42
§ 22. Afrika im allgemeinen.
worden und ist es auch geblieben, nachdem die „Deutsche Handels- und
Plantagen-Gesellschaft der Südsee" die Nachfolgerin desselben geworden
ist. Das Klima ist mild und gesund, die Vegetation eine üppige. Baum-
wolle, Kokospalmen, Kaffee, Zuckerrohr und Bananen sind die Haupt-
Produkte; Kopra ist auch hier der wichtigste Ausfuhrgegenstand.
Die 33 000 Bewohner (Polyrtesier) sind ein schöner, lichtbrauner,
geistig begabter Menschenschlag; sie bekennen sich zum Christentum. Der
Hafen Apia an der Nordküste der Insel Upolu(mit 1300 Einw., davon
300 Weiße) ist der Sitz des Gouverneurs und der wichtigste Platz für
den deutschen Handel.
Afrika.
§22.
Afrika im allgemeinen.
N. Kap Blanco 10/37. — S. Nadelkap 20/35. — 0. Kap Guardafui*) 51/12. —
W. Kap Verde 342/15.
1. Größe, Gestalt und Grenzen. Afrika, fast 30 Mill.
qkm groß (dreimal Europa), nur durch die schmale (noch dazu jetzt durch-
stochene) Landenge von Suez an Asien gehängt, ist der abgeschlossenste Erd-
teil der Alten und Neuen Welt. Es besteht aus einem s. sast gleichseitigen
Dreieck und einem schief nach Nw. daraufgesetzten, ungleichseitigen Viereck.
Der Äquator durchschneidet es fast in der Mitte, so daß volle 3/4 der
heißen Zone angehören. Im N bespült es das Mittelmeer, im O. der
Indische, im W. der Atlantische Ozean, im S. stoßen beide zusammen.
2. Wagerechte Gliederung. Die umgebenden Meere greifen
fast gar nicht in den Erdteil ein; die einzigen bedeutenden Einbuchtungen
sind im O. der Busen von Guinea und im N. die beiden Syrien. Daher
fehlen Halbinseln fast ganz, da die Berbern im N. und die Somal-
Halbinsel im O. kaum als solche zu bezeichnen sind. Auch Inseln von
Bedeutung, außer Madagaskar im So., fehlen. Afrika ist darum der
am wenigsten gegliederte Erdteil (1:47) und seit alten Zeiten bis zum
heutigen Tage wenig zugänglich.
3. Senkrechte Gliederung und Bewässerung. Die Er-
Hebung Afrikas entspricht der Gliederung; sie ist einförmig und bildet
eine geschlossene Masse, ein gewaltiges Hoch-oder Tafelland, das in steilen
*) So genannt wegen der Abweichung der Magnetnadel von der Ns.-Rich«
tung. — „Hütet euch" nämlich vor den Stürmen.
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Extrahierte Personennamen: Blanco
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Afrika Afrika Afrika Europa Suez Asien Indische Atlantische_Ozean Guinea Syrien Madagaskar Afrika
§ 24. Der Sudan.
49
3. Kultur. Die Flußgebiete haben üppigen tropischen Pflanzen-
wuchs, besonders Palmen, im Gebiet des Senegal und Gambia gedeiht
die Gummi-Akazie, deren Harzausschwitzung das Klebgummi (gumrai
arabicum) liefert. Es wird Getreide, Baumwolle und Indigo angebaut;
die Erdnuß liefert nach der Provence in Frankreich feines Öl, das dem
dortigen zugesetzt wird; die Kolanuß, welche von den Eingeborenen gekaut
wird, ersetzt mit ihrem rosaroten Saft den Kaffee. Rind- und Pferdezucht
wird getrieben, der Handel, z. B. mit dem Salz der Wüste, steht seit der
Herrschaft des Islam in Blüte. Einige Negerstämme sind auch sehr
geschickt in manchem Gewerbe.
