König Kleffo, etwas über langobardische Verfassung, Abzug der Sachsen rc. 45
zunächst standen die Gemeinfreien oder Heermänner (Harimanni), unter diesen die Freigelassenen oder Halbfreien, zu denen auch die Aldionen — ungefähr den Liten oder Leten andrer Völkerschaften*) entsprechend — gehörten; die Unfreien — Knechte und Mägde — zählen im Staate nicht mit. Eine hohe Bedeutung gewinnen, zum Nachteil der Reichseinheit und -Stärke, die Herzöge, die erblich zu werden trachten. Indem nämlich der alte Volksadel allmählich in einem neuen vom König eingesetzten Dienstadel aufging, erhielten sich doch einige edle Geschlechter, die bald zu starken
Fürstengeschlechtern wurden, selbständig oder es machten sich einzelne dienst-
adlige Sippen von der Krone unabhängig, durch Grundbesitz und zahlreiche Abhängige und auch durch Reichtum mächtig genug, dem Könige zu trotzen, so daß die Bändigung der herzoglichen Gewalten geradezu eine Hauptaufgabe des langobardischen Königtums wurde.**)
Die Verfassung atmete den Geist eines urkrästigen, frischen und kriegerischen Volkes, das doch auch an eine gewisse Ordnung gewöhnt war. Der König ward auf Lebenszeit aus einem der edlen Geschlechter gewählt; er war der Herr des Heeres, Wahrer des Friedens, oberster Richter und Beschützer aller Hilfsbedürftigen, der Witwen und Waisen, der Fremden, der Kirchen und Klöster. Er vertrat den Staat nach außen und entschied auch wohl über Krieg und Frieden, allerdings nicht ohne Beistimmung des Thinges. Leib und Gut des Königs war durch doppeltes Wergeld geschützt. Von schweren Landfriedensbrüchen, die mit der hohen Buße von 900 Solidi (Schillingen)***) bedroht waren, bezog er die halbe oder auch oft die ganze Straffumme. Wie für das Thing, so gab es jetzt einen erhöhten Friedensschutz für den Palast
des Königs und den Hin- und Herweg zum König, aber auch für die Städte
und Kirchen. Der Wohnsitz des Königs war Pavia, wo auch der Kronschatz lag. Weit ausgedehnte Krongüter sorgten für den Unterhalt des Königs und waren wichtige Stützen seiner Macht; denn von ihnen beschenkte und verpflichtete er seine „Getreuen" (fideles) und „Gefolgen" (gasindi), die durch Ehre und Vorteil an ihn gefesselt und auch durch höheres Wergeld geschützt waren. Die wichtigsten Königsbeamten waren der Reichskanzler oder Protonotarius, der Marpais oder Marschall, der Vestiarius oder Kämmerer, der Schenk, der Schatzmeister u. a. Neue Gesetze wurden mit diesen Großen, den Herzögen und Richtern beraten und dem Volksheer im Thing vorgelegt. Alles Gesetz war Gewohnheitsrecht, d. H. es wurde nur mündlich aufbewahrt; erst König Rothart ließ 643 die langobardischen Gesetze aufschreiben.
*) Vgl. 1. Bd., S. 66.
**) Vorstehendes zum größten Teil nach Dahn, Urgeschichte 4, S. 291 ff.
***) Der Solidus, eine allgemein verbreitete Goldmünze, von der damals (seit ca. 570) 84 aus ein Pfund gingen; also etwas mehr als Iov2 Mark.
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Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
ebensoviel dem Verletzten zu zahlen. Wer einer freien Langobardin den Weg vertritt oder sie beleidigt, wird — bezeichnend nicht nur für den ritterlichen Sinn des Stammes, sondern auch für die allgemeine germanische Verehrung der Frauen — mit schwerer Strafe belegt; er zahlt 480 Sol. dem Könige, ebensoviel dem Mundwalt der Verletzten. Die Buße für Brautraub betrug 1800 Sol.; 450 bekam der König, ebensoviel der Mundwalt, das Doppelte der Bräutigam. Wer den Thingfrieden bricht, d. H. in einer Versammlung zu den Waffen greift, zahlt dem Könige 900 Goldschillinge. Jede Verletzung an einem königlichen Beamten wird mit 80_ Sol mehr gebüßt als sonst. Wer in des Königs Palast zur Waffe greift, büßt mit 24 Sol., wenn er ein Freier ist: ist er ein Knecht, mit der Hälfte.
