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1. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 17

1906 - Berlin : Mittler
— 17 — Die Meere, welche von Rußland aus zu ihm hinführen, haben für dieses Land nur einen untergeordneten Verkehrswert. Im Norden wird es von dem Nördlichen Eismeer bespült, dessen Häfen ein halbes Jahr lang durch Eis dem Verkehr verschlossen sind. Die Häfen der Ostsee haben ebenfalls unter Eisbedeckung im Winter zu leiden; zudem ist der Ausgang dieses Meeres wie derjenige des Schwarzen Meeres in fremden Händen. Aus diesen Verhältnissen erklärt es sich, daß Ruß- land eifrigst bemüht ist, seine Stellung im Großen Ozean*) zu befestigen und am Indischen Ozean festen Fuß zu fassen. Auch die Landgrenzen begünstigen die wirtschaftliche Entwicklung Rußlands wenig. Abgesehen von Deutschland, unterhalten die Grenzländer (Türkei, Rumänien, Österreich- Ungarn, Schweden und Norwegen) nur einen verhältnismäßig geringen Warenaustausch mit Rußland. Größe und Volksdichte. Rußland ist einschließlich Finn- land etwa zehnmal so groß wie Deutschland (5 390 000 qkm). Das russische Reich in Europa und Asien macht ungefähr den sechsten Teil von dem Festlande der Erde aus. Dieser gewaltigen Ausdehnung entspricht durchaus nicht die Bevölkerungszahl; denn im europäischen Rußland wohnen noch nicht doppelt so viel Menschen als in Deutschland. Auf 1 qkm kommen durchschnittlich 19 Einwohner. Unter den europäischen Staaten haben nur Schweden und Norwegen eine noch geringere Volksdichte. Von den Siedlungen des ausgedehnten Reiches haben nur 7 Städte über 250 000 Einwohner (Petersburg 1,4 Millionen, Moskau, Warschau, Odessa, Lodz, Riga und Kiew). 20 Städte haben mehr als 100 000 Einwohner. (In Deutschland 33.) Bodengestalt. Natürliche Landschaften. Rußland ist ein von niedrigen Erhebungen durchzogenes, 100 bis 200 m über dem Meeresspiegel sich erhebendes Tiefland, das nur im Sw., S. und O. von Gebirgen umrahmt wird. Die bedeutendsten Bodenerhebungen sind: a) die westrussische oder litauische Landhöhe, die sich in nordöstlicher Richtung bis zur Waldaihöhe (350 m) hinzieht. b) Die zentralrussische Platte zwischen Don und Dnjepr. c) Die Wolgahöhen, die auf dem westlichen Ufer der Wolga von Kasan bis zum 45° n. Br. reichen. ') Durch den unglücklichen Krieg mit Japan ist Rußland fast gänzlich vom Großen Ozean abgeschnitten. Wolff— Pflug, Wirtschaftsgeographie. Ii. 2

2. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 18

1906 - Berlin : Mittler
18 — d) Im No. ist der nordrussische Landrücken, an den sich die Timanberge anschließen, und endlich e) die polnische Platte auf der linken Seite der Weichsel. Das nordrussische Tiefland. Das nordrussische Tiefland breitet sich zwischen dem nördlichen oder wüsten Ural und der finnischen Seenplatte aus. Im Süden wird es von der etwa 1100 km langen nord- russischen Landhöhe und im Norden vom nördlichen Eismeere begrenzt. Der nordöstlich vom Timangebirge gelegene Teil bildet das Petschora- becken, das als das unwirtlichste und unbewohnteste Gebiet des europäischen Kußland bezeichnet werden darf. Neben düsteren Tannen- imd dürftigen Kiefernwäldern trifft man hier nur ausgedehnte Flechten- und Moos- steppen (Tundren). Auch das Dwinabecken, das weit größer ist als Frankreich und Großbritannien zusammengenommen, stellt ein nur dürftig bewohntes Sumpf- und Waldland dar, das von den schiffbaren Flüssen Mesen, Dwina und Onega bewässert wird. Die finnische Seenplatte, im Westen vom Bottnischen, im Süden vom Finnischen Meerbusen begrenzt, hängt im Osten mit dem nordrussischen Tieflande zusammen. Es ist eine mit großen Seen, Sümpfen und Wäldern bedeckte Granitplatte von durchschnittlich 150 bis 200 m Höhe. Berge und Täler sind gering entwickelt. Für Ackerbau ist wenig Kaum; die Haupterwerbsquellen der auf verhältnismäßig hoher Bildungs- stufe stehenden Bewohner bilden die großen Waldungen und die fisch- reichen Seen. Die Viehzucht wird in beträchtlichem Umfang betrieben. Das baltische Tiefland. Nordwestlich von der westrussischen Landhöhe unddemwaldai breitet sich bis zur Ostsee hin das baltische Tiefland aus, das im Südwesten mit dem norddeutschen Flachlande und im Nordosten mit der großen nordrussischen Tiefebene in Verbindung steht. Während sein klemerer östlicher Teil ein mit Seen und Sümpfen reichlich bedecktes, -wirklich flaches Tiefland (Ingermanland) mit geringer Boden- fruchtbarkeit darstellt, zeigt der größere westliche Teil eine reichere Mannig- faltigkeit in der Oberflächengestalt. Die baltischen Höhen, die von den fast bis zur Quelle schiffbaren Flüssen Niemen und Düna durchbrochen werden, erinnern mit ihren vielen anmutigen Hügeln, ausgedehnten Wäl- dern und kleinen Seen an die baltische Seenplatte des Deutschen Reiches. Ackerbau, Viehzucht und Forstwirtschaft werden in den russischen Ost- seeprovinzen, namentlich in Kurland und Livland, mit bestem Erfolge be- trieben. Zentralrussische Platte. Die zentralrussische Platte ist jene »weite, fast ebene Hochfläche«, die im Norden und Osten von dem großen Bogen der Wolga, im Süden von dem unteren Don und dem Asowschen Meere und im Westen vom Dnjepr begrenzt wird. Nach Norden setzt sich dieses Plateau in der Waldaihöhe fort, die nach Nordosten die nordrussische und nach Südwesten die westrussische Landhöhe aussendet. Die Hochfläche wird durch eine Einsenkung in den Flußgebieten der Oka und des Don in eine östliche und westliche Bodenschwelle ge- teilt; erstere fällt im sogenannten Bergufer steil zur Wolga ab. Gegen- über hegen die niedrigen Wiesenufer der Wolga. Nach Süden hin steht die westliche Bodenschwelle durch eine niedrige Landhöhe, die sich auf der rechten Seite des Donez hinzieht, mit der steinkohlenreichen süd- russischen Steinplatte in Verbindung.

3. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 19

1906 - Berlin : Mittler
— 19 — Die zentralrussische Platte ist das Quellgebiet zahlreicher Flüsse (Dnjepr, Düna, Oka, Don, Donez), die aber Kanalanlagen, an denen Rußland sonst so reich ist, wegen ihrer engen, tiefen Täler nicht zulassen. Die größere südliche Hälfte des zentralrussischen Plateaus (Schwarzerd- gebiet) bildet ihres außerordentlich fruchtbaren Bodens wegen die Korn- kammer Rußlands. Dieses Schwarzerdgebiet, dessen Boden (Tschernosem) eine Mischung von Löß und Humus darstellt, liefert ohne Düngung die größten Erträge. Seine Nordgrenze bildet eine Linie von Kiew über Tida nach Kasan. Das (russische) Weicliselgebiet. Russisch-Polen, das sich keilförmig zwischen Teile Deutschlands und Österreich-Ungarns einschiebt, ist ein wichtiges Wirtschaftsgebiet mit ergiebiger Landwirtschaft im Tief- lande und reichem Wald und Bergbau in der polnischen Platte an der Grenze von Oberschlesien und Galizien. Die Mittelpunkte des industriellen Lebens bilden Warschau und Lodz. Die podolisch-wolhynische Platte schließt sich in südöst- licher Richtung an die polnische Platte an. Ihre fruchtbare gelbe Steppen- erde ermöghcht einen reichen Getreidebau. Nördlich von ihr liegen die mächtigen Rokitnosümpfe des Pripet, die man teilweise durch schwie- rige Entwässerungsanlagen in nutzbringendes Kulturland verwandelt hat. Die südrussische Steppe ist ein geringwertiges, regenarmes und baumloses Gebiet; dies gilt namentlich von dem uralisch-kaspischen Tief- land nördlich vom Kaspischen Meere. Ausgedehnte Salzsteppen mid Sand- wüsten bedecken diesen östlichen Teil des dünnbevölkerten Landes. Die nomadisierenden, auf niedriger Bildungsstufe stehenden Reiterhorden (Kir- gisen, Kalmücken) sind Viehzüchter. Die salzhaltigen Seen (Eltan-See) dienen der Salzgewinnung. Die pontische Steppe, der westliche zwischen Don und Donaumündung gelegene schmale Teil der südrussischen Steppe weist nach der Schneeschmelze im Frühjahr imd nach den Herbstregen einen üppigen Graswuchs auf, der zu ausgebreiteter Viehzucht anregt. Der Ackerbau ist in dieser gelberdigen Steppe bis jetzt gering. Die Halb- insel Krim gehört größtenteils zur pontischen Steppe; nur die durch das Jailagebirge geschützte Südseite hat Mittelmeerklima mit üppigem Pflanzen wuchs. Klima. Infolge der gewaltigen Breitenausdehnung imd der hiermit in Verbindung stehenden weiten Entfernung vom Meere ist das Klima Rußlands ein kontinentales. Nordrußland hat 8 bis 9 Monate lang Winter, und das Thermometer zeigt nicht selten —40° C. Auch Mittel- und Stid- rußland haben unter strengem Frost zu leiden und werden häufig von heftigen Schneestürmen heimgesucht. Die Sommer sind heiß und regen- arm. Die Niederschläge nehmen von W. nach 0. ab; sie betragen im N. und in der Mitte Rußlands 500, im S. und So. 380 bis 200 mm. Geologisches. Das Grundgebirge des russischen Flachlandes setzt sich aus den verschiedensten Formationen zusammen. Das Tertiär breitet sich im Süden, Kohlenkalkstein in der Mitte, Devon in den Ostseeprovinzen und Juraschichten im Nordosten aus. Die Ablagerungen haben fast über- all ihre horizontale Lage bewahrt. In der Umrandimg des Flachlandes (Ural, Kaukasus, Karpaten) treten die archäischen Gesteine des Grund- gebirges zutage. Auf dem Untergrund lagert eine mächtige, lockere Bodenschicht, die ihrer Entstehung nach teils Glazialboden, teils Staub- oder Steppenerde ist. Die erstere entstand in der Eiszeit durch Ab- 2*

4. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 20

1906 - Berlin : Mittler
20 lagerung, die Stauberde dagegen wurde durch den Wind aus den Steppen und Wüsten Asiens herbeigeweht. Die Grenze zwischen dem nördlichen Glazialgebiet und dem südlichen Stauberdgebiet bildet ungefähr eine Linie, die von Lemberg über Tula nach Kasan und Perm geht. Der G la zi albori cn setzt sich aus eratischen Blöcken, Kies, Sand und Lehm zusammen. Letzterer bildet in Verbindung mit Humus einen fruchtbaren Ackerboden. Da, avo er undurchlässig ist, gab er die Ver- anlassung zur Bildimg von Sümpfen und Mooren, an denen Nordrußland überaus reich ist. Das Gebiet rter Stauberde liegt südlich vom Glazialgebiet und besteht aus dem größeren nördlichen Schwarzerdgebiet und der kleineren südlichen Region der gelben Steppenerde. Die »Schwarze Erde« (Tscher- nosem) reicht im Osten bis zur Wolga (Kasan — Zarizyn), stellenweise darüber hinaus, im Westen etwa bis zu einer Linie von Schitomir nach Kischinew, im Süden bis zur südrussischen Granitschwelle. Das Schwarz- erdgebiet bildet mit seiner Fruchtbarkeit die eigentliche Kornkammer Rußlands. B. Gütererzeugung. I. Bodenbau und Viehzucht. Allgemeines. Rußland hat außerordentlich ertragreiche Landstriche; das Schwarzerdgebiet mit seiner Fruchtbarkeit hat auf der Erde nicht seinesgleichen. Aber ein hoher Prozent- satz der russischen Bodenfläche ist unproduktives Land. Letzteres setzt sich aus zahlreichen Seen, riesigen Moor- und Sumpfflächen, aus unbewohnbaren Moossteppen (Tundren) und wertlosen Salzsteppen und Salzsümpfen zusammen. Die un- produktiven Flächen machen zusammen fast ein Fünftel von der Gesamtfläche des europäischen Rußlands aus und haben ungefähr die doppelte Größe des Deutschen Reiches. Der kulturfähige Boden ist teils Waldland (37 vh.), teils Acker- (29 vh.) und Wiesenland (15 vh.) Rußland ist ganz überwiegend ackerbautreibender Staat, und doch ist in keinem Lande der Erde der Betrieb der Landwirtschaft so mangelhaft wie hier. Während man in Deutsch- land durchschnittlich 16,8 dz Getreide auf den Hektar gewinnt und in Belgien gar 21,1 dz, liefert er in Rußland nur 6,4 dz. Mangelhafte Fürsorge der Staatsverwaltung, niedrige Bildung des russischen Bauern, dem jedes Interesse für Fortschritt auf landwirtschaftlichem Gebiet fehlt, und noch nicht genügend entwickelte Verkehrsverhältnisse sind die Hauptursachen. Auch das Klima mit seinen durch die kontinentale Lage des Landes bedingten Gegensätzen, seinen langen, harten Wintern und seinen kurzen, heißen Sommern, mit seiner Verschieden-

5. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 21

1906 - Berlin : Mittler
21 — heit in der Menge und Verteilung der Niederschläge erschwert die Bodenkultur. Getreidebau. Der wichtigste Zweig des russischen Acker- baues ist der Getreidebau. Er liefert nicht nur die Brot- früchte für die zahlreiche Bevölkerung des ausgedehnten russischen Reiches, sondern stellt auch den weitaus größten Beitrag zur Ausfuhr. Es werden in erster Linie Roggen, Weizen, Hafer und Gerste angebaut, Hirse, Buchweizen und Mais treten bedeutend zurück. Das Schwarzerdgebiet hat den größten Anteil an der Getreideproduktion; doch auch im Wald- gebiet, in den Ostseeprovinzen und in Polen wird viel Getreide erzeugt. Anbau von Hackfrüchten, Futterkräutern und Hülsen- früchten. An Kartoffeln erzeugt Rußland ungefähr halb so viel wie das Deutsche Reich. An Zuckerrüben gewinnt es soviel, daß es dadurch nicht nur seinen eigenen Zuckerbedarf befriedigen kann, sondern auch noch beträchtliche Mengen Zucker nach dem Orient ausführt. Die Hauptanbaugebiete sind Podolien, Kleinrußland, Polen und einige Teile der Schwarz- erde. Dem Anbau von Futterkräutern wird zwar nur eine verhältnismäßig kleine Fläche eingeräumt, aber dennoch bildet Rußland Deutschlands wichtigste Bezugsquelle für Klee-, Espar- sette-, Luzerner und Serradella-Saat. Im Jahre 1903 betrug die Ausfuhr nach Deutschland in diesen Artikeln 12,2 Millionen Mark. Unter den Hülsenfrüchten wird der Anbau der Erbse bevorzugt. Deutschland bezog 1903 für rund 15 Millionen Mark Erbsen, Bohnen und Linsen. Anbau von Flachs und Hanf. Unter den Industrie- pflanzen Rußlands stehen Flachs und Hanf an erster Stelle. Sie werden besonders in den mittleren und westlichen Gebieten angepflanzt. Für Flachsgewinnung ist es das wichstigste Land Europas. Obst- und Weinbau. Obst wird weit unter Bedarf er- zeugt. Das Haupteinfuhrland für frisches Obst ist Österreich- Ungarn. Der Weinbau ist in starker Zunahme begriffen und liefert stellenweis recht gute Qualitäten. Hauptanbaugebiete sind Bessarabien, die Halbinsel Krim und das Mündungs- gebiet des Don. Forstwirtschaft. Mehr als ein Drittel des kulturfähigen Bodens ist im europäischen Rußland Wald. Seine Verbreitung

6. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 22

1906 - Berlin : Mittler
ist sehr ungleichmäßig. Die größten zusammenhängenden Wal- dungen findet man in Nordrußland, in Polen und im mittleren und südlichen Ural. Südrußland ist waldarm. Von einer rationellen Forstwirtschaft, wie wir sie in Deutschland haben, ist keine Rede; vielmehr werden in rücksichtsloser Weise Ab- holungen vorgenommen, ohne an eine sorgfältige Neuauf- forstung zu denken. Diese Wald Verwüstung ist umso un- begreiflicher, als bis dahin die Forsten einen Hauptteil des russischen Nationalvermögens darstellen und der Wald fast ganz dem Staate gehört. Viehzucht, Fischerei und Jagd. 1. Das europäische Rußland hat zwar der Stückzahl nach einen großen Viehbestand, namentlich an Pferden, Rindern und Schafen, aber die Viehzucht ist doch nicht annähernd so hoch entwickelt wie in Deutsch- land, Dänemark, Holland, Großbritannien, Belgien, Österreich-Ungarn und in der Schweiz. Während in Dänemark auf 1 qkm 12 Pferde kommen, weist Rußland nur 4 für den qkm auf. In Großbritannien kommen auf den qkm annähernd 100 Schafe, in Rußland nur 10. Ähnlich ungünstig steht es mit dem Rindviehbestand. Die Ursache dieser ungünstigen Ent- wicklung liegt nicht in dem Mangel an ausreichenden natürlichen Vor- bedingungen der Viehzucht, sondern an dem wenig rationellen Betrieb, der in ähnlicher Weise wie bei der Landwirtschaft durch mangelhafte Verkehrs- verhältnisse erschwert wird. Auch unter Viehseuchen hat Rußland stark zu leiden. Das Hauptgebiet der russischen Viehzucht ist das süd- liche und südöstliche Rußland. Vorzugsweise werden Pferde, Rinder, Schafe und Schweine von den nomadisierenden Steppenbewohnern gezüchtet. Auch die Kamelzucht wird hier betrieben. Die Überwinterung der Tiere im Freien und der Fortfall der Stallfütterung erleichtert die Viehhaltung. Das Schwarzerdgebiet hat wenig Wiesenland und infolgedessen auch wenig Viehzucht. Podolien und die Ukraine züchten gute Rindviehrassen; Polen hat bedeutende Schweinezucht. Die Renntierzucht in Nordrußland und Finnland ist Lebens- bedingung der Lappen. Die Bienenzucht, durch die aus- gedehnten Lindenwälder begünstigt, blüht in Mittelrußland. Sie deckt aber nicht den Bedarf an Honig und Wachs. Im Gouvernement Taurien in Südrußland wird Seidenzucht ge- trieben. Die Viehzucht hat bei weitem nicht den gleichen Anteil an der Ausfuhr wie der Getreidebau. Immerhin ist in einigen Erzeugnissen der Export bedeutend, namentlich für Deutsch-

7. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 23

1906 - Berlin : Mittler
— 23 — land ist Rußland ein wichtiges Einfuhrland für Eier, Geflügel, Schweine, Borsten, Pferde, Butter und Kalbfelle. 2. Rußland ist ein fischreiches Land, besonders hefern die südrussischen Gewässer reiche Erträge. Bekannt ist der Störfang der unteren Wolga, des Kaspischen und Schwarzen Meeres. Der Hausen, die größte Störart, liefert den bekannten Kaviar und die Hausenblase. — Unter den sonstigen Erträgen des Fischfangs sind noch Heringe, Kabeljau und Lachse hervor- zuheben. Für den Ausfuhrhandel sind nur Kaviar und Hausen- blase von Bedeutung. 3. Die ausgedehnten russischen Waldungen sind außer- ordentlich reich an wertvollen Pelztieren, wie Bären, Wölfen, Füchsen, Mardern und Hermelinen. Unter dem Federwild sind Auer- und Birkwild in großer Zahl vorhanden. An der Eis- meerküste werden Eidergänse, Robben und Eisbären erbeutet. Die Erträge der Jagd sind für den Außenhandel von Wichtig- keit. Die Hauptmärkte für russische Pelzwaren sind Moskau und Nischnij-Nowgorod. Ganz beträchtlich ist der Versand an Fleisch- und Federwild und an Fellen von Pelztieren. Deutsch- land bezog im Jahre 1903 für 24,6 Millionen Mark Felle und Yogelbälge. Iii. Der russische Bergbau. Der russische Bergbau erscheint noch sehr entwicklungsbecliirftig ; denn die Ausbeute an bergbaulichen Erzeugnissen entspricht nicht dem Mineralreichtum des Landes. Für die Weltproduktion hat der Bergbau- betrieb nur in wenigen Zweigen Bedeutung (Naphtha). Die Kohlen- gewinnung deckt nicht annähernd den Bedarf, obwohl sich im letzten Jahrzehnt die Kohlenproduktion im gesamten russischen Reiche mehr als verdoppelt hat. Aus der Zunahme der Roheisengewinnung, die sich ebenfalls im Laufe der letzten zehn Jahre verdoppelt hat, ist ersicht- lich, daß auch der Bergbau auf Eisenerze gute Fortschritte gemacht hat. Die Xaphthaproduktion hat, wenn man die kaukasische mit in Betracht zieht, einen enormen Umfang angenommen und kommt der nordamerika- nischen gleich. Während die Silbergewinnung beträchtlich zurück- gegangen ist, weist Rußland in der Goldproduktion, in der es alle anderen Länder Europas weit überragt, einen ziemlich bedeutenden Fort- schritt auf. Unter den Bergbaubezirken ist der südrussische vom Donez bis zum Dnjepr (Jekaterinoslaw) weitaus der wich- tigste. Die Ausbeute an Steinkohlen ist hier in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf das Hundertfache gestiegen und ist einer weiteren bedeutenden Steigerung fähig. Von

8. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 24

1906 - Berlin : Mittler
— 24 — großer Wichtigkeit für dieses Kohlenbecken ist das Magnet- eisenlager bei Jekaterinoslaw. Der polnische Bezirk an der Grenze von Oberschlesien und Galizien ist der zweitreichste der russischen Bergbau- bezirke. Er liefert Steinkohle, Eisen-, Zink- und Bleierze. Die polnischen Kohlenfelder sind nicht imstande, den Bedarf des Gebietes zu decken, weshalb eine beträchtliche Einfuhr aus Österreich-Ungarn und Deutschland stattfindet. Der mittlere oder erzreiche Ural, ein altberühmter Berg- baubezirk, ist ungemein reich an Eisenerzlagern; zugleich ist er die wichtigste Fundstätte Europas für Golderze. Außerdem liefert er Platin, Kupfer und Manganerze. Der Verhüttung der Eisenerze stellen sich große Schwierigkeiten entgegen, weil die Kohlenlager des Ural zu weit entfernt hegen und außerdem die Verkehrswege hier noch zu wenig entwickelt sind. Auch für Edelsteine und Halbedelsteine ist der Ural eine wichtige Fundstätte. Im Moskau-Tulaer Bezirk sind trotz der ausgedehnten Kohlenfelder nur wenig Bergwerke in Betrieb, da die Qualität der Kohle gering ist. Als letzter Bezirk ist noch der Kaukasus zu erwähnen, der politisch zum europäischen Rußland gerechnet wird. Seine Bedeutung liegt vor allem in der Gewinnung von Naphtha (Baku) und Manganerzen (siehe Kaukasien). Iv. Die Industrie Rufslands. Entwicklung1. Die russische Industrie hat in den letzten Jahrzehnten ganz bedeutende Fortschritte gemacht. In verschiedenen Zweigen hat sie sich zu solcher Höhe entwickelt, daß sie nicht nur den Inlandsbedarf ganz oder zum größten Teile deckt, sondern auch noch eine beachtens- werte Ausfuhr nach der asiatischen Türkei, nach Persien, Centraiasien und China aufzuweisen hat. Ja, es steht zu erwarten, daß Rußland auf industriellem Gebiete noch eine hervorragende Rolle spielen wird. Die raschen Fortschritte erklären sich hauptsächlich aus der Fürsorge der Regierung, die sich in hohen Prohibitiv(Schutz-)zöllen und dem intensiven Ausbau der Verkehrswege kundgibt. Eine weitere Förderung erfuhr das Fabrikwesen durch Gründung zahlreicher Aktiengesellschaften, bei denen ausländisches Kapital in bedeutendem Umfange beteiligt ist, sowie dadurch, daß man tüchtige Ausländer (Deutsche, Franzosen, Engländer, Belgier) herbeizog, die als Direktoren, Techniker, Werkmeister und Arbeiter in den Fabriken tätig sind. In Rußland besteht neben der Fabrikindustrie die Hausindustrie. Sie ist uralt und hochentwickelt. Ihr Bestand neben der Großindustrie erklärt sich hauptsächlich aus der Naturbeschaffenheit des Landes. Die langen und scharfen Avinter, welche die Arbeit im Freien mehr oder weniger

