Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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d e Brahe wurde eigentlich nur mit den Brocken gespeist, welche von der Tafel ihrer Afterschwester fielen. Allgemein verbreitet war die Sitte, sich einen Hosastrologen zu halten, welcher namentlich den fürstlichen Kindern ihre „Nativität" zu stellen hatte. In den Archiven lagern noch jetzt in Masse jene wunderlichen Ausgeburten blinder Wissenschaft: Tabellen, die kein vernünftiger Mensch versteht, und die ihr Verfasser wohl selbst mehr zusammenphantasiert als berechnet hat.
Der Adel war, wie erwähnt, in allen diesen Dingen, soweit es Der ihm seine Mittel erlaubten, das Spiegelbild der höheren Fürstlichkeit.
Es hatte sich schon im sechzehnten Jahrhundert in seiner Stellung eine bedeutsame Änderung vollzogen, die ihm wenigstens teilweise zum Vorzug gereichte. Auf den Anschluß an die Höfe war er direkt angewiesen, denn die Reformation raubte ihm in den geistlichen Stiftern zahlreiche Versorguugsanstalten für seine Kinder: die Töchter wurden statt in den Klöstern, an den Höfen untergebracht. Mit dem Straßenraub war es vorbei, seit die Landesfürsten ihre erstarkte Territorialgewalt zur Sicherung der Landstraßen verwendeten; selbst der raublustige märkische Adel, der noch zur Zeit Joachims I. (1499—1535) so manchen Wegelagerer und Pferdedieb gestellt hatte, ließ von seiner Liebhaberei und versuchte aus seinem Grund und Boden etwas herauszuwirtschaften.
Es war für den Edelmann nicht leicht, anständig durchzukommen; längst machte ihm selbst im Heerdienst ein wohlgeschulter Berufssoldat von bürgerlicher Abkunft erfolgreiche Konkurrenz. Götz von Berlichingen brachte es zeit seines Lebens nur zum „Reiterführer", fein jüngerer bürgerlicher Berufsgenosse Sebastian Schärtlin von Bnrtenbach (geb. 1498, gest. 1577), Soldat und Staatsmann zugleich, hat als Generalkapitän große Heere befehligt und sich dabei ein schönes Vermögen zu erwerben verstanden.
Einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse bilden die Memoiren beider: Götz' Denkwürdigkeiten zeigen so recht, wie fremd der gealterte Reitersmann feiner Zeit gegenüberstand.
So mußte sich der Edelmann denn bequemen, selbst den Studien nachzugehen, um sich später als fürstlicher Rat fortzuhelfen, wenn ihm die nüchterne Stellung eines Hofjunkers, das geistlose Wesen eines Jagdjunkers nicht behagte. Für die Wissenschaft selbst hat der Adel im sechzehnten Jahrhundert nichts geleistet. Er mußte sich in den friedlichen Beschäftigungen erst die Geschicklichkeit erwerben, welche der
Deutsche Kulturgeschichte. Iii. g
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Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
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brach, zur Selbsterkenntnis und zu der Einsicht, daß es nur besser werden könne, wenn man selber besser werde.
„Es wird mir immer klarer" — schrieb die Königin Lnise im Frühling 1808 ihrem Vater, dem Herzog von Strelitz -„daß alles so kommen mußte, wie es gekommen ist. Die göttliche Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein, und es soll eilte andere Ordnung der Dinge werden, da die alte sich überlebt hat und als abgelebt in sich zusammenstürzt. Wir siud eingeschlafen aus den Lorbeeren Friedrichs des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, und deshalb überflügelte sie uns. Von Napoleon können wir vieles lernen, und es wird nicht verloren sein, was er gethan und ausgerichtet hat. Es wäre Lästerung, zu sagen, Gott sei mit ihm; aber offenbar ist er ein Werkzeug in des Allmächtigen Hand, um das Alte, welches kein Leben mehr hat, das aber mit den Außendingen fest verwachsen ist, zu begraben." Auch der König nahm sich die furchtbare Lehre zu Herzen; er bezwang feine Scheu, von dem Hergebrachten abzuweichen, sah sich nach besseren Ratgebern um, als die bisherigen gewesen, und beschloß, mit ihrer Hilfe eine Neugestaltung des 2taatswesens vorzunehmen.
