1912 -
Arnsberg i. Westf.
: Stahl
- Autor: Niebecker, Th.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Rheinland, Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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5 A. Das Mittel- und Nordeuropäische Schollen- und Tiefland. § 90.
dem Seinebecken das Gebirge nicht zu umgehen, sondern kann es in einem
breitetale durchströmen. Dieses feste Urgebirge hat den Wellen stand-
gehalten; es springt in zwei Halbinseln weit ins Meer vor. Die von hohen
Springfluten umtosten, liefgebuchteten, klippenreichen Küsten sind von wilder
Schönheit, ebenso die ihnen vorgelagerten Normannischen Inseln, die, noch
heute im Besitz der Engländer, an deren Herrschaft auf französischem Boden
erinnern. — 4. Aus dem Garonnebecken steigen wir nach 0 ganz allmählich
wie im Sächsischen Bergland (§64) in dem Südfranzösischen Hochland
hinauf, bis man in den Cevennen den höchsten Rand erreicht hat, wie bei
jenem im Erzgebirge. Wie dieses schroff zur Eger hinabfällt, so jenes zum
Rhonetale. Dieses Hochland nimmt fast den sechsten Teil von Frankreich ein.
Der Boden ist meist so gleichförmig, daß man kaum das Gebirgsland erkennt.
Nur die tief eingeschnittenen Täler der Loire und der Nebenflüsse der
Garonne erinnern den Wanderer daran. Auch das Gestein ähnelt dem des
Sächsischen Berglandes. In seinem mittleren Teile erinnert das Hochland
der Auvergne stark an die vulkanische Eisel (§ 3). Kuppenartige Berge,
Krater, Maare, Lavaströme geben uns ein großartiges Bild jener Zeit, wo
hier gewaltige Feuerschlünde tätig waren. Der höchste unter ihnen steigt bis
1900 rn empor. — 5. Den schroffen, wild zerrissenen, kahlen Abhang der Ce-
vennen hinunter steigen wir in das langgestreckte Saöne-Rhonebecken. In
dieses können wir auch aus der Oberrheinischen Tiefebene nach 3 durch die
Burgundische Pforte, die Senkung zwischen Wasgenwald und Schweizer Jura,
gelangen. Dieses Becken zeigt viel Ähnlichkeit mit der Oberrheinischen Tief-
ebene, ist jedoch länger und breiter. Im W wird es eingerahmt von den Steil-
abhängen der Hochfläche von Langres und des Südfranzösischen Hochlandes,
während sich im 0 der Schweizer Jura und die Westalpen allmählich in das
Tiefland hinabsenken. Der Schweizer Jura, der aus ähnlichem Gestein wie der
Schwäbisch-Fränkische besteht, zeigt besonders deutlich die Eigenart des Falten-
gebirges. Diese Gebirgssalten begleiten das Saöne-Rhonebecken in niedrigen,
flachen Höhenzügen; nach 0 hin werden sie höher und brechen dann steilwandig
nach der Schweiz hin ab. Die Französischen Westalpen erscheinen uns hier, da
Waldungen und grüne Matten fast ganz fehlen, als kahle Wüstenberge. —
Durch das Becken fließt die Rhone aus den hohen Alpen in reißendem, hingegen
die Saöne von den niedrigen Hochflächen von Langres in trägem Laufe dahin.
Die Rhone führt wie der Rhein massenhaft Sinkstoffe mit sich. Sie hat darum
an ihrer Mündung ein weites, ödes Delta gebildet, das noch jährlich an 50 m
in das Meer hineinwächst. Der frühere Hafenplatz Aigues mortes, wo noch König
Ludwig Ix. von Frankreich im Jahre 1248 sich zum Kreuzzuge einschiffte, liegt
jetzt 6 km landeinwärts. Da sich die Rhone wegen ihrer schnellen Strömung
nicht zur Schiffahrt eignete, mußte der Rhein-Rhone-Kanal gebaut werden.
