1910 -
Stuttgart
: Holland & Josenhans
- Autor: Hörle, Emil
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Regionen (OPAC): Württemberg
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Gletschern ausgehobelt. Zu ihuen gehören der am Südabsturz der Hornis-
grinde gelegene badische Mummelsee und unweit davon der württem-
bergische Wildsee. Der großartigste Karsee des Schwarzwalds ist aber der
von himmelshohen Felswänden umstarrte Feldsee am Abhang des Feld-
bergs. Diese im dichten Waldesdunkel versteckten Seen mit ihrem tiefdunkeln
Wasser haben etwas Geheimnisvolles. Daher knüpfen sich auch allerlei
Sageu an sie.
Die größteu Seen des Schwarzwaldes sind der Titisee und der
Schluchsee im südlichen Teil des Gebirges. Sie sind keine Karseen, son-
Der Wildsee.
(Buntsandsteinlandschaft.)
dern Hegen in einer flach trogförmigen Einsenkung und sind von eiszeitlichen
Aufschüttungen umgeben und gestaut.
6. Die Bewohuer.
a) Ihre Eigenschaften.
Die Bevölkerung des waldreichen württ. Schwarzwal-
des ist wegen des rauhen Klimas und der Unergiebigkeit des
Bodens nicht sehr zahlreich. Die Schwarzwälder sind gesunde, krüf-
tige Leute, mit Hellem, natürlichem Verstände, offen, treuherzig, gastfreund-
lich, ernst, streng religiös und voll Liebe zu ihrer Heimat („O Schwarzwald,
o Heimat, wie bist du so schön!"). Sie sind meist katholischen Glaubens, nur
üu württ. Schwarzwald überwiegt das evangelische Bekenntnis. Auch int
württ. Schwarzwald wohnen die Protestanten mehr im Norden, die Katho-
liken Mehr im Süden. Die alten Trachten der Schwarzwälder Landbe-
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fnnbitnrj mit der Eisenbahn zu haben. Ten ganzen Westfuß des Gebirges
entlang, von Basel über Freiburg und Ofsenburg nach Karlsruhe und
weiterhin nach Heidelberg und Mannheim, führt die badische Haupt-
bahn, von der fast in alle größeren Täler Zweigbahnen führen. Die Lluß-
täler sind im Gebirge von größter Wichtigkeit für die Lisen-
bahnen. An 3 Stellen überschreiten die Eisenbahnen das Gebirge:
1. Tie Höllentalbahn solgt von Triberg ab dem Laus der Drei-
sam durch das „Himmelreich" und das Höllental, sührt als Zahnradbahn
hinaus zum Titisee, dann ins Wntachtal und vou hier an über Neustadt nach
Tonaueschingen.
2. Die bad. Schwarz Waldbahn Offenburg—hausach—triberg—
Donaueschingen—konstanz benützt zuerst das Kinzigtal und windet sich
dann in vielen Krümmungen und Schleifen durch das herrliche Gutachtal
hinüber zur Brigach. Mit ihren 38 Tunnels und anderen Kunstbauten
ist sie die großartigste Gebirgsbahn Deutschlands.
3. Von dieser Bahn zweigt in Hausach die Bahn nach Schiltach ab,
die ganz im Kinzigtal aufwärts und weiterhin nach Freudenstadt ins
Württembergische führt.
Von württ. Bahnen sind zu nennen:
1. Die Günbahn von Stuttgart über Eutingen nach Freudenstadt
und Schiltach. Von hier führt eine Zweigbahn nach Schramberg.
In Freudenstadt zweigt eine Bahn ins Murgtal nach Baiersbronn und
Klo st er reichend ach ab.
2. Die württ. Schwarzwaldbahn von Stuttgart nach Calw.
3. Die Nagoldbahn von Eutingen nach Pforzheim. Von ihr zweigt
in Nagold eine Lokalbahn nach Alt ensteig ab.
