1881 -
Leipzig
: Spamer
- Autor: Steinbach, Josef, Köppen, Fedor von, Finger, Friedrich August, Klöden, Gustav Adolf von, Mehlis, Christian, Hocker, Nikolaus
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Muftrirte
Hans- und Schulbibliothek
zur
Pflege vaterlandischen Sinnes.
Unser deutsches gnub iinii jliilk.
Iv.
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Verfasser und Verleger behalten sich das ausschließliche Recht der Uebersetzung vor.
Papier der München-Dachauer Aktiengesellschaft für Maschinenpapier-Fabrikation in München.
T
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Worwort.
J&orool die Art der in diesem Bande geschilderten Landschaften, welche
znmtheil, wie die hohe Venn und der Hunsrück, selten vom Fuße des Touristen
gestreift werden, zum Theil aber, wie der Rheingau und die Stromtandschaft
von Bingen bis Bonn, von einer wahren Flnt von Schriften geschildert wurden,
machten die Auswahl des für die reifere Jugeud passenden und korretten Mate-
rials zu einer besonders schwierigen Aufgabe.
Der Herausgeber, seit Jahren vertraut mit den Schönheiten und den
Denkmälern des Rheiuthales, mußte es sich zur Aufgabe machen, sowol aus
der Fülle der ästhetischen, wie der geographisch-historischen Literatur, welche über
die geschilderten Rheinlandschaften existirt, einerseits das Beste und Anziehendste,
sowie andererseits das Feststehende herauszunehmen und zu einem möglichst
harmonischen Ganzen zu verbinden. Er nahm dabei keinen Anstand, auf die
besten Quellen des Mittelalters, wie sie im Auszug im „Rheinischen Antiqnarius"
vorliegen, besonders bei den Schicksalen der einzelnen rheinischen Städte, zurück-
zugehen. Ebenso benutzte er dankbar die Werke von Simrock und Horn, Heyl
und Bädeker, und hielt es im Interesse des Unternehmens und der Autoren,
aus den Spezialschristen von W. H. Riehl „Land und Leute", W. Hamm „Das
Weinbuch", Dr. I. Baumgarten „Koblenz und seiue Umgebung", Rudolf Bleuke
„Der Laacher See und seine vulkanische Umgebung" kleinere Originalpartien
an geeigneter Stelle aufzunehmen. Auch die vorhandenen Sagen- und Gedicht-
sammlungen wurden in passender Weise für die Darstellung verwendet.
Bei der überreichen Literatur und vielen von der Forschung noch heiß
umstrittenen Stelleu und Stätten kann es natürlich nicht fehlen, daß manche
Angaben im vorliegenden Bande vorkommen werden, an welchen der oder jener
Gelehrte auf rheinischem Gebiete Anstoß nehmen wird, manche Gegenstände, so
z. B. die Art der Brückenkonstrnktion im fränkischen Mainz, wurden erst durch
die Untersuchung der letzten Tage entschieden. Allein der Herausgeber sowie
die geehrten Verfasser der einzelnen Abschnitte sind bemüht gewesen, im In-
teresse der Sache nur eine Auswahl unter den besten ihnen zur Verfügung
stehenden Quellen nach eigener Anschauung der Verhältnisse zu treffen, und ist
hier und da ein kleiner Jrrthum untergelaufen, so möge hierfür die Ueberfülle
des zu sortirenden Stoffes die entsprechende Entschuldigung bilden.
Besondern Dauk ist der Herausgeber für freundliche Unterstützung bei
Verabfaffung des Abschnittes über Mainz noch schuldig den Herren Domkapitulax
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Viii
Inhaltsverzeichnis
Machen, die Kaiserstadt (194). Aachens Gründung (194). Die Kaisergruft (197).
Die Geschichte Aachens (201). Das Liebfrauenmünster und seine Schatzkammer
( (205). Das Rathhaus und der Rathhaussaal (207). Die Aachener Bäder (209).
Burtscheid und Frankenberg (211). Das Idiom (212).
Erloschene Jenerberge der Lifet (213). Das Neuwieder Becken und seine Industrie
(213). Andernach (214). Cäfar's Uebergang über den Rhein. (215). Die .vulka-
nischen Kegel und die ausgebrannten Krater der Eifel (217). Von Andernach
nach Niedermendig (218). Der Laacher See und die Abtei Laach (221). Das Brohl-
thal und Bad Tönnisstein (226).
