694 Unsre Zeit.
li ga, welche die Rechte des irischen Volkes zu vertreten sich zur Aufgabe setzte. Die Regierung brachte zwei Bills ein, die irische Landbill, welche den Pächtern eine billige und feste Rente sichern, durch Vorschüsse die Erwerbung von Grundeigentum erleichtern und die Auswanderung in englische Kolonien erleichtern sollte, und eine Zwangsbill, welche der Regierung gestattet, einzelnen Personen gegenüber, welche sich Ungesetzlichkeiten zu schulden kommen lassen, die Habeaskorpusakte zu suspendieren. Die erstere Bill befriedigt auch die Gemäßigten nicht und die letztere steigerte die Unzufriedenheit. Obwohl die katholischen Bischöfe fortwährend mahnen, die Bahn der Gesetzlichkeit nicht zu verlassen, und der Papst selbst in einem Schreiben seine 3. Ja-Stimme erhob, so ist doch zu befürchten, daß die gottlose Toll-188°/. kühnheit der amerikanischen Fenier die irische Frage „mit Dynamit" zu lösen versucht.
Anmerkungen.
1. Der Krieg gegen die Aschantis wurde durch Eroberung der Hauptstadt Kumaschi (in Nord-Guinea) beendigt (4. Februar 1874). Den Krieg mit den Zulukafferu beendigte die Gefangeunehmung des Häuptlings Eettewayo (Ketschwajo), der noch gefangen ist (1881).
2. Der Herrscher von Afghanistan, Dost-Mohammed, hinterließ 16 Söhne, von denen Schir-Ali der Nachfolger rvurde. Nach dem Tode des Dost-Mohammed wollte Schir-Ali keine englische Gesandtschaft bei sich aufnehmen, was das Einrücken englischer Truppen und die Eroberung von Kabul und Kandahar zur Folge hatte. Schir-Ali schloß mit England einen Frenndschaftsvertrag, um gegen seine Verwandten , die ihm den Thron streitig machten, desto kräftiger auftreten zu können, und auch der gegenwärtige, von England anerkannte I akub-Eh au ist im Kriege gegen den Kronprätendenten Abdnrrhaman-Ehan begriffen, der von Rußland begünstigt wird. Unterdessen gingen Kabul und Kandahar wieder verloren (1879) und wurden wieder erobert, und führt der englische General Roberts von dem befestigten Lager Snthergardan ans den Krieg mit den Aufständischen mit abwechselndem Erfolge (1880).
3. Im Kapland, von dem die Engländer (1806) wieder Besitz genommen hatten, bestand ein großer Teil der Einwohner ans eingewanderten Niederländern, von denen aber viele, unzufrieden mit der englischen Wirtschaft, auswanderten (1835) und zwischen den Flüssen Vaal und Limpopo die Transvaalsche Republik gründeten. Andere gründeten einen Freistaat am Oranjefluß, und so bestanden zwei voneinander unabhängige Republiken. Die Niederländer nannten sich 2)oers (Buhreu — Bauern, woher der Name Bauerurepubliken). Mißhelligkeiten, welche unter ihnen entstanden, und Kriege mit den Eingebornen gaben den Engländern Veranlassung, sich einzumischen und die Trausvaalsche^ Republik sich einzuverleiben (1877). Die Boers waren aber dazu fernes-wegs geneigt, sondern nahmen de» Kampf auf und brachten den Engländern hintereinander drei empfindliche Niederlagen bei. Die englische Regierung unterhandelte; während der Unterhandlungen aber griff Ge-
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Extrahierte Personennamen: General_Roberts
Extrahierte Ortsnamen: Nord-Guinea Afghanistan Dost-Mohammed Kabul Kandahar Schir-Ali England England Kandahar Kapland Oranjefluß
^ Das Altertum.
mif Tr' rrie ägyptischen Ärzte, die ihn nicht heilen konnten,
auf Pfahle spießen lassen wollte. Nur die Fürbitte des griechischen Arrtes der thn geheilt hatte, hielt ihn davon ab. 5 '
8 30.
Griechenland.