4. Tie Enzbahn von Pforzheim nach Wildbad.
5. Die Bahn Rottweil-Villingen. Sie verbindet die obere
Neckarbahn mit der bad. Schwarzwaldbahn.
c) Siedelungen.
Eine große Zahl der Bewohner des Schwarzwaldes lebt auf einsamen
Hösen, in Weilern oder kleineren Ortschaften. Größere Dörfer und Städte
finden sich nur in den tieferen Tälern.
Die echten Schwarzwaldhäuser im südlichen Schwarzwald sind dem Waldreichtum
des Gebirges entsprechend ganz aus Holz gebaut. Da es im Granit- und Gneisgebiet
an Kalk und Lehm fehlt, nützen dem Bauern die Steine nichts; er muß doch aus
Holz bauen. Gemauert ist nur die Grundlage des Hauses. Unter dem gewaltig vor-
springenden Stroh-- oder Schindeldach glänzen die zahlreichen kleineu Fenster des
wettergebräunten Holzbaus freundlich hervor. Oft ziehen sich uuter dem schützenden
Dach Holzgalerien hin; denn wo der Winter 8 bis 9 Monate dauert, müssen diese
den Verkehr innerhalb des Hauses von Raum zu Raum vermitteln. Auch finden unter
dem weit vorspringenden Dach die für den Winter nötigen, gewaltigen Holzvorräte
des Schwarzwälders Schutz vor den Unbilden der Witterung. Auf der Rückseite lehnt
sich das Haus meist an einen Berghang hin. Hier senkt sich das Dach bis zur Erde,
und man kann von hier unmittelbar in die große Scheune unter dem Dach einfahren.
Im Erdgeschoß des Hauses befinden sich die Stallungen für das Vieh, im oberen
Stockwerk der breite Flur mit der Küche und den Kammern und die holzgetäfelte, ge-
räumige Bauernstube. In dieser steht der große Kachelofen, den die behagliche Ofen-
dank umgibt. In der Ecke zwischen den zwei Fensterwänden fehlt in katholischen Gegenden
nie das blumengeschmückte Kruzifix. Es ist dies der sogenannte Herrgottswinkel, unter
welchem der von Bänken und Stühlen umstellte große Tisch steht. Bei den stolzen
Einzelhösen steht in der Nähe des Hauses meist auch noch eine kleine Kapelle.
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schmiede. Die Stadt hat soviel Wald (2500 ha, mit einem Jahres-
erträgnis von 250 000—300 000 Mark), daß sie zu den reichsten des
Landes gehört und jeder Bürger zu Neujahr 25 Mark Bürgernutzen ans
der Stadtkasse erhält. Die Stadt wurde ums Jahr 1599 vom Herzog
Friedrich für vertriebene Salzburger Protestanten erbaut. Sie hieß daher
zuerst Friedrichstadt, wurde dann aber wegen ihres fröhlichen Gedeihens
Freudenstadt genannt. In der Nähe liegen im Forbachtal die Hüttenwerke
Christophstal und Friedrichshall. An der Murg: Baiers-
brouu mit der größten Markungs- und Waldsläche des Landes (12000 ha
Wald). Ter Ort besteht ans 129 einzelnen Höfen und Weilern. Viele
Sägewerke. Kl oft er reichend ach, schöne Klosterkirche. Schönmünz ach,
an der badischen Grenze, Luftkurort.
4. Im Rinziggebiet: Alpirsbach, im tiefeingeschnittenen Kinzig-
tal. Kloster, Uhrenfabrikation, Sägewerke, große Ziegelei, Steinbrüche,
Luftkurort. Schramberg, im wildromantischen, burgenreichen Schiltach-
tal. Hauptindustrieplatz und volkreichste Stadt des württembergischen
Schwarzwalds (10 000 Einw.). Großartige Uhrenindustrie, Steingut- und
Strohhutfabrikation.