Von allen Verletzungen, die einem Privatmann zugefügt werden können, ward nur der Ehebruch mit dem Tode bestraft, ferner der Mord des Ehegatten durch die Frau und der des Herrn durch den Knecht. Außerdem aber gab es Vergehen am Gemeinwesen, die, wie schon im alten Germanien, immer mit dem Tode gebüßt wurden. Während in der älteren Zeit in der Regel der Fürst im Gauthing (vgl. 1. Bd., S. 70 f.), bei Mein-thaten gegen den Staat aber der große Volksthing die Entscheidung fand, erscheint die strafrichterliche Gewalt überhaupt im Reich der Langobarden an die königlichen Richter,*) bei todeswürdigen Verbrechen gegen das Gemeinwesen an den König selbst geknüpft. Der Langobardenkönig hatte also das Recht wegen gewisser Verbrechen am Leben zu strafen. Da er aber — in der Regel — nicht selbst das Urteil vollstrecken kann, so müssen außer ihm auch alle, denen er die Ausübung des Blutbannes aufträgt, vor der Blutrache geschützt sein. Das erste Gesetz im Edikt Rotharis verurteilt daher den zum Tode, der dem Könige nach dem Leben steht; das zweite schützt jeden, der unter Königsbann jemanden hingerichtet hat. Todeswürdige Verbrechen waren: Flucht zum Feinde, Verrat des Vaterlandes an den Feind, Schutz, der einem zum Tod Verurteilten gewährt wird, Empörung gegen den Heerführer auf einem Heerzuge, treuloses Verlassen des Kampfgefährten in der Schlacht und eigenmächtiges Verfahren mit den Waffen innerhalb der Königsburg in des Königs Gegenwart.**) Für Vergehen gegen die staatliche Ordnung, die zu gering waren, um mit dem Tode bestraft zu werden, traten wieder Bußen ein: wenn ein Heer-
*) Selbstverständlich konnten auch in einem Gericht, vor welchem Langobarden zu erscheinen hatten, keine andere Richter oder Urteilsfinder sitzen als solche von vollkommen freier, langobardischer Herkunft; nach altgermanischem Grundsatz kann niemand von einem Niedrigergeborenen gerichtet werden.
**) Doch konnte in diesem Fall die Todesstrafe abgekauft werden, wenn der König mit Geldbuße zufrieden sein wollte.
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108
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
zu Hilfe kam, zog ihm entgegen und wurde in offener Feldschlacht bei Novara besiegt. Darauf riß Raginpert die Herrschaft an sich. Aber noch in demselben Jahre starb er.
Für den jungen Liutpert sollte indes der Tod Raginperts keine Früchte tragen. Denn des Anmaßers Sohn Aripert nahm (701) den Kampf um die Krone sofort auf, und als es abermals zu einer großen Schlacht — diesmal bei Pavia, der Königsstadt selbst — kam, wurden Liutperts Anhänger geschlagen und der junge König gefährlich verwundet und gefangen genommen. Ansprand entkam auf die Insel im Comersee und setzte sick dort zu Wehr. Den Herzog Rothari von Bergamo, der sich jetzt selber zum König auswarf, überzog Aripert mit Krieg, belagerte seine Hauptstadt und eroberte sie mit Hilfe seiner Sturmböcke. Den Herzog nahm er gefangen, ließ ihm Haupthaar und Bart scheren und verbannte ihn nach Turin, wo er nach einiger Zeit auf Ariperts Befehl umgebracht ward. Ebenso ließ der grausame König den beklagenswerten jungen Liutpert im Bade das Leben nehmen. Als er ein Heer gegen Ansprand abschickte, entfloh dieser (702) zu dem bairischen Herzog Theodebert, an dessen Hose zu Salzburg er neun Jahre lebte. Die Feste auf der Insel Comacina ließ Aripert zerstören und Ansprands Familie gefangen hinwegschleppen.
Auch Ansprands Söhne, Sigiprand und Liutprand, waren dem König in die Hände gefallen. Jenem befahl er die Augen auszustechen und wütete in ähnlicher Weise gegen alle, die dem Ansprand blutsverwandt waren. Nur dem jungen Liutprand that er nichts zu Leide, weil er ihm gänzlich ungefährlich schien. Ja, er erlaubte ihm sogar, zu seinem Vater in das Baiernland zu ziehen. „Daß dies," sagt Paulus, „auf Geheiß des allmächtigen Gottes geschah, der ihn zu der Leitung des Reiches vorbereiten wollte, daran läßt sich nicht zweifeln." Liutprand also kam nach Baiern zu des Vaters unaussprechlicher Freude. Aber Ansprands Gattin Thenderada und ihrer schönen Tochter A uro na ließ der unbarmherzige Tyrann Nase und Ohren abschneiden.