76) Während die riesigen Staaten Asiens in Trümmer zer-stueit, halten sich Bildung und Gesittung nach Europa verpflanzt. Die ersten Träger waren die Bewohner des jetzigen Griechenlands. Ms das südöstlichste Land Europas und in der Mitte dreier Weltteile gelegen, war es vorzüglich geeignet, die Kultur der Alten Welt in sich aufzunehmen und veredelt den europäischen Völkern zu übermachen. Die Griechen waren es vorzüglich, die das Schöue m Kunst und Wissenschaft pflegten und es in einer solch vollendeten Form darzustellen wußten, daß ihre Kunstwerke noch heute für uns klassische, d. H. mustergültige sind. Sie nehmen unter den Völkern des Altertums die erste Stelle ein. Ihre ^schichte nimmt deshalb unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch.
77) Im allgemeinen bestand Griechenland ans drei großen Landschaften. Im Norden lagen Thessalien und Epirus. An dieses grenzte Mittelgriechenland oder Hellas an, welches durch die Landenge (Isthmus) von Korinth mit dem südlichen '^eile, dem Peloponnes, zusammenhing. Bewohnt wurde es von einer Menge kleinerer Völkerstämme. Die ersten Einwohner kamen vom Kaukasus her. Es waren die Pelasger, welche in Thessalien und Epirus einwanderten. Nach ihnen kamen aber bald die Hellenen, welche die Oberhand gewannen, während von den Pelasgern viele nach Italien und den Inseln auswanderten.^ Bald nannte man.alle die vielen Völkerstämme mit dem gemeinschaftlichen Namen die Hellenen. Unter den Hellenen traten bald die Dorier in Thessalien und die Ionier in Attika hervor.
Anmerkungen.
1. Griechenland ist auf drei Seiten vom Meere umgeben, im Süden vom Mittelländischen, im Osten vom Ägäischen und int Westen vom Jonischen Meere. Im Norden ist Griechenland durch hohe Gebirgsketten gedeckt. Im Osten ist es beiläufig ebenso weit von Kleinasien entfernt, als im Westen von Italien. Den Namen Griechenland erhielt Hellas von den Römern, und zwar sollen sie das Land nach dem kleinen thessalischen Volksstamme der Grajen so genannt haben.
Thessalien wird von dem größten Flusse Griechenlands, dem Penens, durchströmt. Die vorzüglichsten Gebirge sind: der Olymp, wohin die Phantasie den Wohnsitz der Götter verlegte; der Ossa, von
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16 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
gleiche Recht einräumen; auch die Gräuel der indischen Götterfeste,
Selbstmorde und Unzucht werden nicht gehindert, und nur gegen den
Gebrauch, daß indische Weiber sich über dem Grabe ihres Mannes selbst
verbrennen, ist die britische Negierung eingeschritten. Sie unterstützt die
Missionen, welche von den vielnamigen protestantischen Parteien mit einem
erstaunlichen Auswande von Geldmitteln betrieben werden, aber einen
sehr geringen Erfolg haben, mehr indem sie dieselben gewähren läßt, als
durch Geldopfer und keineswegs durch Beschränkung der Thätigkeit der Bra-
minen, Fakire und der mohammedanischen Eiferer. Daneben verarmt das
an edlen Metallen und Naturerzeugnissen so reiche Indien mit jedem
Jahre zusehends, weil die wohlfeilen Arbeiten der englischen Fabriken das
Gewerbe des Hindu, welches er ohne Hilfe von Maschinen, allein oder nur
mit seiner Familie betreibt, zu Grunde richten, so daß die edlen Metalle
für englische Fabrikate massenhaft an die Themse wandern, ohne daß durch
den Verkauf der Naturerzeugnisse Indiens das Gleichgewicht hergestellt
würde. Das braminische Volk ist keine Nation mehr, es besteht nock-
unter den Nationen unserer Tage wie unter den Bauwerken eine Ruine,
aus welcher die Wissenschaft eine Kunde über alte Zeiten zu gewinnen
bemüht ist. Die im Volksmunde erloschene Sprache, in welcher die
heiligen Bücher der Braminen geschrieben sind, das Sanskrit, beschäftigt
vorzugsweise die Sprachforschung, und der Fleiß und Scharfsinn deutscher
Gelehrten hat hierin das Ausgezeichnetste geleistet. Das Sanskrit über-
trifft an Wohlklang und innerer Entwicklung alle anderen Sprachen,