Zweiter Abschnitt. Das Neckarland.
Zwischen Schwarzwald und Alb breitet sich das Gebiet des Neckars
und seiuer Zuflüsse, das Neckarland, aus. Es wird im Südwesten von
der Alb wie von einer hohen Kalkmauer umschlossen, während es zum
Schwarzwald ganz allmählich ansteigt. Das Neckarland bildet ein großes
Dreieck, dessen Spitze im Südwesten Württembergs liegt, da, wo sich
am Ursprung des Neckars Schwarzwald und Alb beinahe berühren. Nach
Norden und Nordosten setzt es sich nach Baden und Bayern hinein fort.
Mit eineni Flächeninhalt von 9500 qkrn nimmt es etwa die Hälfte des
Landes ein.
Im Neckarlande wechseln fruchtbare Ebeueu und waldbedeckte Hügel-
gebiete mit rebengeschmückten Abhängen. In seinem südlichen und mitt-
leren Teile wohuen Schwaben, im Norden aber Franken. Daher wird es
auch Ebenen- und Hügelland von Niederschwaben und Franken genannt.
Durch den Neckar und seine zahlreichen Zuflüffe ist dieser Landes-
teil reich bewässert. Im äußersten Nordosten fließt die Tauber zum Main.
In den Flüssen des Neckarlandes spiegeln sich zahlreiche Städte, alte Burgen
und Schlösser und anmutige Dörfer. Das Neckarlanö zählt zu den
lieblichsten Landschaften Deutschlands.
Wir betrachten nun die einzelnen Teile des Neckarlandes.
A. Die Ebenen.
I. Die Muschelkalkebenen.
Das Muschelkalklaud beginnt als schmales Band an der Südwestgrenze
und zieht sich, immer breiter werdend, am Ostsaume des Schwarzwalds
hin nach Nordosten bis zur Tauber. Am höchsten ist es am Neckarurspruug
bei Schwenningen (706 m), von da sinkt es allmählich herab bis zu 200 m
am uuteru Neckar und steigt am Kocher und an der Jagst wieder an bis zu
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Türmen. Geburtsort des Reformators Brenz und des Astronomen Kepler.
Teppichfabrikation, Schuhfabrikation- Heims he im, im Strohgäu. Altes
malerisches Schleglerschloß (1395 Gefangennahme der „Schleglerkönige").
Leonberg*, an der Glems, am Saum des Strohgäus. Altwürttem-
bergisches Städtchen mit Stadtmauern und altem Schloß. Große Schuh-
fabriken. Im Enztal: Vaihingen a. d. (£.*, am Fnß und Abhaug des
Schloßbergs. Malerisches, weithin sichtbares Bergschloß, jetzt Arbeitshaus
für Männer.
3. Das Lange Feld.
a) Die Landschaft: Das Lange Feld ist im Süden von den Soli-
tüder Bergen, im Osten vom Neckar, im Norden von der Enz begrenzt. Es
ist ein Teil des Strohgäus, von dem es dnrch das enge, durch Mühlen
belebte Glemstal in: Westen geschieden ist. Wie das Gün ist anch das
Lange Feld ein nraltes, vorzügliches Ackerland. Darauf
weisen schon die Ortsnamen Korntal, Kornwestheim und Pflugfelden hin.
Wald ist fast gar nicht vorhanden. Anch hier ist der Muschelkalk mit fettem
Lehm bedeckt: dazu kommt noch die Milde des Klimas. Aus der weiten, flach-
gewellten Ebene, aus der sich wie eine Insel der rebumkränzte Hohen-
asperg erhebt, schweift daher das Auge hin über frnchtbare Kornfelder,
Obstgärten und stattliche Dörfer. Nicht nur gedeihen alle Getreidearten in
üppiger Fülle, es werden anch Kartoffeln, Futterkräuter, Welschkorn, Mohn,
Tabak, Zuckerrübeu, Zichorie und Gemüse gepslanzt. Von dem überschüssigen
Getreide kommt die Gerste in die Brauereien der Umgegend, der Haber wird
an die Militärverwaltungen in Lndwigsbnrg und Stuttgart verkauft. Die
Zuckerrüben wandern in die Zuckerfabriken uach Stuttgart-Müuster und
Heilbronn, die Zichorien in die große Zichorienfabrik in Lndwigsburg. Auch
der Verkauf von Kartoffeln, Gemüsepflanzen, Obst, Milch, Vieh nsw. nach
Stuttgart und anderen Städten bildet eine erhebliche Einnahmequelle.
