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1. Das Altertum - S. uncounted

1913 - Leipzig : Wunderlich

2. Das Altertum - S. uncounted

1913 - Leipzig : Wunderlich

3. Das Altertum - S. II

1913 - Leipzig : Wunderlich

4. Das Altertum - S. III

1913 - Leipzig : Wunderlich
^ Vorwort. Um die Schüler höherer Lehranstalten auf einheitlicher unter* rechtlicher Grundlage auch in den das Altertum darstellenden Teil der neueren Geschichtschreibung einzuführen, sie auf die wertvolleren Werke selbst hinzuweisen und zu deren Studium anzuregen, habe ich vorliegende „Lektüre zur Geschichte des Altertums aus Meisterwerken der Geschichtschreibung" zusammengestellt. Die Auswahl der einzelnen Lesestücke ist nach denselben Grundsätzen erfolgt, wie sie sich schon in den Vorworten der früher erschienenen „Lektüre zur Geschichte" (Teil I: Von der germanischen Urzeit bis zum Ausgange der Regierung Friedrichs des Großen; Teil Ii: Das neunzehnte Jahrhundert) ausgesprochen finden. Nur mußte, da das Altertum naturgemäß auf einer niederem Altersstufe zu behandeln ist, besonders darauf geachtet werden, daß sich die ausgewählten Stücke nicht zu schwer gestalteten. Manches, was ich sonst gern aufgenommen hätte, war daher auszuscheiden. Auch der Umstand, daß vorliegendes Buch nicht zu umfänglich werden sollte, nötigte mich, Artikel und Geschichtswerke, die an und für sich Ausnahme verdient hätten, unberücksichtigt zu lassen. So ist z. B. Julius Beloch, dessen vierbändige „Griechische Geschichte" auch die volkswirtschaftliche Seite genügend betont, in der „Lektüre" nicht vertreten. Doch möchte ich nicht verfehlen, hiermit auf dieses Werk deutscher Gelehrsamkeit und Gründlichkeit hinzuweisen, wie auch auf Ferreros prächtiges Büchlein: „Die Dichter Roms" (Kulturbilder aus „Größe und Niedergang Roms" von demselben Verfasser — Preis: geheftet 1 Mark), auf Leo Bloch, „Die ständischen und sozialen Kämpfe in der römischen Republik" (aus „Natur und Geisteswelt", Teubner, Preis 1,25 Mark), und nicht zuletzt auf die „Hellenistisch-römische Kultur" von Fritz Baumgarten, Franz Poland und Richard Wagner (Preis: 12,50 Mark. Teubner, 1912). Abbildungen sind auch in vorliegendes Buch nicht aufgenommen worden; gibt es ja deren in vorzüglicher Ausführung und zu billigstem Preise in besonderen Zusammenstellungen; ich darf empfehlend nennen: Dr. Lamer, Griechische Kultur im Bilde, „ Römische Kultur int Bilde, „ Orientalische Kultur im Bilde,