und ist also für sich allein schon ein vollgiltiger Beweis, auf welch' hoher
Stufe geistiger Ausbildung das Volk der Hindu vor seiner geschichtlichen
Zeit stand. Das Sanskrit zeigt sich mit den edelsten Sprachen in-
nig verwandt, z B. mit der altpersischen, griechischen, lateinischen und
unserer deutschen. Als Töchter einer gemeinschaftlichen Mutter bilden
sie den sogenannten indogermanischen Sprachstamm, und beweisen uns,
daß auch diese Völkersamilien einem und demselben Urstamme entsprossen
sind. Alle diese Sprachen benennen nicht bloß Theile des Körpers, son-
dern auch den Acker, gezähmte Thiere, die Geschäfte des Ackerbaues
und der Viehzucht ganz ähnlich, oder die Benennungen sind, wenn auch
verschieden, doch aus einer gemeinschaftlichen Wurzel genommen; außer
den Zahlen sind auch eine Menge Abstrakten gemeinschaftlich in der Form
von Verben, Substantiven und Adjektiven. Daher dürfen wir mit der
größten Sicherheit schließen, daß der Stamm, von welchem diese ver-
schiedenen Völkerzweige ausgingen und die gemeinschaftliche Ursprache
in verschiedener Weise ausbildeten, schon eine hohe Stufe der Kultur
erstiegen hatte, denn bei wilden Volksstämmen finden wir nimmermehr
eine solche Sprache. Für diese uralte Bildung spricht auch der Ackerbau
der Hindu, ihre Gartenkunst, und besonders die Geschicklichkeit, mit welcher
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Der Welthandel und die Kolonkeen.
327
nische Piaster lieferte, was eine Silberkugel von 83,7 Fuß Durchmesser
gäbe. Nehmen wir an, daß aus dem andern Amerika, Asten und Afrika
nur das Doppelte an edlem Metalle nach Europa gekommen ist, so dür-
fen wir die ungeheure Summe von 30 Milliarden rechnen, und haben
jedenfalls noch zu nieder angeschlagen. Viel Geld erzeugt aber auch
viele Bedürfnisse, die sonst unbekannt bleiben, es setzt darum die man-
nigfaltigste Gewerbsthätigkeit in Schwung, der Luxus macht stch mit
neuen Bedürfnissen sichtbar und ruft dadurch neue Thätigkeit in's Leben.
Aus den fremden Erdtheilen kamen die verschiedenen Gewürze massen-
chaft nach Europa und fanden Eingang in die Küche des Bürgers und
Bauers; neue Farbestoffe, Holzarten, Arzneien, Blumen und Krauter
gesellten stch zu den europäischen, und endlich kamen auch Zucker, Kaffe
und Tabak, welche in Verbindung mit den Gewürzen das physische Leben
des Europäers wesentlich veränderten; die Küche Karls des Großen
war einfacher bestellt als jetzt die eines mittelmäßigen Bürgers oder
Bauers. Diese Veränderung trat allmälig, aber merkbar genug ein;
Zucker, Kaffe und Tabak bewirkten schon Unglaubliches, eine vollständige
Umwälzung brachte aber in späterer Zeit die Einführung der Kartoffeln
und der Baumwolle zu Stande.
Am wenigsten zu vergessen ist, daß durch die Ausbreitung der Eu-
ropäer über die neue Welt das Christenthum ein unermeßliches Ge-
biet gewann; während es früher mit den Europäern kaum den Saum
des nördlichen Afrikas und westlichen Asiens berührte, siedelt es sich jetzt
an unendlich vielen Küstenpunkten an und behauptet sich durch die Ueber-
legenheit der Europäer gegen gewaltsame Angriffe, in Amerika aber ge-
winnt es einen ganzen Erdtheil, weil er von Europa aus die Haupt-
masse seiner Bevölkerung erhalten hat und erhält. Wäre nur überall
dem armseligen Heidenthume christlicher Bekehrungseifer begegnet! Spa-
nische Mönche haben allerdings viel gethan, aber rauhe Eroberer und
wilde Goldjäger haben wieder viel verdorben; die wunderbare Schöpfung
der Jesuiten, den indianisch-christlichen Staat in Paraguay, zerstörte der
fanatische Jesuitenhaß, und die Presidios in Mexiko, die christlichen Vor-
posten am Rande heidnischer Wüste, wurden von den Revolutionen des
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TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Extrahierte Personennamen: Karls
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Afrika Europa Europa Afrikas Asiens Amerika Europa Paraguay Mexiko
England. Verfaffungsreformen.