Aufgaben: 1. Darstellung des Saone-Rhonebeckens in Sand oder Ton. 2. An-
fertiguug einer Skizze der fünf Landschaften. 3. Beschreibe die Landschaften nach Boden-
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90, 91.
Europa,
6
gestaltung und Umgrenzung! 4, Gib den Lauf der Maas, Seine, Loire, Garonne, Saöne
und Rhone durch die verschiedenen Landschaften an! 5. Auf welchem Wasserwege kann man
von der Nordsee zum Mittelländischen Meere gelangen? 6. Welcher Kanal verbindet den
Rhein mit der Seine? (§ 49.)
§ 91. Die Landschaften Großbritanniens und Irlands (Königreich). In
wenigen Stunden bringt uns der Dampfer über den Kanal nach Groß-
britannien und Irland, dem einzigen Jnselreiche Europas. Früher hing es
mit dem Festlande zusammen. Durch eine Senkung wurde es davon getrennt.
Die ähnliche Landschaftsbildung weist uns noch heute auf den ehemaligen
Zusammenhang hin. Dem Seinebecken entspricht das Ostenglische Becken, dem
Hügellande der Bretagne und Normandie das Westenglische Bergland.
1. Das Ostenglische Becken ist aus ähnlichem Gestein aufgebaut wie
das Seinebecken. Beide begrenzen den Kanal mit einer steilen Kreideküste. Ihr
verdankt England auch den Namen Albion (= weiße Küste). Die brandenden
Meereswogen haben an der Südküste wegen des losen Gesteins manche Land-
vorsprünge abgerissen, und so sind dort viele Inseln entstanden, von denen die
größte, Wight, wegen ihrer landschaftlichen Reize und ihres angenehmen
Klimas besonders berühmt ist. Infolge der reichen Niederschläge ist das Becken
stark bewässert. Daher sind auch die Flüsse, von denen die Themse am be-
deutendsten ist, sehr wasserreich. Da die Gezeitenbewegung (Ebbe und Flut)
tief in das Land vordringt, haben die Mündungen eine trichterartige Er-
Weiterung erhalten und gestatten so den Ozeandampfern, bis weit in das
Land zu fahren.
2. Das Westenglische Bergland stellt sich in der Bodengestaltung und
dem Gestein als eine Fortsetzung der Bretagne und Normandie dar. Es füllt
die Halbinseln von Cornwall und Wales und den größeren Teil Nordenglands
aus. Die meist unwirtlichen Hochflächen sind um so höher, je mehr sie nach
N liegen.
3. Noch höher und rauher sind die Schottischen Hochlande; jedoch
ist ihre durchschnittliche Höhe nicht viel bedeutender als die des Rheinischen
Schiefergebirges. Als die Erdschollen ringsum sanken, drang das Meer in
die tiefen Täler, und so entstanden die langen, schmalen Buchten (hier Firth,
in Norwegen Fjorde, an der Ostsee Förden genannt), die besonders zahl-
reich an der Westküste sind. Dort sind auch die meisten Inseln, die wahr-
scheinlich vor der Senkung die Hochebene als Berge überragt haben. Die gleiche
Küsten- und Inselbildung, dasselbe Urgestein finden wir in Norwegen wieder. Sie
geben uns einen Beweis dafür, daß diese Gebirgsländer früher eins gewesen
sind. Die Schottischen Hochlande werden durch zwei Grabeneinbrüche in drei
Teile getrennt. Der nördliche schmale Graben, das Kaledonische ^al, ist
fast ganz mit langgestreckten Seen bedeckt, die unter sich und mit dem Meer
im 0 und W durch den Kaledonischen Kanal verbunden sind.
4. Der südliche, an 75 km breite Graben bildet das milde, fruchtbare
V
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§ Hs.
Europa.