4. Staatliche Verhältnisse, Bevölkerung und Städte.
a) Das Küstengebiet des Südens bis Kap Palmas heißt Ober-
guinea und zerfällt in die von den ersten Händlern so genannten Ab-
schnitte: Sklaven-, Gold-, Elfenbein-, Pfeffer- und Sierra Leone-Küste.
Hinter der sandigen Küstenlinie erstrecken sich weite Lagunen von geringer
Tiefe, an welche sich tropisches Marschland anschließt. Die ganze Küste
ist im Besitz der Europäer, welche zahlreiche Faktoreien (wichtigster
Handelsgegenstand Palmöl) hier angelegt haben. Haupthandelsplatz
ist das englische Lagos im unteren Nigergebiet. Etwa in der Mitte liegt
das deutsche Gebiet von Togo. Landeinwärts liegen volkreiche, despotisch
regierte Negerstaaten, welche den Islam nicht angenommen haben: das
Reich der kriegerischen Aschanti und das Reich Dahome, das Frank-
reich sich unterworfen hat. Am Kap Palmas wohnen die Kru-Neger,
wichtig deshalb, weil sie allein von allen Stämmen zur Arbeit bei den
Europäern sich verdingen. Nw. von diesem Kap liegt die Negerrepublik
Liberia und die englische Kolonie Sierra-Leone mit der Hauptstadt
Freetown, beide ursprünglich von menschenfreundlichen Amerikanern
um 1820 für befreite Negersklaven der Vereinigten Staaten gegründet,
aber ohne feste Ordnung.
d) Senegambien, nw. von Oberguinea, ist vom Kap Verde
bis zum Niger und Tfadsee in französischem Besitz; Hauptstadt St. Louis.
An der Küste liegt Portugiesisch-Guinea und das englische Gambiagebiet.
Der Boden ist außerordentlich fruchtbar, daher starke Ausfuhr in Gummi
und Öl.
c) Das Innere des Sudan wird von Negervölkern (Sudan
heißt auf deutsch schwarz) bewohnt, welche Ackerbau und Viehzucht treiben.
In das Nigergebiet sind aber im Mittelalter mohammedanische Fulbe
(oder Felatah), von etwas hellerer Farbe, von N.her eingedrungen, Haben
die Neger unterworfen und mehrere Staaten gegründet. Die hier
wichtigste Stadt ist Timbuktu, von Frankreich in Besitz genommen,
Daniel, Leitfaden. Ansg. f. Mafhmmt" Ii. Teil. 4
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Extrahierte Personennamen: Louis Daniel
Extrahierte Ortsnamen: Senegal Gambia Frankreich Togo Negerrepublik
Liberia Freetown Oberguinea Niger Timbuktu Frankreich
§ 29. Die deutschen Besitzungen in Afrika.
57
2. Bodenbeschasfenheit und Bewässerung. Da Deutsch-
Oftafrika zu der mittelafrikanischen Hochfläche gehört, stellt das Binnen-
land sich als ein breiter Hochrücken von 1200 — 2000 m Höhe dar,
dem ein schmaler Küstenstreifen aus Korallenkalk und Sandstein vor-
gelagert ist. Verggruppen und Gebirgszüge überragen das Hochland,
so im N. das Ufambara-, im S. das Ufagara-Gebirge, von denen
zahlreiche, wegen der Stromschnellen aber meist unschiffbare Flüsse dem
Ozean zueilen. An Größe übertrifft alle der Rusidschi, welcher Mafia
gegenüber ein breites Delta in das Meer hinausbaut. Der Rovuma
kommt aus einem Sumpfe an der Oftseite des Njafsa-Sees, nähert
sich demselben, biegt dann aber in die ö. Richtung ab, die er bis zu
seiner Mündung beibehält.
