\
Gesellschaftlicher Zustand. 7
3. Der Aethiopische Stamm nimmt vom Fuße der
Mondgebirge, von den Quellen des Nils aus allmälig das
nördliche und südliche Afrika in Besitz und mischt sich in
Nubien und Aegypten mit dem aus Asien übergesetzten
semitisch-kaukasischen Stamme.
§. 3.
Entwickelung des gesellschaftlichen Zustandes der Menschen.
Die Natur mit ihren Geschöpfen an der Hand der gött-
lichen Vorsehung war die Erzieherin der ersten Menschen.
Roh als Hölenbewohner, jedoch begabt mir der geistigen
Fähigkeit sich äußerlicher Wahrnehmungen bewußt zu werden,
und durch Sprache artikulirte Töne hervorzubringen, lernen
sie bald die sie umgebenden Thiere kennen und für sich benutzen.
Das Leben des Hirten beginnt, und wird durch die Noth zu
jenem des Nomaden geleitet. Da geht der Geist rasch in
seiner Entwickelung vorwärts; mancherlei Erfindungen und
Entdeckungen werden gemacht, und liebgewonncne Gegenden
führen allmälig zum Ackerbau, zu festen Ansiedelungen. Mehre
Familien schließen sich an einander, vermehren sich, es ent-
stehen Stämme, Dörfer, Städte, Genossenschaften. Die
Familienväter sind die Berather und Führer, — Patriar-
chalische Verfassung. Doch auch Zwiespalt erhebt sich unter
ihnen, oder mit benachbarten Stämmen; der Stärkere zeichnet
sich aus im Kampfe; die Schwächeren bewundern ihn, oder
unterliegen seiner Gewalt; sein Ansehen dauert auch im
Frieden fort; er ist der Erste, ein Fürst unter ihnen. So
bilden sich die Herrscher an der Spitze der einzelnen Stämme,
bald mit größerer, bald mit geringerer Macht ausgerüstet,
je nachdem der Umfang ihrer Herrschaft eine größere oder
geringere Ausdehnung bat, oder je nachdem sie mehr oder
weniger durch andere Häupter ihrer Stämme, oder durch die
gesammtcn Glieder derselben in ihrer Herrscher-Gewalt ein-
geschränkt sind; cs entstehen allmälig monarchische, aristo-
kratische, republikanische, demokratische Versas-
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^ Das Altertum.
mif Tr' rrie ägyptischen Ärzte, die ihn nicht heilen konnten,
auf Pfahle spießen lassen wollte. Nur die Fürbitte des griechischen Arrtes der thn geheilt hatte, hielt ihn davon ab. 5 '
8 30.
Griechenland.
76) Während die riesigen Staaten Asiens in Trümmer zer-stueit, halten sich Bildung und Gesittung nach Europa verpflanzt. Die ersten Träger waren die Bewohner des jetzigen Griechenlands. Ms das südöstlichste Land Europas und in der Mitte dreier Weltteile gelegen, war es vorzüglich geeignet, die Kultur der Alten Welt in sich aufzunehmen und veredelt den europäischen Völkern zu übermachen. Die Griechen waren es vorzüglich, die das Schöue m Kunst und Wissenschaft pflegten und es in einer solch vollendeten Form darzustellen wußten, daß ihre Kunstwerke noch heute für uns klassische, d. H. mustergültige sind. Sie nehmen unter den Völkern des Altertums die erste Stelle ein. Ihre ^schichte nimmt deshalb unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch.
77) Im allgemeinen bestand Griechenland ans drei großen Landschaften. Im Norden lagen Thessalien und Epirus. An dieses grenzte Mittelgriechenland oder Hellas an, welches durch die Landenge (Isthmus) von Korinth mit dem südlichen '^eile, dem Peloponnes, zusammenhing. Bewohnt wurde es von einer Menge kleinerer Völkerstämme. Die ersten Einwohner kamen vom Kaukasus her. Es waren die Pelasger, welche in Thessalien und Epirus einwanderten. Nach ihnen kamen aber bald die Hellenen, welche die Oberhand gewannen, während von den Pelasgern viele nach Italien und den Inseln auswanderten.^ Bald nannte man.alle die vielen Völkerstämme mit dem gemeinschaftlichen Namen die Hellenen. Unter den Hellenen traten bald die Dorier in Thessalien und die Ionier in Attika hervor.
