestalt
stand nicht nur immer noch an der Kammerthür, son-
dern bewegte sich auch. Jetzt fing Wilhelmine laut an
zu schreien, und in dem Augenblick trat ihre Mutter in
die Kammer. Aber Kmd, was ist dir denn! rief sie
ihr zu; träumest du, oder wachst du 7 Ach Mutter' Mut-
ter ! die weiße Gestalt! ich glaube gar du sichst Gespen-
ster, erwiderte die Mutter; ermuntre dich, und fasse
Muth Was ängstigt dich denn- Gs kam nun her-
aus, daß Wilhelmine ein weiße-Handtuch, welches an
der Kammerthür hing, und worauf der Mond schien,
für eine weiße Gestalt gehalten hatte. Die Mutter hatte
an derkammerrhür gehorcht, ob Wilhelmine schlief, und
indem sie die Thür öffnete, hatte sich das Handtuch be-
wegt. Wilhelmine schämte sich ihrer kindischen Furcht-
samkeit, und sahe seit dieser Zeit nicht wieder Gespenster.'
is« Die gute Tochter.
28ilhelm war sehr krank, und feine gute Mutter
hatte, aus zärtlicher Besorgniß, schon drei Nächte hin-
ter einander bei ihm gewacht. Marie, seine zwölfjähri-
ge Schwester, fürchtete, daß ihre Mutter von den vie-
len Nachtwachen endlich auch krank werden möchte. Da-
her bat sie ihre Mutter herzlich, sie möchte ihr doch er-
lauben die vierte Nacht bei dem kranken Bruder zu wa-
chen. Aber die zärtliche Mutter wollte dieß n cht zuge-
den, theils weil Marie sehr schwächlich war. therls weil
sie fürchtete, sie möchte einschlafen, und Wilhelm dann
ganz ohne Hülfe seyn. Nun wurde es Abend, und die
abgemattete Mutter mußte sich doch endlich aus- Bette
legen, weil ihr die Augen zufielen. Marie hatte sich
zwar auch auf Befehl ihrer Mutter zu Berte gelegt,
aber aus kiebe und Besorgniß konnte sie nicht einschla-
fen, als sie hörte, daß die Mutter fest schlief stand
sie sacht auf, nahm ihr Strickzeug und fetzte sich ne-
den dem Bette ihre- kranken Bruders auf die Erde.
Hier gab sie genau auf ihn Acht, und so bald er sich btt
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Extrahierte Personennamen: Wilhelmine Wilhelmine Wilhelmine Wilhelmine Marie Marie Wilhelm
54 Erzählungen
bewegte, war sie sogleich bei der Hand, um sich zu er-
kundigen, was er verlange. So trieb sie es bis an den
Morgen, und wie groß war nun ihre Freude, daß sie
der guten Mutter eine ruhige Nacht hatte verschaffen
können!
Bald nachher wurde die Mutter auch krank, erholte
sich aber bald wieder; nur fehlte es ihr an Kräften.
Der Arzt harte in Marrens Gegenwart gesagt: wenn die
Kranke nur täglich ein wenig Wein trinken könnte, so
würde sie bald wieder zu Kräften kommen. Aber wo
sollte die arme Frau das Geld zum Wein hernehmen?
Wilhelms Krankheit hatte gar zu viel gekostet. Marie
hörte, daß in dem Hause, wo sie wohnte, jemand gesucht
würde, der bas klein gehauene Holz im Keller aufschichten
könnte. Sie bat, daß man ihr die Arbeit übertragen
möchte, und versprach, recht emsig daber zu seyn. Nach
vier sauern Stunden hatte sie wirklich so vre! verdient,
daß sie für ihre Mutter ein wenig Wein kaufen konnte.
Obgleich sie von der ungewohnten Arbeit sehr ermüdet
war, so lief sie doch so schnell, als ob sie heute noch gar
nicht gearbeitet hatte. Unbeschreiblich groß war ihre
Freude darüber, daß sie durch ihre Hände Arbeit der
guten Mutter diese Erquickung hatte verschaffen können.
Die Mutter war so gerührt über Mariens kindliche
Liebe, daß sie Freudenthranen vergoß. Wenn doch alle
Kinder so gesinnet wären, wie die gute Marie!
so. Der ungegründete Verdacht.
Äem Kaufmann Müller waren feit einiger Zeit
verschiedene Flaschen mit Wein aus dem Keller gestohlen
worden, und er konnte nicht herausbringen, wer wohl
der Dieb seyn möchte. Eines Tages kam sein Sohn
Ferdinand ganz außer Athem zu Hause, und erzähl-
te, nun wisse er ganz gewiß, wer die Flaschen aus dem
Keller geholt härte. Nun, wer denn 2 fragte der Va-
ter begierig. Kein anderer, sagte Ferdinand, als der
kleine Ewald, denn ich habe ihn eben mit zwei Fla-
schen sehr ängstlich aus dem Keller schleichen sehen.
Der kleine Ewald war in dem Hause des Herrn Müller
bisher viel Ms- eingegangen, und hatte, als ein
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms Wilhelms Ferdinand Ferdinand Ferdinand Ewald Ewald
§6 Erzählungen
wende Gründe etwas so Böses, wie Diebstahl ist, zu-
zutrauen; denn du hast jetzt die Erfahrung gemacht,
Wie leicht der Schein trügt.
21. ^aá neugierige Mädchen.
Wargarethe war als ein höchst neugieriges Mäd,
eben bekannt, und schon oft hatten sie ihre Eltern wegen
ihrer thörichten Neugierde bestraft. So bald sie nur
das geringste Geräusch auf der Straße hörte, lief sie
an das Fenster, um zu sehen, was es gäbe; und eines
Tages machte die heftige Neugierde sie jo blind, daß sie
mit dem Kopfe gegen die Fensterscheibe fuhr, und sich
sehr beschädigte, rüdem sie nicht einmal bemerkt hatte,
daß das Fenster zugemacht war. Nicht selten verlohr
sie auf der Straße ihr Strickzeug, oder was sie eben in
der Hand hieît, indem sie hastig lief, um *u sehen, wes-
wegen sich die Leute versammelten. Beynahe wäre sie
einst darüber um's Leben gekommen, denn indem sie
in ihrer Unbesonnenheit zusähe, wie ein Ochse, der sich
losgerissen hatte, und eben wieder gefangen worden
war. mir Stricken gebunden wurde, riß sich das wü-
thende Thier ios, und nur mrt genauer Noth flüchtete
sich Margarethe in ein Haus, büßte aber doch darüber
ihre Schürze ein, welche der Ochse im Verbeirennen mit
den Hörnern faßte, und ihr vom Lerbe riß. Ihre Neu»
gierde verleitete sie auch zu horchen, und man sahe
sie oft des Abends unter den Fenstern stehen, um zu hö-
ren, was die Leute in der Stube sprächen. Aber bei
diesen Horchen lief sie einst sehr übel an; denn ein
Mann, der sie dabei ertappte, züchtigte sie ohne Um-
stände dafür recht derb, und ließ sie dann mit der War,
nung gehen: künftig horche nicht wieder, sonst hast du
noch etwas Schlimmeres zu erwarten!
22, Das wißbegierige Mädchen.
Caroline zeigte schon in ihrer frühesten Kindheit
eine große Begierde zu lernen, und sich nützliche
Kenntnisse zu erwerben. Wenn sie etwas Neues sah,
so ruhte sie nicht eher, bis sie es genauer kennen ge-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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