Di? hohe Wenn und ein Kyklopenthal der Lifel (229). Der Blick von Aachen (230).
Die Weberei Eupeus und Aachens (231). Die hohe Venn (234). Die Wallonen. —
M^lmedy (235). Montjoie (237). Die Monschauer. — Pustensöhne (237). Geo-
logisch? Beschaffenheit der hohen Venn (237). Cornelimünster (239). Das Cyklopen-
thal (240). Stollbergs und Aachen-Burtscheids Industrie. — Die Kohlenbecken
des Jadethal.'s und des Wurmreviers. — Stollberg (242).
Mheinfahrt von jüofiieiu bis Wann (243). Neuwied und Umgebung (243). Das Thal
der Nette. Neuwied (247). Das Römerkastell bei Niederbiber (249). Andernach
und seine Geschichte (253). Burg Hammerstein und Schloß Rheineck (259).
Sinzig und Liuz (267). Rolandseck und Nonnenwörth (274). Königswinter
und Godesberg (278).
Das Siebengebirge (281). Wanderung durch das Siebengebirge (281). Petersberg,
Kloster Heisterbach, Oelberg, Drachenfels (283). Der Mythus im Siebengebirge
(288). Fahrt von Bonn nach Königswinter; ein Stndenteneommers auf dem
Drachenfels; Studentenlieder (293).
Deutsches ^eben im Wittelatter am Mein (391). Römer und Franken (301). Das
Christcnthum und seine Stiftungen (304). Die rheinischen Städte und ihr Handel
(305). Die deutschen Kaiser und die Rheinlande (311). Bürgerthum und Ritter-
schast, Poesie und Baukuust, Wisseuschasteu und Erfindungen (315).
Die Grtrndeigaden Imd einzuheften:
Trachten am Rhein ..................Titelbild
Denkmal auf dem Niederwalde.............zu Seite 48
Dom zu Limburg a. d. Lahn.............zu Seite 149
Karte der Rheinprovinz.............am Schluß des Werkes.
Wachträge und Berichtigungen.
Man lese S. 5 Zeile 11 v, o.: Fifchthorstraße.
„ S. 6 .. 12 v. o.: Moller.
„ S. 10 „ 12 v. o.: ober statt unter.
„ „ S. 20 „ 10 b. o.: nördliche statt östliche.
,, S. 20 „ 22 v. o.: dessen Sohn jetzt Akademieprofessor ?c.
„ S, 21 „ 5 b. o.: seine Originale.
„ S. 2g „ 10 v. u.: nach der Schlacht bei Straßburg.
„ S. 63 „ 13 D.u.: im Hartgebirge.
Zu S. 121 bemerke man, daß Prof. Schaafhausen neuerdings Lorelei mit Simrock als Lauerfels
gedeutet hat. Die Spur eines rohen Vertheidigungswerkes östlich des Felsens, eines Steinwalles, will er
init einem Beobachtungsposten in prähistorischer Zeit auf dein Loreleifelfen in Verbindung gebracht haben.
Man lefes. 124 Zeile 9 1). o.: Hühnerberg.
„ S. 124 „ 23 b. o.: eingesägt statt eingefügt.
S. 195 „ 3 b. it.: Roer statt Saar.
„ S, 207 „ 10 b.w.: Granusthurm statt Gruudthurm.
S. 219 „ 4b.u.: Zierscheiben.
„ S. 279 „ 3 b. u.: Zauber aus.
S. 290 „ 19 b. o.: Zötisrt von mhd. Iisrwn — Härten.
Bemerk S 293 „ l b. o.: Verfasser dieses Abschnittes ist oanä. .jur. Fritz Spuhn zu Bonn.
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Mainz. Gutenbergplatz und Dom.
Zii5 goltat Ininj.
Ein historischer Gang durch die Stadt. — Der Dom und seine Geschichte. — Das
Castrum der Römer. — Die neuen Anlagen. — Aus der Mainzer Geschichte. —
Das Kur- und Erzstist. — Das Schloß und seine Sammlungen.