Als den Einzigen, der den Staat wiederherstellen könne, betrachteten alle Einsichtigen den Mann, den der König noch jüngst in Ungnade von sich gestoßen, den Freiherrn vom Stein. Diesen berief der König jetzt zum Retter der Monarchie; Stein vergaß, wie man ihn behandelt hatte, und folgte dem Rufe. Am
30. September 1807 traf er in Memel bei Hofe ein, am 4. Oktober ward er an die Spitze der ganzen Eivilverwaltnng gestellt.
Karl R e i ch s s r e i h e r r vom und zum Stein war ein Rheinländer, geboren am 26. Oktober 1757 auf der Burg Stein bei Naffau ein der Lahn, ans einem alten Reichsrittergeschlechte. Seit mehr als zwanzig Jahren hatte er in deutschen, zuletzt in preußischen Staatsdiensten als Diplomat und Berwaltungsbeamter eine reiche Geschäftserfahrung zu dem staatsmännischen Genie gefügt, welches ihn auszeichnete. Denn voll idealen Schwunges traf sein durchdringender Geist doch
stets deu Kern der Wirklichkeit, den Mittelpunkt der reellen Be-
dürfnisse, und begeistert für alles Edle und Große, für Recht
\
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Extrahierte Personennamen: Strelitz Friedrichs Napoleon Karl_R Karl
^ Das Altertum.
mif Tr' rrie ägyptischen Ärzte, die ihn nicht heilen konnten,
auf Pfahle spießen lassen wollte. Nur die Fürbitte des griechischen Arrtes der thn geheilt hatte, hielt ihn davon ab. 5 '
8 30.
Griechenland.
76) Während die riesigen Staaten Asiens in Trümmer zer-stueit, halten sich Bildung und Gesittung nach Europa verpflanzt. Die ersten Träger waren die Bewohner des jetzigen Griechenlands. Ms das südöstlichste Land Europas und in der Mitte dreier Weltteile gelegen, war es vorzüglich geeignet, die Kultur der Alten Welt in sich aufzunehmen und veredelt den europäischen Völkern zu übermachen. Die Griechen waren es vorzüglich, die das Schöue m Kunst und Wissenschaft pflegten und es in einer solch vollendeten Form darzustellen wußten, daß ihre Kunstwerke noch heute für uns klassische, d. H. mustergültige sind. Sie nehmen unter den Völkern des Altertums die erste Stelle ein. Ihre ^schichte nimmt deshalb unsere Aufmerksamkeit vorzüglich in Anspruch.
77) Im allgemeinen bestand Griechenland ans drei großen Landschaften. Im Norden lagen Thessalien und Epirus. An dieses grenzte Mittelgriechenland oder Hellas an, welches durch die Landenge (Isthmus) von Korinth mit dem südlichen '^eile, dem Peloponnes, zusammenhing. Bewohnt wurde es von einer Menge kleinerer Völkerstämme. Die ersten Einwohner kamen vom Kaukasus her. Es waren die Pelasger, welche in Thessalien und Epirus einwanderten. Nach ihnen kamen aber bald die Hellenen, welche die Oberhand gewannen, während von den Pelasgern viele nach Italien und den Inseln auswanderten.^ Bald nannte man.alle die vielen Völkerstämme mit dem gemeinschaftlichen Namen die Hellenen. Unter den Hellenen traten bald die Dorier in Thessalien und die Ionier in Attika hervor.
Anmerkungen.
1. Griechenland ist auf drei Seiten vom Meere umgeben, im Süden vom Mittelländischen, im Osten vom Ägäischen und int Westen vom Jonischen Meere. Im Norden ist Griechenland durch hohe Gebirgsketten gedeckt. Im Osten ist es beiläufig ebenso weit von Kleinasien entfernt, als im Westen von Italien. Den Namen Griechenland erhielt Hellas von den Römern, und zwar sollen sie das Land nach dem kleinen thessalischen Volksstamme der Grajen so genannt haben.