5. Das Altertum - S. 3

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— 3 — auch die Kultur eine andere sein, d. H. eine ganz verschiedene Entwicklung durchmachen muß. Von den Inhabern dreier dieser Kulturen herrscht auch unter den Gelehrten, die sonst sehr verschiedene Ansichten vertreten, kein Streit über die Rassenzugehörigkeit. Die kleinasiatische Kultur gehörte der kleinasiatischen Rasse an, die jetzt zum größten Teile wohl nicht ausgestorben ist, aber bei den wechselreichen Geschicken, die Kleinasien betroffen, durch Unterjochung allmählich von Völkern gar mancherlei anderer Rassen aufgesogen wurde. Nur wenige Reste dieser einst auch über einen großen Teil Vorderasiens verbreiteten und mächtigen Völkerfamilie leben heute noch in den Gebirgstälern des Kaukasus, wo sie sich ethnologisch und sprachlich rein bis heute erhalten haben. Darum wird von neueren Forschern diese Rasse auch die kaukasische genannt. Der große vorderasiatische Kulturkreis ist in den historisch erkennbaren Zeiten, also rund seit 3000 v. Chr., das Gebiet semitischer Völker, und die Träger der ägyptischen Kultur gehörten der hamitischen Rasse an. Es bleibt also für die vierte Kultur, die sich am reichsten um das Becken des ägäischen Meeres' entfaltete, die aber auch in ganz Mitteleuropa verbreitet war1), eigentlich keine andere Rasse übrig als die arische. Dennoch herrscht gerade darüber unter den Gelehrten noch viel Streit, auf dessen einzelne Punkte und Fragen einzugehen hier nicht Gelegenheit ist... Über die Grenzen der ägäischen Kultur ist schon oben die Rede gewesen; schon in sehr alten Zeiten dehnte sie sich östlich bis zur Insel Cypern, westlich bis Sizilien aus, und im Norden, in Mitteleuropa, finden wir eine Kultur, die, noch älter als die ägäische, den größten Teil des in Ägäa nachweisbaren Formenschatzes vorgebildet zeigt. Andererseits tritt in Kleinasien im Binnenlande zwischen dem i) Über den Zusammenhang der ägäischen Kultur, besonders der ägäischen Schrift mit der arisch-europäischen gibt derselbe Verfasser in seinem geistvollen Aufsätze: „Beiträge zur Schriftgeschichte" (erschienen in den Mitteilungen des Allg. Deutschen Schriftvereins, Nr. 5 6, Berlin 1912) höchst interessante Aufschlüsse. Er bringt neue Gründe dafür, daß die Buchstabenschrift eine urarische Erfindung und die germanische Runenschrift ihre älteste Form ist, und faßt zuletzt seine Ergebnisse in folgender Weise zusammen: „Der Ursprung der europäisch-arischen Schrift geht weit hinter den aller anderen Schriften zurück; die Anfänge reichen bis in die ältere Steinzeit, Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung. Als Mitteleuropa vom Eise befreit war, bildeten sich drei Kultur-Mittelpunkte, in denen die. Schrift weiter entwickelt wurde: der eine auf der spanischen Halbinsel, der zweite im Norden mit seinen Runen, der dritte im Südosten mit der ägäischen Silbenschrift, aus der dann durch nordischen Einfluß wieder die griechische Buchstabenschrift entstand. Während alle nichtarischen Völker nur Bilderschriften kannten, war die arische Schrift von jeher eine Buchstabenschrift, und daß die ägäische Schrift eine Entwickelungsstufe als Silbenschrift durchmachte, hat seine besonderen Gründe, die wir oben kennen lernten. Die letzten Ausstrahlungen dieser arischen Schrift nach nichtarischen Völkern sind in Afrika die libyschen Schriften, in Asien die phönikische Schrift mit ihren west- und südsemitischen Zweigentwickelungen." 1*