W. der Gebirge besteht eine Senke, durch einen Erdeinsturz hervor-
gerufen. In dieser liegt im N. der breite, meerartige Mktoria-Njansa
mit der großen Insel Ukerewe eingebettet, während der lange, schmale
Tanganika-See die Westgrenze bezeichnet. An seinen Ufern ziehen sich
ganze Wälder von Ölpalmen hin. Im S. ist der Njassa-See wie ein
Fjord in das Gebirge eingerissen und rings von hohen Ufern um-
geben; die Schiffahrt auf ihm ist wegen der Stürme sehr gefährlich.
Aus der Landschaft Dschagga, ö. des Viktoria-Sees, steigt der
Doppelvulkan Kilimanfcharo empor. Der erloschene Krater (von 2 km
Durchmesser) des älteren ö. Gipfels ist von Gletschereis umgeben, der
jüngere w. Gipfel ist der 6000 m hohe Kibo.
3. Klima. Nur die Küste zeigt das ungesunde, erschlaffende
Tropenklima mit den durch den So.-Passat veranlaßten reichlichen
Niederschlägen, welche über die Randgebirge nicht in das Innere ge-
langen. Dieses hat infolge seiner Höhenlage eine Durchschnitts-
temperatur von 20»; auf heiße Tage folgen kühle Nächte. Im Winter
herrscht besonders Trockenheit.
4. Kultur. Die Küste ist mit hohen Mangroven dicht bewachsen
und zeigt die echte Tropenvegetation (Kokospalmen). Auf der Hochebene
dehnen sich weite Savannen aus, in den Flußtälern dichte Urwälder.
Angebaut wird Getreide, Gemüse, Kaffee, Zuckerrohr, Vanille, Tabak
und Baumwolle. Zahlreich vertreten ist die afrikanische Tierwelt. Die
wichtigsten Ausfuhrartikel sind: Elfenbein und Hörner, Kautschuk, Kopal,
Gummi, Erdnüsse, Wachs, Kaffee und Tabak. Zur Einfuhr gelangen
Baumwoll- und Eisenwaren. Doch ist der Transport aus dem Innern
noch sehr schwierig und geschieht meist auf den Köpfen der Neger.
Daher ist man bestrebt, Eisenbahnen anzulegen.
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60
§ 29. Die deutschen Besitzungen in Afrika.
Hl* Deutsch-Kamerun.
1. Lage und Grenzen. Die N.-Grenze des deutschen Kamerun,
das seinen Namen von einer weiten Bucht in der Mitte der Küste hat, be-
ginnt am Rio bei Ney, zieht in nö. Richtung bis zum Tsad-See, dessen
Südufer sie trifft, und begleitet ihn bis zur Mündung des Schari. Da-
mit ist Deutschland der Zugang zu dem großen sudanischen Binnensee
gewahrt. Die O.- und S.- Grenze stößt an französisches Gebiet. Das
ganze Land umfaßt etwa 495 000 qkm, kommt also an Ausdehnung
dem Deutschen Reiche fast gleich.
2. Bodengestaltung und Bewässerung. Hart am Meere
erhebt sich der 4000 m hohe vulkanische Kamerun-Berg, bei den
Einheimischen Mongo-ma-Loba, d. i. Götterberg, genannt, mehr ein
ganzes Gebirge als ein Berg; die gesamte übrige Küste ist flach und viel-
fach sumpfig. Sö. von dem Kamerun-Berge schneidet der einem Ahorn-
blatte ähnliche Kamerunbusen tief in das Vorland ein. Zahlreiche
Flüsse, den Busen mehr und mehr zubauend, münden hinein. Be-
deutender sind diejenigen in Südkamerun, z. B. der Njong. Doch sind
alle Flüsse nur so weit, als die 60 — 70 km breite Küstenebene reicht,
schiffbar. Denn nach dem Innern zu folgt das mittelafrikanische Hoch-
land, aus dem sie in zahlreichen Stromschnellen herabstürzen. Nach dem
Benue zu steigt dies Hochland zum Bergland von Adamaua an.