b) Beschäftigung der Bewohner: Trotz der weiten, gesegneten
Ackerflächen sind Ackerbau, Viehzucht, Obstbau und Weiubau nur uoch im
westlichen Teile des Langen Feldes, Ivo die wohlhabenden Baueruorte
Münchingen und Schwieberdingen liegen, die H>anptnahrnngsqnellen.
Last überall ragen in dem ehemals reinen Bauernland rauchge-
schwärzte Fabrikkamine, die Wahrzeichen eines neuen Zeitalters,
gen Gimmel. Sie verkünden, daß nicht bloß in den Städten Ludwigsburg,
Feuerbach und Zuffenhausen, sondern bald auch in vielen Landorten die
Industrie überwiegt. Die Mehrzahl der Landbewohner findet Beschäftigung
in den Fabriken der großen Jndustrieplätze. Der Industrie habeu die
Orte des Langen Feldes ihr rasches Wachstum zu verdanken, und die
Landwirtschaft erzielt infolge der Vermehrung der Bevölkerung wieder
besseren Absatz und damit höhere Preise für ihre Erzeugnisse.
c) Orte: Die größte Stadt der Gegend ist Ludwigsbiirg* (23000
Einw.), zweite Residenzstadt des Landes, Sitz der Regierung des Neckar-
kreises. Großes Schloß (450 Zimmer) mit schönen Parkanlagen. Zweitgrößte
Garnison des Landes, daher viele Kasernen (über 5000 Soldaten); Zeughaus
mit großen Waffenvorräten. Zuchthaus. Bedeutende Industrie: Zichorien-
sabrik von Frank Söhne (600 Arbeiter), Orgelfabrik, Metallindustrie, Ziegel-
werke, große Brauereien. Geburtsort der Dichter Justiuus Kerner und
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e) Eisenbahnen: Den Absatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse
und die Beförderung der Fabrikarbeiter an ihre Arbeitsstätten vermitteln
die Zabergaubahn Leonbronn—lauffen und die untere Neckar-
bahn Bietigheim—heilbronn.
f) Orte: Güglingen a. d. Zaber. Bracken he im *, Bö nni g-
heim. Taubstummenanstalt. Bekannte Weinorte im Zabergäu sind Clee-
bronn und Stock heim.
5. Das Schmiden er Feld.
a) Die Landschaft: Das Schmidener Feld ist die Fortsetzung des
Langen Felds rechts vom Neckar. Die lehmbedeckte kleine Ebene bildet
das Dreieck zwischen Schurwald, Neckar und unterer Rems. Letter Boden
und mildes Alima bedingen auch hier die Fruchtbarkeit. Das
Schmidener Feld hat daher wie das Lange Feld vorzügliches Acker-
l a n d.
b) Erzeugnisse: Diese siud Getreide, Kartoffeln, Zuckerrüben, Zi-
chorie, Gemüse, Obst, Milch, Vieh, Geflügel. Sie finden in den Städten
Stuttgart, Eauustatt, Eßlingen guten Absatz, der ermöglicht wird durch gute
Straßeil und die Remstal bahn Stuttgart—waiblingen—aalen—ried-
lingen. Der Lehm wird in den großen Ziegeleien in Fellbach, Waiblingen
und Endersbach verarbeitet.
e) Beschäftigung: Die Hauptnahrungsquellen sind Ackerbau, Vieh-
zucht, Obstbau. Verkaust werden in die umliegenden Städte Getreide,
Kartoffeln, Gemüse, Obst, Milch.