Anmerkungen.
1. Griechenland ist auf drei Seiten vom Meere umgeben, im Süden vom Mittelländischen, im Osten vom Ägäischen und int Westen vom Jonischen Meere. Im Norden ist Griechenland durch hohe Gebirgsketten gedeckt. Im Osten ist es beiläufig ebenso weit von Kleinasien entfernt, als im Westen von Italien. Den Namen Griechenland erhielt Hellas von den Römern, und zwar sollen sie das Land nach dem kleinen thessalischen Volksstamme der Grajen so genannt haben.
Thessalien wird von dem größten Flusse Griechenlands, dem Penens, durchströmt. Die vorzüglichsten Gebirge sind: der Olymp, wohin die Phantasie den Wohnsitz der Götter verlegte; der Ossa, von
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268
Dritte Periode der neueren Geschichte.
bortari (Köhler) die Einheit Italiens erstrebte. Eine Militärverschwörung in Neapel unter dem General Pepe zwang den König zur Abdankung (1820) und übertrug die Krone dem Kronprinzen Franz, welcher, wie sein Vater, die ihm vorgelegte spanische Verfassung von 1812 beschwören mußte. Auch in Sicilien entstand ein so greulicher Aufruhr, daß die fünf Großmächte Europas es für ihre Pflicht hielten, in einem Kongresse zu Laibach die italienischen, griechischen und spanischen Angelegenheiten zu berathen (1821). König Ferdinand, welchen man ebenfalls zu dem Kongresse eingeladen hatte, erklärte feine Abdankung und feine Anerkennung der Verfassung für abgedrungen und erzwungen, worauf Kaiser Franz ein Heer unter dem General Frimont nach Italien sandte. Ferdinand konnte nun in fein Land zurückkehren und stellte die alte Verfassung mit einigen Abänderungen wieder her. Nach seinem Tode bestieg Franz Ii. den Thron, welchen noch immer österreichische Bajonette stützen mußten. Erst 1827 zogen die Oesterreicher ab. Revolution Als 1814 König Ferdinand Vii. in seine spanischen Grönländer tn Spanien, zurückkehrte, legten ihm die Kortes, seine Landstände, eine neue Verfassung, welche sie 1812 entworfen hatten, zur Bestätigung vor. Er weigerte sich dieselbe anzunehmen und stellte die unumschränkte Königsgewalt wieder her. Da aber die allgemeine Unzufriedenheit in offenen Aufruhr überging, so sah sich Ferdinand Vii. doch genöthigt, die Verfassung von 1812 anzuerkennen. Ein großer Theil des Volkes war aber mit dieser Neuerung durchaus nicht einverstanden und griff zu den Waffen, um den früheren Stand der Dinge herbeizuführen. Der König, ganz in der Gewalt der Kortes, vermochte nicht die Ruhe wieder herzustellen; da nahm sich der französische König Ludwig Xviii. seiner an und gab Ferdinand durch eine bedeutende Armee, welche unter Ludwigs Neffen, dem Herzog von Angouleme, in Spanien eingerückt und überall siegreich aufgetreten war, die Macht, feinen ursprünglichen Willen, ohne Konstitution und Kortes zu regieren, durchzusetzen. Die Franzosen blieben bis 1828 in Spanien stehen und unterstützten den König noch tn einem andern Vorhaben, welches über Spanien großes Unheil brachte, in der Durchführung der weiblichen Erbfolge, wonach er seiner Tochter Jsabella Ii. zum Nachtheile seines Bruders Don Karlos den Thron verschaffte?) Ferdinand starb 1833.
*) Philipp V. hatte das für die Erbfolge in Spanien angenommene salische Gesetz 1713 aufgehoben, Ferdinand stellte 1830 ans Abnei gung gegen seinen Bruder Don Carlos die weibliche Thronfolge wie der her.