3. Klima und Kultur. Das Klima des Küstenlandes ist
tropisch heiß und feucht, daher für Europäer ungesund. Das Hochland
ist kühler und darum gesunder, ebenso die höher gelegenen Teile des
Kamerun-Berges. Während an der Küste, besonders im Übergang zum
Hochland, dichter Urwald vorherrscht, Kakaobäume und Kokospalmen,
Kaffee und Tabak angepflanzt werden, beginnen im innern Hochland die
Savannen, auf denen Büffel- und Antilopenherden weiden. In den
Wäldern finden sich die großen Affen, Schimpanse und Gorilla, sowie
zahlreiche Elefanten und große Wildschweine. Obwohl der Plantagenbau
von Jahr zu Jahr wächst, ist doch der Handel in dieser Kolonie über-
wiegend.
Die wichtigsten Ausfuhrerzeugnisse sind Palmkerne, Palmöl,
Kautschuk, Kakao, Ebenholz, Rotholz und Elfenbein. Das Fehlen von
Straßen und Lasttieren erschwert und verteuert den Verkehr und
Handel sehr.
4. Bevölkerung und Ortschaften. Die Zahl der Bewohner
von Kamerun schätzt man auf 3,5 Millionen (also auf 1 qkm 7). Sie
gehören im S. meist zu den Bantu-Negern; nur im N. wohnen, den
Bantu feindlich gesinnt, Sudan-Neger, die jenen erheblich überlegen sind.
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Extrahierte Personennamen: Ney Gorilla
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Kamerun Deutschland Götterberg Adamaua Büffel- Kamerun
Aus der Länderkunde der Erdteile.
37
Deutsche Faktorei am Kamerun.
Togoland, die kleinste unter den deutschen Besitzungen, ist gut be-
völkert und wichtig für den Handel mit Palmöl und Palmkernen.
Kamerun, die wichtigste deutsche Besitzung in Westasrika, ist mit dem
weiten Hinterlande so groß wie das Deutsche Reich und reicht bis zum
Tsadsee. Unweit der Nordwestküste erhebt sich das Kamerüngebirge,
das höchste Gebirge von Westafrika. An der Küste und um den schiffbaren
Kamerünfluß liegt ein sumpfiges Niederungsgebiet mit üppiger tropischer
Pflanzenwelt. Dann steigt das Land stufenförmig zu dem vielfach noch
unbekannten innern Hochlande empor. — Die Bewohner gehören zu den
Bautunegern, die ertragreichen Binnenhandel mit Palmöl treiben und ihre
Äcker von Frauen und Sklaven bestellen lassen. Das Christentum hat bereits
Eingang unter den Schwarzen gefunden. Am Kamerünfluß und an der
Küste deutsche H andelsuied erlassuu g en, die immer mehr emporblühen.
Der Sitz der Regierung ist Bn-ea.
Ii. Mittelafrika.
Mittelafrika umfaßt den n. tropischen Teil des südafrikanischen
Hochlandsdreiecks. Das Hochland steigt stufenförmig zu einer von Fieberluft
überlagerten Küsteuuiederung hinab. Der w. Teil der Hochfläche ist größten-
teils erfüllt von dem riesigen Becken des Kongo. Er ist sehr wasserreich,
mit vielen Stromschnellen und Wasserfällen und fließt durch Savannen und
große Urwälder. Die undurchdringlichen Walddickichte mit ihren Baum-
riefen, Schlingpflanzen und dem dichten Unterholz haben nur noch in Süd-
amerika und Indien ihresgleichen. Die Ströme haben natürliche Wege durch
diese Waldwildnisse gebahnt, und an ihren Ufern entlang erzwingt sich der
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
64
Reformationszeit.
Städtisches Leben im allgemeinen.