Damals trug in Friaul ein streitsüchtiger und hochmütiger Mann, Namens Ferduls, den Herzogshut. Seine Ruhmsucht brachte ihm selbst und den Frianlern großen Schaden. Bloß um der Ehre des Sieges willen bestach er nämlich etliche Slaven in Kärnten mit vielem Gelde, daß sie in Friaul einbrachen, wodurch großes Ungemach über die Bewohner kam. Die räuberischen Horden überfielen nämlich die Schafhirten, die unweit der Grenze ihre Herden weideten, und schleppten letztere als Beute hinweg. Argait, der Schultheiß jener Gegend und ein sehr wackerer Mann, verfolgte sie zwar, konnte sie aber nicht einholen. Wie er nun zurückkehrte, begegnete ihm unterwegs der Herzog Ferduls mit einer Schar Gewappneter. Ihn verdroß es heftig, daß er nicht selbst die Räuber erwischt hatte.
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Extrahierte Personennamen: Liutperts_Anhänger Rothari Paulus Thenderada Namens_Ferduls
276
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
ließ er sofort die gefangene Königsfamilie bei Coulmier, einem Dorfe im Gebiet von Orleans, in einen Brunnen werfen. Dann zog er gegen Burgund zu Felde und rief auch den König Theuderich von Austrasien zum Beistände herbei; und dieser versprach wirklich zu kommen; den Tod seines Schwiegervaters zu rächen fiel ihm nicht ein, Aussicht auf Beute und Landerwerb war stärker als die Pflicht der Blutrache. Bei Veseronce im Gebiete von Vienne kam es zur Schlacht. Godomar siegte, während Chlodomer selbst das Leben verlor. Die Feinde hieben ihm das Haupt ab und steckten es triumphierend auf eine Stange. So war Burgund noch einmal gerettet (524).
Da Chlodomer nur drei noch unmündige Knaben als Erben seines Reiches hinterließ, so bemächtigten sich seine Vollbrüder Chlothar und Childebert des Erbes und teilten Chlodomers Reich unter sich, so daß es seitdem nur noch drei fränkische Königreiche gab. Um aber des Raubes sicherer zu sein, beschlossen die Unmenschen auch ihres Bruders Söhne zu ermorden. Gregor berichtet hierüber folgende herzzerreißende Geschichte, die einen Blick in die schauerliche Roheit und Herzenshärte dieser Merowinge thun läßt. Die alte Königin Chlothilde, die sich damals in Paris aufhielt, hatte die armen Waisen, ihre Enkel, zu sich genommen, um sie zu pflegen und zu erziehen. Da bemerkte Childebert, daß seine Mutter mit besonderer Zärtlichkeit an den Söhnen Chlodomers hing, und er ward neidisch und fürchtete, sie möchten durch die Gunst der Großmutter zum Throne gelangen. Deshalb schickte er heimlich Boten an seinen Bruder Chlothar und ließ ihm
sagen: „Unsere Mutter läßt die Söhne unseres Bruders nicht von sich
und will ihnen die Herrschaft wieder verschaffen. Komm also schnell nach
Paris; denn wir müssen Rat pflegen und bedenken, was mit ihnen geschehen soll, ob wir ihnen die Locken abschneiden und sie so dem andern Volke gleich machen, oder ob wir sie lieber töten und das Reich unsers Bruders behalten." Über solche Botschaft hocherfreut kam Chlothar nach Paris. Darauf breiteten die beiden Bosewichter unter der Menge das Gerücht aus, sie seien zusammengekommen, um jenen Kindern ihr elterliches Erbe wiederzugeben und sie zu Königen einzusetzen. Dann schickten sie gemeinsam Boten zu ihrer Mutter mit der Bitte: „Schicke uns die Kinder, daß wir sie auf den Thron erheben." Die Großmutter war voll Freude über diese Botschaft, denn sie ahnte nicht die Hinterlist. Sie gab den Boten Speise und Trank und entsandte zwei der Kinder, die gerade bei ihr weilten, indem sie zu ihnen sprach: „Nun wird mir sein, als ob ich meinen Sohn nicht verloren hätte, wenn ich euch an seiner Statt zu Königen erhoben sehe." Sobald aber die Knaben bei Childebert und Chlothar an-
kamen, wurden sie sofort festgenommen und von ihren Begleitern getrennt. Dann sandten Childebert und Chlothar einen Vertrauten an Chlothilde
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Extrahierte Personennamen: Godomar Chlothar Gregor Gregor Childebert
280
Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
das nicht aufrichtig, sondern trachtete danach, ihm das Leben zu nehmen, wie er immer könne. Munderich nun wollte nicht kommen. „Gehet," sprach er zu Theuderichs Boten, „und saget eurem Könige, ich sei ein Fürst so gut wie er." Da ließ der König sein Heer ausrücken, um den Empörer zu überwältigen und zu strafen. Als jener dies erfuhr und sah, daß er nicht stark genug war, sich im offnen Felde zu behaupten, zog er sich mito aller seiner Habe in die Mauern der Burg Vitry (in der Champagne?)