36
§ 118. Erzeugnisse des Pflanzenreiches. Im Bereiche des Mittelmeer-
klimas treffen wir die gleichen Bäume, Sträucher und Kräuter an wie im
Rhonebecken; jedoch ist. die Fruchtbarkeit unter der wärmeren Sonne meist noch
größer, für uns fast unbegreiflich, wenn sie noch durch künstliche Bewässerung,
die wegen der langen Dürre erforderlich ist, erhöht wird. Das ganze Jahr
hindurch hört das Grünen, Blühen und Reifen nicht auf. Gauze Landschaften
gleichen ungeheuren Fruchthainen, wo Oliven, Mandeln, Feigen, Apfelsinen,
Zitronen, Aprikosen, Johannisbrot, Mispeln, außerdem köstliche Weintrauben
in üppiger Fülle gezogen werden. Das ganze Jahr hindurch können reife
Früchte fast aller Art auf den Tisch gebracht werden. An manchen Gestaden
erhebt sogar die Dattelpalme ihre leichten Wedel. An den gesegneten Gestaden
Südspaniens bei Alikante gibt es sogar einen ganzen Wald von Dattelpalmen,
die reife Früchte tragen. Dazu kommt noch, daß ganze Wälder von Edel-
kaftanien mit ihren Früchten eine nahrhafte Kost bieten. Die Ebenen, besonders
die Poebene, sind mit Weizen, Reis und Mais angebaut. Dasselbe Feld kann
zwei- bis dreimal abgeerntet werden. Ohne Nachteil für die Ernten gedeihen in
und an den-Feldern Obstbäume, Maulbeerbäume, Reben. Dadurch gewähren selbst
die einförmigsten Landschaften einen reizvollen Anblick. Das Gras wächst in reich
bewässerten Gegenden so üppig, daß es beispielsweise in der Po-Ebene sechs-
bis achtmal, in der Römischen Kampagna sogar zehnmal geschnitten werden
kann. Die fruchtbarste Ebene der Balkanhalbinsel ist das Becken der Maritza
südlich vom Balkan; darin ist das Tal von Kosanlyk ein Wundergarten
von Schönheit und Fruchtbarkeit, das Land der Rosenfelder, durchwirkt von
vielen Millionen Zentifolien. Hier besonders wird das kostbare Rosenöl ge-
Wonnen. Weniger fruchtbar, teilweise steppenartig sind die beiden Tiefebenen
Spaniens, da sie unter langer Dürre leiden; jedoch meinen Kenner des
Landes, daß beispielsweise die Andalusische Tiefebene durch eine gnte Be-
Wässerung so ertragreich werden könnte, daß sie allein ganz Spanien zu er-
nähren vermöchte. — Eine völlige Ausnahmestellung nimmt die Walachische
Tiefebene ein, die . wie im Klima so auch in ihren Erzeugnissen der benach-
barten Ungarischen Tiefebene gleicht; sie ist ein reiches Korn- und Weinland,
und in ihrem östlichen Teile zeigt sie die Steppennatur des angrenzenden
Rußlands. — In einer deutschen Landschaft mit Eichen- und Bucheuwalduugeu,
mit Roggen- und Weizenfeldern, Wiesen und Weiden glaubt man jedoch zu
sein, wenn man die hohen Gebirgslande des nordwestlichen Spaniens und des
Rumelischen Schollenlandes (Serbien, Bosnien) bereist. — Auffallend ist die
Waldarmut der drei Halbinseln. Größere Wälder tragen nur die Karpathen,
der Balkan, Serbien und der Nordwesten Spaniens; in vielen Gegenden muß man
sich sogar mit getrocknetem Kuhdünger zum Heizen begnügen. Fast baumlos
sind die weiten, steppenartigen Flächen der Spanischen Hochebene; nur
einzelne Gebirgszüge tragen noch Wälder der immergrünen Stein- und Kork-
eiche. In den Steppen wächst Halfa, ein fast meterhohes Pfriemengewächs,
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37 Das Südeuropäische Faltengebirgsland, ^ 118, 119, 120.
aus dessen zähen Halmen man Stricke, Netze, Säcke, Körbe, Sandalen usw.
flicht. Jedoch gedeiht besonders in den nördlichen Gebieten der Hochebene
während der regenreichen Frühlingsmonate auch Weizen in großer Menge.
