— 135 —
Abrathens gieng er mit kaiserlichem Geleite dorthin, weil er sich nicht scheute, dem Behemoth zwischen die Zähne zu treten. Er wäre gegangen, und wenn so viele Teufel in Worms gewesen, als Ziegel auf den Dächern. Gleich nach seiner Ankunft verlangte man von ihm den Widerruf; er aber bat sich Bedenkzeit ans und erklärte am folgenden Tage (18. April 1521) in wohlgesetzter Rede, warum ihm derselbe unmöglich sei. Da er dem Papste und den Concilien allein keinen Glauben schenke, wollte er sich nur durch Zeugnisse der heiligen Schrift widerlegen lafsen; weil dies aber nicht geschah, so blieb er seinen ausgesprochenen Grundsätzen treu und schloß seine mannhafte Rechtfertigung mit den Worten: „Gott helfe mir! Amen". Vergebens suchte man nach seinem öffentlichen Auftreten ihn durch Privatbesprechungen umzustimmen; er forderte für seine Sache mit Hinweis auf Gamaliel Zeit sich zu bewähren. Da ließ der Kaiser ihn fallen, hielt aber dem von der Kirche Gebannten dennoch sein Wort. Sein Herold geleitete ihn eine Strecke zurück; ehe indes Luther die Heimat erreichte, wurde er von befreundeter Seite auf die Wartburg in Sicherheit gebracht, da nachträglich doch des Reiches Acht Über ihn verhängt und durch ein Edikt die Verbreitung der neuen Lehre verboten worden war. In der Waldeinsamkeit jenes Schlosses Übersetzte er das Neue Testament ins Teutsche; allein nicht lange ertrug er'die unfreiwillige Muße. Ueberfiürzte Neuerungen in Wittenberg brachten ihn dahin zurück, und nachdem er durch mutiges Predigen die Ordnung wieder hergestellt hatte, fuhr er ruhig und unbelästigt fort zu reformieren. Er selbst harrte bis zum December 1524 in seinem öde gewordenen Auguftinerklofter aus; im folgenden ^ahre trat auch er, vom Vater gedrängt, in die Ehe mit Katharine von Bora, nachdem fchon viele Priester den Eölibat gebrochen. Sein häusliches Leben ist ein wahres Muster von Familienfrieden und Familiensegen. Hier entfaltete sich sein reiches deutsches Gemüt, während im Kampfe nach außen fein Geist oft versengende Blitze sprühte. Die vielen Arbeiten, z. B. die fortgesetzte Bibelübersetzung, bei welcher seine Freunde Melanchthon, Bugenhagen, Jonav und Amsdorf ihn treulich unterstützten, versüßte, und die mancherlei
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^ Das Altertum.
mif Tr' rrie ägyptischen Ärzte, die ihn nicht heilen konnten,
auf Pfahle spießen lassen wollte. Nur die Fürbitte des griechischen Arrtes der thn geheilt hatte, hielt ihn davon ab. 5 '
8 30.
Griechenland.
76) Während die riesigen Staaten Asiens in Trümmer zer-stueit, halten sich Bildung und Gesittung nach Europa verpflanzt. Die ersten Träger waren die Bewohner des jetzigen Griechenlands. Ms das südöstlichste Land Europas und in der Mitte dreier Weltteile gelegen, war es vorzüglich geeignet, die Kultur der Alten Welt in sich aufzunehmen und veredelt den europäischen Völkern zu übermachen. Die Griechen waren es vorzüglich, die das Schöue m Kunst und Wissenschaft pflegten und es in einer solch vollendeten Form darzustellen wußten, daß ihre Kunstwerke noch heute für uns klassische, d. H. mustergültige sind. Sie nehmen unter den Völkern des Altertums die erste Stelle ein. Ihre ^schichte nimmt deshalb unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch.
77) Im allgemeinen bestand Griechenland ans drei großen Landschaften. Im Norden lagen Thessalien und Epirus. An dieses grenzte Mittelgriechenland oder Hellas an, welches durch die Landenge (Isthmus) von Korinth mit dem südlichen '^eile, dem Peloponnes, zusammenhing. Bewohnt wurde es von einer Menge kleinerer Völkerstämme. Die ersten Einwohner kamen vom Kaukasus her. Es waren die Pelasger, welche in Thessalien und Epirus einwanderten. Nach ihnen kamen aber bald die Hellenen, welche die Oberhand gewannen, während von den Pelasgern viele nach Italien und den Inseln auswanderten.^ Bald nannte man.alle die vielen Völkerstämme mit dem gemeinschaftlichen Namen die Hellenen. Unter den Hellenen traten bald die Dorier in Thessalien und die Ionier in Attika hervor.