6. Das Altertum - S. 5

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— 5 — höher hinaufwiesen; darum werden diese Gemmen in der Wissenschaft jetzt Jnfelsteine genannt. Auf Amorgos fanden sich außer solchen Insel-steinen aus Marmor geschnitzte kleine menschliche Figuren, Götter darstellend, die noch in ältere Zeiten, bis in die sogenannte Steinzeit hinaufreichen, und gleichzeitig zeigten die Grabungen in Kameiros und Jalyssos auf Rhodos, daß auch diese Insel eine wichtige und bedeutende Stätte Ägäas gewesen. Ja auch das ferne Cypern stand schon frühzeitig unter dem Banne dieser Kultur, vorher und eine Zeitlang daneben herrschte daselbst aber noch eine andere, die ihr zwar nahe verwandt, aber doch etwas verschieden war; es ist dies die bereits oben erwähnte thrako-phrygische, die auch in den ältesten Schichten Trojas nachzuweisen ist. So schien der Kreis geschlossen. Er reichte, wie schon erwähnt wurde, von Troja aus über die Ostküste Griechenlands und erstreckte sich über die Inseln des ägäischen Meeres, um von da bis nach Cypern seinen Einfluß geltend zu machen. Auch an der Westküste Kleinasiens war es bereits gelungen, Spuren dieser Kultur nachzuweisen. Noch aber konnte man erkennen, daß das Material nicht lückenlos sei, und viele Umstände wiesen darauf hin, daß in Kreta noch viele Überraschungen bevorstehen würden. Dort zu graben war aber aus mancherlei Gründen bis nach der Lostrennung Kretas von der Türkei im Jahre 1897 nicht möglich oder doch sehr erschwert. Mittlerweile hatte die englische archäologische Schule zu Athen wichtige Entdeckungen gemacht. In Philakopi auf der Insel Melos grub sie eine Stadt aus, die der myke-nischen Kultur angehörte; denn so durfte man damals, ehe die älteren Entwicklungsreihen bekannt waren, sie noch benennen. Herber zeigte es sich, daß vieles bereits älteren Stufen der Entwicklung angehören müsse. Da ward es endlich möglich, auch in Kreta den Spaten anzusetzen. Die Engländer und Italiener wetteiferten nun miteinander, und während es Evans gelang, den Palast von Knossos frei zu legen, gruben Halbherr und Pernier den nicht weniger wichtigen Palast von Phaistos aus. Bald folgten amerikanische Unternehmungen nach, und seitdem herrscht bis heute an zahllosen Punkten der Osthälfte Kretas eine unermüdliche Ausgrabungstätigkeit, die fast jeden Tag neue wichtige Ergebnisse bringt. Doch auch an anderen Orten ist man nicht lässig gewesen. Die bayrischen Ausgrabungen in Orchvmenos brachten uns Material, das bis an die Steinzeit hinaufreicht. An zahlreichen Orten in ganz Griechenland wurden von der griechischen archäologischen Gesellschaft, besonders durch den Ephoros Sotiriadis neue Fundstellen aufgedeckt, deren Ergebnisse einerseits auch bis in die Steinzeit sühren, andererseits die Übergänge zu jüngeren Kulturepochen veranschaulichen, und gerade in letzter Zeit ist es Professor Dörpfeld gelungen, die ägäische Kultur außer in Olympia auch sonst im westlichen Griechenland nachzuweisen: ein-