Hier ist die Kornkammer Spaniens. Ist jedoch im Juni die Ernte beendet,
dann verwandelt sich die ganze Hochebene in grauverstäubte Steppen, worüber
bis zum Winter eine unerträgliche Hitze lagert. — Viel trauriger noch als
diese öde Ebene sind die Hochflächen der Dinarischen Alpen; sie sind
Kalkwüsten, in denen wegen der Wasserarmut fast gar kein Pflanzenleben ge-
deihen kann.
Aufgaben: Beschreibe nach ihrem Anbau 1. die Landschaften der Apenninen-, 2. der
Pyrenäen-, 3. der Balkan-Halbinsel!
§ 119. Erzeugnisse des Tierreiches. Die Viehzucht auf den südlichen
Halbinseln steht gegen die Mitteleuropas weit zurück. Ergiebige Weiden für
Rinderzucht gibt es nur im Nordwesten Spaniens, im Küstengebiete der
Andalnsischen Tiefebene, — in der Lombardischen Tiefebene (Parmesankäse),
in der Römischen Kampagna, am meisten aber in der Walachischen Tiefebene.
Viel bedeutender ist die Zucht der Schafe und Ziegen.. In den Hochgebirgen
Spaniens und Korsikas lebt noch — zwar selten — das wilde Schaf, Muflou
genannt. Auf der Hochebene Spaniens, in den Apenninen und in allen Gebirgs-
gegenden der Balkan-Halbinfel trifft man große und kleine Herden der genüg-
famen Schafe und Ziegen an. In der Sierra Nevada gibt es Bauern, die
bis 5000 Ziegen befitzen. Die Schweinezucht hat nur in Bosnien und
Serbien Bedeutung; die großen Eichenwälder, in die man die Schweine zur
Eichelmast treibt, haben dazu angeregt. Einen immer größeren Umfang nimmt
die Geflügelzucht Italiens, besonders in der Po-Ebene, an; Eier bilden hier
eine wichtige Ausfuhrware auch nach Deutschland; Pferde gibt es nur wenig,
desto mehr Esel und Maultiere. Von großer Bedeutung für die Volks-
ernähruna ist auch der Fischreichtum des Meeres. Das erste Fischervolk am
Mittelmeere sind die Italiener. Der Sardellen-, Sardinen- und Tun-
fischsang, die Korallen- und Schwammfischerei liegen in ihrer Hand.
Aufgab e: Gib die Viehzucht in den einzelnen Landschaften der drei Halbinseln an
§ 120. Erträge des Mineralreiches. Die Pyrenäen - Halbinsel,
an Erträgen der Pflanzen- und Tierwelt die ärmste, ist die reichste an Mine-
ralien, vielleicht das erzreichste Land der Erde; jedoch steht ihre Ausbeute noch
weit hinter andern Ländern zurück. Auch hier knüpft sich das Vorkommen von
Erzen wieder an die Randgebirge der Urschollen. Am Südrande des Hochlandes
fördert man Kupfer, Blei, Silber, Quecksilber, Zink, auch Gold. Bei Al-
maden ist das größte Quecksilberbergwerk Europas. Der Name ist ein
arabisches Wort und bedeutet Bergwerk. So erzählt es von dem hohen Alter
des dortigen Bergwerkbetriebes. Vor den Arabern haben schon die Römer
und vor diesen die Phönizier hier nach Erzen gegraben. Die nördliche Rand-
landschast am Golfe von Biskaya ist reich an vorzüglichen Eisenerzen und an
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9 A. Das Mittel- und Nordeuropäische Schollen- und Tiefland. § 93, 94.