509
so verfuhr sie nun auch gegen O'connells Monstremeetings, seine Re-
pealversammlungen, an denen die Iren sich zu Hnnderttansenden be-
theiligten. O'connell selbst wurde prozessiert, und obwohl ihn ein Be-
schluß des Oberhauses aus der Haft befreite, so hatte doch auch die
Nepealbewegung ihr Ende gefunden. (O'connell starb auf einer Reise
nach Rom zu Genua am 15. Mai 1847.) Das Jahr 1846 brachte für
Irland eine Hungersnoth und mit derselben namenloses, gräuelhaftes
Elend, Unruhen und Mordthaten, in Folge davon stärkere Besetzung
und militärische Erekutionen, zugleich aber auch einen Parlamcnts-
beschluß, der 8 Millionen Pfd. St. zur Unterstützung Irlands bewilligte.
So theuer kommt Irland die Engländer zu stehen, und doch können sie
voraussichtlich die Insel ebenso wenig befriedigen als loslassen; seit
1847 hat aber der irische Erodus begonnen, die massenhafte Auswan-
derung besonders nach Nordamerika, die bis heute bereits gegen zwei
Millionen Irländer ihrer unglücklichen Heimath entführt hat, so daß
bei deren Fortdauer das englische Element auf Irland mit der Zeit das
Uebergewicht erreichen dürste.
Die englische Verfassung erfuhr durch die sogenannte Reformbill
im Jahre 1832 eine tiefer greifende Aenderung als 1829 durch die
Emancipationsakte. Eine Parlamentsreform wurde zwar seit 1792 von
wighistischen Staatsmännern angeregt, jedoch ohne allen Erfolg, bis
durch die Emancipation die Bahn der Reform gebrochen war. Das eng-
lische Unterhaus bestand wie jetzt aus 658 Mitgliedern, die theils
von den Grafschaften, theils von Städten, theils von Korporationen und
endlich von den sogenannten Burgflecken gewählt wurden. Solcher Burg-
flecken hatte England allein 204; über 195 derselben hatten Privatmän-
ner das Patronatrecht; 75 derselben waren im Laufe der Zeit so unbe-
deutend geworden, daß kein einziger 50 Wähler aufzuweisen hatte. Be-
greiflich wählten diese Flecken (Rotten boroughs, d. h. verfaulte Flecken
zur Zeit der Reformbewegung genannt) entweder unter dem Einflüsse
ihrer Patrone, oder sie verkauften ihre Stimmen geradezu, sie befanden
sich mit einem Worte in den Händen der englischen Aristokratie, die so-
mit auch im Unterhause über ungefähr 300 Stimmen zu verfügen hatte.
Die englische Aristokratie hat demnach bis in die neueste Zeit die parla-
mentarische Regierung des Reichs geleitet, und da England während
dieser Zeit immer mächtiger, reicher und unangreifbarer wurde, so ist
damit ein tatsächliches Urtheil über diese Aristokratie gegeben, vor dem
alle demokratischen Deklamationen zerstäuben. Auch die von Lord John
Russell am 23. Febr. 1830 (also vor der Julircvolution) beantragte
Parlamentsreform war durchaus nicht nach dem Maßstabe der neueren
Demokratie zugeschnitten, indem durch dieselbe eine bestimmte Anzahl so-
genannter verfaulter Flecken ihr besonderes Repräsentationsrecht verlieren,
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Extrahierte Personennamen: John
Russell
Extrahierte Ortsnamen: England Rom Genua Irland Irlands Irland Nordamerika Irland England England
Der 22. bis 25. Februar.