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Ferdinand Franz Franz Ferdinand Franz_Ii Franz Ferdinand Ferdinand_Vii Ferdinand Ludwig_Xviii Ludwig Ferdinand Ludwigs Ludwigs Jsabella Ferdinand Philipp_V. Philipp_V. Ferdinand Ferdinand Carlos
16 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
gleiche Recht einräumen; auch die Gräuel der indischen Götterfeste,
Selbstmorde und Unzucht werden nicht gehindert, und nur gegen den
Gebrauch, daß indische Weiber sich über dem Grabe ihres Mannes selbst
verbrennen, ist die britische Negierung eingeschritten. Sie unterstützt die
Missionen, welche von den vielnamigen protestantischen Parteien mit einem
erstaunlichen Auswande von Geldmitteln betrieben werden, aber einen
sehr geringen Erfolg haben, mehr indem sie dieselben gewähren läßt, als
durch Geldopfer und keineswegs durch Beschränkung der Thätigkeit der Bra-
minen, Fakire und der mohammedanischen Eiferer. Daneben verarmt das
an edlen Metallen und Naturerzeugnissen so reiche Indien mit jedem
Jahre zusehends, weil die wohlfeilen Arbeiten der englischen Fabriken das
Gewerbe des Hindu, welches er ohne Hilfe von Maschinen, allein oder nur
mit seiner Familie betreibt, zu Grunde richten, so daß die edlen Metalle
für englische Fabrikate massenhaft an die Themse wandern, ohne daß durch
den Verkauf der Naturerzeugnisse Indiens das Gleichgewicht hergestellt
würde. Das braminische Volk ist keine Nation mehr, es besteht nock-
unter den Nationen unserer Tage wie unter den Bauwerken eine Ruine,
aus welcher die Wissenschaft eine Kunde über alte Zeiten zu gewinnen
bemüht ist. Die im Volksmunde erloschene Sprache, in welcher die
heiligen Bücher der Braminen geschrieben sind, das Sanskrit, beschäftigt
vorzugsweise die Sprachforschung, und der Fleiß und Scharfsinn deutscher
Gelehrten hat hierin das Ausgezeichnetste geleistet. Das Sanskrit über-
trifft an Wohlklang und innerer Entwicklung alle anderen Sprachen,
und ist also für sich allein schon ein vollgiltiger Beweis, auf welch' hoher
Stufe geistiger Ausbildung das Volk der Hindu vor seiner geschichtlichen
Zeit stand. Das Sanskrit zeigt sich mit den edelsten Sprachen in-
nig verwandt, z B. mit der altpersischen, griechischen, lateinischen und
unserer deutschen. Als Töchter einer gemeinschaftlichen Mutter bilden
sie den sogenannten indogermanischen Sprachstamm, und beweisen uns,
daß auch diese Völkersamilien einem und demselben Urstamme entsprossen
sind. Alle diese Sprachen benennen nicht bloß Theile des Körpers, son-
dern auch den Acker, gezähmte Thiere, die Geschäfte des Ackerbaues
und der Viehzucht ganz ähnlich, oder die Benennungen sind, wenn auch
verschieden, doch aus einer gemeinschaftlichen Wurzel genommen; außer
den Zahlen sind auch eine Menge Abstrakten gemeinschaftlich in der Form
von Verben, Substantiven und Adjektiven. Daher dürfen wir mit der
größten Sicherheit schließen, daß der Stamm, von welchem diese ver-
schiedenen Völkerzweige ausgingen und die gemeinschaftliche Ursprache
in verschiedener Weise ausbildeten, schon eine hohe Stufe der Kultur
erstiegen hatte, denn bei wilden Volksstämmen finden wir nimmermehr
eine solche Sprache. Für diese uralte Bildung spricht auch der Ackerbau
der Hindu, ihre Gartenkunst, und besonders die Geschicklichkeit, mit welcher
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Frankreich unter dem Konsulate.
345
einen Dogen mit zwei Beisitzern, einen Senat und einen gesetzgebenden
Körper. Bedeutender war jedoch die Umwandlung, die er mit seiner
eigenen Schöpfung, der ciöalpinischen Republik, vornahm. Diese
fand sich bewogen, eine großartige Deputation nach Lyon zu schicken,
wo dieselbe von Talleyrand eine neue Verfassung in Empfang nahm.