Thessalien wird von dem größten Flusse Griechenlands, dem Penens, durchströmt. Die vorzüglichsten Gebirge sind: der Olymp, wohin die Phantasie den Wohnsitz der Götter verlegte; der Ossa, von
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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kehr in der Weltpost 31t schließen. Es ist derselbe Mann, der, unter das Niveau der Agentur herabsteigend, als unterstes Glied des Dienstes die Posthilfsslelle erfand und in dessen Hirn der Gedanke eines Weltpostbnreaus entsprang, welches zum erstenmal in dei' Weltgeschichte eine Lhätigkeit über einen Staatenverein der fünf Erdteile entfaltete. In denselben Jahren, mo der „fahrende Landbriefträger" durch gelegentliches Mitnehmen eines Fahrgastes die alte Personenbeförderung der Post im kleinsten Kreise wieder erneuerte, in denselben Jahren liefen die ersten Postdampfer von unsern Häsen nach den Uferländern des Indischen Oceans aus. Dieselbe Reichspost, die auf jedes Mittel, die Dörfer in den modernen Schnellverkehr zu ziehen, so wachsam bedacht war, daß sie dem Heimatlande des Telephons in der Anlegung von Fernsprechämtern voreilte, dieselbe Reichspost hat das erste Sabel ins Meer gesenkt, welches Deutschland mit dem andern Ufer des Atlantischen Oceans verbindet.
Auch darin zeigen sich die modernen Verkehrseinrichtungen als das Nervensystem des Staatskörpers, daß sie einerseits die ganze Oberfläche des Körpers, auch in ihren kleinsten Teilen zu ersassen streben, und daß sie andererseits dem so erfaßten Körper die Eindrücke der Außenwelt auf die empfindlichste Art zugänglich machen. Das eine ist vom andern unzertrennlich. Das ist das Herrliche an dem nationalen Werke unserer neuen Verkehrseinrichtungen: es zeigt uns deutlich, wie nationale Leistungen dem Solidaritätsgefühl der Menschheit förderlich, wie sie geradezu die Vorstufe werden können für die Erfüllung weltbürgerlicher Forderungen, wenn diese sich auf einem Gebiete bewegen, wo sie ihre Berechtigung dnrch ihre Erfüllbarkeit beweisen. Im Zeitalter der Reichspost und des Weltpostvereins ist der Deutsche dem Deutschen, aber auch der Mensch
dem Menschen näher genickt als je.
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Extrahierte Personennamen: Sabel
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dergleichen Dinge hingleiten, ohne mein Inneres zu berühren. Auch würde es m t cf) zu viel kosten, bei solcher Gelegenheit den Galanten zu spielen!" Auch in seinen Memoiren, die er auf Helena niederschrieb, erinnerte sich der Kaiser jenes Tilsiter Tages und rühmt der Königin nach: „Sie bewegte sich aus das ungezwungenste in der Unterhaltung, kehrte immer wieder zu ihrem Gegenstand zurück und das alles mit soviel Takt und Feinheit, daß man sich unmöglich daran stoßen konnte!"
Als die Königin am Nachmittag des 7. Juli noch einmal nach Tilsit gefahren kam, eröffnete ihr Friedrich Wilhelm Iii., daß ihr Opfer nutzlos gewesen sei. Auch an diesem Abend lud Napoleon das Königspaar zur Tafel zu sich. indes war die Unterhaltung natürlich gezwungen und einsilbig. Als der Kaiser Luise zum Wagen geleitete, gestand er ihr offen sein Bedauern, ihre Wünsche nicht erfüllen zu können. Die Königin erwiderte, sie habe nun den Helden des Zeitalters kennen gelernt, aber der Eindruck sei ein getrübter. da seine Großmut nicht seinen andern Eigenschaften ebenbürtig sei. ..Ich beklage," sagte Napoleon, „aber es ist einmal so. Es ist mein böses Schicksal!" „Ich bin grausam getäuscht worden!" — dies war das Abschiedswort der Königin und es birgt zugleich die Summe des Erfolges dieser beiden Tage. Am 9. Juli ward der Tilsiter Friede unterzeichnet.
Es ist müßig, untersuchen zu wollen, ob das Opser, welches man der Königin zumutete, überhaupt die Möglichkeit eines Erfolges bei Napoleons Charakter bieten konnte. Daß die Königin Luise bereit war. es zu bringen, und daß sie es gebracht hat, — das macht uns die Tilsiter Zusammenkunft zu einer so wehmütigen, aber auch heiligen Erinnerung. Es war ein Leidenstag für sie, aber sie hat für ihr Volk gelitten, und wenn je eine Königin, so hat s i e ihres Volkes Dank geerntet.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Preußen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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sollte gespeist werden. Die Mahlzeit bestand in Mehlklößen mit Sauce. Bei Verteilung derselben geschah aber eine ergötzliche Verwechslung. Die Armee des Prinzen Friedrich Karl hatte nämlich nur Sauce bekommen, aber keine Klöße, und die Armee des Prinzen Friedrich Wilhelm hatte nur Klöße, aber keine Sauce erhalten. Nun ging es aber doch nicht an, daß der Feind bei dem Feinde austauschte, und so mußte sich Prinz Friedrich Karl mit seinen Truppen mit der Sauce begnügen, während der Prinz Friedrich Wilhelm und seine Truppen die trockenen Klöße verschluckten."*)
In dem preußischen Königshause herrscht die alte gute Sitte, daß jeder Prinz ein Handwerk lernen muß. „Unser Fritz" lernte zunächst die Tischlerei und wurde später auch in die Geheimnisse der Buchbinderei und Buchdruckerkunst eingeweiht.
