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1. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. III

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
Vorwort. Über den Charakter und die Anlage der „Präparationen" ist in den früheren Teilen bereits das Nötige gesagt worden. Was den vorliegenden Teil betrifft, so bedarf wohl die Stoffauswahl im allgemeinen keiner Erklärung und Rechtfertigung, da die behandelten Ereignisse längst als eine wesentliche Grundlage unserer heutigen Zustände und Kulturgüter anerkannt sind; über Einzelheiten wird sich immer richten lassen. In der Darbietung des Stoffes schließt sich der vorliegende Teil noch weit mehr als der vorige an die Quellen an, insbesondere bei der Behandlung des äußeren und inneren Lebens Luthers. Denn gute Quellen, in verständlicher deutscher Sprache, fließen ja hier in unermeßlicher Fülle, und ein tieferer Einblick in das Geistesleben Luthers ist ja ein Einblick in den Kern des evangelischen Christentums und in den Keim der neuen Zeit. Doch ist in vielen Stücken auch für die freie Erzählung des Lehrers Raum gelassen und Anhalt gegeben, und für die „darstellende" Behandlung findet der Lehrer, der diese Darbietungsform gerne handhabt, ja überall Gelegenheit. Die methodische Behandlung ist die gleiche wie in den früheren Teilen; besonders hat sich der Verfasser um die mannigfaltige Ausgestaltung der dritten und vierten Stufe bemüht, um diese in der Theorie fo umstrittene Frage durch praktische Versuche und Vorschläge ihrer Lösung näherbringen zu helfen. Die Form der dargebotenen Geschichtserzählung ist, wie fchon gesagt, diesmal im wesentlichen eine quellenmäßige, besonders bei der Geschichte Luthers, und so ist das Lesebuch eine Art Reformationsbüchlein geworden, und zwar ein ziemlich umfangreiches. Doch bei Mithilfe des

2. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 62

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 62 — des Wortes auch der Seele eigen werden. Wie das Wort ist, so wird auch die Seele von ihm, gleich als das Eisen glutrot wird wie das Feuer aus der Vereinigung mit dem Feuer. Also sehen wir, daß an dem Glauben ein Christenmensch genug hat; er bedarf keines Werkes, daß er fromm sei. Bedarf er denn keines Werkes mehr, so ist er gewißlich entbunden von allen Geboten und Gesetzen. Ist er entbunden, so ist er gewißlich frei. Das ist die christliche Freiheit. 15. Zum fünfzehnten. Durch den Glauben ist ein Christenmensch so hoch erhaben über alle Dinge, daß er aller ein Herr wird — geistlich ; denn es kann ihm kein Ding schaden zur Seligkeit. Ja es muß ihm alles Unterthan sein und zur Seligkeit helfen, wie S. Paulus lehrt Röm. 8. 28. Nicht, daß wir aller Dinge leiblich mächtig find, sie Zu besitzen oder zu brauchen, wie die Menschen auf Erden, denn wir müssen sterben leiblich, und niemand kann dem Tod entfliehen; so müssen wir auch viel anderen Dingen unterliegen, wie wir an Christo und feinen Heiligen sehen. Denn dies ist eine geistliche Herrschaft, das ist, ich kann mich an allen Dingen bessern nach der Seele, daß auch der Tod und Leiden mir dienen müssen und nützlich sein zur Seligkeit, das ist eine recht allmächtige Herrschaft, ein geistliches Königreich, da fein Ding so gut, so böse ist, es muß mir dienen zu gut, wenn ich glaube, und bedarf fein doch nicht, sondern mein Glaube ist mir genügsam. Siehe, wie ist das eine köstliche Freiheit und Gewalt der Christen. Ii Nun kommen wir aufs andere Teil auf den äußerlichen Menschen. Hier wollen wir antworten allen denen, die sich ärgern aus deu vorigen Reden und zu sprechen pflegen: „Ei, so denn der Glaube alle Diuge ist. und gilt allein genugsam fromm zu machen, warum sind denn die Werke geboten ? So wollen wir guter Diuge fein und nichts thun." Nein, lieber Mensch, nicht also! Es wäre wohl also, wenn du allein ein innerlicher Mensch wärest und ganz geistlich und innerlich geworden, welches nicht geschieht bis am jüngsten Tage. Es ist und bleibt auf Erden nur ein Anheben und Zunehmen, welches wird in jener Welt vollbracht. Wie das zugehe, wollen wir sehen. 20. Zum zwanzigsten. Obwohl der Mensch inwendig nach der Seele durch den Glauben genugsam gerechtfertigt ist und alles hat, was er haben soll, so bleibt er doch noch in diesem leiblichen Leben aus Erden und muß seinen eignen Leib regieren (20—25) und mit Leuten umgehen (26—29). Da hebert nun die Werke an; hier muß er nicht müßig gehn; da muß fürwahr der Leib mit Fasten, Wachen, Arbeiten und mit aller mäßigen Zucht getrieben und geübt sein, daß er dem innerlichen Menschen und dem Glauben gehorsam und gleichförmig werde, nicht hindere noch widerstrebe, wie seine Art ist, wo er nicht gezwungen wird. Denn der innerliche Mensch ist mit Gott eins, fröhlich und lustig um Christi willen, der ihm so viel gethan hat, und steht alle feine Lust darin, daß er wiederum möchte Gott auch umsonst dienen in freier Liebe ; da findet er in feinem Fleisch einen widerspenstigen Willen, der will der Welt dienen und suchen, was ihm gelüftet. Das mag der Glaube nicht leiden und legt sich mit Lust an feinen Hals, ihn zu dämpfen und ihm zu wehren; wie S. Paulus sagt Röm. 7, 23 und Galat. 5, 24. 21. Zum einundzwanzigsten. Aber dieselben Werke müssen nicht geschehen in der Meinung, daß dadurch der Mensck fromm werde vor Gott, sondern nur in der Meinung, daß der Leib gehorsam werde und gereinigt von seinen bösen Lüsten. Denn dieweil die Seele durch den Glauben rein ist und Gott liebt, wollte sie gern, daß auch also alle Dinge rein wären, zuvor ihr eigener Leib, und jedermann Gott mit ihr liebe und lobe. So geschieht es, daß der Mensch seines eignen Leibes halben nicht ntüssig gehen kann und viel guter Werke darüber üben muß, daß er ihn zwinge; und doch sind die Werke nicht das rechte Gut, davon er fromm und gerecht fei vor Gott, sondern er thue sie aus freier Liebe umsonst, Gott zu gefallen. 23. Zum dreiundzwanzigsten. Darum find die zwei Sprüche wahr: „Gute,

3. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 65

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 65 — Iii. An den christlichen Adel deutscher Nation. Zweiter Teil.*) Nun wollen wir sehen die Stücke, die man billig in den Konzilien verhandeln sollte, und mit denen Päpste, Kardinäle, Bischöfe und alle Gelehrten billig Tag und Nacht umgehen sollten, so sie Christum und seine Kirche lieb hätten. Wo sie aber das nicht thun, so muß das Volk und das weltliche Schwert dazu thun, unangesehen ihr Bannen und Donnern. Darum lasset uns aufwachen, liebe Deutsche, und Gott mehr denn die Menschen fürchten, daß wir nicht des Schicksals aller armen Seelen teilhaftig werden, die so kläglich durch das schändliche, teuflische Regiment der Römer verloren werden, wo täglich mehr und mehr der Teufel zunimmt, so es anders möglich wäre, daß solches höllische Regiment ärger werden möchte, was ich doch nicht begreifen noch glauben kann! L. Zum ersten ist es greulich und erschrecklich anzusehen, daß der Oberste in der Christenheit, der sich Christi Stellvertreter und S. Peters Nachfolger rühmt, so weltlich und prächtig fährt, daß ihm darinnen fein König, fein Kaiser erreichen und gleich werden sann. Er trägt eine dreifältige Krone, wo die höchsten Könige nur eine Krone tragen: gleicht sich das mit dem armen Christo und S. Peter, io ist es ein neues Gleichen. Man plärret, es sei ketzerisch, wo man dawider redet; man will aber auch nicht hören, wie unchristlich und ungöttlich solches Wesen sei. Ich hatte aber, wenn er mit Thränen vor Gott beten sollte, er müßte solche Krone ablegen, dieweil unser Gott seine Hoffart leiden mag. Nun sollte sein Amt nichts anderes sein denn täglich weinen und beten für die Christenheit und ein Exempel aller Demut vortragen. Es sei wie ihm wolle, so ist eine solche Pracht ärgerlich, und der Papst bei seiner Seelen Seligkeit schuldig, sie abzulegen. Es wäre dem Papst genug eine gemeine Bischofskrone; in Kunst und Heiligkeit sollte er größer sein vor andern und die Krone der Hoffart dem Endchrist lassen, wie da seine Vorfahren gethan haben vor etlichen hundert Jahren. Sie sprechen, er sei ein Herr der Welt. ^ Das ist erlogen. Denn Christus, dessen Statthalter und Amtmann er sich rühmt, sprach vor Pilatus: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt." Es kann kein Statthalter weiter regieren denn sein Herr. 2. Zum andern: Wozu ist das Volk nütze in der Christenheit, das da heißt die Kardinäle? Das will ich dir sagen. Welschland und Deutschland haben viele reiche Klöster, Lehen und Pfarren. Die hat man nicht besser gen Rom zu bringen gewußt, denn daß man Kardinäle machte, und denselben die Bistümer, Klöster, Prälaturen zu eigen gebe und Gottes Dienst also zu Boden stieße. Darum sieht man jetzt, daß Welschland fast wüst ist, Klöster verstört, Bistümer verzehrt, Prälaturen und aller Kirchen Zinsen gen Rom gezogen, Städte verfallen, Land und Leute verdorben, da kein Gottesdienst noch Predigt mehr geht. Warum? Die Kardinäle müssen die Güter haben. Kein Türke hätte Welschland so verderbe» und Gottes Dienst niederlegen können. Nun Welschland ausgesogen ist, kommen sie ins deutsche Land. Was darinnen die Römer suchen, sollen die trunkenen Deutschen nicht verstehen, bis sie kein Bistum, Kloster, Pfarre, Lehen, Heller oder Pfennig mehr haben. Der Endechrist muß die Schätze der Erde hebert, wie es verkündet ist. Darum rate ich, daß man der Kardinäle weniger mache oder den Papst sie von seinem Gute nähren lasse. Ihrer wäre übergenug an zwölf, und ein jeglichet hätte des Jahres tausend Gulden Einkommen. Wie kommen wir Deutschen dazu, daß wir solche Räuberei, Schinderei unserer Güter von dem Papst leiben müssen? Hat das Königreich zu Frankreich sich's verwehrt, warum lassen wir Deutschen uns also narren und äffen? Es wäre alles erträglicher, wenn sie allein das Gut uns also abstöhlen: aber die Kirche verwüsten sie damit und berauben die Schafe Christi ihrer frommen Hirten und legen den Dienst und das Wort Götter darnieder. Und wenn schon kein Kardinal wäre, die Kirche würde dennoch nicht versinken. So thun sie nichts, das der Christenheit dient; nur Geld- und Hadersachen um die Bistümer und Prälaturen treiben sie, was auch wohl ein jeglicher Räuber thun könnte. *) Der erste Teil nebst Widmung und Eingang ist im Lesebuch mitgeteilt. Staude u. Gövsert, Präparationen. Band Iv. 5

4. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 68

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 68 — Dieser Mutwille und lügenhafte Vorbehalt des Papstes macht nun zu Rom ein solches Jzsejen, daß niemand davon reden kann. Da ist ein Kaufen Verkaufen, Wechseln, manschen, Rauschen, Lügen, trügen. Rauben, Stehlen, Prachten, Büberei, ans allerlei Wei,e Gottesverachtung, daß es dem Endchrist nicht möglich ist, lästerlicher zu regieren. Es ist nichts mit Venedig, Antwerpen, Kairo gegen diesen Jahrmarkt und Kaufhandel zu Rom, nur daß dort noch Vernunft und Recht gehalten wird er geht es, wie es der Teufel selbst will. Sollten sich solche Leute nicht billig furchten vor der Reformation und einem freien Konzil und eher alle Könige und Fürsten gegeneinander hetzen, daß nur nicht durch ihre Einigkeit ein Konzil werde? <der mag leiden, baf) solche feine Büberei an den Tag komme? Zuletzt hat der Papst zu allen diesen edlen Händeln ein eignes Kaufhaus aufgerichtet, dav ist des Datarius*) Haus zu Rom. Dahin müssen alle die kommen, die dieser Weise nach um Lehen und Pfründen handeln. Hast du nun Geld in diesem Hause, so kannst du zu allen den gesagten Stücken kommen, und nicht allein zu denselben, sondern allerlei Wucher wird hier um Geld redlich, alles gestohlene, geraubte Gut gerechtfertigt. Hier werden die Gelübde aufgehoben; hier den Mönclien Freiheit gegeben, aus den Orden zu gehen; hier ist feil der eheliche Stand der Geistlichen; hier kann alle ltnehie und Schande zu Würden kommen; aller böse Tadel und Mal wird hier zum Ritter geschlagen und edel. Hier leidet man den ehelichen Stand, der in verbotenem Grad ist oder sonst einen Mangel hat. O welch eine Schätzerei und Ächtnöeiei regiert da, daß es den Anschein hat, als feien alle geistlichen Gesetze allein Darum gesetzt, daß nur viel Geldstricke würden, daraus sich lösen muß, wer ein Christ lein (oll! Ja, Hier wird der Teufel ein Heiliger und ein Gott dazu; was Himmel Glicht vermag, das vermag dies Haus. O wie ein schlechter Schatz ist der Zoll am Rhein gegenüber diesem Heiligen Hansel Niemand soll achten, daß ich zu viel sage. Es ist alles öffentlich, daß sie selbst zu Jiom bekennen müssen, es fei greulicher und mehr, denn jemand sagen könnte, ^ch habe noch nicht, will auch noch nicht berühren die rechte höllische Grundsuppe von den persönlichen Lastern. Ich rede nur von gemeinen, geläufigen Sachen und kann ite dennoch mit Worten nicht erlangen. ®enn ^as sie mit Ablaß, Bullen, Butterbriesen und Beichtbriefen ***) in allen -ändern gestohlen haben, noch stehlen und erschinden, achte ich als Flickwerk und gleich, als wenn man mit einem Teufel in die Hölle würfe. Nicht, daß sie wenig eintragen, denn ein mächtiger König könnte sich wohl davon erhalten, sondern daß sie gegen die oben genannten Schatzzuslüsse nicht zu vergleichen sind. Ich schweige auch noch zur Zeit, wohin solches Ablaßgeld gekommen ist. Ein anderes Mal will ich danach fragen. _ .. Dieweil denn solches teuflisches Regiment nicht allein eine öffentliche Räuberei, irugerei und Tyrannei der höllischen Pforte ist, sondern auch die Christenheit an X, un^ Seele verdirbt, sind wir hier schuldig allen Fleiß anzuwenden, solchem ^ammer und Zerstörung der Christenheit zu wehren Wollen wir wider die Türken streiten, so lasset uns hier anheben, da sie am allerärgsten sind. Henken wir mit Recht _ die Diebe und köpfen die Räuber, warum sollten wir den römischen Geiz freilassen, der der größte Dieb und Räuber ist, der auf Erden gekommen ist oder kommen mag, und das alles in Christi und S. Peters heiligem Namen ? Wer kann es doch zuletzt leiden oder schweigen? Es ist je gestohlen und geraubt fast alles, was er hat, das ist je nicht anders, welches, aus allen Historien bewährt wird. Ey hat je der Papst solche große Güter nicht gekauft, daß er von feinen Ämtern bei zehnhunderttausend Dukaten erheben kann ohne die oben genannten Schatzgruben und fein Land. So hat es ihm Christus und S. Peter auch nicht vererbt, so hat es ihm auch niemand gegeben noch geliehen, so ist es auch nicht ersessen noch er-jährt. sage du mir, woher mag er es haben? Daraus merke, was sie suchen und meinen, wenn sie Legaten heraussenden, Geld zu sammeln wider den Türken. *) Datarius, weil hier das Datum der Verleihung aller Lehen angemerkt wird. **) Erlaubnisschein, an Fasttagen Fleisch zu essen. ***) Beichtbriefe, durch welche die Beichtväter das Recht erhielten, jemand von den Fastengeboten

5. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 69

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 69 — Dritter Teil. Wiewohl nun ich zu gering bin, Stücke (Vorschläge) vorzulegen, zu solchen greulichen Wesens Besserung dienlich, will ich doch das Lied aussingen und sagen, so viel mein Verstand vermag, was wohl geschehen könnte und sollte von weltlicher Gewalt oder allgemeinem Konzil 1. Zum ersten, daß ein jeglicher Fürst, Adel, Stadt ihren Unterthanen frischan verbiete, die Annaten gen Rom zu geben, und sie ganz abthue. Denn der 'i>apst hat den Pakt gebrochen und eine Räuberei aus den Annaten gemacht zu Schaden und Schanden gemeiner deutscher Ration. Er giebt sie seinen Freunden, verkauft sie für großes Geld und stiftet Ämter darauf. Darum hat er das Recht dazu verloren und Strafe verdient. 2. Zumandern. Dieweil der Papst mit seinen römischen Praktiken: Vorbehalt, Papstmonat, Pallien und dergleichen Büberei alle deutschen Stifte ohne Gewalt und Recht zu sich reißt und dieselben zu Rom Fremden, die nichts in deutschen Landen dafür thun, giebt und verkauft und damit aus den Bischöfen nur Ziffern und Ölgötzen macht, und daß es zuletzt dahingekommen ist, daß die Pfründen und Lehen nur groben, ungelehrten Eseln und Buben zu Rom durch lauter Geiz verkauft werden; fromme gelehrte Leute aber ihres Verdienstes und Kunst nichts genießen, dadurch das arme Volk deutscher Nation guter, gelehrter Prälaten ermangeln muß und verderben: so soll hier der christliche Adel sich gegen ihn setzen als wider einen gemeinen Feind und Zerstörer der Christenheit, um der armen Seelen Heil willen, die durch solche Tyrannei verderben müssen; soll setzen, gebieten und verordnen, daß hinfort kein Lehen mehr gen Rom gezogen, keins mehr darinnen erlangt werde aus keinerlei Weise, sondern wieder von der tyrannischen Gewalt herausgerückt, außen behalten und den ordentlichen Vorgesetzten ihr Recht und Amt wieder erstatten, um solche Lehen aufs beste wie sie mögen, in deutscher Nation verordnen. 3. Zum dritten, daß ein kaiserlich Gesetz ausgehe, keinen Bischofsmantel, auch keine Bestätigung irgend eines höheren Amtes fortan aus Rom zu holen, wndern daß man die Ordnung des allerheiligsten und berühmtesten Konzils von Ntcäct wieder aufrichte, darinnen gesetzt ist, daß ein Bischof von den andern zwei nächsten oder von dem Erzbischof bestätigt werden soll. Wem kann man schuld geben, daß keine Zucht, *) keine Strafe, kein Regiment, keine Ordnung in der Christenheit ist, denn dem Papst? Der durch solche seine eigene vermessene Gewalt allen Prälaten **) die Hand zuschließt, die Ruten nimmt und allen Unterthanen die Hand austhut und Freiheit giebt oder verkauft. 4. Zum vierten, daß verordnet werde, daß keine weltliche Sache gen Rom gezogen werde, sondern dieselben alle der weltlichen Gewalt gelassen werden. ;Enn des Papstes Amt soll sein, daß er der Allergelehrteste in der Schrift und der betreffen ^ ®0c^en regiere, die den Glauben und heiliges Leben der Christen •n,- Gewalt soll geistliches Gut regieren, wie das die Vernunft lehrt; geistliche^ jut aber ist nicht Geld noch leibliches Ding, sondern Glaube und gute Lerke. Doch möchte mau gönnen, daß Sachen, die da Lehen oder Psrüude betreffen^ vor Bischöfen oder Erzbischöfen gehandelt würden. m ö' Suni fünften. Daß kein Vorbehalt mehr gelte, und daß kein Lehen mehr zu Rem behaftet * ) werde, es sterbe der Besitzer, es sei Hader darob oder sei eines Kardinals oder Papstes Gesinde. Zuvor aber ist der lügenhafte Vorbehalt des Herzens unleidlich, dadurch die Christenheit so lästerlich und öffentlich zu Schmach und Spott gesetzt wird, daß ihr Oberster mit öffentlichen Lügen handelt und um de^ verfluchten Gutes willen jedermann unverschämt betrügt und narrt. 7. Zum siebenten. Daß der römische Stuhl die Ämter abthue, das Gewürm und Geschwürm zu Rom verringere, auf daß des Papstes Gesinde von des Bischofs, b,ete 9eifth*e Stfuen u"d Klöster von der Gewalt des **) Höhere Geistliche. **”) In Beschlag genommen.

6. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 71

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 71 — schaffen haben; aber der Papst fährt einher unberufen, unterwindet sich aller Dinge wie ein Gott, bis daß er selbst nicht mehr weiß, was Christus sei, zu dessen Statthalter er sich auswirft. 11. Zum elften. Daß das Fuß küssen des Papstes auch nicht mehr geschehe. Es ist ein unchristliches Exempel, daß ein armer, sündiger Mensch sich seine Füße küssen läßt von dem, der hundertmal be^er ist als er. Halte sie gegeneinander, Christum und den Papst: Christus wusch seinen Jüngern die Füße und trocknete sie, und die Jünger wuschen sie ihm noch nie. Der Papst kehret das um und läßt es eine große Gnade sein, ihm seine Füße zu küssen. Aber unsere Schmeichler haben es so hoch gebracht und uns einen Abgott gemacht, daß niemand sich so vor Gott fürchtet, niemand ihn mit solchen Gebärden ehrt als den Papst. Von derselben großen ärgerlichen Hoffart ist auch das ein häßliches Stück, daß der Papst sich nicht läßt genügen, daß er reiten oder fahren möge, sondern, ob er wohl stark und gesund ist, sich von Menschen als ein Abgott mit unerhörter Pracht tragen läßt. Lieber, wie reimt sich doch solche Hoffart mit Christo, der zu Fuß gegangen ist und alle feine Apostel? Welches Christenherz mag das mit Lust sehen, daß der Papst, wenn er das Abendmahl nehmen will, stille sitzt als ein gnädiger Jungherr und sich das Sakrament von einem knieenden, gebeugten Kardinal mit einem goldenen Rohr reichen läßt? gerade als wäre das heilige Sakrament nicht würdig, daß ein Papst, ein armer Sünder, aufstünde, seinem Gott eine Ehre thäte; so doch alle anderen Christen, die viel heiliger sind als der allerheiligste Vater, mit aller Ehrerbietung dasselbe empfangen. Also geht es auch, wenn er das ©acrament in der Prozession herumträgt. Ihn muß^nian tragen, aber das Sakrament steht vor ihm wie eine Kanne Wein auf dem Tisch. Kurz: Christus gilt nichts zu Rom, der Papst gilt es allesamt. Helfe nun Gott einem freien Konzil, daß es den Papst lehre, wie er auch ein Mensch sei und nicht mehr denn Gott, wie er sich untersteht zu sein! 12. Zum zwölften. Daß man die Wallfahrten gen Rom abthäte oder niemand aus eigenem Vorwitz oder Andacht wallen ließe, es würde denn zuvor von feinern Pfarrer, Stadt oder Oberherrn erkannt, daß er genugsam und redliche Ursache dazu habe. Das sage ich nicht darum, daß Wallfahrten böse seien, sondern daß sie zu dieser Zeit ülel geraten; denn sie sehen zu Rom kein gutes Exempel, sondern eitel Ärgernis, und wie sie selbst ein Sprüchwort gemacht haben: „Je näher Rom, je ärgere Christen," bringen sie mit sich Verachtung Gottes und der Gebote Gottes. Man sagt: „Wer das erste Mal gen Rom geht, der sucht einen Schalk, zum anderen Mal findet er ihn, zum dritten bringt er ihn mit heraus." Aber sie sind nun so geschickt worden, daß sie die drei Reisen auf einmal ausrichten und haben fürwahr uns solche Stücklein aus Rom gebracht. Es wäre besser, Rom nie gesehen noch erkannt zu haben. Und noch schlimmer ist, daß die einfältigen Menschen dadurch zu einem falschen Wahn verführt werden. Denn sie meinen, daß solches Wallen ein köstlich gutes Werk, was doch nicht wahr ist. Cs ist ein geringes gutes Werk und häufig ein böses, verführerisches Werk; denn Gott hat es nicht geboten. Er hat aber geboten, daß ein Mann seines Weibes und Kinder warte, und seinem Nächsten diene und helfe. Run geschieht es, daß einer gen Rom wallet, verzehrt fünfzig, hundert, mehr oder weniger Gulden, was ihm niemand befohlen hat, und läßt sein Weib und Kind oder seinen Nächsten daheim Not leiden; und doch meint der thörichte Mensch, er wolle solchen Ungehorsam mit seinem eigenwilligen Wallen schmücken. Solchen falschen, verführerischen Glauben der einfältigen Christen auszurotten und wiederum ein rechtes Verständnis guter Werke aufzurichten, sollten alle Wallfahrten niedergelegt werden; denn es ist kein Gutes drinnen, kein Gebot, kein Ge- horsam, sondern unzählige Ursachen zu Sünden und zur Verachtung der Gebote Gottes. Daher kommen so viele Bettler, die durch solches Wallen unzählige Büberei treiben, die ohne Not zu betteln lernen und sich gewöhnen. 13. Zum dreizehnten. Danach kommen wir auf den großen Hausen, die das 33iel geloben und das Wenig halten. Zürnet nicht, liebe Herren, ich meine es wahrlich gut! Es ist die bittere und süße Wahrheit und ist die: daß man ja nicht

7. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 72

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 72 — mehr Bettelklöster bauen lasse. Hilf Gott, ihrer ist schon viel zu viel! Ja wollte Gott, sie wären alle fort. Es hat nichts Gutes gethan, es thut auch nimmermehr gut, irre zu laufen auf dem Lande. Darum ist mein Rat, man schlage zehn, oder wieviel ihrer not ist, auf einen Haufen und mache eines daraus, das genugsam versorgt, nicht betteln dürfe. Und daß man sie des Predigens und Beichtens überhebe; ist doch aus solchem Predigen und Beichten nicht mehr denn eitel Haß und Neid zwischen Pfaffen*) und Mönchen, Ärgernis und Hindernis des gemeinem Volks erwachsen, daher es wohl verdiente aufzuhören. Es scheint, daß der heilige römische Stuhl solches Heer nicht umsonst gemehrt hat, auf daß nicht die Priesterschaft und Bistümer einmal ihm zu stark würden und eine Reformation anfingen. Es müßte auch dem Papst verboten werden, mehr solcher Orden aufzusetzen oder zu bestätigen, ja befohlen werden, etliche abzuthun; sintemal der Glaube Christi, welcher allein das Hauptgut ist und ohne einen Orden besteht, nicht wenig Gefahr leidet, daß die Menschen durch so viel und mancherlei Werke und Weisen leichtlich verführt werden, mehr auf solche Werke, denn auf den Glauben zu achten. Es wäre meines Bedünkens eine nötige Ordnung, besonders zu unseren gefährlichen Zeiten, daß Stifte und Klöster wiederum auf die Weise verordnet würden, wie sie im Anfang waren, da sie alle jedermann die Freiheit ließen, darinnen zu bleiben, so lange es ihm gelüstete. Denn was sind Stifte und Klöster anderes gewesen denn christliche Schulen, darinnen man Schrift und Zucht nach christlicher Weise lehrte und Leute auferzog, zu regieren und zu predigen. Aber danach hat man es mit Gelübden gefaßt und ein ewig Gefängnis daraus gemacht, daß auch dieselben mehr denn die Tausgelübde angesehen werden. Was aber für Frucht daraus gekommen ist, sehen, hören, lesen und erfahren wir täglich mehr und mehr. Ich achte wohl, solcher mein Ratschlag werde als der aüerthörichtste angesehen; frage ich jetzt nicht danach. Ich rate, was mich gut dünkt, verwerfe, wer es will! 14. Zum vierzehnten. Ich will mein Gewissen erretten und das Maul frei auf-thun, es verdrieße Papst, Bischof oder wen es will, und sage also: daß nach Christus und der Apostel Einsetzen eine jegliche Stadt einen Pfarrer oder Bischof haben soll, und derselbe Pfarrer nicht gedrungen werde, ohne ein eheliches Weib zu leben, sondern möge eins haben, wie S. Paulus schreibt 1. Tim. 3, 2 und 4. So ist es auch in der griechischen Kirche geblieben. Da sind nun Hernachmals, da so viel Verfolgung und Streit war wider die Ketzer, viel heilige Väter gewesen, die sich freiwillig des ehelichen Standes entzogen haben, auf daß sie desto besser studierten und bereit wären auf alle Stunden zum Tode und zum Streit. Da ist nun der römische Stuhl aus eigenem Frevel drein gefallen und bat ein allgemeines Gebot darausgemacht, dem Priesterstand verboten, ehelich zu sein. Das hat ihn der Teufel geheißen. Was wollen wir nun hier thun? Ich rate, man mache es frei und lasse einem jeglichen feine freie Willkür, ehelich oder nicht ehelich zu werden. Ich lasse hier bei Seite Papst, Bischöfe, Stifte, Pfaffen und Mönche, die Gott nicht eingesetzt hat. Haben sie sich selbst Bürden auferlegt, so tragen sie sie auch Ich will reden von dem Pfarrstande, den Gott eingesetzt hat, der eine Gemeinde mit Predigen und Sakramenten regieren muß, bei ihnen wohnen und zeitlich haushalten. Denselben sollte durch ein christliches Konzil die Freiheit nachgelassen werden, ehelich zu werden; denn dieweil sie Gott selbst nicht gebunden hat, so soll und mag sie niemand binden, ob er gleich ein Engel vom Himmel wäre, geschweige denn der Papst. Weiter rate ich, wer sich hinfort weihen läßt zur Pfarre oder auch sonst, daß er dem Bischof in keinem Fall gelobe, ehelos zu bleiben, und ihm entgegenhalte, daß er gar keine Gewalt hat, solche Gelübde zu fordern, und daß es eine teuflische Tyrannei ist, solches zu fordern. Wer den Glauben hat, solches zu wagen, der folge mir nur frisch, ich will ihn nicht verführen. Habe ich nicht Gewalt wie ein Papst, so habe ich doch Gewalt als ein Christ, meinem Nächsten zu helfen und zu raten von feinen Sünden lind *) Weltgeistlichen.

8. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 74

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 74 — ums Geld, daß auch dasselbe ein jeglicher Pfarrer dispensieren möge umsonst und um der Seelen Seligkeit willen. Ja wollte Gott, daß alles, was man zu Rom kaufen muß, daß dasselbe ein jeglicher Pfarrer ohne Geld thun und lassen könnte. Als da sind Ablaß, Ablaßbriefe, Butterbriefe, Meßbriefe, da das arme Volk mit betrogen und ums Geld qe= bracht wird. Dahin gehört auch, daß die Fasten jedermann frei gelassen würden, und allerlei Speise frei gemacht, wie das Evangelium giebt. Denn sie selbst zu Rom spotten der Fasten, lassen uns draußen Öl fressen, da sie nicht ihre Schuhe mit schmieren ließen, verkaufen uns danach Freiheit, Butter und allerlei zu essen; so der heilige Apostel sagt, daß wir d^s alles zuvor schon Freiheit haben aus dem Evangelium. Aber sie haben mit ihrem geistlichen Recht uns gefangen und gestohlen, auf daß wir es mit Geld wieder kaufen müssen; haben damit so blöde schüchterne Gewissen gemacht, daß das gemeine Volk Butter zu essen für größere Sünde achtet denn lügen oder falsch schwören. 20. Zum zwanzigsten. Daß die wilden Kapellen und Feldkirchen zu Boden zerstört würden, da die neuen Wallfahrten hingehen, als da sind: Wils-nack, Trier, Grimmenthal und jetzt Regensburg und der Anzahl viel mehr. O wie schwere Rechenschaft werden die Bischöfe geben müssen, die solches Teufelsgespenst zulassen und Genuß davon empfangen! Sie sollten die ersten sein, dasselbe zu wehren; sie sehen nicht, daß der Teufel solches treibt, den Geiz zu stärken, falschen Glauben aufzurichten, Pfarrkirchen zu schwächen, Wirtshäuser zu mehren, unnütz Geld und Arbeit zu verlieren und nur das arme Volk an der Nase herumzuführen. Auch geschieht so den Pfarrkirchen Nachteil davon, daß sie weniger geehrt werden. Summa Summarum: es sind Zeichen eines großen Unglaubens im Volk; denn wo sie recht glaubten, halten sie alle Dinge in ihren eigenen Kirchen, da ihnen geboten ist hinzugehen. Aber was soll ich sagen? Ein jeglicher gedenkt nur, wie er eine solche Wallfahrt in seinem Kreis aufrichte und erhalte, gar nicht sorgend, wie das Volk recht glaube und lebe; die Regenten sind wie das Volk, ein Blinder führt den anderen. Za, wo die Wallfahrten nicht angehen wollen, hebt man an, die Heiligen zu erheben, nicht den Heiligen zu Ehren, die wohl ohne ihr Erheben genug geehrt würden, sondern um Gelaufe und ein Geldbringen aufzurichten. Da hilft nun Papst und Bischof zu, hier regnet es Ablaß, dazu hat man Geld genug! Aber was Gott geboten hat, da ist niemand sorgfältig, da läuft niemand nach, dazu hat niemand Geld! Ich wollte, man ließe die lieben Heiligen im Frieden und das arme Volk untierführt. Darum rate ich, man lasse sich die Heiligen selbst erheben. Ja, Gott allein sollte sie erheben. Und jeglicher bleibe in seiner Pfarre, da er mehr findet denn in allen Wallkirchen. Hier findet man Taufe, Sakrament, Predigt und seinen Nächsten, welches größere Dinge sind denn alle Heiligen im Himmel, denn sie alle find durchs Wort Gottes und Sakrament geheiligt worden. Hier gehört her, daß man abthun sollte oder doch allgemein machen aller Kirchen Vorrechte, Bullen und was der Papst zu Rom verkauft. Denn so er Wittenberg, Halle, Venedig und vor allem seinem Rom Privilegien, Ablässe, Gnaden, Vorteile, verkauft oder giebt; warum giebt er es nicht allen Kirchen insgemein? Ist er nicht schuldig, allen Kirchen zu thun umsonst und um Gottes Willen alles, was er vermag, ja auch sein Blut für sie zu vergießen? So sage mir, warum giebt ober verlauft er dieser Kirche und der anderen nicht? Oder muß das verfluchte Geld in seiner Heiligkeit Augen so einen großen Unterschied machen unter den Christen, die alle gleiche Taufe, Wort, Glauben, Christum, Gott und alle Dinge haben ? So rate ich das: so solches Narrenwerk nicht abgethan wird, daß ein jeglicher frommer Christenmensch seine Augen aufthue und lasse sich mit den römischen Bullen und Siegeln nicht irren, bleibe daheim in seiner Kirche und lasse sich seine Taufe, Evangelium, Glauben, Christum und Gott, der an allen Orten gleich ist, das Beste sein und den Papst einen blinden Führer der Blinden bleiben. Es kann dir weder Engel noch Papst soviel geben, als dir Gott in deiner