Bonaparte wurde Präsident der Republik, weil die Cisalpiner den
Mann nicht finden konnten, „der sich in dem Wirbel der Meinungen
Ruf und Vertrauen zu erwerben Gelegenheit hatte; daher wünschen sie
sehnlichst, daß General Bonaparte die cisalpinische Republik ehren wolle,
indem er fortfährt, sie zu regieren und zu berathen, so lange er es für
nothwendig erachtet." Zu gleicher Zeit taufte sich die cisalpinische Re-
publik in eine italienische um und zeigte dadurch ihren guten Willen,
von dem übrigen Italien die Stücke anzunehmen, die zu einer bloßen
cisalpinischen Republik nicht gepaßt hätten. Rach der französischen Ver-
fassung konnte Bonaparte nicht italienischer Präsident sein, weil kein
französischer Bürger in fremde Dienste treten durfte; er trat aber auch
nicht in italienischen Dienst, „denn er regierte die italienische Republik
nur so lange, bis dieselbe einen Bürger fand, welcher der höchsten Stelle
gewachsen wäre." Piemont, Piacenza, Guastalla und Parma wurden
mit Frankreich vereinigt; dies war eine leicht begreifliche Andeutung,
welche die italienische Republik für ihre Zukunft erhielt. Für den Erb-
prinzen von Parma schuf Bonaparte ein Königreich Etrurien, wofür
ihm Spanien in einem geheimen Vertrage Parma und in Amerika Loui-
siana abtrat (1801).
Siebenzehntes Kapitel.
/rankreich untrr dem Konsulate (1800— 1804).
Die französische Republik mußte sich nicht weniger dem Willen des
gewaltigen Kriegers fügen als ihre Töchterrepubliken, und er bewies,
daß er die Geschäfte des Friedens ebenso sicher zu leiten verstehe, als
die des Krieges, und daß er nicht bloß die Armeen, sondern die ganze
französische Nation kommandieren wolle; die weitaus größere Mehrheit
fügte sich diesem Kommando willig. Er ordnete die Verwaltung und
die Finanzen wunderbar schnell, so daß 1801 die Staatskasse gefüllt
war und alle Zahlungen regelmäßig vor sich gingen; unter ihm blühte
die Gewerbsthätigkeit Frankreichs neu auf; kein früherer König, auch
Ludwig Xiv. nicht, that in dieser Richtung so viel als Bonaparte; für
den Verkehr baute er Straßen und Kanäle und schuf die gewaltigen
Heerstraßen über die Alpen, wahre Römerwerke. Das Unwesen, daß
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Extrahierte Personennamen: Bonaparte Guastalla Siebenzehntes Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Lyon Italien Piacenza Frankreich Parma Etrurien Spanien Amerika Frankreichs
27ö Frankreich. Die dritte Republik. Thiers Präsident.
berin der Nationalsouveränität, jeder Zeit müssen entlassen können, um ihn durch einen anderen zu ersetzen, und theoretisch hielt sie diesen Anspruch auch vollständig aufrecht; da aber Thiers, von dem Vertrauen der Nation wie des Auslandes getragen, auf lange hinaus nicht entbehrt werden konnte, so war seine Beseitigung, salls die Mehrheit mit seinen Maßnahmen unzufrieden sein sollte, mit so viel Schwierigkeiten verbunden , daß es ihm viel leichter fallen mußte, die Versammlung zum Nachgeben zu bewegen, als es der Versammlung fallen konnte, ihn einzuschüchtern. Blieben beide in innerlicher Übereinstimmung, so war alles-gut; trat aber ein tieferer Zwiespalt ein und wollte die Versammlung nicht zu Thiers gunsten auf ihre Souveränität verzichten , so mußte sie ihn schließlich entweder doch stürzen, oder sie mußte danach trachten, ihm eine blos dekorative Stellung anzuweisen; aus einem Präsidenten der Executivgewalt mußte er ein Präsident der Republik werden. Ob der rührige und ehrgeizige Manu einen solchen Wechsel einnehmen werde, mochte fraglich fein; daß er ihn nicht wünschen konnte, lag auf der Hand, und so mußte sich fein ganzes Streben denn darauf richten, die Gegensätze der Parteien zu neutralisieren und sich selbst zum Einigungspunkte und Bindegliede zu machen.