Aber einige waren untereinander untreu und betrogen sich um viele tausend Gulden. Darum wurden die Obersten in den Gesellschaften, welche die Rechnung machten, reicher als die, welche nicht bei der Rechnung waren. Die also reich wurden, nennt man geschickte Leute, und niemand spricht davon, daß sie eigentlich sind große Diebe."
Solchen modernen Zügen des Handelslebens entspricht nun auch die hochgesteigerte, mitunter derbe Genußsucht der Bürger, deren Sitten nach jetzigen Anschauungen oft recht roh waren. Im Trinken und Essen wie in Kleidung und Ausstattung der Wohnung ward von dem kraftstrotzenden, vollblütigen Geschlechte gewaltiger Luxus getrieben. In manchem Kaufmannshause fanden sich fürstliche Kleinodien und Kostbarkeiten. Viel behaglicher wohnte es sich jetzt überhaupt in den Städten. Zwar wurden die Straßen noch immer planlos angelegt, aber meist waren sie gepflastert Im Süden baute man schon durchweg die Häuser aus Stein und deckte sie nicht mehr mit Schindeln, sondern mit Ziegeln. Es gab schon kleine Glas-fenster, und die Wände — unten getäfelt — wurden oft mit bunten Teppichen geschmückt. Augsburg, Nürnberg und Straßburg erfreuten sich wohl der größten Blüte, über 20 000 Einwohner zählten aber auch sie nicht. Alle Städte waren nach heutigem Maßstab Kleinstädte. Denn trotz der nach alter guter Sitte sehr fruchtbaren Ehen stieg die Bevölkerung deshalb nur langsam (und zwar in den meisten Städten ziemlich gleichmäßig), weil die Wohnungen ungesund und der Standpunkt der ärztlichen Wissenschaft sehr niedrig war.*) Das trat in grauenhafter Deutlichkeit vor allem bei der Pest hervor (vgl. S. 50). Im 15. Jahrhundert zählte man etwa 40 Pestjahre! Ferner war die Kindersterblichkeit sehr groß; auch die Sitte, die Neugeborenen am ersten Tage in der Kirche zu taufen, trug dazu bei. Man sah
*) Im 15. Jahrhundert kamen in Frankfurt ct. M. auf 1000 Einwohner durchschnittlich 30 Blinde, heute aber nur 5.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Internationaler Sozialismus. Marxens Mehrwertlehre.
183
gelium aller Kommunisten geblieben, obgleich oder weil sie in einer den Halbgebildeten nicht recht verständlichen philosophischen Sprache gegeben waren. Marx knüpft seine Lehre an Ausführungen anderer Nationalökonomen (§. B. Rodbertus') an. Jede Ware hat doppelten Wert: Gebrauchs-und Tausch-(Kauf-) wert. Jener bleibt sich stets gleich, der Tauschwert aber ist veränderlich*). Allen Tauschverhältnissen liegt nun die auf die menschlichen Bedürfnisse berechnete Arbeit, die „einem nützlichen, schon bei Beginn des Arbeitsprozesses in der Vorstellung des Arbeiters vorhandenen Zwecke dient", als Gemeinsames zu Grunde. Sie ist die einzige Quelle und somit auch der einzige Maßstab jedes Tauschwertes. Dieser setzt sich im einzelnen zusammen aus dem Werte des gebrauchten Materials, der Abnutzung der Arbeitsgeräte und der verbrauchten menschlichen Arbeitskraft (dieser letzte Wert ist etwa dem des Lebensunterhalts gleich, den die Arbeiterfamilie nötig hat). Wäre der Preis einer Ware nun dem Werte an und für sich gleich, so würde natürlich aus der Produktion kein Gewinn gezogen. Deshalb muß ein Mehrwert dazu treten, und der kommt allein dem Fabrikanten zu gute**). Der Lohn des Arbeiters ist also viel geringer als der Wert seiner Arbeit. Der Fabrikant wird mühelos reich, die Arbeiter aber bleiben arm, wie sie sind. Nach abgeschlossenem Arbeitsvertrage ist ihnen zu Mute, als ob sie die eigene Haut zu Markte getragen
*) Ein Schuh z. B. kann nur zur Bekleidung, ein Brot nur zur Nahrung gebraucht werden. Der Tauschwert aber ist verschieden nach den Leder- und Kornpreisen.