9. Deutschlands Hauptverkehrsländer - S. 25

1906 - Berlin : Mittler
— 25 — unmöglich machen, zwingen zu häuslicher Betätigung. Ungemein zahl- reich und mannigfaltig sind die Gebrauchsgegenstände und Luxusartikel, die von den Hausindustriellen auf den Markt gebracht werden. Tee- maschinen (Samoware), Holzwaren, allerhand Gewebe von der einfachsten Art bis zu den feinsten Spitzen und Teppichen, Waffen, Gold- und Silber- waren u. dgl. sind Erzeugnisse der Hausindustrie. Baumwollindustrie. An der Spitze aller Industriezweige steht die Baumwollindustrie, die jährlich etwa 100 Millionen kg Rohbaumwolle verarbeitet. Zwei Drittel davon werden aus dem Auslande, namentlich aus Großbritannien und Deutsch- land bezogen, der Rest wird durch Eigenproduktion in den asiatischen Besitzungen gewonnen. Rußland arbeitet mit Hochdruck daran, sich durch Steigerung der inländischen Baumwollerzeugung mehr und mehr vom Auslande unabhängig zu machen. Unter den verschiedenen Bezirken der Baumwoll- industrie ist der polnische mit seinem guten Arbeiterpersonal und seiner großen Kapitalskraft der wichtigste. Die Haupt- plätze sind Lodz und Warschau. Im mittelrussischen Industrie- bezirk sind Moskau, Kaluga, Jaroslawl, Wladimir und Iwanowo (das russische Manchester) und im nördlichen Petersburg und Narwa von besonderer Bedeutung für diesen Industrie- zweig. Metallindustrie. Sie hat zwar an dem allgemeinen Fort- schritt der Industrie teilgenommen, namentlich im südrussischen Industriebezirk, deckt aber den heimischen Bedarf nicht. Am wenigsten leistungsfähig ist die Maschinenindustrie, weshalb eine bedeutende Einfuhr aus den westeuropäischen Industrie- staaten stattfindet. Die Hüttenindustrie ist am höchsten im Ural (Jakaterinburg) und am Donez entwickelt. Im Gebiet der südrussischen Kohlenfelder erinnert die rasche Entwicklung der Großeisenindustrie an amerikanische Verhältnisse. Jekaterinoslaw hat große Eisengießereien und liefert Eisenbahnmaterial. Eisen- bahnwerkstätten haben auch Petersburg und Tula. In der Gewehrfabrikation nehmen Tula, Kiew und Moskau den ersten Platz ein. Tula hat die zweitgrößte Gewehrfabrik Europas. Diese Stadt ist auch berühmt durch ihre Kurzwaren und Er- zeugnisse in Silber (»Tulawaren«). Die Herstellung von Gold-, Silber-, Kupfer- und Bronzewaren wird hauptsächlich in den Großstädten betrieben, aber auch die Hausindustrie auf dem Lande nimmt an der Fabrikation dieser Artikel teil. Andere Industriezweige. Unter den übrigen Indu- strien sind Naphtha-, Leder-, Spiritus-, Zucker- und Tabak- industrie, sowie Müllerei und Kaviarbereitung für den Ausfuhr-

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