Diesem Streben diente der sog. Pakt von Bordeaux, d. h. eben jener Beschluß vom 17. Februar, der Thiers, unter Vorbehalt und Entscheidung über die künftige Regierungsform, mit der Bildung und Leitung des Ministeriums betraute. Folgerichtig berücksichtigte er bei dieser feiner nächsten Aufgabe die verschiedenen Parteien, so weit das irgend möglich war. Und so repräsentierte fein Kabinet Republikaner, Drleaniften, Segitimiften und Bonapartisten. Daß er aber entschlossen war, die Zügel feft in der Hand zu behalten, zeigte er gleich durch die Behandlung der Friedensfrage. Am 19. Februar ließ er sich ermächtigen, in Gemeinschaft mit Favre die Verhandlungen in Versailles zu beginnen; während der Dauer derselben sollte die Versammlung ihre Sitzungen unterbrechen und nur durch einen Ausschuß von 15 Mitgliedern, der dem Präfibenten ins beutfche Hauptquartier folgte, Einfluß auf den Abschluß des Vertrages üben; die endgültige Ratifikation blieb ihr, als der Souveränin, natürlich vorbehalten. Am 21. Februar traf Thiers in Versailles ein und die Verhanblungen begannen. Tie deutschen For-berungen bestauben in dem Elsaß mit Belfort, Dentfch^Lothringen und sechs Milliarben Franken Kriegsentschädigung; die französischen Bemühungen waren barauf gerichtet, Metz , Belfort und einige Milliarden zu retten. Die Verhandlungen nahmen zum
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Extrahierte Personennamen: Thiers Thiers Metz
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Bordeaux Versailles Versailles Belfort Belfort
und der schwedisch-polnische Krieg.
737
gungen, welche den Schutz ihrer eigenen Verfassung bildeten, ergaben.
Uneinig und zerrissen, wie immer, kam der polnische Reichstag nicht zu
Maßregeln der Vertheidigung, als der dritte Feind hereinbrach. Der
schwedisch-polnische Krieg erregte, da er als die Fortsetzung der früheren
schwedischen Unternehmungen erkannt wurde und eine durchgreifende
Veränderung der Besitzverhältnisse voraussehen ließ, in ganz Europa
große Aufmerksamkeit. Der Kaiser mußte vor neuen Fortschritten
schwedischer Waffen, zumal wenn sie das zwischen ihm und den Schwe-
den gelegene polnische Reich Umstürzen sollten, Ln höchster Besorgniß
sein. Dänemark, dessen Besitz schon durch Schweden geschmälert wor-
den war, konnte nur mit Angst das weitere Wachsen des gefährlichen
Nachbars sehen. Die Niederlande hatten von der Bildung einer aus-
schließlichen schwedischen Herrschaft über das baltische Meer den Ver-
lust ihres Handels auf demselben zu befürchten. Frankreich mußte den
Gang der Ereignisse wachsam im Auge behalten, weil es nicht zu-
geben durfte, daß Schweden mächtig genug würde, dem französischen
Einfluß in Deutschland die Spitze zu bieten. In der schwierigsten
Lage befand sich aber zwischen den beiden streitenden Theilen der Kur-
fürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Sein Herzogthum Preußen
war ein polnisches Lehen und bildete den nächsten Gegenstand der