Anmerkungen.
1. Griechenland ist auf drei Seiten vom Meere umgeben, im Süden vom Mittelländischen, im Osten vom Ägäischen und int Westen vom Jonischen Meere. Im Norden ist Griechenland durch hohe Gebirgsketten gedeckt. Im Osten ist es beiläufig ebenso weit von Kleinasien entfernt, als im Westen von Italien. Den Namen Griechenland erhielt Hellas von den Römern, und zwar sollen sie das Land nach dem kleinen thessalischen Volksstamme der Grajen so genannt haben.
Thessalien wird von dem größten Flusse Griechenlands, dem Penens, durchströmt. Die vorzüglichsten Gebirge sind: der Olymp, wohin die Phantasie den Wohnsitz der Götter verlegte; der Ossa, von
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16 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
gleiche Recht einräumen; auch die Gräuel der indischen Götterfeste,
Selbstmorde und Unzucht werden nicht gehindert, und nur gegen den
Gebrauch, daß indische Weiber sich über dem Grabe ihres Mannes selbst
verbrennen, ist die britische Negierung eingeschritten. Sie unterstützt die
Missionen, welche von den vielnamigen protestantischen Parteien mit einem
erstaunlichen Auswande von Geldmitteln betrieben werden, aber einen
sehr geringen Erfolg haben, mehr indem sie dieselben gewähren läßt, als
durch Geldopfer und keineswegs durch Beschränkung der Thätigkeit der Bra-
minen, Fakire und der mohammedanischen Eiferer. Daneben verarmt das
an edlen Metallen und Naturerzeugnissen so reiche Indien mit jedem
Jahre zusehends, weil die wohlfeilen Arbeiten der englischen Fabriken das
Gewerbe des Hindu, welches er ohne Hilfe von Maschinen, allein oder nur
mit seiner Familie betreibt, zu Grunde richten, so daß die edlen Metalle
für englische Fabrikate massenhaft an die Themse wandern, ohne daß durch
den Verkauf der Naturerzeugnisse Indiens das Gleichgewicht hergestellt
würde. Das braminische Volk ist keine Nation mehr, es besteht nock-
unter den Nationen unserer Tage wie unter den Bauwerken eine Ruine,
aus welcher die Wissenschaft eine Kunde über alte Zeiten zu gewinnen
bemüht ist. Die im Volksmunde erloschene Sprache, in welcher die
heiligen Bücher der Braminen geschrieben sind, das Sanskrit, beschäftigt
vorzugsweise die Sprachforschung, und der Fleiß und Scharfsinn deutscher
Gelehrten hat hierin das Ausgezeichnetste geleistet. Das Sanskrit über-
trifft an Wohlklang und innerer Entwicklung alle anderen Sprachen,
und ist also für sich allein schon ein vollgiltiger Beweis, auf welch' hoher
Stufe geistiger Ausbildung das Volk der Hindu vor seiner geschichtlichen
Zeit stand. Das Sanskrit zeigt sich mit den edelsten Sprachen in-
nig verwandt, z B. mit der altpersischen, griechischen, lateinischen und
unserer deutschen. Als Töchter einer gemeinschaftlichen Mutter bilden
sie den sogenannten indogermanischen Sprachstamm, und beweisen uns,
daß auch diese Völkersamilien einem und demselben Urstamme entsprossen
sind. Alle diese Sprachen benennen nicht bloß Theile des Körpers, son-
dern auch den Acker, gezähmte Thiere, die Geschäfte des Ackerbaues
und der Viehzucht ganz ähnlich, oder die Benennungen sind, wenn auch
verschieden, doch aus einer gemeinschaftlichen Wurzel genommen; außer
den Zahlen sind auch eine Menge Abstrakten gemeinschaftlich in der Form
von Verben, Substantiven und Adjektiven. Daher dürfen wir mit der
größten Sicherheit schließen, daß der Stamm, von welchem diese ver-
schiedenen Völkerzweige ausgingen und die gemeinschaftliche Ursprache
in verschiedener Weise ausbildeten, schon eine hohe Stufe der Kultur
erstiegen hatte, denn bei wilden Volksstämmen finden wir nimmermehr
eine solche Sprache. Für diese uralte Bildung spricht auch der Ackerbau
der Hindu, ihre Gartenkunst, und besonders die Geschicklichkeit, mit welcher
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Deutschland und Oesterreich.