zurück und wollte sich hier verteidigen mit allen denen, die sich um ihn
geschart hatten. Das Heer des Königs zog heran, umschloß die Burg und belagerte sie sieben Tage lang. „Laßt uns," sprach Munderich zu den Seinen, „tapfer aushalten bis in den Tod und unsern Nacken nicht den Feinden
beugen." Da das Heer nun ringsum die Burg mit Geschossen bewarf
und doch nichts ausrichten konnte, meldete man es dem Könige, und dieser entsandte einen von seinen Leuten mit Namen Aregisel und trug ihm folgendes auf. „Du siehst," sprach er, „wie dieser Abtrünnige in seinem Trotze beharrt; geh also hin und versprich ihm mit einem Eide, daß er freien Abzug erhalten solle. Wenn er dann aber abzieht, so bringe ihn um und vertilge seinen Namen aus unserm Reiche!" Da ging Aregisel und that nach dem, was ihm befohlen war. Er verabredete mit seinen Leuten ein Zeichen und sprach: „Wenn ich dies sage, so stürzet aus ihn los und tötet ihn." Dann ging er in die Stadt zu Munderich und sprach zu ihm: „Wie lange willst du hier sitzen wie einer, der nicht bei Sinnen ist? Oder kannst du etwa dem Könige noch lange Widerstand leisten? Siehe, wenn er dir die Zufuhr abschneidet oder der Hunger dich überfällt, so wirst du doch notgedrungen abziehen müssen und in die Hand deiner Feinde fallen, und sie werden dich totschlagen wie einen Hund. Höre doch lieber aus meinen Rat und ergieb dich dem Könige freiwillig, auf daß du dir und den Deinen das Leben erhältst." Solche Reden machten den Munderich mürbe, und er sagte: „Ziehe ich ab, so falle ich in die Hände
des Königs, und er läßt mich töten und dazu meine Kinder und alle
Freunde, die sich um mich geschart haben." Aber Aregisel versetzte: „Sei nur unbesorgt; denn wenn du abziehen willst, gelobe ich dir mit einem Eide, daß deiner Schuld nicht gedacht werden soll, und du kannst unbesorgt sein wegen des Königs. Ja, du sollst ihm fortan ebenso wert sein wie
früher." „Wenn ich nur sicher märe," seufzte Munderich, „daß er mich
nicht umbringen ließe." Und sofort legte Aregisil feine Hände auf einen Altar und schwur, daß er sicher abziehen könne. Im Vertrauen auf diesen Schwur trat Munderich, dem die Seinen folgten, aus dem Burgthor heraus, an Aregisels Hand. Dessen Leute aber standen von fern und hatten alle ihre Augen auf jenen gerichtet. Da sagte Aregisel — und das war das verabredete Zeichen: „Was seht ihr denn so starr hieher, ihr Leute?