7. Das Altertum - S. 6

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— 6 — mal auf der Insel Levkas, die er mit guten Gründen für das homerische Jthaka hält, dann durch die Aufdeckung der Kuppelgräber von Pylos, dem Wohnsitze des greisen Königs Nestor, der uns von Homer geschildert wird. Das ist um so wichtiger, als man bis jetzt im Zweifel war, ob diese Kultur sich bis zum Westen von Hellas erstreckt habe. Durch alle diese Funde aber würden wir doch nur ein einseitiges Bild von Ägäa erhalten, da wir es gleichsam als Sondergebilde, losgelöst von allen anderen, kennen lernen. Dem kommen andere wichtige Entdeckungen zu Hilfe. Durch zahlreiche Funde und Ausgrabungen ist in den letzten Jahrzehnten auch unsere Kenntnis der europäischprähistorischen Zeiten bedeutend gefördert worden, und dabei stellten sich gar bedeutsame Übereinstimmungen in mancherlei Beziehung zwischen Mitteleuropa, von Frankreich im Westen und Dänemark im Norden angefangen, und Ägäa heraus, die den nordischen Ursprung der Kultur wahrscheinlich machen. Auch in Ungarn und der nördlichen Balkanhalbinsel wurden höchst wichtige Entdeckungen für diese Frage gemacht. Die Beziehungen zu ferneren Völkern des Ostens lernen wir aus Nachrichten in Hieroglyphen- und Keil-Inschriften kennen, und eine der bedeutendsten Entdeckungen wurde erst 1907 von Hugo Windlet in Boghazköi in Kleinasien gemacht. In dieser alten Hettiterhauptstadt fand er zahlreiche Keilschrifttafeln, aus denen unzweifelhaft hervorgeht, daß im Herzen Kleinasiens schon im zweiten Jahrtausende arische Völkerschaften gelebt haben, die aber unabhängig von den Inhabern der ägäifchen Kultur auf anderen Wegen dahin gekommen sind. Aber die ägäische Kultur ist nicht nur als ein selbständiges Gebilde von der allergrößten Bedeutung zu betrachten, sondern hat auch noch weit über ihre eigentlichen Grenzen die Nachbarkulturen an den Küsten des Mittelländischen Meeres beeinflußt. Natürlich stand diese Kultur nicht auf einmal fertig da, ihre Wurzeln weisen nach Mitteleuropa, dabei sehen wir, daß die Anfänge der besonderen Entwicklung ans dem Boden des späteren Hellas schon bis in die Steinzeit, also tief in das dritte vorchristliche Jahrtausend und wohl noch weiter zurückreichen. Auch diese Wurzeln sind durch die Ausgrabungen der letzten Jahre bereits recht deutlich geworden; wenn man aber von der ägäischen Kultur im allgemeinen spricht, so versteht man für gewöhnlich ihre Entwicklung während der Bronzezeit, also etwas über ein Jahrtausend, das noch weit vor dem Jahre 2000 beginnt und nicht ganz bis 1000 v. Chr. reicht. Bei einer so weiten zeitlichen Ausdehnung haben natürlich innerhalb der Kultur selbst zahlreiche lokale Entwicklungen stattgefunden, und auch die bei den Ausgrabungen zu Tage gekommenen Fundorte gehören nicht alle derselben Zeit an, sondern liegen oft viele Jahrhunderte auseinander. Da an vielen Stellen Ägaas lokale Entwicklungen stattfanden, die zu wichtigen Unterschieden in der Anlage der Paläste und in der Bemalung der Keramik führten, und da dennoch die verschiedenen Gegen-

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— 7 — den nicht getrennt blieben, sondern miteinander in Verkehr standen und zuweilen ihre Waren austauschten, ist uns in solchen Import-Stücken ein wichtiges Mittel für die Chronologie an die Hand gegeben. Trotz alledem würden wir mit den Funden an den Ausgrabungsstätten selbst nur zu sehr relativen Zeitangaben gelangen können, d. h. es wäre höchstens möglich, durch Vergleiche zu bestimmen, die eine Stätte mit ihren Bauresten und Kleinfunden müsse jünger sein als eine andere, wieviel diese Zeitunterschiede aber betragen, wäre noch nicht zu erkennen. Dafür kommt uns ein zweiter Umstand sehr zu statten. Seit sehr alten Zeiten, während des ganzen zweiten vorchristlichen Jahrtausends, war Agäa in regem Verkehr mit Ägypten. So haben sich in Mykenä, auf Kreta, auf Rhodos und Kypros verschiedene ägyptische Gegenstände gefunden, die mit dem Namen ägyptischer Herrscher versehen sind. Aber auch das gestattet noch keine sicheren Zeitangaben, denn diese Gegenstände könnten ebensogut während der Lebenszeit dieser Pharaonen, als auch hundert und mehr Jahre später nach Ägäa gelangt sein. Aber ägäische Waren wanderten auch stets und zwar in sehr großer Menge nach Ägypten, wo sie sehr beliebt gewesen sein müssen. So kommt es, daß an vielen Stellen Ägyptens große Massen ägäischen Kulturgutes gefunden wurden. Von hervorragender Wichtigkeit ist dabei, daß diese Fundorte nach der ägyptischen Chronologie datiert werden können und daß an den verschiedenen Stellen nicht alles mögliche Ägäische untereinander gefunden wurde, sondern immer bloß an einem Orte Gegenstände, besonders Vasen und Vasenscherben, die deutlich nur einer Entwicklungsstufe angehören. So haben uns die Funde in Ägypten durch die Datierung ihrer Fundorte ein willkommenes Hilfsmittel an die Hand gegeben, nun auch die ägäische Kultur in Perioden zu zerlegen und zu datieren. Freilich kann diese Datierung nur nach den ägyptischen Dynastien erfolgen, und über die genauen Zeiten dieser Dynastien gingen bis vor kurzem die Meinungen noch weit auseinander. Doch auch hierin haben die neuesten Forschungen der Ägyptologen erfreulichen Wandel geschaffen. Immer mehr nähern wir uns einer sicheren Zeitbestimmung für die einzelnen Abschnitte der ägyptischen Geschichte; und wo die Ansichten der Ägyptologen noch anseinander gehen, bezieht sich dies meist auf Einzelheiten der ägyptischen Geschichte selbst, während die großen Perioden schon recht fest bestimmt sind ... Immer klarer und deutlicher schließen sich alledem rastlosen Gelehrtenfleiße zu verdankenden Ergebnisse zu einem großen Bilde zusammen, so daß wir nun imstande sind, einen sicheren Einblick in die Geschichte und 'Kultur jener längst entschwundenen Jahrtausende zu gewinnen.