straße von der Nordsee zum Nördlichen Eismeer. Ihre Fortsetzung erkennen
wir in dem seenreichen Finnland. Der größte der schwedischen Seen, der
Wenersee, nimmt eine elsmal so große Fläche ein als der Bodensee. Die Seen
sind untereinander und mit der Ostsee und dem Kattegatt durch den Götakanal
verbunden. Die Ostseeküste Skandinaviens ist wegen ihrer niedrigen Lage
einfacher gestaltet. Sie hat nicht so tiefe Fjorde. Jedoch wird auch ihre Küste
von felsigen Schären begleitet. Die bedeutendsten unter den Inseln sind Oland
und Gotland.
Aufgaben! 1. Anfertigung einer Skizze. 2. Beschreibe die Bodengestaltung auf einer
Wanderung von den Gestaden der Oftsee nach dem Strande des Atlantischen Meeres!
§ 94. Das Osteuropäische Tiesland. (Das Kaiserreich Rußland.) Aus
dem Norddeutschen Tieflande wandern wir weiter nach 0 und gelangen
in das Osteuropäische Tiefland, das den gewaltigen Rumpf Europas bildet.
Es nimmt stark die Hälfte Europas ein und ist zehnmal so groß als Deutsch-
land. Überall treffen wir dieselbe Bodengestaltung an wie im Norddeutschen
Tieflande, die gleichen tafelförmigen Erhebungen und flachen Niederungen, nur
viel ausgedehnter. Eine Reise durch diese Gegenden wirkt darum ungemein er-
müdend auf das Auge. Nur dort, wo an der Grenze der Tafeln die mächtigen
Flüsse den Rand abgenagt haben, zeigt sich an dem einen Ufer bergiges Land,
während das andere Ufer wieder völlig flach ist. Der Lauf der Riesenströme zeigt
uns an, wie -sich der größere Teil des Landes nach 8 zum Schwarzen und zum
Kaspischen Meere (größer als die Ostsee) senkt. Die Kaspische Senke liegt
wie die Oberfläche des Sees felbst sogar unterm Meeresspiegel. Dieses Tief-
laud wird in kräftiger Weise durch den Kaukasus, ein mächtiges Falten-
gebirge, das an Höhe und Länge die Alpen weit übertrifft, von dem benach-
barten Asien abgeschlossen. Seine niedere Fortsetzung ist das Jailagebirge
auf der Halbinsel Krim (= li/^mal Westfalen), das an seiner Südseite eine
durch Schönheit und angenehmes Klima ausgezeichnete Landschaft bildet.
Die klar gezogene Ostgrenze des Tieflandes bildet der Ural, ein Faltengebirge,
das durchweg eine Kammhöhe wie das Erzgebirge hat, auch aus ähnlichem
Urgestein wie jenes besteht. Nach seiner Beschaffenheit unterscheidet man einen
wüsten (im N), erzreichen (in der Mitte) und einen waldreichen Ural
(im 8). Zwischen der Abdachung des Urals und dem Kaspischen See geht die
Senke offen nach Asien über. Hier befindet sich das große Völkertor, durch
das die wilden asiatischen Horden (Völkerwanderung) in Europa einbrachen.
— Das nördliche Gebiet des Tieslandes senkt sich zum Nördlichen Eismeer
und zur Ostsee. Die dorthin mündenden Flüsse haben bei weitem nicht die Länge
der nach 8 gerichteten; zwei von ihnen übertreffen aber noch den Rhein an Länge
und Wasserfülle. Da sie aber meist durch menschenleere, unwirtliche Gegenden
fließen und nur etwa vier Monate eisfrei sind, sind sie von geringer Be-
deutung. Am wichtigsten ist der kürzeste, die Newa (nur 60 km lang). Trotz
chres kurzen Laufes gehört sie zu den wasserreichsten Strömen Europas, da
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94.
Europa.