(^)egrüßt du goldenes Mainz, du altersgraue Stadt, reich wie keine im deut-
schen Lande an Erinnerungen der Vorzeit; wem schlägt von fühlenden Seelen
nicht das Herz beim ersten Anblick! Und wenn man immer und immer wieder
einzieht in das dunkle Thor, das vom Süden aus der weinreichen Pfalz hinein-
führt in der starken Mauern Inneres, so bleibt doch stets der Gedanke bestehen
an die Schicksale, welche Mainz, der Schlüssel des heiligen Reiches, erduldet hat,
an die Wandlungen, welche es alle erleben mußte, die Römerstadt und die Stadt
der Erzbischöfe, der französische Waffenplatz und die deutsche Bundesfestung!
Aber stets hat der Ort gelegen, wo der Main mit dem Rhein sich eint, so
ziemlich, wo das große Seebecken, das vor Jahrtausenden einstmals die Rhein-
ebene von Basel bis Bingen bildete, am tiefsten sein mußte; stets hat er die Bedeu-
tuug sich gewahrt, auf die er kraft seiner Lage gerechten Anspruch hat. Ziemlich
gleich entfernt gelegen vom Beginn der großen niederrheinischen Ebene bei Köln
und dem Beginn des Oberlandes bei Basel, am Ende der großen Mainstraße,
die durch das Frankenland nach Sachsen und Böhmen führt, in gleicher Ent-
fernung vom Gebiete der Elbe wie der Maas, war die Stadt berufen, feit früher
Zeit einen Verkehrsmittelpunkt zu bilden zwischen den Händlern und Waaren
1*
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Ein historischer Gang durch die Stadt. 5
Räumen, den langen Gestalten der reisenden Engländer, dem.schnatternden
Mundwerk der Franzmänner u. s. w. Vom Fischthor führt eine kurze Straße
nach Westen. Wir werfen noch einen Blick auf das Hafenleben, die beladeueu
Dampffähren, die vou Kastel kommen, die menschenwimmelnde Schiffbrücke,
welche das linke Rheinufer mit dem rechten nothdürftig in Ermangelung einer
stehenden Brücke verbindet, die ein- und ausladenden, ihr Pfeifchen stets
schmauchenden Schiffer, die an den Geländern lehnenden großen und kleinen
Bummler, die den Sonnenschein behaglich einsaugen und nicht mit Unrecht den
Ehrennamen „Rheinschnaken" besitzen, die Marktfrauen, die mit dem weißen Tuche
um den Kopf schmunzelnd vom Domplatze heimkehren, und dann wenden wir uns
dem letzteren selbst zu. Durch das bunte Getreibe der Fischerstraße biegen wir
ein aus den Liebfrauenplatz, und jetzt steht er vor uns, der gewaltige D ombau,
mit dem jüngst vollendeten Ostchor und seinen drei neu ausgebauten Thürmen.
Der Eindruck des gewaltigen Denkmales, an dem fast ein Jahrtausend sich
versucht hat — im Jahre 1009 fand unter Erzbischof Willigis die Weihe des
ersten Baues statt — wird erheblich durch an der Nordseite vorhandene an-
gebaute Häuser geschwächt, die sich, ähnlich wie früher am Kölner Dom, der
Frauenkirche zu Nürnberg, der Alexanderkirche zu Zweibrückeu, in den Schutz
der heiligen Stätte begeben haben. Das Ganze stellt eine romanische, gewölbte
Basilika vor von 112 m Länge und 45,5 m Breite, die einen Flächeninhalt
von nahezu 4000 dm umfaßt. Sechs Thürme überragen den hohen Bau der
drei Schiffe. Während die drei östlichen Thürme nebst dem Chore in ihrem
Ausbau der Neuzeit angehören und unter Leitung des Baumeisters Cuypers
auf Grund der vorhandenen architektonischen Ansätze in den letzten Jahren voll-
endet wurden, spiegelt der 82,5 m hohe Hauptthurm die Eigentümlichkeiten
aller Stilarten wieder, welche in die Zeit seit der Grundlegung der Kathedrale
fallen. Mit der Anlage des Westchores, Mitte des 13. Jahrhunderts, war der
mittelrheinischen Tradition gemäß auch ein mächtiger Thurmbau über der
Vierung in Aussicht genommen. Die beiden rnndbogigen Geschosse des Haupt-
thurmes gehören noch dieser Bauzeit an. Darüber erhob sich ursprünglich
nach des Domkustos Friedrich Schneider Ansicht, wie zu Limburg, Bonn,
Groß-Martin in Köln, ein hoher, spitzer Holzhelm. Ende des 13. Jahr-
Hunderts begann der Bau der Kapellen auf der Marktseite. Bis zum Jahre
1320 waren die Seitenkapellen in rascher Folge vollendet, die Außenwände der
Kathedrale wurden durchbrochen, und so wurde der Dom iu einem gewissen
Sinne zu einem fünfschisfigen Bau erweitert. Die ganze kühne Ornamentik der
srühgothischen Periode schmückt diese Außenkapellen. Auf dem romanischen
Unterbau des Mittelthurmes setzte man nun im Laufe des 15. Jahrhunderts ein
Geschoß mit hohen fpitzbogigen Fenstern, und eine offene Galerie krönte den
Bau. Darüber stieg, nach den Ansichten Merian's von denkwürdigen Bauten
im alten Reiche, ein mächtig hoher Holzhelm mit zahlreichen Dachluken auf.