9. Das Altertum - S. 9

1913 - Leipzig : Wunderlich
— 9 — denkbar; denn ohne die trennenden Gebirge würden die verschiedenen Bestandteile der Bevölkerung sich frühzeitig aneinander abgeschliffen haben. Hellas ist aber nicht nur ein abgeschlossenes und wohlverwahrtes Land, sondern auch wieder dem Verkehre offener als irgend ein Land der alten Welt. Dringt doch von drei Weltgegenden her die See in alle Teile des Landes ein, das Auge schärfend, den Mut weckend, die Phantasie rastlos anregend; die See, welche dort, wo sie das ganze Jahr hindurch offen ist, ungleich näher die Länder verbindet als die unwirtlichen Binnenmeere des Nordens. Leicht aufgeregt, ist sie auch leicht wieder besänftigt; ihre Gefahren find verringert durch die Menge sicherer Ankerbuchten, die der Schisser erreichen kann, wenn das Wetter aufzieht, sowie durch die Klarheit der Luft, welche ihn bei Tage bis auf zwanzig Meilen hin die Zielpunkte erkennen läßt und ihm bei Nacht den wolkenlosen Himmel zeigt, dessen auf- und niedergehende Sterne des Landmanns wie des Schiffers Geschäfte in milder Ruhe regeln. Die Winde sind die Gesetzgeber der Witterung; aber auch sie haben in diesen Breiten etwas Geregeltes und steigern sich nur selten zur Heftigkeit verwüstender Orkane. Es ist ja nur die kurze Wintersrist, in welcher Wetter und Wind regellos schwanken; mit dem Eintritte der guten Jahreszeit — der sicheren Monate, wie die Alten sie nannten — folgt auch der Luftzug im ganzen Archipelagos einer festen Regel, und jeden Morgen erhebt sich der Nordwind von den thrakischen Küsten und weht das ganze Jnselmeer hinab, so daß man das, was außerhalb dieser Küstenkreise lag, als „jenseits des Nordwinds" bezeichnete. Das ist der Wind, der einst Miltiades nach Lemnos führte und der zu allen Zeiten dem die Nordgestade Beherrschenden so große Vorteile sicherte. Oft haben diese Winde (die Etesien) wochenlang den Charakter eines Sturmes, und bei wolkenlosem Himmel sieht man Schaumwellen, so weit das Auge umschaut; sie sind aber ihrer Gleichmäßigkeit wegen nicht gefährlich, und sowie die Sonne sinkt, lassen sie nach; die See glättet sich, Luft und Wasser wird still, bis sich fast unmerklich ein leiser Gegenwind erhebt, ein Luftzug aus Süden. Dann löst der Schiffer in Ägina seine Barke und wird in wenig Nachtstunden nach dem Piräus getragen. Das ist der von den Dichtern Athens gepriesene Seehauch, der jetzt sogenannte Embates, der immer milde, weiche und heilbringende. Die Strömungen, die an den Küsten entlang gehen, erleichtern die Fahrt in den Golfen und Meersunden; der Flug der Wandervögel, die zu bestimmten Jahreszeiten sich wiederholenden Züge der Thunfische geben dem Schiffer willkommene Wahrzeichen. Die Regelmäßigkeit im ganzen Leben der Natur, in Bewegung von Luft und Wasser, der milde und menschenfreundliche Charakter der Ägäischen See trug wesentlich dazu bei, daß ihre Bewohner sich mit vollem Vertrauen ihr hingaben, daß sie auf ihr und mit ihr lebten. Das Meer war ihre Landstraße, wie