463
Tugendbundes erneuerte, demselben aber zugleich ein ehrenvolles Zeug-
niß für seine Wirksamkeit in der Zeit von 1808—1813 ausstellte.
Ein Sprichwort sagt: wenn man den Teufel an die Wand malt,
so kommt er; Dabelow und Sctnnalz hatten das Schemen einer gehei-
men Verbindung denunciert, es dauerte aber nicht lange, bis unter der
Universitätsjugend, welche an dem Skandale den lebhaftesten Antheil
genommen hatte, die Verschwörung in leibhafter Gestalt auftrat. Un-
mittelbar nach dem Kriege bildete sich unter den Studenten zu Jena
eine Verbindung, um dem theilweise rohen und wüsten Leben auf der
Universität, das besonders durch die sogenannten Landsmannschaften ge-
fördert wurde, einen Damm entgegenzusetzen, Sittlichkeit und wissenschaft-
liches Streben zu fördern und so die Heranbildung eines tüchtigen deut-
schen Beamtenstandes, durch den hinwiederum das Volk gehoben werden
sollte, zu bewirken. Dieses Programm von sittlichen, wissenschaftlichen
und patriotischen Bestrebungen beweist augenscheinlich, daß die „Bur-
schenschaft" zu Jena aus dem Tugendbunde hervorging; sie gestaltete sich
den 18. Oktober 1817 bei dem Feste auf der Wartburg zu einer
„deutschen Burschenschaft", indem sich auf den meisten deutschen
Universitäten (die österreichischen ausgenommen) burschenschaftliche Ver-
bindungen bildeten, die unter einander einen fortwährenden Verkehr un-
terhielten. Schon auf dem Wartburgfeste fand eine politische Demon-
stration statt, indem einige Studenten 28 Bücher oder die Titel von
Büchern, die sie der deutschen Sache für feindselig hielten, Luthers Ver-
fahren gegen die Bannbulle und das canonische Recht nachahmend, in
das Festfeuer warfen (darunter war aber die deutsche Bundesakte nicht,
wie ausgestreut wurde). Ueberschwänglicher phantastischer Patriotismus,
wohl auch der Hochmuth, den die alles begreifenden und aburtheilenden
philosophischen Systeme von jeher erzeugt haben, traurige politische Zeit-
erscheinungen (die von Schmalz angeregten Verdächtigungen gewannen
immer mehr Umfang; im gleichen Jahre verbot eine deutsche Regierung
die Jahresfeier der Leipziger Schlacht; wurden noch Stücke deutschen Lan-
des als Entschädigungen zugeschnitten, so z. B. Birkenfeld; offenbarte
sich die Feindschaft gegen ständische Vertretung weniger durch eine gerade
Weigerung als durch Ertheilung vou Scheinverfassungen) gaben der
Burschenschaft mehr und mehr die Gestalt einer politischen Verbindung,
deren Bestreben gegen die bestehende Ordnung der Dinge gerichtet war.
Sie war jedoch von sehr untergeordneter Bedeutung, indem sie wohl
niemals auch nur 500 Mitglieder zählte, die zudem in den verschiedenen
Landsmannschaften ihre bittersten Gegner hatten; überdies war ja mit
Sicherheit zu erwarten, daß das reifere Alter und die Lebenserfahrung
die Ueberschwänglichkeit heilen werde, während zugleich die Gesetze hin-
reichten, um verbrecherische Absichten und Thaten zu verhindern und zu
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— 9(3 —
Excommunikation. Er verbrannte die Bannbulle 1520 öffentlich vor den Thoren Wittenbergs, und damit war der vollständige Bruch mit der katholischen Kirche geschehen.
Auch die politischen Zustände Deutschlands hatten sich geändert. Nach dem Tode Max I. boten die Kurfürsten Friedrich von Sachsen die Königskrone an. Er schlug sie aus, weil er sich nicht stark genug fühlte, das Staatsruder in so bewegter Zeit zu lenken; er wird deshalb „der Weise" genannt.