10
sie von den Wassermassen der beiden größten Seen Europas, des Ladoga-
(fast so groß wie Westfalen) und Onegasees gespeist wird. Nördlich von
diesen Seen breitet sich die Seenplatte des waldreichen Finnlands aus, das
„Land der tausend Seen" genannt. Zur Ostsee fließen noch die Düna und
der Niemen, der in Ostpreußen Memel heißt, die Weichsel und die Warthe
(Oder). Von den gewaltigen Strömen, die ihren Lauf nach 8 richten, fließen
Ural und Wolga (= die Große) ins Kaspische Meer, Don, Dnjepr und
Dnjestr ins Schwarze Meer. Selbst der kürzeste von ihnen, der Dnjestr, ist
noch 187 km länger als der Rhein, und die Wolga, Europas längster und
wasserreichster Strom, übertrifft ihn sogar 21/2 mal. Daher ist auch ihr Delta,
das sie ins Kaspische Meer vorschiebt, am ausgedehntesten. Trotz der großen
Wassermassen, womit die Ströme das Kaspische Meer speisen, nimmt es wegen
der starken Verdunstung immer mehr ab. Man hat berechnet, daß es in hundert
Jahren an 10000 qkm (= 1j2 Ws.) verloren hat. Die Wolga ist durch Kanäle
sowohl mit dem Nördlichen Eismeer als auch mit der Ostsee verbunden. Wegen
ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nennt sie der Russe den „heiligen Fluß" und
„Mütterchen Wolga". Die Verbindung mit dem Schwarzen Meer übernimmt
der Dnjepr, der von der Beresina aus durch einen Kanal mit der Düna,
außerdem durch einen Kanal mit der Weichsel verbunden ist.
Die Einförmigkeit in der Bodengestaltung läßt eine Betrachtung des
russischen Flachlandes in einzelnen Landschaften kaum zu; jedoch schafft die
Bodenart in Verbindung mit dem Klima ganz eigenartige Landschaften.
Wir unterscheiden die Zone der eiszeitlichen Ablagerungen, die des Löß
und die Kaspische Senke. — 1. Die erste Zone nimmt die größere nörd-
liche Hälfte ein; in ihr sehen wir wie in Norddeutschland weite mit Geröll
bedeckte Strecken, sandige Heiden und schier endlose Sümpfe, aber auch frucht-
baren tonreichen Boden; ihr ödester und traurigster Teil, die Tundra, liegt
südlich und nördlich vom Polarkreis bis zu den Gestaden des Nördlichen Eis-
meeres. — 2. Die zweite Zone nimmt die etwas kleinere südliche Hälfte
ein. Hier haben die Winde Jahrtausende hindurch den Erdstaub über die
Flächen geweht und sie mit einer durchweg 20 m starken Schicht bedeckt. Diese
Erdstaubschichten heißen Löß. Er ist in Mittelrnßlcmd reich an frucht-
barer Ackerkrume (Humus); wegen seiner duukleu Farbe wird er Schwarz-
erde genannt. In Südrußland bis zum Schwarzen Meere ist der Löß ärmer
an Humus; hier wird er wegen seiner gelbbraunen Färbung Gelberde ge-
nannt. — 3. Ganz anders geartet ist noch die Kaspische Senke. Die salzige
Sand- und Tonerde läßt erkennen, daß das Kaspische Meer einst viel größer
war und mit dem Schwarzen Meere in Verbindung stand. Auf weiten Strecken
gestattet der Boden nicht die geringste Grasbenarbuug. Daher macht die
Senke völlig den Eindruck einer Halbwüste.
Aufgaben! 1. Anfertigung einer Skizze, 2. Die Bewässerung Rußlands. 3, Gib
die Bodenbeschaffenheit vom Kaspischen See bis zum Nördlichen Eismeer an!
1912 -
Arnsberg i. Westf.
: Stahl
- Autor: Niebecker, Th.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Rheinland, Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
§ 121, 122.