9. Von Luther bis zum Dreißigjährigen Krieg - S. 95

1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 95 — Beigetragen zu dem Sieg und dem achtunggebietenden Auftreten Luthers haben noch seine Nächstenliebe, die sich als Vaterlandsliebe zeigt (Ich will mich dem Dienst nicht entziehen, den ich meinem Deutschland schuldig bin); seine Beredsamkeit und Geistesschärfe (Bitte um Bedenkzeit, Scheidung der Bücher in drei Gruppen, treffende Worte für die wichtigsten und tiefsten Gedanken); feine Bescheidenheit (Entschuldigung wegen etwaigen unhöflichen Benehmens, ehrerbietiger Ton, ich mach mich nicht zu einem Heiligen); sein Gehorsam gegen die Obrigkeit in allen äußeren Dingen, worin sie ein Recht zu gebieten hat. Dafür weigert er ihr aber den Gehorsam in göttlichen Dingen, in Glaubenssachen, worin man allein seiner Überzeugung und dem Wort Gottes zu folgen hat. 4. Die Gegner und Freunde Luthers. Kaiser Karl ist der Hauptgegner Luthers, er und Aleander allein haben im Grunde die Reichsacht gegen ihn fertig gebracht. Für den Kaiser ist Luther von vornherein der offenbare Ketzer (Vorurteil; „Der soll mich nicht zum Ketzer machen"), und er will ihn von vornherein vernichten. Aber als kluger Staatsmann benutzt er ihn dock» auch zu seinem Vorteil, indem er den Papst, dem es am meisten auf die Beseitigung Luthers ankommt, durch sein Zögern zu einem Bündnis treibt. Es ist ja schön von ihm, daß er auch dem „Ketzer" sein Kaiserwort hält und nicht mit Lug und Trug gegen ihn kämpfen mag; und wir können es ihm auch nicht Übel nehmen, daß er feindlich gegen Luther gelinnt ist (als gläubiger Katholik verehrt er den römischen Glauben und Gottesdienit, als Staatsmann möchte er seine vielen Länder durch das Band des katholischen Glaubens zusammenhalten); aber wir müssen es bedauern, daß dieser Fremdling auf dem deutschen Thron das deutsche Volk und seinen Wortführer gar nicht verstand, daß er gar nicht ahnte, warum sie nichts mehr von römischer Geistesknechtschaft und äußerlichem' Gottesdienst wissen wollten, und daß er daher sich von vornherein dem Verlangen des deutschen Volkes nach Reformation entgegen-stemmte und die Reformation mit all seiner Macht hemmte. Dieser Zwiespalt zwischen dem Oberhaupt und den Unterthanen konnte nur großes Unglück über das habsburgische Kaiserhaus und über das Volk bringen, was wir später deutlich genug sehen werden. Wie ganz anders wäre es doch geworden, wenn statt Karls Friedrich der Weise auf dem deutschen Kaiferthron (der ihm ja angeboten war) gesessen hätte! Der Reichstag sucht ja möglichst gerecht gegen Luther zu verfahren; er schafft ihm Gehör vor der Verurteilung, billigt seine Anklagen gegen den päpstlichen Stuhl und hätte ihn gern in dieser Sache als Bundesgenossen gebraucht, aber er verwirft von vornherein seine Lel)re über den Glauben und die Kirche als ketzerisch; denn er kann iich von der altgewohnten Vorstellung, daß Rom unfehlbar und alleinseligmachend ist, nicht losmachen. Die Freunde Luthers im Reichstage lassen ihm ja manche Aufmunterung und Anerkennung zuteil werden (Beispiele) aber — was die

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1895 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
— 96 — Hauptsache gewesen wäre — nämlich offen im Reichstag für ihn eintreten und gegen die Achterklärung sprechen, das wagen sie nicht. Insbesondere der Kurfürst von Sachsen freut sich wohl über seinen mutigen Professor, schafft ihm Recht und Gehör und zuletzt auch wirksamen Schutz (Wartburg) und möchte gern ein unparteiisches Urteil (künftiges Konzil) über seine Sache richten lassen — aber er selbst wagt es nicht, selbständig über die Wahrheit von Luthers Lehre zu urteilen und dann offen für ihn einzutreten und Land und Leute aufs Spiel zu setzen. Und wir dürfen ihm das auch nicht verübeln, so wenig wie den Fürsten; denn er hat sich nicht wie Luther in heißem, innerem Kampf zu feiner Überzeugung durchgerungen und besitzt darum auch nicht die felsenfeste Gewißheit Luthers, sondern hegt immer noch die altgewohnte Scheu vor der unfehlbaren und alleinseligmachenden römischen Kirche. Wir wollen ihm vielmehr dankbar sein, daß er wenigstens seine starke Hand über Luther hielt, wenn er ihm auch nicht sein ganzes Herz geben konnte. Das Volk, welches sich in Worms und auf der Reise an Luther herandrängt, giebt ja sehr deutlich und ohne Rücksicht auf die Mächtigen seine Liebe und Verehrung für Luther und seine Sache fund; aber es besitzt eben keine Macht, um wie der Reichstag feine Wünsche und Meinungen durchzusetzen. Iii. 1. Geschichtlich es Ergebnis. Außere Ereignisse: Kurze Zusammenfassung der erzählten Thatsachen: Vorladung, Weigerung des Widerrufes, Reichsacht, Überführung nach der Wartburg, cf. Iv. 1. Bedeutung dieser Ereignisse: Luther hält gegen den Willen des Reichstages alles aufrecht, was er über den Glauben und die Kirche (Papst, Konzilien) gelehrt hat. Deshalb verhängen die deutschen Obrigkeiten die Reichsacht über ihn und seine Anhänger und wollen hierdurch ihn und seine Sache mit Gewalt vernichten. Verbindung mit den früheren Ereignissen: Luthers Kampf und Bruch mit Rom ist zu Ende (cf. Nr. 3. Iv, 1). Nun verbindet sich die weltliche Obrigkeit mit der geistlichen und leiht ihr das Schwert der Gewalt. Sie tritt ihm gebietenb in den Weg und verlangt Unterwerfung unter Rom und Widerruf. Doch Luther beugt sich nicht vor dem Willen des Reichstages und bricht dadurch auch mit der weltlichen Gewalt. Sein Schicksal und den Bestand seiner Sache stellt er ganz und gar Gott anheim. — Luthers Bruch mit der weltlichen Gewalt. Wichtige Persönlichkeiten: Kaiser Karl V., zugleich Herrscher der Nieberlanbe, Spaniens, Unteritaliens und der neuentbecften Sauber in Amerika, ist ein Gegner der Reformation, weil er ein gläubiger Katholik und Herr vieler katholischer Länder ist. Von deutschen Fürsten zeigen sich der Sache Luthers zugeneigt nur Friedrich der Weise, fein bisheriger Beschützer, und Landgraf
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