Zwei auswärtige Könige traten nun als Bewerber finden Thron auf: Karl I. von Spanien, ein Enkel Maximilians I., und der ritterliche König von Frankreich, Franz I. Karl siegte, was ihm den unversöhnlichen Haß des französischen Königs zuzog.
Karl war im Jahre 1500 in Gent in Flandern geboren. Seine Eltern waren Philipp der Schöne von Oesterreich und Johanna die Wahnsinnige von Spanien. Er erhielt eine strenge und gelehrte Erziehung durch den nachmaligen Papst Hadrian Vi.
Mit 16 Jahren wurde er Herrscher von Spanien, mit 20 Jahren deutscher König. Seine Krönung sand in Aachen statt mit ungewöhnlicher Pracht 1520. Er mußte dabei das Versprechen ablegen, daß Deutschland und Spanien stets zwei getrennte Reiche in ihrer Verwaltung bleiben sollten, was auch geschah.
152l hielt Karl einen Reichstag in Worms, auf dem sich Luther verantworten sollte. Es erschienen viele Bischöfe und Große des Reiches. Da Luther nicht widerrief, wurde er in die Reichsacht erklärt. Friedrich der Weise ließ ihn heimlich auf die Wartburg bringen, wo Luther eifrig schrieb und studierte. (Neue Uebersetzuug der heiligen Schrift. Es waren vor Luther schon 16 deutsche Bibelübersetzungen vorhanden.)
Die Bilderstürmer ei unter Karlstadt und das Auftreten der Wiedertäufer in Wittenberg veranlaßten Luther, die Wartburg zu verlassen. Er stellte die Ruhe wieder her und that dann einen Schritt, der selbst seinen Anhängern mißfiel: er vermählte sich mit einet; ausgetretenen Nonne, Katharina von Bora, 1524.
Aus den Wirren der Glaubensspaltung gingen folgende Kriege hervor:
1. Der R itterkrieg, der mit der Niederlage und dem Tode des Franz von Sickin gen endigte 1523.
2. Der Bauernkrieg.
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Extrahierte Personennamen: Max_I. Friedrich_von_Sachsen Friedrich Karl_I._von_Spanien Karl_I. Maximilians_I. Maximilians_I. Franz_I. Karl Karl Karl Karl Philipp Johanna Hadrian Karl Karl Friedrich Katharina_von_Bora Franz_von_Sickin Franz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Frankreich Gent Flandern Oesterreich Spanien Spanien Aachen Deutschland Spanien Worms Wartburg Wittenberg
und der schwedisch-polnische Krieg.
737
gungen, welche den Schutz ihrer eigenen Verfassung bildeten, ergaben.
Uneinig und zerrissen, wie immer, kam der polnische Reichstag nicht zu
Maßregeln der Vertheidigung, als der dritte Feind hereinbrach. Der
schwedisch-polnische Krieg erregte, da er als die Fortsetzung der früheren
schwedischen Unternehmungen erkannt wurde und eine durchgreifende
Veränderung der Besitzverhältnisse voraussehen ließ, in ganz Europa
große Aufmerksamkeit. Der Kaiser mußte vor neuen Fortschritten
schwedischer Waffen, zumal wenn sie das zwischen ihm und den Schwe-
den gelegene polnische Reich Umstürzen sollten, Ln höchster Besorgniß
sein. Dänemark, dessen Besitz schon durch Schweden geschmälert wor-
den war, konnte nur mit Angst das weitere Wachsen des gefährlichen
Nachbars sehen. Die Niederlande hatten von der Bildung einer aus-
schließlichen schwedischen Herrschaft über das baltische Meer den Ver-
lust ihres Handels auf demselben zu befürchten. Frankreich mußte den
Gang der Ereignisse wachsam im Auge behalten, weil es nicht zu-
geben durfte, daß Schweden mächtig genug würde, dem französischen
Einfluß in Deutschland die Spitze zu bieten. In der schwierigsten
Lage befand sich aber zwischen den beiden streitenden Theilen der Kur-
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Sein Herzogthum Preußen
war ein polnisches Lehen und bildete den nächsten Gegenstand der
schwedischen Eroöerungslust. Selbst seine im Reiche gelegenen Länder
waren, da durch sie der Weg der Schweden gehen mußte, gefähr-
det, und von dem Reiche war kein Schutz zu erwarten. Es blieb
daher für ihn nichts übrig, als die Absichten der streitenden, sowie der
übrigen europäischen Mächte, zu erforschen, durch kluge Unterhandlungen
den Ausbruch des Krieges zu verzögern, und wenn er nicht mehr zu
verzögern war, eine Mittelmacht zwischen den Parteien zu bilden, daß
er sich von beiden möglichst unabhängig erhalten könnte. So durch
die Verhältnisse auf die gewundenen Wege der mit überlegenen und