Das ganze Aenßere des Doms erfuhr eine Umänderung im Sinne der gothi-
fchen Architektur. Ein wundervoller Anblick muß es gewesen sein, diese sechs
Thürme mit ihren steilen Dächern hochragend über alle Bauten der Stadt!
Am 22. Mai 1767 endete ein Blitzstrahl vom Himmel diese Herrlichkeit, der
größte Theil der Bedachung sank in Trümmer. Und nun wurden im Geschmacke
des Roeoeostiles von Franz Neumann ans Würzburg die Thürme zum Theil
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Der Dom und seine Geschichte. 7
in das Versmaß zu bringen die Muse verweigert. Gütiger König, den
die Jungfrau geführt, gieb, daß ihr Geist, obgleich sie hier zu Asche modert.
das Vaterland erbe, welches keine Trauer kennt."
In der Memvrie erblicken wir zur Rechten den erhöhten steinernen Bischofs-
sitz, an den sich zwei Sitzreihen für die Domherren anschließen. Ueber der kleinen
Thür hat der heil. Martinns ein Denkmal in lombardischem Stile. Der viereckige
Kreuzgang führt zu dem geräumigenklostergarten. Angefüllt ist er mit Denkmälern,
die zum Theil bei den jüngsten Ausräumungen im Ostchore aufgedeckt wurden.
Unterihnen erfcheinthervorra-
gend das Marmordenkmalheinrich
Franenlob's (f 1318) von dem
Künstlermünchens. Schwanthaler:
eine anmnthige Jungfrau, die deu
Kranz auf den Sarg des Minne-
fängers legt. Eine Bildhauerarbeit
vom Jahre 1332 mit ansdrncks-
vollen Köpfen stellt die Versöh-
nnng der Bürgerschaft mit der
entzweiten Mainzer Geistlichkeit
vor. Neuere deuten das beachtens-
werthe Werk als die Darstellung
des Guten und Bösen. Im nörd-
lichen Kreuzarm, wo die Sakristei,
ist in Schränken der Rest des
ehemaligen Domschatzes nnterge-
bracht. Die Französische Revo-
lntion hat ihn seiner schönsten
Zierden beraubt. Zwei beschlagene
Evangelienbücher, zwei goldene,
der Periode des Willigis znge-
fchriebene Kelche mit einer reich
ornamentirtenpatene und mehrere
jüngst imostchor mit ausgegrabene
Bischofsringe bilden die Zierstücke
der noch vorhandenen Ueberreste.
An der Nordseite am Haupt-
eingang stammen die äußeren,
ehernen Thürflügel von der Hand Frauenlob's Grabmal im Dom zu Mainz,
des Meisters Beringer, und in sie ist der Freiheitsbrief, den Kaiser Heinrich Y.
den Mainzer Bürgern ausstellen mußte, in römischer Majuskelschrift eingegraben.
Wir verlassen den Schatz- und Schmuckkasten des ehemaligen Erzbisthums mit
gemischten Empfindungen, denkend an die wiedererstandene Herrlichkeit des Doms
und an die Brandthaten, die Himmel und Menschen an ihm verübt haben. Von An-
dächtigen wird der Dom nicht leer, und während die Mainzerinnen bekannt sind
als Freundinnen von Scherz und Schalk, vergessen sie auch nicht das Gesangbuch
mit Grazie und niedergeschlagenem Blicke zur Kirche zu tragen. Es spukt noch
in der Frauenwelt hier in Körper und Geist das Andenken an die stolze Roma! —