**) Z. B. 10 Lohnarbeiter erhalten täglich im ganzen 50 Mark (mindestens soviel gebrauchen sie nämlich für ihren und der Ihrigen Lebensunterhalt), verfertigen aber 10 Röcke, die der Fabrikant für je 60 Mark verkauft. Nach Abzug von etwa 400 Mark für Tuch und Abnutzung der Arbeitsgeräte bleiben also 150 Mark über: sie bilden den Mehrwert, den der Fabrikant in seine Tasche steckt.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
238
Neueste Zeit.
halbjahre besuchten etwa 225 Personen, darunter viele Arbeiter, eine volkstümliche Vorlesung über Kulturgeschichte. Leipzig und München folgen dem Vorbilde Jenas. In München nahmen etwa 3400 Personen (darunter 18 Prozent Frauen) an den Volkshoch-schulkursen über Hygiene und Volkswirtschaft teil. Berlin bleibt noch zurück. Hier ward aber schon 1878 die Humboldt-Akademie gestiftet, auf der bis jetzt etwa 30000 Hörer aus dem Mittelstände an Vorlesungen aus den verschiedensten Wissensgebieten teilgenommen haben. Besonders erwähnt werden muß die Stiftung des Großkaufmannes Gehe in Dresden. Nach seiner Bestimmung werden aus den Zinsen von zwei Millionen Mark die Kosten für Vor-tragseyelen über Staats- und Rechtslehre, Verwaltung und Volkswirtschaft bestritten. Arbeiter und Handwerker nehmen aber nur wenig daran teil.
An solchen und anderen Volksbildungsbestrebungen war von jeher in allererster Linie das Bürgertum beteiligt. Offenbar können sie dazu beitragen, die verschiedenen Gesellschaftsklassen einander zu nähern, namentlich die Kluft zwischen Gebildeten und Nichtgebildeten etwas zu verengern. Das ist aber gerade wegen der sozialen Zustände der Gegenwart sehr wichtig. Sie unbefangen zu schildern bietet die größte Schwierigkeit, weil wir im Wirbel der Gegensatze uns unmittelbar am sausenden Webstuhl der Zeit befinden und von menschlichen Vorurteilen erfüllt leicht falsch verallgemeinern. Will jedoch eine Darstellung, die vornehmlich die jüngste Zeit berücksichtigt, wirklich zu angemessenem Abschluß gelangen, so dars sie sich der Ausgabe, so mißlich sie ist, nicht entziehen, die sozialen Gegensätze der Gegenwart im Überblick zu schildern.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
250
Gegenwart.