zweideutigen Nachbarn handelnden Staatskunst geführt, bewährte er auf
denselben eine Meisterschaft, durch die er nicht nur unversehrt, sondern
mit erhöhter Macht aus dem Kampfe hervorging. Indem er sich nach
Umständen auf die eine und die andere Seite stellte, keinen der beiden
Gegner bis zur Vernichtung des andern unterstützte, blieb er für beide
wichtig und konnte für seine Hülfe jedesmal eine Steigerung seiner
Macht als Preis bedingen. Er mußte mit der mißtrauischsten Wach-
samkeit die Schritte der Andern beobachten und selbst immer gefaßt sein,
das Mißtrauen, das er nothwendig erregte, wieder zu entwaffnen, dabei
stets Streitkräfte zu seiner Verfügung haben, durch welche der Feind
gehindert wurde, ihn mit Gewalt aus seiner zweideutigen Stellung zu
verdrängen. Der Krieg begann im Jahre 1655 und hatte schon im
ersten Jahre den Erfolg, daß Karl Gustav Herr der Länder bis an den
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_von_Brandenburg Friedrich Wilhelm Karl_Gustav Karl Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Europa Schweden Frankreich Schweden Deutschland
und der von den Vortheilen des Handels bestimmten Staatskunst. 755
eine ungehemmte Thätigkeit der Kirche als ein Hlnderniß bei Ausbildung
einer über alle Verhältnisse sich erstreckenden Fürstengewalt ansah. In-
dem aber die Fürstengewalt in Frankreich durch die Mittel, mit denen
sie sich befestigte, und den Gebrauch, der von ihnen gemacht wurde, die
Neigung zu einer Gegenwirkung weckte, schwächte sie zugleich diejenige
Macht, welcher die Bewahrung der sittlichen Ordnungen und daher auch
der Grundlagen des staatlichen Lebens anvertraut ist. So viel Neues
die Staatsweisheit ersann, vergaß sie doch, daß die staatliche Ordnung
Europas sich auf kirchlichem Grunde aufgebaut hatte und daß nur auf
diesem Grunde ihr Bestehen gesichert war. So bereitete sich nach der
Umwälzung, welche mit der Kirchentrennung den Besitzstand der Kirche
getroffen hatte, eine Umwälzung der staatlichen Verhältnisse vor, zu
welcher das Frankreich Ludwigs Xiv. und der von ihm aus über Eu-
ropa verbreitete Geist die nähere Ursache war, während die entferntere
in jener kirchlichen Umwälzung liegt, die den Anfang dazu machte, die
Kirche in ihrem lange an den Völkern geübten Erzieheramte zu be-
schränken und dem Geiste persönlichen Beliebens und Dafürhaltens eine
früher nicht gekannte Berechtigung zu gewähren.
2. Ludwig Xiv. hatte zwar wenig Bildung genossen, besaß aber
natürliche Anlage genug, um nach Mazarins Tode die Zügel der Ne-
gierung selbst zu ergreifen. Er war eifersüchtig darauf, selbst zu regie-
ren. Daher trat nicht wieder ein Mann unter ihm so sehr an die
Spitze der Geschäfte, daß die Fäden der gesummten Staatsverwaltung
in dessen Hand zusammengelaufen wären. Nur die einzelnen Arten der
Geschäfte wurden von Ministern geleitet, während der König von Allem
Einsicht nahm. Dadurch ward das ganze Geschäft der Staatsverwaltung
zu einem regelmäßig gegliederten Fachwerke, das immer geeignet sein
mußte, von dem Könige überschaut zu werden. Daher bildeten sich für
die Behandlung aller der einzelnen Geschäfte bestimmte Regeln aus, die
jene Uebersicht erleichterten und die Wirksamkeit der Anordnungen sicher-
ten und beschleunigten. Diese Einrichtung des Staatswesens brachte es
mit sich, daß die Person des Königs mit Förmlichkeiten umgeben wurde,
welche den Abstand zwischen dem Gebieter und den höchst gestellten Die-
nern noch zu groß erscheinen ließen, als daß der Gedanke an die Möglich-
keit einer Abweichung von dem Befehle hätte anfkommen können. Hatte
man einmal auf diesem Wege dem königlichen Befehle ungesäumten
Gehorsam zu schaffen begonnen, so war der glückliche Erfolg in jedem
vorhergehenden Falle wieder ein Mittel, auch in den nachfolgenden Ge-
horsam zu erzielen. Die strenge Ahndung in einzelnen Fällen des Wi-
derstandes fügte für die Folge den Beweggründen des Gehorsams auch
die Furcht hinzu. Der Versuch, eine selbstständige Stellung zu be-
haupten, führte den Sturz dessen herbei, der ihn machte. So ward
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europas Frankreich_Ludwigs_Xiv
324
Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik.