10. Das Altertum - S. 11

1913 - Leipzig : Wunderlich
— 11 — Jlissos wie des Jnachos Wasseradern unter dürrem Kieslager verschwunden. Neben größter Dürre ist dann wieder ein Übermaß von Wasser, das hier im Talbecken, dort zwischen Berg und Meer stockend die Lust verpestet und jedem Anbaue widerstrebt. Überall aab es Arbeit und Kampf. Und dennoch — wie frühe würde die griechische Geschichte zu Ende gegangen sein, wenn sie nur unter dem Himmel Joniens ihre Stätte gefunden hätte! Die volle Energie, welcher das Volk fähig war, ist doch erst im europäischen Hellas zu Tage getreten, auf dem so ungleich karger begabten Boden; hier ist doch der Leib stärker, der Geist freier entwickelt worden; hier ist das Land, das er sich durch Entsumpfung und Eindämmung, durch künstliche Bewässerung und mühsame Wegebahnung unter Not und Arbeit zu eigen gemacht hat, dem Menschen im vollern Sinne zum Vaterlande geworden als im jenseitigen Lande, wo er die Gaben Gottes mühelos entgegennahm. So besteht denn der besondere Vorzug des griechischen Landes in dem Maß seiner Begabung. Sein Bewohner genießt den vollen Segen des Südens; ihn erfreut und belebt der Glanz des südlichen Himmels, die heitere Lust des Tages, die warme, erquickende Nacht. Den nötigen Unterhalt gewinnt er leicht von Land und Meer; Natur und Klima erziehen ihn zur Mäßigkeit. Er bewohnt ein Bergland, aber seine Berge sind keine rauhen Hochlande, sondern urbar und triftenreich und Hüter der Freiheit; er bewohnt ein mit allen Vorzügen südlicher Gestade gesegnetes Jnselland, das doch zugleich die Vorteile eines großen, ununterbrochenen Länderzusammenhanges genießt. Starres und Flüssiges, Berg und Niederung, Dürre und Feuchtigkeit, thrakische Schneestürme und tropische Sonnenglut — alle Gegensätze, alle Formen des Naturlebens kommen zusammen, um auf die verschiedenste Art den Menschengeist zu wecken und anzuregen. Wie aber diese Gegensätze sich alle in eine höhere Harmonie auflösen, welche das ganze Küsten- und Jnselland des Archipelagos umfaßt, so wurde auch der Mensch darauf hingewiesen, zwischen den Gegensätzen, die das bewußte Leben bewegen, zwischen Genuß und Arbeit, zwischen Sinnlichkeit und Geistigkeit, zwischen Denken und Fühlen das Maß der Harmonie herzustellen. Was ein Ackerboden zu leisten vermag, zeigt sich erst dann, wenn die für ihn geschaffenen Pflanzen ihre Wurzelfasern eintreiben und auf dem glücklich gefundenen Standorte in voller Gunst, in Licht und Luft die ganze Fülle ihrer Lebenskräfte zur Entfaltung bringen. Bei dem Pflanzenleben weiß der Naturforscher nachzuweisen, wie dem bestimmten Organismus die besonderen Erdteile des Bodens ersprießlich sind; bei dem Völkerleben ruht ein tieferes Geheimnis auf dem Zusammenhange zwischen Landschaft und Geschichte. Die Hellenen waren ein von Natur unverkennbar gezeichnetes, durch gleiche Anlagen des Geistes und Körpers zur Einheit verbundenes
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