Europa,
40
ist Trieft Ein großer Nachteil für den Handel ist es auch, daß die
Donau am Eisernen Tor der Schiffahrt noch so große Schwierigkeiten macht.
Die erste Handelsstadt des Innern, dazu noch durch seine Industrie bedeutend,
ist die alte Kaiserstadt Wien Ihr folgt Budapest /g\, die Hauptstadt
Ungarns. Berühmte Alpenstädte, die wegen ihrer herrlichen Lage viel besucht
werden, sind Salzburg und Innsbruck. Ein wegen seiner warmen Quellen
weltberühmter Badeort ist Gastein in den Hohen Tauern. Meran bei Bozen
ist wegen seines milden Klimas ein beliebter Winterkurort für Lungenkranke.
Mit Österreich-Ungarn stehen wir in den innigsten Handelsverbindungen.
Wir beziehen von dort vorzugsweise Braunkohle, Vieh, Getreide, Holz und
Eier, wofür wir in erster Linie Steinkohlen, Metalle und Metallwaren, dann
Wolle und Erzeugnisse aus Wolle liefern. Österreich-Ungarn sendet jährlich für
750 Millionen Mark Waren nach Deutschland und holt von uns für die gleiche
Summe. Dem Verkehre dienen Elbe und Weichsel, außerdem viele Eiseubahu-
linien, von denen die bedeutendsten für uns sind: 1. Regensburg—wien—buda-
pest—kronstadt, 2. Dresden—prag—wien— (mit der Semmeringbahn über die
Alpen) Graz—triest, 3. Breslau—oderberg nach Wien oder Krakau—lemberg,
4. die Brennerbahn: München—kufstein— (den Inn hiuaus) Innsbruck— (über
den Brenner die Etsch hinab) Bozen—verona—venedig.
Aufgaben: 1. Fertige eine Skizze von Österreich-Ungarn an! 2. Gib die Lage, Größe
und Bedeutung der Städte an! 3. Vergleiche Österreich-Ungarn und Deutschland nach Größe,
Einwohnerzahl und Volksdichte! 4. Worin liegt die schwächere Besiedelnng begründet?
5. Reise von deiner Heimat nach Wien!
§ 122. Der Bundesstaat Schweiz (40000 qkm, 3x/2 Millionen Einwohner)
besteht ans 25 Kantonen mit eigener Verwaltung. Die Bundeshauptstadt ist
Bern. Hier werden die gemeinsamen Angelegenheiten, wie Kriegswesen und
Verkehrseinrichtungen, beraten. Die Bewohner sprechen im größten Teile des
Landes Deutsch, in der Südspitze Italienisch und im W Französisch.
Vorbereitende Aufgabe: Gib in knrzen Zügen Bodengestaltung, Klima
und Erträge der Schweiz an!
Die Schweiz hat durchschnittlich eine dichtere Bevölkerung als die beuach-
barten Länder Frankreich und Österreich. Wegen der großen ertragsarmen Flächen
der Alpen und des kalkreichen Juras würde sie ihre Bewohner nicht ernähren
können, wenn nicht Industrie, Handel und Verkehr weit mehr als der Hälfte
der Bewohner Arbeit und Verdienst gäben. Die bewegende Kraft liefern meist
die raschfließenden wasserreichen Flüsse. Um St. Gallen (T), Zürich /\,
Basel Bern (^) blüht die Baumwollen- und Seidenindustrie, in den
Juratälern und in Genf /j^ die Uhrenindustrie, die sich Weltruf erworben hat.
Viele Millionen Mm:! bringt auch der hochgesteigerte Fremdenverkehr in dieses
Land, worin die Alpen ihre ganze Herrlichkeit offenbaren; der Hauptsammelplatz
für die Reisenden ist Luzern. Die Bedeutung für nnferen Handel mag daraus
erhellen, daß die kleine Schweiz nach Deutschland für 200 Millionen Mark Waren
1912 -
Arnsberg i. Westf.