als es jene notwendig erfordert hätte, wenn nicht die Verbindung des
Chors dazu gekommen wäre. Da nämlich ihre Handlungen eine Menge
Volkes zum Zeugen haben mußten und diese Menge immer die nämliche
blieb, welche sich weder weiter von ihren Wohnungen entfernen, noch
länger aus denselben wegbleiben konnte, als man gewöhnlichermaßen der
bloßen Neugierde wegen zu thun pflegt, so konnten sie fast nicht anders,
als den Ort auf einen und ebendenselben individuellen Platz und die Zeit
auf einen und ebendenselben Tag einschränken. Dieser Einschränkung
unterwarfen sie sich denn auch bona fide; aber mit einer Biegsamkeit,
mit einem Verstände, daß sie unter neun Malen siebenmal weit mehr
dabei gewannen als verloren. Denn sie ließen sich diesen Zwang einen
Anlaß sein, die Handlung selbst so zu simplifizieren, alles Überflüssige
so sorgfältig von ihr abzusondern, daß sie, ans ihre wesentlichsten Bestand-
teile gebracht, nichts als ein Ideal von dieser Handlung ward, welches
sich gerade in derjenigen Form am glücklichsten ausbildete, die den wenig-
sten Zusatz von Umständen der Zeit und des Ortes verlangte.
Die Franzosen hingegen, die an der wahren Einheit der Handlung
keinen Geschmack fanden, die durch die wilden Intriguen der spanischen
Stücke schon verwöhnt waren, ehe sie die griechische Simplicität kennen
lernten, betrachteten die Einheit der Zeit und des Ortes nicht als Folgen
jener Einheit, sondern als für sich zur Vorstellung einer Handlung un-
umgängliche Erfordernisse, welche sie auch ihren reicheren und verwickel-
teren Handlungen in eben der Strenge anpassen müßten, als es nur immer
der Gebrauch des Chors erfordern könnte, dem sie doch gänzlich entsagt
hatten. Da sie aber fanden, wie schwer, ja wie unmöglich öfters dieses
sei, so trafen sie mit den tyrannischen Regeln, welchen sie ihren völligen
Gehorsam aufzukündigen nicht Mut genug hatten, ein Abkommen. Anstatt
eines einzigen Ortes führten sie einen unbestimmten Ort ein, unter dem
man sich bald den, bald jenen einbilden könne; genug, wenn diese Orte
zusammen nur nicht gar zu weit auseinander lägen und keiner eine be-
sondere Verzierung bedürfe, sondern die nämliche Verzierung ungefähr dem
einen so gut als dem andern zukommen könne. Anstatt der Einheit des
Tages schoben sie die Einheit der Dauer unter; und eine gewisse Zeit,
in der man von keinem Aufgehen und Untergehen der Sonne hörte, in
der niemand zu Bette ging, wenigstens nicht öfter als einmal zu Bette
ging, mochte sich doch sonst, noch so viel und mancherlei darin ereignen,
ließen sie für einen Tag gelten.
Niemand würde ihnen dieses verdacht haben; denn unstreitig lassen
sich auch so noch vortreffliche Stücke machen, und das Sprichwort sagt:
Bohre das Brett, wo es am dünnsten ist. Aber ich muß meinen Nachbar
nur auch da bohren lassen. Ich muß ihm nicht immer nur die dickste
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