611
entschlossen, ihr Vorhaben durchzuführen und wenn es alle Köpfe der
Besitzenden kosten würde. Denn nur für die sich ihrem Systeme Fügen-
den war Gnade und Aufnahme in die neue Gesellschaft versprochen,
denen, welche die Predigt des neuen Evangeliums verspotteten, wurde
offen gedroht: „Lacht nur noch die kurze Zeit, die noch euch gehört,
bald aber werden wir mit rother Dinte schreiben"; so schrieb ein deutscher
socialistischer Apostel (Püttmann) 1847, und sein Buch, das über zwanzig
Bogen stark war, wurde unseres Wissens nicht verboten, während in
Frankreich Proudhon demonstrierte, das Eigenthum sei Diebstahl. Man
lachte über derartige Lehren, deren Inbegriff zuerst Kommunismus,
später mit einem gemilderten Namen Socialismus genannt wurde;
daß sich aber die Arbeit organisieren, „eine Ausgleichung des Mißver-
hältnisses zwischen Kapital und Arbeit" Herstellen lasse, glaubten Leute
genug, namentlich Advokaten und Gelehrte, wie die Offenburger Ver-
sammlung vom 12. März 1847 beweist, wo Hecker, Struve, Kapp :c.
dies als eine Forderung der neuen Zeit erklärten. Solche Leute hetzten
die Arbeiter und zwar nicht immer in eigener Bethörung und Phanta-
sterei, sondern oft aus Neid gegen die großen Fabrikanten und Geschäfts-
leute, welche über die studierten Herren hinwegsahen. Die deutschen Ar-
beiter warteten nur auf das Gelingen der in Aussicht gestellten französi-
schen Revolution, um mit derselben Taktik wie ihre französischen Kamera-
den den Kampf zu beginnen. Diese Taktik bestand darin: man läßt die
liberale Opposition (die Bourgeoisie) in ihrer halbgesetzlichen, halbgewalt-
thätigen Weise vorangehen und unterstützt dieselbe durch den massenhaften
Nachdruck; ist dann die Gewalt der Regierung gelähmt, so wird dieselbe
durch die Organisierung von Klubs und bewaffneten Vereinen vollends
paralysiert, dem Liberalismus, der in der Siegesfreude sobald nicht zur
Besinnung kommen wird, das Ruder aus der Hand gewunden und die
wahre Demokratie eingeführt. Dieser Plan glückte zu Paris, obwohl
Louis Blank denselben in seiner (verleumderischen) Geschichte der zehn
Jahre von 1830—40 deutlich genug gezeichnet hatte.
Drr 22.-25. Februar.
Das Arrangement für das Pariser Reformbankett auf den 22.
Februar wurde von dessen Urhebern und der Polizei beobachtet, aber es
stellten sich auch viele Leute ein, die von der getroffenen Verabredung
nichts wußten und nichts wissen wollten, daher kam es zu Reibungen
mit der Polizei, die sich als Krawalle weiter verpflanzten und eine Masse
Neugieriger auf die Straße riefen, so daß den 23. ganz Paris in Be-
wegung war. Das Linienmilitär hielt sich bereit und rückte theilweise
aus, ebenso die Nationalgarde, aber ein Bataillon derselben begrüßte
den König vor den Tuilerien mit einem Lebehoch auf die Reform. Die-
39*
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Zunftwesen.
257
Stadtherr oder dessen Vogt von ihnen wie von Leibeigenen und Hörigen auf dem Lande das beste Stück des Nachlasses von Hausrat, Vieh oder Kleidung aus der Erbmasse entnehmen durfte. Doch schon im 11. Jarhnndert werden kaiserliche Städte von diesen Lasten durch kaiserliche Gu ade abriefe befreit, da sie als Verteidiger bedrängter Kaiser, wie z.b. die Worrn-f e r unter Heinrich Iv., die Erkenntlichkeit derselben gewinnen. So erhält auch Spei er von Heinrich Y. einen Gnadenbrief, der die gegenwärtigen oder zukünftigen hörigen Stadtbewohner, mögen sie kommen, woher sie wollen, von dem Rechte des Best-hanptes befreit, und einen andern, der die Stadt in Anerkennung standhafter Treu von Zöllen (z. B. Pfeffer, den die Handelsschiffe abgeben mußten), Baunpfennig (Strafgeld), Schatzpfennig (Vermögenssteuer) von Naturalverpflegnngs - und Transportpflicht frei macht und der Stadt Gerichts- und Münzrecht verbürgt. Diesem Beispiel folgten viele andere nicht bloß von Seiten der Kaiser, sondern auch von geistlichen und weltlichen Stadtherren, und wo dies nicht freiwillig geschah, wurde es von den erstarkenden Städten ertrotzt.