ä) Orte: Fellbach, am Fuße des weinreichen Kapellberges, Schmi-
den, Öffingen sind immer noch überwiegend Banernorte. Fellbach hat
auch ziemlich viel Fabrikbevölkerung, die hauptsächlich in den Jndustrieorten
des Neckartals Beschäftigung findet.
6. Die Hohen loh er Ebene.
a) Die Landschaft: Die Hohenloher Ebene wird im Süden von dcn
Löwensteiner, Waldenburger, Limpurger und Ellwanger Bergen, im Osten
durch die Frankenhöhe begrenzt. Im Westen reicht sie bis zum Neckar, gegen
Norden geht sie nach Baden und Bayern über. Sie ist ebeusalls eine Muschel-
kalkplatte, die meist von Lettenkohle und Lehm überlagert ist. Wo allerdings
der Muschelkalk freiliegt, namentlich im westlichen Teile der Ebene, da
versinkt das Regen- und Schneewasser rasch in dem zerklüfteten Kalk-
gestern. Die dünne Erdkrume trägt daun oft nur noch magere Schafweiden,
und Erdfälle und Trockentäler erscheinen. Der weitaus größte Teil der
Hohenloher Ebene ist aber fruchtbares Ackerland; der Wald ist ans der
welligen Ebene selbst ziemlich zurückgedrängt. Diese fruchtbare Kornebene
mit den sauberen, wohlhabenden Ortschaften, den stattlichen Bauernhöfen
und deu reichen, sommers von goldenen: Ährenmeere wogenden Kornfeldern
bietet namentlich für den Landmann einen erfreulichen Anblick. Reizvoller siud
aber die tieseingerissenen Täler des Kochers und der Jagst. In großem
Bogen durchschneiden sie fast gleichlaufend die Ebene und münden bei Kochel:
dorf und Jagstseld in den Neckar. Beide Täler sind echte Muschelkalktäler. Sie
siud eng, mit steilen, oft felsigen Wänden lind hufeisenförmigen Windungen.
Es ist den beiden Flüssen nicht leicht geworden, sich dlirch das harte Gestein
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ist reines Bauernland mit einen: wohlhabenden, starken Bauern--
stand. In den engen Tälern dagegen können die Lente des bergigen
Geländes wegen nnr in harter Arbeit ihr Brot dnrch Ackerbau und spür-
lich lohnenden Weinbau verdienen. Dort beschäftigen sich die Bewohner der
Städte auch mit Kleingewerbe und Handel; dagegen ist die Großindustrie
trotz der reichen Wasserkräfte und der fleißigen Bevölkerung sehr schwach
vertreten, weil die tiefen Täler des Kochers und der Jagst von dem
großen Weltverkehr abgeschlossen sind.
d) Von den Erzeugnissen der Landwirtschaft werden Hauptfach-
lich Getreide und Mastvieh, ferner Milch, Butter, Kartoffeln, Obst und in
den Tälern Wein verkauft. Mastvieh und Mastschweine werden nicht nur
nach Stuttgart, sondern bis nach Mannheim, Mainz, Frankfurt, Straßburg
und Nürnberg verschickt. Die Hohenloher Ebene ist eine 2iorn- und
Lleischkanrmer.