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282 Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
wingern fast unerhörten Tugend — treten bei ihm nicht selten hervor?) Theuderich hatte einen Verwandten, den oben erwähnten Sigiwald, ermordet und sandte seinem Sohn Theudebert, der damals gegen die Westgoten zu Felde lag, den Befehl, dem Giwald, einem Sohn des Getöteten, der bei ihm war, ebenso zu thun. Theudebert aber zeigte diesem den Brief des Vaters. „Flieh," sprach er, „und wenn du hörst, daß mein Vater gestorben ist und ich statt seiner herrsche, so kehre ruhig zurück." Giwald banste seinem Retter und ging erst nach Arles, dann, als er sich dort nicht sicher glaubte, weiter nach Italien. Bei der Nachricht vom Tode seines Verfolgers verließ er der erhaltenen Weisung zufolge feinen Verbannungsort und erschien vor Theudebert. Dieser empfing ihn mit großer Freude und gab ihm nicht nur alle Güter Sigiwalds, die sein Vater eingezogen hatte, zurück, sondern fügte großmütig auch noch den Dritten Teil reichlicher und glänzender Geschenke hinzu, die er eben von seinem Oheim Childebert erhalten hatte. Er war der Pate Giwalds, aber einen andern Merowinger würde dies schwerlich zur Schonung vermocht haben. Da Beweise so hochherziger Gesinnung ganz selten sind in dieser wilden Zeit und unter diesem gewaltsamen Geschlecht, und es wohlthut, einige Lichtblicke in das finstere Gemälde hereinfallen zu sehen, so teilen wir noch einen andern Zug des Wohlwollens mit, den Gregor**) von Theudebert berichtet. „Der Bischof Desiderius von Verdun, dem einst König Theuderich großes Unrecht angethan, und der nach vielen Leiden und Trübsalen nach Gottes Willen endlich seine Freiheit wiedergewonnen hatte und — wie wir eben jagten — Bischof von Verdun geworden war, sah, wie die Bewohner von Verdun sehr arm und hilflos waren, und fühlte inniges Mitleid mit ihnen. Da er jedoch durch Theuderich feines Eigentums beraubt worden war und selbst nichts besaß, um sie zu unterstützen, zugleich aber König Theudeberts Gnade und Güte gegen jedermann kannte, schickte er Gesandte an ihn, die also sprachen: „Der Ruf von deiner Güte ist über das ganze Land verbreitet, da deine Freigebigkeit so groß ist, daß du selbst denen spendest, die nichts von dir verlangen. Ich bitte dich daher, daß deine Liebe uns einiges Geld leihe, aus daß wir damit unsere Mitbürger unterstützen können. Und wenn sie ihren Geschäften damit aufgeholfen und es genutzt haben werden, wie es in andern Städten geschieht, so werden wir dir dein Geld mit den gesetzlichen Zinsen zurückerstatten." Da wurde der König gerührt und schickte ihnen 7000 Goldschillinge.***) Der Bischof aber nahm sie und ver-
*) Löbell, Gregor von Tours und seine Zeit, S. 28.
**) Buch 3, Kap. 34. Gief ebrecht 1, S. 145 f.
***) Man vergesse nicht, daß das Geld damals etwa den zehnfachen Wert wie heutzutage besaß. Das vom Könige geliehene Geld würde nach heutigen Verhältnissen einer Summe von 7 — 800 000 Mark gleichkommen.
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Extrahierte Personennamen: Theuderich Giwald Childebert Bischof_Desiderius_von_Verdun Gregor_von_Tours Gregor
Chlodowechs Söhne und Enkel bis zum Tode Chlothars.
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teilte sie unter die Bürger. Und diese trieben ihre Geschäfte und wurden wohlhabend, so daß sie angesehene Leute wurden. Als aber Desiderius nun dem Könige die Schuld bezahlen wollte, da antwortete dieser: „Ich bedarf des Geldes nicht; ich bin zufrieden, wenn den Armen, die von Not bedrängt waren, durch die Verteilung des Geldes geholfen ist und sie durch deine Fürbitte und meine Gabe zu Wohlstand gelangt sind." So verweigerte er die Annahme des Geldes und bereicherte die Bürger dieser Stadt." --„Er zeigte sich," sagt Gregor an einer andern Stelle über Theudebert, „als einen großen und durch alle Tugenden ausgezeichneten Fürsten. Denn er regierte sein Reich mit Gerechtigkeit, ehrte die Bischöfe, beschenkte die Kirchen, half den Armen und erwies vielen zahlreiche Wohlthaten aus einem frommen nni) liebevollen Herzen." Freilich fehlen auch in der Geschichte Theudeberts nicht Frevelthaten einer heißen Sinnenlust, einer rücksichtslosen Machtbegierde und einer treulosen Staatskunst; aber die guten und glänzenden Seiten überwiegen bei ihnen die schlimmen. Wie ihm Freigebigkeit und Großmut nicht abzustreiten sind, so besaß er auch unstreitig einen stolzen, hochsliegenden Sinn und liebte kühne Unternehmungen und weittragende Entwürfe. Für sein königliches Selbstbewußtsein spricht, daß er der erste war, der Goldmünzen mit feinem eigenen Namen (statt dem des oströmifchen Kaisers) prägen ließ, und der einzige unter allen fränkischen Königen bis auf Karl den Großen, der seinem Namen den Titel Augustus beifügte. Wohlthuend wirkt seine stolze Haltung dem Kaiser Jnstinian gegenüber, namentlich wenn man damit die beschränkte Ehrfurcht andrer germanischer Fürsten vor dem byzantinischen Hose vergleicht; und bewundern müssen wir den Mann, der den kühnen Gedanken hegte, im Bunde mit Gepiden, Langobarden und andern Völkern nach Thracien vorzudringen und den Jnstinian in Byzanz anzugreifen.