Ferien-Reisen, die nach dem Thüringer Wald, der märkischen und sächsischen Schweiz und dem Riesengebirge unternommen wurden, gewährten dem Prinzen die nötige Erholung von seinen geistigen Anstrengungen. Auch das Meer erblickte er im Jahre 1845 auf seiner ersten Seereise nach der Insel Rügen, und der Anblick desselben machte auf sein empfängliches Gemüt einen tiefen Eindruck.
Vater und Mutter waren bemüht, — fo schreibt Wilh. Petsch — bei der Erziehung des einzigen Sohnes, zu dem im Jahre 1838 noch eine Tochter kam, die Prinzessin Luise, jetzige Großherzogin von Baden, ihren segensreichen Einfluß auszuüben, und beide ergänzten sich bei der schweren Aufgabe in harmonisch schöner Weise. Sein Vater, Prinz Wilhelm, wirkte bei der Erziehung mit energischer Betonung auf die Entwicklung aller Eigenschaften eines guten und tüchtigen Kriegsmanns hin. Daß diese Erziehung jedoch keine einseitige wurde, dafür sorgte die geistvolle, vielseitig gebildete
*) Planken, Erinnerungsblätter.
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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immer waren Land und Seilte entfernt nicht wieder auf die Stufe des materiellen Wohlstandes augelaugt, der vor dem großen Kriege und bis 1624 geherrscht hatte. Noch immer war Die Zahl der wüsten Stellen in den Städten sehr groß, am größten vielleicht in der Altmark, wo 1721 z. B. in Stendal 365, in Salzwedel 191 gefunden wurden. Aber auch in den kurmärkischeu Städten betrug ihre Zahl 3257, und auf dem platten Lande lagen noch immer die weitesten Strecken einst wohlbebauten Landes, zahllose Hufen und Dorfmarken wüst und unbebaut. Von Anfang an hatte der König daher sein Augenmerk auf die „Peuplierung", d. H. auf die Vermehrung der Bevölkerung, die neue Besiedelung des Landes gerichtet und war den Versuchen von Gutsherren und Pächtern, solcher wüsten Hufen sich zu bemächtigen, entgegengetreten, weil dadurch die Last der Gutsuuterthaueu zugleich aus die neu angeeigneten Landstrecken ausgedehnt und die Peuplierung gehemmt wurde.
„Menschen halte vor den größten Reichtum" schreibt Friedrich Wilhelm einmal, und wenn man den niedrigen Stand der Kultur beachtet, auf dem dünn bevölkerte Länder regelmäßig stehen, so wird man die Bedeutung dieses Satzes zu würdigen wissen und in dem Eifer, mit welchem der König sogar seine langen Kerle an hochgewachsene Mädchen zu verheiraten suchte, boch auch wieber den volkswirtschaftlichen Grundgebanken des Königs ftnben. Es war ja gerabezu entsetzlich, daß in Preußen z. B., wo heute 2700 Menschen aus einer Gua brat-meile wohnen, damals höchstens 600 Menschen ihr Dasein fristeten und natürlich entfernt nicht imstande waren, der Natur die Erträge abzugewinnen, die sie zu bieten vermochte. Vielmehr mußten gerade die weiten unbebauten Ebenen jede Kultur im Keime ersticken. Im Lause des dreißigjährigen Krieges war, wie erwähnt wurde, etwa ein Drittel der Bevölkerung ums Leben gekommen, und dies zu ersetzen war daher eine naturgemäße Ausgabe der Regierung. Ungeheuer aber ist der Erfolg derselben zu nennen, daß es ihr gelang, im Laufe eines Jahrhunderts (bis 1740) durch fremde Zuzügler die Bevölkerungsziffer um den vierten Teil, um 600 000, zu erhöhen. Im ganzen wird damit der Verlust an Menschen, den der Krieg herbeigeführt, durch die Arbeit der brandenburgisch-preußischen Herrscher dem Laude wieder ersetzt sein. Von ungleich größerer Bedeutung war jedoch, daß die Bevölkerung wieder fähig