e) Besiedelung und Eisenbahnen: Die Hohenloher Ebene ist
trotz des guten Ackerlandes nicht besonders dicht besiedelt. Statt großer
Dörfer wie im Gän findet man hier kleinere Ortschaften, Weiler und Einzel-
Höfe. Scheuer und Stallungen sind bei den fränkischen Hofanlagen meist
vom Wohnhans getrennt. Die stattlichen Bauernhäuser mit dem hübschen
Balkenwerk des Obergeschosses zeigen schon von weitem die Wohlhabenheit
der Bewohner. Die Städte liegen alle in den Tälern. Die tiefeingefchnitte-
nen, in großem Bogen die Ebene durchziehenden und zudem fast gleichlau-
senden Täler des Kochers und der Jagst sind für den Verkehr nicht sehr
günstig. Die alten Handelsstraßen wie auch die Eisenbahnlinien ziehen
daher an den Rändern der Ebene hin, und mit Ausnahme der Salzstadt
Hall liegen in den eher verkehrshindernden als verkehrsfördernden Tälern
nur kleine, altertümliche Landstädte. Tie Eisenbahnlinien der Hohenloher
Ebene sind:
1. Die Jag st-Tauberbahn von Aalen über Crailsheim nach Mer
gentheim. Von ihr zweigt in Blaufeldeu eine Nebenbahn nach Lan-
genburg, in Weikersheim eine solche nach Ereglingen ab.
2. Die Kocherbahn Crailsheim—hall—heilbronn mit der Zweig-
bahn Waldenburg — Knnzelsau.
3. Die untere Neckarbahn von Heilbronn nach Jagstseld und ihre
Fortsetzung über Möckmühl nach Osterburken. Von ihr zweigt in Möckmühl
die untere Jagsttalbahn (Privatbahn) über Widdern nach Dörzbach ab.
f) Bemerkenswerte Orte: Hall* (9500 Einw.), alte Reichs-
stadt, seit 1803 württembergisch, prächtige Lage an den Hängen des Kocher-
tals, reich an Türmen und hochragenden Häuseru. Berühmte, nralte Mi-
chaelskirche. Die Stadt verdankt ihre Entstehung der Salzquelle auf dem
„Haalplatz". Heute noch werden in der staatlichen Saline jährlich etwa
100 000 Zentner Salz gesotten. Solbad. Landgericht. Zellengefängnis.
Eisengießerei und Bügeleiseusabrik. Brauereieu. In der Nähe die stolze
Kombnrg, früher Sitz des Ehreninvalidenkorps, und das ehemalige Salz-
bergwerk Wilhelms glück. Kinizelsan*, evangel. Lehrerseminar.
Viele Gerbereien. Schweinemärkte. Sehr gewerbsam. Jngelsingen.
Niedern hall. Förch tenb erg. Nenenstadt a. d. großen Linde.
An der Jagst liegen: Crailsheim^, günstige Lage an der alten
Handelsstraße Heilbronn—nürnberg, wichtiger Knotenpunkt der Eisen-
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Müsse kommen von der Alb, die sie in engen, steilwandigen Tälern durch-
schneiden, bis plötzlich mit dem Austritt aus dem Gebirge die Berge auf-
hören und die Täler sich verflachen. Nur die Jagst entspringt ans dem
Liaslande selbst.
In Göppingen entquillt dem Schoß der Erde das beliebte Göppin-
ger San er tv asser' Boll und Sebastians Weiler haben Schwefel-
quellen.
e) Beschäftigung der Bewohner: Die Hauptnahrungsquellen
sind Ackerbau und Viehzucht, Ostbbau und namentlich Industrie. Vou den
Erzeugnissen der Landwirtschast werden hauptsächlich Milch, Butter,
Schlachtvieh, Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Eier, Obst und selbst Wein
verkauft. Diese finden in den Jndustrieorten des Albvorlandes guten
Absatz, werden aber teilweise auch bis nach Stuttgart verschickt. Die Fa-
briktätigkeit blüht nicht bloß inselartig um Spaichingen, Balingen und
Aalen, sondern auch fast ohne Unterbrechung von der Steinlach bis hin-
unter zum Filstal. Das mittlere Stück des Albvorlandes ist ein
grotzer, zusammenhängender Industriebezirk.