schwedischen Eroöerungslust. Selbst seine im Reiche gelegenen Länder
waren, da durch sie der Weg der Schweden gehen mußte, gefähr-
det, und von dem Reiche war kein Schutz zu erwarten. Es blieb
daher für ihn nichts übrig, als die Absichten der streitenden, sowie der
übrigen europäischen Mächte, zu erforschen, durch kluge Unterhandlungen
den Ausbruch des Krieges zu verzögern, und wenn er nicht mehr zu
verzögern war, eine Mittelmacht zwischen den Parteien zu bilden, daß
er sich von beiden möglichst unabhängig erhalten könnte. So durch
die Verhältnisse auf die gewundenen Wege der mit überlegenen und
zweideutigen Nachbarn handelnden Staatskunst geführt, bewährte er auf
denselben eine Meisterschaft, durch die er nicht nur unversehrt, sondern
mit erhöhter Macht aus dem Kampfe hervorging. Indem er sich nach
Umständen auf die eine und die andere Seite stellte, keinen der beiden
Gegner bis zur Vernichtung des andern unterstützte, blieb er für beide
wichtig und konnte für seine Hülfe jedesmal eine Steigerung seiner
Macht als Preis bedingen. Er mußte mit der mißtrauischsten Wach-
samkeit die Schritte der Andern beobachten und selbst immer gefaßt sein,
das Mißtrauen, das er nothwendig erregte, wieder zu entwaffnen, dabei
stets Streitkräfte zu seiner Verfügung haben, durch welche der Feind
gehindert wurde, ihn mit Gewalt aus seiner zweideutigen Stellung zu
verdrängen. Der Krieg begann im Jahre 1655 und hatte schon im
ersten Jahre den Erfolg, daß Karl Gustav Herr der Länder bis an den
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm_von_Brandenburg Friedrich Wilhelm Karl_Gustav Karl Gustav
Extrahierte Ortsnamen: Europa Schweden Frankreich Schweden Deutschland
und der von den Vortheilen des Handels bestimmten Staatskunst. 755
eine ungehemmte Thätigkeit der Kirche als ein Hlnderniß bei Ausbildung
einer über alle Verhältnisse sich erstreckenden Fürstengewalt ansah. In-
dem aber die Fürstengewalt in Frankreich durch die Mittel, mit denen
sie sich befestigte, und den Gebrauch, der von ihnen gemacht wurde, die
Neigung zu einer Gegenwirkung weckte, schwächte sie zugleich diejenige
Macht, welcher die Bewahrung der sittlichen Ordnungen und daher auch
der Grundlagen des staatlichen Lebens anvertraut ist. So viel Neues
die Staatsweisheit ersann, vergaß sie doch, daß die staatliche Ordnung
Europas sich auf kirchlichem Grunde aufgebaut hatte und daß nur auf
diesem Grunde ihr Bestehen gesichert war. So bereitete sich nach der
Umwälzung, welche mit der Kirchentrennung den Besitzstand der Kirche
getroffen hatte, eine Umwälzung der staatlichen Verhältnisse vor, zu
welcher das Frankreich Ludwigs Xiv. und der von ihm aus über Eu-
ropa verbreitete Geist die nähere Ursache war, während die entferntere
in jener kirchlichen Umwälzung liegt, die den Anfang dazu machte, die
Kirche in ihrem lange an den Völkern geübten Erzieheramte zu be-
schränken und dem Geiste persönlichen Beliebens und Dafürhaltens eine
früher nicht gekannte Berechtigung zu gewähren.