2. Zunftwesen der Handwerker.
An Stelle der vielen kleinen Verkaufsbuden, die feit dem 9. und 10. Jahrhundert cm die Kirchen, besonders an Wallfahrtsorten, sowie an Hofburgen sich anschlössen und der zuströmeudeu Menge nicht nur Reliquien und Heiligenbilder, sondern auch Gegenstände der Leibesnahrung und Bekleidung feil boten, traten zunächst leicht aus Holz errichtete Hallen, bald aber in reichen Städten solide, mit Geschmack aus festen Steinen erbaute, meist gewölbte Kauf- oder Gilde hallen, Legehäuser, Lauben; sie waren um so mehr Bedürfnis, weil in den älteren Städten die Zahl namentlich der geräumigen Häuser gering war. In den einzelnen Abschlägen derselben schlug der kleine Gewerbtrei-bende seine „Bänke" auf, so daß die Läden oder Bänke der gleichartigen^Waaren neben einander in einer gemeinschaftlichen Halle ihre Stelle fanden; es entstanden Brotbänke, Fleischbänke, Wein ^ und Bierbänke, Leder - und Schuhbäuke. Diese Sänke wurden bald in den Familien der Inhaber erblich, sowohl nach dem Herkommen, das zum Erbrecht führte, als auch gegen Geldzahlung der Gewerbsgenoffeu an die Obrigkeit, welche diesen das Recht durch Verbriefung sicherte; so in Köln am Ende des 12., in Breslau am Anfange des 14. Jahrhunderts. Früh-Zeitig hatten die Fleischer einen V e r e in i g nn g s p u n k t in §o ff mann, Weltgeschichte Ii. 17
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Heinrich_Y Heinrich
und der schwedisch-polnische Krieg.
737
gungen, welche den Schutz ihrer eigenen Verfassung bildeten, ergaben.
Uneinig und zerrissen, wie immer, kam der polnische Reichstag nicht zu
Maßregeln der Vertheidigung, als der dritte Feind hereinbrach. Der
schwedisch-polnische Krieg erregte, da er als die Fortsetzung der früheren
schwedischen Unternehmungen erkannt wurde und eine durchgreifende
Veränderung der Besitzverhältnisse voraussehen ließ, in ganz Europa
große Aufmerksamkeit. Der Kaiser mußte vor neuen Fortschritten
schwedischer Waffen, zumal wenn sie das zwischen ihm und den Schwe-
den gelegene polnische Reich Umstürzen sollten, Ln höchster Besorgniß
sein. Dänemark, dessen Besitz schon durch Schweden geschmälert wor-
den war, konnte nur mit Angst das weitere Wachsen des gefährlichen
Nachbars sehen. Die Niederlande hatten von der Bildung einer aus-
schließlichen schwedischen Herrschaft über das baltische Meer den Ver-
lust ihres Handels auf demselben zu befürchten. Frankreich mußte den
Gang der Ereignisse wachsam im Auge behalten, weil es nicht zu-
geben durfte, daß Schweden mächtig genug würde, dem französischen
Einfluß in Deutschland die Spitze zu bieten. In der schwierigsten
Lage befand sich aber zwischen den beiden streitenden Theilen der Kur-
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Sein Herzogthum Preußen
war ein polnisches Lehen und bildete den nächsten Gegenstand der
schwedischen Eroöerungslust. Selbst seine im Reiche gelegenen Länder