Vor allem ist Reutlingen der Sitz einer bedeutenden Industrie. Zum
einfachen Handwerk der Gerber und Färber aus der Zeit der Schlacht bei
Reutlingen ist eine ganze Reihe neuer Zweige gewerblicher Tätigkeit hin-
zugekommen.
Von größter Bedeutung sind die hochentwickelte G e w e b e i n d u st r i e, die Schuh-
fabrikation, der Maschinenbau und die Metalltuchfabrikatlon.
Die Gewebe- oder Textilindustrie beschäftigt allein etwa 4600 Arbeiter. Zu ihr
gehören die Spinnerei, Weberei, Wirkerei und Strickerei. Wie die Metalltuchfabrikation
aus der alten Siebmacherei, so ist die Reutlinger Gewebeindustrie aus der uralten, Hand-
werksmäßigen Zeug- und Tuchweberei hervorgegangen. Die Anwendung der Maschine
hat eine völlige Umwandlung hervorgerufen. Der Arbeiter, der im überhitzten Spinn-
saale bei tosendem Lärm seine Maschine bedient, verrichtet meist eine Arbeit, in die
man nichts von eigener Geschicklichkeit und Energie hineinlegen kann. Die Maschine
macht gesetzmäßig ihre bestimmte Zahl von Bewegungen pro Sekunde, und der Mensch be-
friedigt nur ihre Bedürfnisse. Er gibt ihr Öl, er knüpft zerrissene Fäden, er ersetzt abge-
lauseue Spuleu oder verrichtet Arbeiten, die heute noch nicht von der Maschine über-
nommen werden können. Staunend und ohnmächtig steht der alte Leineweber dieser
Entwicklung gegenüber? der mechanische Webstuhl verrichtet etwa das Zweihundertsache
von der Arbeit eines Handwebers. In Reutlingen wird hauptsächlich Baumwolle ver-
arbeitet. Die Baumwollspinnerei von Ulrich Gminder zählt mehr als 40 000 Spindeln.
Mit der Baumwollweberei zusammen beschäftigt diese Firma allein über 2500 Arbeiter
und ist eine der größten des Landes. Von großer Bedeutung ist auch die Rcntliuger
Trikot- und S t r i ckw a r e n i n d u st r i e. Sie hat in neuester Zeit infolge der zu-
nehmenden Sportlust eiuen bedeutenden Aufschwung genommen' denn Fußball- und
Tennisspiel, Rodeln und Schneeschuhlaufen erfordern eine besondere Kleidung. Neben
der Fabrikbeschäftigung hat dieser Industriezweig auch viel sogenannte Heimarbeit,
wie Stricken, Häkeln, Zusammensetzen, Nachbessern usw., gebracht. Damit sind-freilich
auch mancherlei Unzuträglichkeiten, wie Uberanstrengung von Kindern und zu langes
Sitzen der Erwachsenen bei teilweise sehr mangelhafter Entlohnung verbunden. In
Beziehung zur Gewebeindustrie stehen sodann die Dampfwäscherei und Bleicherei,
in denen die Baumwollwaren gefärbt oder gebleicht werden. In Reutlingen besteht eine
dem ganzen Lande dienende Web schule, das Technikum für Textilindustrie, das sich
zur Aufgabe macht, tüchtige Fabrikanten, Musterzeichner und Webmeister für Spinnerei,
Weberei, Wirkerei und Färberei heranzubilden.
Die Schuhfabrikation hat durch die Maschine ebenfalls eine große Ver-
änderung erfahren. Ein Stiefel, der früher von einem einzelnen Mann vollständig
fertiggestellt wurde, geht heute durch 16 einzelne Maschinen, bis etwas Ganzes daraus
entsteht. Da wird mit einer Maschine die Sohle ausgestanzt, mit einer andern der
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Kirchheim u. T., Unterboihingen und Weil heim weithin das
Albvorland wie die Albtäler.