: Stahl
- Autor: Niebecker, Th.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Rheinland, Westfalen
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
96.
Europa.
12
nordöstlicher Richtung durch den Ozean und umspült die westlichen Gestade.
Sie wirkt aus die Küstenländer wie eine wunderbare Warmwasserheizung. Dem
Golfstrom verdanken die Küstenländer ihre milden Winter, Südisland seine
Bewohnbarkeit, die Fjorde Norwegens ihre eisfreien Wasser, während die
gegenüberliegende Küste Amerikas (Labrador) monatelang unter Eis und
Schnee begraben liegt. Da der Golfstrom nicht in die Ostsee eindringt, friert
sie in ihren nördlichen Buchten jedes Jahr auf Monate zu. — Die Temperatur
wird außerdem von der Höhenlage bedingt, da auf je 100 m Höhe eine Ab-
nahme von 1/2° (§ 6) erfolgt. Die ungünstige Wirkung zeigt sich in allen
Gebirgsgegenden, besonders aber auf den Schottischen Hochlanden und den
Hochflächen Skandinaviens. Bei diesen beginnt die Region des ewigen
Schnees im 3 bei 1500 m, im N sogar bei 750 m, hingegen in den Alpen
erst bei 2700 m. Wie die Temperatur, so beeinflußt die Höhenlage auch die
Regenmengen, wie wir in allen Landschaften Deutschlands erkannt haben.
Wie groß der Unterschied zwischen den Hochlanden und den östlich davon
liegenden tieferen Gegenden ist, mögen einige Beispiele zeigen: An der West-
küste Schottlands mißt man 258 cm Niederschläge, an der Ostküste nur
75 cm; an der Westküste Skandinaviens (Bergen) 226 cm, an der Ost-
küste des Gebirges (Kristiana) sogar nur 54 cm. Infolgedessen ist auch
das Saöne-Rhonebecken so arm an Regen. Infolge der Verschiedenheit in
Erwärmung und Niederschlagsmengen können wir in Nord- und Mitteleuropa
7 Klimagebiete unterscheiden: 1. kühle Sommer, milde Winter in Groß-
britannien und Irland und an der Fjordenküste Norwegens; 2. gemäßigte
Sommer, milde Winter in den Niederlanden, Belgien, den französischen Tief-
landen: 3. heiße Sommer, milde Winter in dem Rhonebecken und der
Küstenlandschaft des Golfes von Lyon; 4. gemäßigte Sommer, gemäßigte
Winter auf dem Südfranzösischen Hochlande, in Deutschland, Dänemark, auf
der Halbinfel Götaland, im westlichen Rußland; 5. warme Sommer und
kalte Winter im mittleren größten Teile Rußlands; 6. heiße Sommer und
kalte Winter in den südlichen Strichen Rußlands; 7. sehr kalte lange
Winter und mäßig warme kurze Sommer, in denen der Boden kaum auftaut,
auf den Hochflächen Skandinaviens und den Tundren am Nördlichen Eismeer.
Aufgaben: 1. Die Wirkung des Ozeans auf das Klima. 2. Die wohltätigen Folgen
des Golfstromes. 3. Wirkung der Gebirgslandschaften auf Temperatur und Niederschläge.
4. Beschreibe auf einem Gange von 0 nach Av die sieben Klimagebiete nach Temperatur
und Niederschlägen!
Erzeugnisse der Pflanzen- und Tierwelt.
Bodengestalt und Klima beeinflussen am meisten, wie wir bei den deutschen
Landschaften immer wieder erkannt haben, die Pflanzen- und Tierwelt. In
dem Mittel- und Nordeuropäischen Schollen- und Tieflande unterscheiden wir
besonders vier Pflanzengebiete: die Tundra, das Waldgebiet, die Steppe und das
Gebiet der immergrünen Laubbäume.