Schon als Jüngling hatte Theudebert sich als einen kriegstüchtigeu Helden bewährt. Als um das Jahr 515 nordische oder dänische Seeräuber, die aus ihren „Drachen" die Küste entlang fuhren, in die Maas eingelaufen waren und die Gegend von Geldern verheerten, schlug Theudebert sie zu Wasser und zu Lande. Schon hatten sie ihre Schiffe mit Beute beladen und wollten heimfahren; ihr Seekönig Chochilaich aber, der im angelsächsischen Beowulfliede unter dem Namen Hygelak als ein König der schwedischen Ganten erscheint, blieb mit einem Teil seiner Mannen als Schutz am Gestade zurück, bis die Schiffe die hohe See gewonnen hätten. Da eilte Theudebert mit einem starken Heere herbei und lieferte dem Chochilaich eine siegreiche Schlacht, in der dieser selbst fiel; dann fuhr er den Schiffen nach, erreichte sie, schlug die Räuber aus offener See und jagte ihnen die erbeuteten Gefangenen und Schätze ab. Von seinem glücklichen Kriege gegen die Westgoten im südwestlichen Gallien ist oben die
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Extrahierte Personennamen: Chlodowechs Gregor Gregor Karl Karl Augustus Jnstinian
286 Die Franken bis zum Untergänge der Merowinger.
dadurch auf seine Seite zu ziehen, daß er ihnen zweitausend Pfund Gold und die Abtretung der Provence anbot. Die Merowinge hätten das gotische Geld ebenso wie das kaiserliche genommen und dann noch obenein so viel Gebiet, als sie mit den Waffen gewinnen mochten; aber Theodahad wurde vor dem Abschluß des Vertrags geächtet und getötet (536).
Um diese Zeit begannen burgundische und alamannische Scharen in Oberitalien plündernd einzufallen, sicherlich nicht, ohne dazu von den Frankenkönigen aufgemuntert zu sein. Vielleicht stehen diese Bewegungen in Zusammenhang mit den Verhandlungen, die nach Theodahads Untergang zwischen Witichis und den Merowingen angeknüpft wurden. Der Gotenkönig erhielt auch wirklich die Zusage fränkischer Hilfe; wie hätte sich Chlodowechs Geschlecht die Befriedigung entgehen lassen können, von beiden Parteien Geld zu nehmen und dafür gar nichts zu leisten, vielmehr zum eigenen Vorteil zu erobern, was zu haben war! Da sie aber soeben erst ihre Waffenhilse an Justinian für schweres Gold verkauft hatten, bedangen sie sich in einem geheimen Vertrag von Witichis aus, daß sie ihm nicht Franken, sondern fränkische Reichsangehörige andern Stammes als Hilfsvölker schickten, um so dem Kaiser gegenüber die freilich sehr fadenscheinige Ausflucht zu behalten, jene Scharen handelten ohne oder gegen ihren Willen. Als Gegenleistung trat Witichis die ostgotischen Besitzungen in Gallien, die Provence, an die Merowinge ab (536). Sofort wurden die hier stehenden gotischen Tausendschasteu unter Markjas über die Alpen gezogen und Belisar entgegen geworfen; in die Provence teilten sich Childebert und Chlothar. Justinian bestätigte diese Erwerbung der Provence, indem er glaubte oder sich doch die Miene gab zu glauben, die Merowinge seien wirklich in seinem Interesse in Italien einzudringen bereit. Im Jahr
538 aber, dem dritten des gotisch-byzantinischen Krieges, erschienen burgundische Scharen aus dem Frankenreich in Italien und halfen den
Goten Mailand erobern.