Schoß. Der Unternehmergewinn ist bei der stets wachsenden Fähigkeit der Gütererzeugung oft gering und zeigt im allgemeinen die Neigung zu sinken. Statt aber durch Einschränkung der Produktion das Angebot Zu mindern und so die Warenpreise wieder zu heben, erweitert der einzelne Fabrikant die Produktion, um recht viel Einzelgewinne zu erzielen. Die Konkurrenten machen es dann ebenso. Nicht immer wird durch „Ringe" gegen solchen Widersinn erfolgreich angekämpft. Das Ende ist dann der „Krach". Unter solchen Umständen wollen die Besitzenden das, was sie im Lebensspiele auf verschiedene Art, besonders durch Ausnutzung des neuen technischen und chemischen Verfahrens, durch geschickte Bank- und Warengeschäfte, durch Grundwertsteigerung gewonnen haben — das wollen sie behaupten und nicht gern durch soziale Reformen sich schmälern lassen. Recht geflissentlich suchen sie sich von den Unbemittelten, Überwiegend körperlich Arbeitenden auch äußerlich (z.b. durch Handschuhe und sorgfältig gepflegte Hände mit möglichst langen Nägeln) zu unterscheiden und lieben es, sich Fabrikbesitzer, Druckereibesitzer u. s. w. zu nennen*) (als ob es nur auf den Besitz ankäme). ■v$n den Kreisen der Geldmänner (vgl. S. 242), vor allem wenn sie Emporkömmlinge sind, wird mit dem Reichtum wohl gern protzenhaft geprunkt, z.b. bei dem sittlich anstößigen Wohlthätigkeitsfport und selbst im Gotteshause, wo die (im Widerspruch mit der biblischen Lehre von der Gleichheit aller vor Gott stehende) Plätzevermietung es den Besitzenden möglich macht, bessere Plätze zu besitzen. Gerade das selbstsüchtige Gebaren der Vermögenden aber — nicht bloß gewissenlose Agitation — erweckt Haß und Neid des „Volkes"
*) Böse Beispiele verderben gute Sitten. Statt „Schneider" heißt es nun oft „Herrenkleidermacher", und ein Barbier nennt sich womöglich „Haarkünstler" — auch ein Bürstenbinder könnte sich so vornehin titulieren — und den Raum, wo er seiner Verschöueruugsthätigkeit obliegt, „Salon". Der Zug nach äußerem Schein verbreitet sich von oben nach unten.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
66
Rcformationszeit.
fütterte man sie mit Almosen und reizte so nur die Begehrlichkeit.
— Von ruhigen gesellschaftlichen Zuständen in den Städten kann also nicht gesprochen werden.
Am verhängnisvollsten aber unter den mannigfachen, sich verschärfenden gesellschaftlichen Gegensätzen sollte der werden, der zwischen den Bauern und den übrigen Ständen sich herausgebildet hatte (f. S. 56). Völlig scheiden läßt sich übrigens bäuerliches und städtisches Leben nicht: besonders in kleinen Flecken wurde stets viel Landwirtschaft getrieben. — Den seitens der fürstlichen Landesherren sowie der niedrigen Adligen und der Städter ausgeübten Druck empfanden die Bauern nun deshalb besonders schwer, weil infolge der zunehmenden Geldwirtschast der Grundbesitz entwertet und zerstückelt war. Auch die reichen Bürger wußten sich in den thatsächlichen Besitz von Grundstücken zu setzen. Hatte der Bauer nämlich Geld nötig, so lieh es ihm der Städter unter der Bedingung, daß ihm ein Teil des Ertrages in Naturalien oder Geld abgeliefert würde
— dies war der sog. Rentenkauf. *) Aus Bildern wird daher wohl der Bauer dargestellt, wie er, die Hand an der Mütze, dem hochmütig hinter dem Zahltische sitzenden Bürger die Rente abliefert. Nicht zum mindesten wegen des die ganze Zeit beherrschenden Hanges zum Luxus, dem auch der „arme Mann" sich gelegentlich hingab, suchten die Grundherren dessen Abgaben und Dienste möglichst zu steigern und stützten sich dabei auf das römische Recht. Mit Ausgang des 15. Jahrhunderts kam dies mehr und mehr in Aufnahme. Entsprach doch der in ihm durchgeführte Grundsatz der unumschränkten und
*) Weil nach kanonischem Rechte Zinsnehmen verboten, ohne dies aber Handel und Verkehr nicht gut möglich war, so wurden die Darlehnsverträge in der Weise abgeschlossen, daß der Schuldner als Verkäufer, der Gläubiger als Käufer einer Rente erscheint, die in Naturalien oder Geld besteht; dafür giebt dieser jenem eine bestimmte Summe, und für diese Summe behält sich der Schuldner den Wiederkauf der Rente vor.
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