war, ihre natürlichen Gaben zu brauchen, um den Reichtum des Landes zu heben oder vielmehr, um ein der menschlichen Würde gemäßes Leben zu führen. Und eben hierfür war der König und feine Behörden vorzugsweise thätig, und während sonst in Europa die schwindelhaftesten Bankunternehmungen, wie die Mississippi - Aktien Laws in Frankreich, die Bubbles und die Südseekompanie in England, Staat und Unterthanen an den Bankerott führten, erhob sich in Preußen Friedrich Wilhelm zu einer unter deu damaligen Verhältnissen des Landes unzweifelhaft richtigen, die Bedingungen des wirtschaftlichen Gedeihens ihrem ganzen Zusammenhange nach voll würdigenden Anschauung. Vor allem die Wechselwirkung zwischen Landwirtschaft und Industrie, die Abhängigkeit, in
10*
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Altmark Stendal Salzwedel Europa Frankreich England
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
202
geblieben sind; an ihrer Hand ist sie in den Geist der damaligen Zeit, der in Weimar noch immer nachwirkte, eingeführt worden. Von der Natur mit reichen und edlen Anlagen ausgestattet, erhielt sie in dem elterlichen Hanse und unter der unmittelbaren Mitwirkung Goethes eine vortreffliche Erziehung. Aufs gewissenhafteste war der letztere bemüht, ihre Ausbildung zu fördern. Er selbst hielt ihr und ihrer älteren Schwester, der Prinzessin Marie, Vorträge über die mannigfachsten Zweige des Wissens, an ihrem Eifer und ihrem offenen Verständnisse sich erfreuend, und veranlaßte auch andere dazu, ihr solche zu halten. Im Sommer lebte die großherzogliche Familie meist im Lustschloß Belvedere, dem Lieblingsaufenthalt der Großfürstin, von dem Goethe der Prinzessin Augusta eine Zeichnung widmete mit den darunter geschriebenen Zeilen:
„Erleuchtet draußen hehr vom Souuengold,
Bewohnt im Innen:, traulich froh und hold,
Erzeige sich dein ganzes Leben so:
Nach außen herrlich, innen hold und froh."
Von Belvedere aus wurden kleinere oder größere Spaziergänge unternommen, und recht oft ging es in die an der Ilm gelegene Walkmühle, wo
die Müllersleute Vent wohnten, mit denen das großherzogliche Haus gute Nachbarschaft hielt. Tie Prinzessinnen fanden in Fritz Vent, dem Müllerssohn, den besten Freund, der ihnen £6st von den Bäumen schüttelte, auch wohl ein
Brett als Schaukel über einen Balken legte zum „Wippen". Es war zu schön bei Vents; die Großmutter zauberte alles herbei, frische Milch, Honig, Obst, Schinken; auch znm Schlachtfest waren die Kinder geladen. Aber ebenso oft kehrten Vents im Schlosse ein, irgend einen Auftrag auszurichten, und Prinzeß Augusta hatte ihrem Papagei die Worte gelehrt: „Auguste, Karoline (jo hieß die Frau des Müllers Vent) ist da!"
Schon früh erkannte Goethe, der mit der lebhaftesten Teilnahme der geistigen Entwickelung der Prinzessin folgte, die außerordentliche Willenskraft derselben, aus der man auf ihren festen Charakter schließen durfte, und auch
Frau von Schiller hebt dieselbe schon früh an dem Kinde hervor. Von der
fünfzehnjährigen Prinzessin schreibt Humboldt gegen Ende des Jahres 1826: „Tie Schwester der Prinzessin Marie, Prinzessin Augusta, soll schon in dieser frühen, kaum der Kindheit entgangenen Jugend einen festen und selbständigen Charakter haben. Ihr lebendiger, durchdringender Geist spricht aus ihrem Blick: ihre Züge sind in höchstem Grade bedeutungsvoll, und ihre ganze Gestalt wird sich in einigen Jahren gewiß noch schöner, als sie jetzt schon erscheint, entwickeln."