Noch großartiger ist aber die Industrie des Filstals, für welche die
reichen Wasserkräfte der Fils nutzbar gemacht werden. Durch die württ.
Hauptbahn, die ein Stück der wichtigen Verkehrslinie Paris—konstauti-
nopel darstellt, ist dieses Tal dem Weltverkehr angeschlossen. So beför-
dern reiche Wasserkräfte und eine gute Verkehrslage das An-
wachsen der Industrie. Im Filstal reihen sich daher von Geislingen
abwärts große Fabrikorte in fast ununterbrochener Folge aneinander.
In den Orten Altenstadt, Kuchen, Süßeu, Salach, Göppingen, Faurndau,
Uhingen, Ebersbach, Reichenbach blüht hauptsächlich die Gewebeiudustrie.
Fast ebenso bedeutend ist der Maschinenbau und die Metallverarbeitung;
namhaft vertreten ist auch die Papier-, Leder- und Holzindustrie.
ä) Orte: An der Prim: Spaichingen*, ain Fuße des Dreifal-
tigkeitsberges. An der Eyach: Balingen*, Schuh- und Handschnh-
fabrikeu. Zu Hohenzollern gehörig: Bad Imuau; Hechingen, an der
Starzel, am Fuße des Hohenzollern, frühere Residenz der Fürsten von
Hohenzollern.
Im Steinlachtal die Fabrikdörfer Derendingen und Dußliugeu.
Mössingen, ain Fuße des Farrenbergs, Zengweberei, große Bierbrane-
reien, Maschinen- und Zementfabriken. Am Fnße des Roßbergs liegt G ö n-
ningen, Sitz eines regen Hausierhandels mit Sämereien, Blumeuzwiebelu,
jungen Obstbäumen, gedörrtem Obst usw. Heute noch ziehen etwa 700
Gönninger mit ihren Waren fast durch ganz Europa.
Au der Echaz: Pfullingen, große Papierfabriken, Baumwoll-
industrie, Irrenanstalt. Reutlingen* (25000 Einw.), in herrlicher,
obstreicher Landschaft, am Fnße der Achalm, Sitz der Kreisregiernng für
den Schwarzwaldkreis. Ehemalige berühmte Reichsstadt, jetzt einer der größ-
teil Jndustriemittelpunkte des Laudes; besonders Textilindustrie (S. 26),
berühmt? Obstbaumschule, Fraueuarbeitsschnle, Spinn- und Webschule, An-
stalten des menschenfreundlichen Gustav Werner; herrliche, gotische Marien
kirche. Schlacht bei Reutlingen 1377. In Betzingen, einer Vorstadt von
Reutlingen, malerische Trachten. Eningen, am Fuß der Achalm, Hausier-
haudel, Baumwollindustrie.
Au der Erms: Metziugeu, viel Industrie: Tuchfabrikation, Strick-
Warenfabriken, Maschinen- und Metallindustrie.
An der Steinach: Neuffen, am Fuße des Hohenneuffen, Weberei
und Strickerei. (In manchen Nachbarorten Spitzenklöppeln als Haus-
industrie.)
An der Lauter: Kirch heim u. T.*, Königl. Schloß, Widerholds
Grabdenkmal, viele Fabriken: Wollwaren-, Tuch-, Papierwaren-, Möbel-
und Klavierindustrie, bedeutender Wollmarkt. In einem Seitentale der
Lauter: Weil heim, Buntweberei, Maschinenfabriken. Boll, früheres
Schwefelbad.
Au der Fils: Göppingen* (22000 Einw.), Hauptindustrieplatz:
Banmwollweberei und -spiunerei, Maschinenbau, Metallwareufabrikatiou,
Papierindustrie, Spielwaren; Sauerbrunnen, Irrenanstalt. Im Filstal
die Jndnstrieorte Kuchen, Süßen, Salach, Eislingen, Faurndau,
Uhingen, E b e r s b a ch, R e i ch e u b a ch.
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