2. Ludwig Xiv. hatte zwar wenig Bildung genossen, besaß aber
natürliche Anlage genug, um nach Mazarins Tode die Zügel der Ne-
gierung selbst zu ergreifen. Er war eifersüchtig darauf, selbst zu regie-
ren. Daher trat nicht wieder ein Mann unter ihm so sehr an die
Spitze der Geschäfte, daß die Fäden der gesummten Staatsverwaltung
in dessen Hand zusammengelaufen wären. Nur die einzelnen Arten der
Geschäfte wurden von Ministern geleitet, während der König von Allem
Einsicht nahm. Dadurch ward das ganze Geschäft der Staatsverwaltung
zu einem regelmäßig gegliederten Fachwerke, das immer geeignet sein
mußte, von dem Könige überschaut zu werden. Daher bildeten sich für
die Behandlung aller der einzelnen Geschäfte bestimmte Regeln aus, die
jene Uebersicht erleichterten und die Wirksamkeit der Anordnungen sicher-
ten und beschleunigten. Diese Einrichtung des Staatswesens brachte es
mit sich, daß die Person des Königs mit Förmlichkeiten umgeben wurde,
welche den Abstand zwischen dem Gebieter und den höchst gestellten Die-
nern noch zu groß erscheinen ließen, als daß der Gedanke an die Möglich-
keit einer Abweichung von dem Befehle hätte anfkommen können. Hatte
man einmal auf diesem Wege dem königlichen Befehle ungesäumten
Gehorsam zu schaffen begonnen, so war der glückliche Erfolg in jedem
vorhergehenden Falle wieder ein Mittel, auch in den nachfolgenden Ge-
horsam zu erzielen. Die strenge Ahndung in einzelnen Fällen des Wi-
derstandes fügte für die Folge den Beweggründen des Gehorsams auch
die Furcht hinzu. Der Versuch, eine selbstständige Stellung zu be-
haupten, führte den Sturz dessen herbei, der ihn machte. So ward
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Europas Frankreich_Ludwigs_Xiv
Die Zeit der siegreichen Revolution. 979
eine den Spaniern ursprünglich fremde Anschauungsweise auch in die
Kreise des in äußerer Unabhängigkeit erhaltenen nationalen Lebens um
so leichter, als die Art, wie dieses eigentliche Spanien regiert wurde,
mit der alten Staatsordnung im Widerspruche stand. Eine Folge der
mitten unter dem Kampfe gegen die Franzosen vorgegangenen inneren
Veränderung war das Verlangen nach einer Berufung der Cortes, noch
mehr aber die neue Gestalt, welche dieselben erhielten. Die Leiter der
Negierung wollten wegen der Größe ihrer Verantwortung eine Vertre-
tung des Volkes berufen sehen, und in die Ausführung dieses Planes
drängte sich die neue französische Ansicht vom Staatswesen, welche, in-
dem sie die Menschen ohne Beachtung ihrer gegebenen Verhältnisse nur
der Zahl nach in Betracht zog, an die Stelle der alten nach Ständen
gegliederten Cortes eine ganz nach Art der französischen Volksvertre-
tung gebildete Versammlung setzte. Die Art der Wahl gab den leicht
und oberflächlich Redenden einen Einfluß, der ihrer eine Menge in die
neuen, nur den alten Namen tragenden Cortes brachte und so der aus
Frankreich herübergekommenen Aufklärung eine Stelle in denselben
sicherte. Die Partei, welche in den Cortes jene Aufklärung vertrat,
gab sich den Namen der liberalen und suchte ihre Gegner-, die an der
alten Verfassung Festhaltenden, durch den Namen der Servilen herab-
zusetzen. Ihre Hauptwaffe war die Hinweisung auf die Mängel, an
welchen die Verwaltung in den Zeiten der letzten einheimischen Könige
gelitten hatte, und zu deren Beseitigung nun die Verfassung selbst geän-
dert werden sollte. So geschah es, daß die im Jahre 1810 in Cadiz
zusammengetretenen Cortes, obgleich Ferdinand Vii. als König und die
Religion als maßgebend für die Formen des Staatölebens anerkannt
blieb, die eigentlichen Hoheitsrechte dem Volke übertragen wurden und
die Trennung der gesetzgebenden richterlichen und ausführenden Gewalt
eingeführt ward. Die auf diesen Grundsätzen beruhende Verfassung,
welche im Jahre 1812 ins Leben trat, trug aber zu Aufhebung des
Zusammenhanges Spaniens mit seinen amerikanischen Besitzungen bei,
dessen Lockerung durch das Eindringen des fremden Herrschers angefangen
hatte. Dort war durch das Beispiel des nördlichen Amerika's der
Gedanke an die Bildung eines selbstständigen Staatswefens schon ge-
läufig geworden. Die Weigerung, den Bruder Napoleons, dem man
dort leicht trotzen konnte, als König anzuerkennen, verbunden mit der
Verwirrung im Mutterlande, unterbrach die von Europa ausgehende
Regierung. Als nun aber die von den Cortes gegebene Verfassung, um
nicht nach dem Grundsatz der Stimmenmehrheit in die Hände der
amerikanischen Spanier ein Uebergewicht zu legen, allen dortigen Spa-
niern von theilweise europäischer Herkunft das Recht, zu vertreten und
vertreten zu werden, vorenthielt, erweiterte der daraus entstehende Un-
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T98: [König Jahr Mitglied Verfassung Regierung Republik Präsident Kammer Gewalt Staat], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T148: [Kirche Macht Staat Deutschland Kampf Frankreich Reich Reformation Zeit Gewalt], T103: [England Krieg Frankreich Spanien Franzose Engländer Flotte Jahr Holland Frieden]]
Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Vii Ferdinand Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Frankreich Cadiz Spaniens Napoleons Europa
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Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik.