waren, da durch sie der Weg der Schweden gehen mußte, gefähr-
det, und von dem Reiche war kein Schutz zu erwarten. Es blieb
daher für ihn nichts übrig, als die Absichten der streitenden, sowie der
übrigen europäischen Mächte, zu erforschen, durch kluge Unterhandlungen
den Ausbruch des Krieges zu verzögern, und wenn er nicht mehr zu
verzögern war, eine Mittelmacht zwischen den Parteien zu bilden, daß
er sich von beiden möglichst unabhängig erhalten könnte. So durch
die Verhältnisse auf die gewundenen Wege der mit überlegenen und
zweideutigen Nachbarn handelnden Staatskunst geführt, bewährte er auf
denselben eine Meisterschaft, durch die er nicht nur unversehrt, sondern
mit erhöhter Macht aus dem Kampfe hervorging. Indem er sich nach
Umständen auf die eine und die andere Seite stellte, keinen der beiden
Gegner bis zur Vernichtung des andern unterstützte, blieb er für beide
wichtig und konnte für seine Hülfe jedesmal eine Steigerung seiner
Macht als Preis bedingen. Er mußte mit der mißtrauischsten Wach-
samkeit die Schritte der Andern beobachten und selbst immer gefaßt sein,
das Mißtrauen, das er nothwendig erregte, wieder zu entwaffnen, dabei
stets Streitkräfte zu seiner Verfügung haben, durch welche der Feind
gehindert wurde, ihn mit Gewalt aus seiner zweideutigen Stellung zu
verdrängen. Der Krieg begann im Jahre 1655 und hatte schon im
ersten Jahre den Erfolg, daß Karl Gustav Herr der Länder bis an den
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_von_Brandenburg Friedrich Wilhelm Karl_Gustav Karl Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Europa Schweden Frankreich Schweden Deutschland
und der von den Vortheilen des Handels bestimmten Staatskunst. 755
eine ungehemmte Thätigkeit der Kirche als ein Hlnderniß bei Ausbildung
einer über alle Verhältnisse sich erstreckenden Fürstengewalt ansah. In-
dem aber die Fürstengewalt in Frankreich durch die Mittel, mit denen
sie sich befestigte, und den Gebrauch, der von ihnen gemacht wurde, die
Neigung zu einer Gegenwirkung weckte, schwächte sie zugleich diejenige
Macht, welcher die Bewahrung der sittlichen Ordnungen und daher auch
der Grundlagen des staatlichen Lebens anvertraut ist. So viel Neues
die Staatsweisheit ersann, vergaß sie doch, daß die staatliche Ordnung
Europas sich auf kirchlichem Grunde aufgebaut hatte und daß nur auf
diesem Grunde ihr Bestehen gesichert war. So bereitete sich nach der
Umwälzung, welche mit der Kirchentrennung den Besitzstand der Kirche
getroffen hatte, eine Umwälzung der staatlichen Verhältnisse vor, zu
welcher das Frankreich Ludwigs Xiv. und der von ihm aus über Eu-
ropa verbreitete Geist die nähere Ursache war, während die entferntere
in jener kirchlichen Umwälzung liegt, die den Anfang dazu machte, die
Kirche in ihrem lange an den Völkern geübten Erzieheramte zu be-
schränken und dem Geiste persönlichen Beliebens und Dafürhaltens eine
früher nicht gekannte Berechtigung zu gewähren.