Während dieses Krieges, und zwar vielleicht schon im Jahre 536, geschah es nun auch, daß die Ostgoten die einst von Theoderich in Schutz genommenen Alamannen zwischen Oberrhein und Lech und in Kur-Rätien an Theudebert von Austrasien preisgaben, so daß von da an das gesamte Alamannenvolk dem Frankenreiche angehörte und dieses seine Grenzen wie im Süden an der Rhone so auch im Südosten über das heutige
Schwaben und den größten Teil der Schweiz vorschob.
Schon im folgenden Jahre litt es den kriegs- und eroberungsfreudigen Theudebert nicht mehr zuhause. Er konnte der Gier nicht widerstehen,
selbst in Italien zu erscheinen und persönlich alle Vorteile einzuheimsen, welche der lange wogende Kampf und die Erschöpfung beider Parteien als mühelose und sichere Beute in Aussicht stellte. Dabei beschloß er, die
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Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
Wohl mag eine fränkische oder langobardische Stadt damals einen fremdartigen Anblick gewährt haben. Zwischen griechischen Tempelsäulen, deren Marmorstücke aus den Fugen gingen, und zwischen den mächtigen Quadern römischer Bogen, der unverwüstlichen Arbeit alter Zeit, sah man den Notbau der letzten Römerjahre, unordentliches Ziegelwerk mit eingemauerten Werkstücken älterer Gebäude, und daran geklebt wie Schwalbennester die Wohnungen armer Leute. Neben den Steinhäusern der Provinzialen mit Atrium und Porticus, mit einem Oberstock und Altan stand der hölzerne Saalbau eines germanischen Ackerwirts mit einem Laubengang auf der Sonnenseite und einer Galerie darüber. Dahinter zerstörte Wasserleitungen, ein Amphitheater, welches bereits als Steinbruch benutzt wurde, Brandstätten und wüste Plätze, an den Straßenecken kleine Holzkapellen mit einem Heiligtum. Und uuter Ruinen und Notbauten wieder das Gerüst einer großen steinernen Kirche, die dem Stadtheiligen gebaut wurde, auf hoher Stelle ein Palast, den sich der germanische König errichten ließ, nach heimischer Sitte mit vielen Nebengebäuden für Gefolge, Dienerschaft, Reisige und Rosse, oder ein burgähnliches Turmhaus des Grafen mit Hofraum und weiter Halle.
In den engen Straßen der Frankenstadt handelte neue und alte Welt in buntem Gemisch durcheinander. Eine reisige Schar mit Helm und Panzer zog daher auf starken Kriegsrossen, oder der Jagdzug eines Königssohns, die Knaben den Köcher auf der Schulter, den Speer in der Hand, die Hunde am Leitfeil, die Falken über dem Fausthandschuh. Vornehme Frankenfrauen, in der Sänfte getragen oder zu Rosse sitzend, teilten das Gewühl, und wieder ein stattlicher Geistlicher, in weißer Dalmatica mit Purpurstreif, nach römischem Brauch mit einem Gefolge von Diakonen, Sängern und Thürhütern, handfesten Männern, die nicht nur das Gotteshaus, sondern auch ihren geistlichen Hirten zu schützen halten. Daneben Marktleute vom Lande. Hier die hohe Gestalt des helläugigen Germanen mit blondem Haar, im braunen Lodenwamms, das kurze Schwert an der Seite, die Axt in der Hand; neben ihm sein Weib im weißen Linnen-hemd, über das die Armilausa geschlagen war, ein ärmelloser Überwurf, an den Seiten offen, nur über der Brust geschlossen, auch die Frauen mächtig an Gliedern und mit einer Hand, die im Streite geballt sicher Beulen schlug. Vor ihnen gestikulierte der braune Einwohner von Aremorika, kenntlich an der Stirnbinde, die er trug wie das Stadtvolk in Rom, um sich als geborner Römer zu zeigen, der Handwerker mit seinem Schurzfell, Sklaven von jeder Hautfarbe. Mißtrauisch spähte in das Gedränge der christliche Syrer, der damals in den Handelsstädten des Abendlandes der begünstigte Nebenbuhler des Juden war, und der reiche Jude, Geldmann der Stadt und Vertrauter des Königs, der auf seinem Klepper, begleitet
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