Nach einer Zeit ernster Sammlung wurde Prinzessin Augusta ant 21. August 182 < vom Oberhofprediger D. Röhr konfirmiert. Tas von der jungen Prinzessin aus Anlaß ihrer Konfirmation von ihr selbst verfaßte Glaubensbekenntnis schloß mit den Worten: „Ich erstehe int Gebet den göttlichen Beistand zur Erfüllung meines Berufes hier auf Erden; denn ich halte denselben für eine Vorbereitung zu einem andern Leben, in welches nach dem Tode jeder Mensch ein-
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Extrahierte Personennamen: Goethes Marie Augusta Fritz_Vent Prinzeß_Augusta Karoline_( Goethe Schiller Humboldt Marie Augusta Augusta August
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
299
Lebensdauer noch abkürzen werde: trotzdem zögerte er nicht einen Angenblick lang, dein Rufe des Schicksals und des Vaterlandes Folge zu leisten.
Man hatte erwartet, daß er sich als Kaiser und König „Friedrich Wilhelm V." nennen werde, da er als Kronprinz immer Friedrich Wilhelm unterschrieben hatte. Aber in seiner frühesten Jugend hatte er „Prinz Friedrich" geheißen; nur auf Befehl seines Oheims Friedrich Wilhelms Iv. war er mit den beiden Namen bezeichnet worden; als „Fritz" hatte er in der Familie
und im Volksmunde gegolten: „Friedrich Iii." nannte er sich deshalb als Kaiser
und König.
Am 7. März langten die ersten Nachrichten von dem bedrohlichen Zustande Kaiser Wilhelms in San Remo an. Sie wiederholten sich stündlich und versetzten den kranken Kronprinzen, der sich soeben erst von schwerem akuten Leiden zu erholen begann, in die schmerzlichste Aufregung. Am 8. März traf eine Depesche des Fürsten Bismarck ein, die dringend die sofortige Heimkehr des Kronprinzen forderte. Ter letztere ließ Mackenzie zu sich bescheiden und fragte ihn: „Würde meine Rückreise nach Berlin jetzt irgend eine Gesahr in sich schließen?" Auf die bejahende Antwort des Arztes äußerte der Prinz ruhig: „Es giebt Umstände, wo es die Pflicht jedes Mannes ist, sich einer Gefahr auszusetzen, und solche Umstände sind jetzt eingetreten. Ich werde übermorgen zurückreisen. Ich bitte Sie, alle ärztlichen Vorsichtsmaßregeln anzuwenden und mit dem (Hofmarschall) Grasen Radolinski darüber zu verhandeln. Ich verlasse
mich auf Sie, daß Sie alle Bedenklichkeiten meiner Reife nach dem Norden
möglichst verringern werden."
Als am folgenden Tage dein neuen Kaiser seine hohe Gemahlin die Trauerbotschaft von dem Hinscheiden seines erlauchten Vaters möglichst schonend beibrachte, war er tief erschüttert. Längere Zeit blieb er in schmerzlicher Erregung allein in seinem Zimmer, während Kaiserin Viktoria laut weinend im Garten auf und ab ging. Ten ganzen Tag über hielten der Kummer und die Aufregung bei Friedrich Iii. an. Indes er hatte eine gute Nacht verbracht; zum erstenmal seit der Operation nahm er das Tiner mit seiner Familie ein: es schien, als ob die große Aufgabe, die seiner harrte, seine Kräfte wunderbar gestärkt hätte. Er arbeitete den ganzen Nachmittag hindurch, um die Schriftstücke, die feilt Regieruugsprogramm enthalten sollten, zu redigieren. Auch traf er Anordnungen über seine weitere ärztliche Behandlung: er behielt Mackenzie sowie die Toktoren Wegner und Kranse z» seiner beständigen Pflege, während Geheimrat von Bergmann ihn nllrnöclientlich besuchen und sein Befinden überwache» sollte.
Zunächst bestätigte er, noch von San Remo ans, die bisher amtierenden Minister in ihren Stellungen. Es war das offenbar notwendig, um die Kontinuität der Verwaltung zu erhalten. Auch konnte weder noch wollte der schwer kranke Herrscher daran denken, sofort einen Bruch mit der bisher verfolgten Politik herbeizuführen, sondern mußte es darauf ankommen lassen, wie und wann
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Wilhelms Wilhelms Viktoria Friedrich_Iii Friedrich Wegner Bergmann