als es jene notwendig erfordert hätte, wenn nicht die Verbindung des
Chors dazu gekommen wäre. Da nämlich ihre Handlungen eine Menge
Volkes zum Zeugen haben mußten und diese Menge immer die nämliche
blieb, welche sich weder weiter von ihren Wohnungen entfernen, noch
länger aus denselben wegbleiben konnte, als man gewöhnlichermaßen der
bloßen Neugierde wegen zu thun pflegt, so konnten sie fast nicht anders,
als den Ort auf einen und ebendenselben individuellen Platz und die Zeit
auf einen und ebendenselben Tag einschränken. Dieser Einschränkung
unterwarfen sie sich denn auch bona fide; aber mit einer Biegsamkeit,
mit einem Verstände, daß sie unter neun Malen siebenmal weit mehr
dabei gewannen als verloren. Denn sie ließen sich diesen Zwang einen
Anlaß sein, die Handlung selbst so zu simplifizieren, alles Überflüssige
so sorgfältig von ihr abzusondern, daß sie, ans ihre wesentlichsten Bestand-
teile gebracht, nichts als ein Ideal von dieser Handlung ward, welches
sich gerade in derjenigen Form am glücklichsten ausbildete, die den wenig-
sten Zusatz von Umständen der Zeit und des Ortes verlangte.
Die Franzosen hingegen, die an der wahren Einheit der Handlung
keinen Geschmack fanden, die durch die wilden Intriguen der spanischen
Stücke schon verwöhnt waren, ehe sie die griechische Simplicität kennen
lernten, betrachteten die Einheit der Zeit und des Ortes nicht als Folgen
jener Einheit, sondern als für sich zur Vorstellung einer Handlung un-
umgängliche Erfordernisse, welche sie auch ihren reicheren und verwickel-
teren Handlungen in eben der Strenge anpassen müßten, als es nur immer
der Gebrauch des Chors erfordern könnte, dem sie doch gänzlich entsagt
hatten. Da sie aber fanden, wie schwer, ja wie unmöglich öfters dieses
sei, so trafen sie mit den tyrannischen Regeln, welchen sie ihren völligen
Gehorsam aufzukündigen nicht Mut genug hatten, ein Abkommen. Anstatt
eines einzigen Ortes führten sie einen unbestimmten Ort ein, unter dem
man sich bald den, bald jenen einbilden könne; genug, wenn diese Orte
zusammen nur nicht gar zu weit auseinander lägen und keiner eine be-
sondere Verzierung bedürfe, sondern die nämliche Verzierung ungefähr dem
einen so gut als dem andern zukommen könne. Anstatt der Einheit des
Tages schoben sie die Einheit der Dauer unter; und eine gewisse Zeit,
in der man von keinem Aufgehen und Untergehen der Sonne hörte, in
der niemand zu Bette ging, wenigstens nicht öfter als einmal zu Bette
ging, mochte sich doch sonst, noch so viel und mancherlei darin ereignen,
ließen sie für einen Tag gelten.
Niemand würde ihnen dieses verdacht haben; denn unstreitig lassen
sich auch so noch vortreffliche Stücke machen, und das Sprichwort sagt:
Bohre das Brett, wo es am dünnsten ist. Aber ich muß meinen Nachbar
nur auch da bohren lassen. Ich muß ihm nicht immer nur die dickste
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T81: [Sonne Erde Tag Mond Himmel Nacht Stern Zeit Licht Stunde]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital]]