2. Ludwig Xiv. hatte zwar wenig Bildung genossen, besaß aber
natürliche Anlage genug, um nach Mazarins Tode die Zügel der Ne-
gierung selbst zu ergreifen. Er war eifersüchtig darauf, selbst zu regie-
ren. Daher trat nicht wieder ein Mann unter ihm so sehr an die
Spitze der Geschäfte, daß die Fäden der gesummten Staatsverwaltung
in dessen Hand zusammengelaufen wären. Nur die einzelnen Arten der
Geschäfte wurden von Ministern geleitet, während der König von Allem
Einsicht nahm. Dadurch ward das ganze Geschäft der Staatsverwaltung
zu einem regelmäßig gegliederten Fachwerke, das immer geeignet sein
mußte, von dem Könige überschaut zu werden. Daher bildeten sich für
die Behandlung aller der einzelnen Geschäfte bestimmte Regeln aus, die
jene Uebersicht erleichterten und die Wirksamkeit der Anordnungen sicher-
ten und beschleunigten. Diese Einrichtung des Staatswesens brachte es
mit sich, daß die Person des Königs mit Förmlichkeiten umgeben wurde,
welche den Abstand zwischen dem Gebieter und den höchst gestellten Die-
nern noch zu groß erscheinen ließen, als daß der Gedanke an die Möglich-
keit einer Abweichung von dem Befehle hätte anfkommen können. Hatte
man einmal auf diesem Wege dem königlichen Befehle ungesäumten
Gehorsam zu schaffen begonnen, so war der glückliche Erfolg in jedem
vorhergehenden Falle wieder ein Mittel, auch in den nachfolgenden Ge-
horsam zu erzielen. Die strenge Ahndung in einzelnen Fällen des Wi-
derstandes fügte für die Folge den Beweggründen des Gehorsams auch
die Furcht hinzu. Der Versuch, eine selbstständige Stellung zu be-
haupten, führte den Sturz dessen herbei, der ihn machte. So ward
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europas Frankreich_Ludwigs_Xiv
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als er zur Auöfütterung einer gewissen Anzahl Seidenwürmer
gebraucht. Die Würmer kriechen nicht auf den Bäume« herum;
er füttert sie in besondern Gemächern feines Hofs. Die gewonne-
nen Kokons kocht er und verkauft sie in die Städte, wo sie durch
Maschinen abgehaspelt werden. Die guten Sorten heißen Organsin
und Tram; aus dem Abfall wird Floretseide gesponnen. Die
Aecker und Wiesen sind mit Maulbeerbäumen eingefaßt. Man
benutzt sie nebst den Ulmen zu Trägern des Weinstocks, den der
Italiener gewöhnlich in graben Reihen zwischen jene Bäume pflanzt.
Die Rebe rankt an ihnen auf und wird in Guirlanden von einem
Baumgipfel zum andern gezogen; fürö Auge ein reizender Anblick.
Nur behandelt man den Wein schlecht, so daß er dem Ausländer
häufig widerlich schmeckt und sich nicht lange hält. Seide trägt
viel ein. Eben so gibt man sich wenig Mühe, die Seide, dies
reiche einheimische Produkt, selbst zu Waaren zu verarbeiten; man
verkauft sie mehrcntheils in betriebsamere Länder.
Der italische Landmann ist nicht Eigenthümer des Bodens,
den er bebaut, er ist nur Maier oder Pächter oder blos Arbeiter;
alles Land gehört reichen und vornehmen Gutsherrn. Als Pacht
muß der Bauer die Hälfte der Erndte in Natura und die Hälfte
des Wicsencrtrags in Geld zahlen. Dafür läßt ihm der Gutsherr
auch das Vieh zur Benutzung. Solche Pacht ist auf vielen Bauer-
höfen erblich. Es gibt Gutsherrn, die oft über 100 Maierhöfe
neben ihren adligen Gütern und Schlössern besitzen, und in
großen Städten oder an Fürstenhöfen den Ertrag verzehren. —
Das Volk ist nicht mehr so tüchtig wie ehmals. Seine Blütezeit
war vor drei und mehr Jahrhunderten, wo noch die Bürger-
schaften vieler Städte unabhängig sich selbst regierten und ver-
theidigten. Damals zog Gewerb und Handel Reichthümer herbei;
da blühten alle Künste. Vorzügliche Dichter und Geschichtschreiber
bildeten die italische Sprache zu großer Feinheit und Schönheit,
und ihre Maler und Bildhauer wurden zuletzt Muster fürs übrige
Europa. So ist es nicht mehr. —
Es gibt verschiedene Regierungen im Pogebiet und au der
Küste. Ein kleiner Theil des Landes am obern Tessin gehört zur
Schweiz. Im Westen regiert der König von Sardinien-Piemont
und im Osten über Lombardei und Venedig der östreichische Kaiser.
Südlich des mittlern Po liegen die Herzogthümer Parma und
Wodena, und den untern Po berührt der päpstliche Kirchenstaat.
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Extrahierte Personennamen: Maier
Extrahierte Ortsnamen: Natura Europa Schweiz Sardinien-Piemont Venedig