1907 -
Leipzig
: Wachsmuth
- Autor: Weigeldt, Paul
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Braunschweig
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Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Die Lüneburger Heide................................... 5
2. Berlin................................................ 19
3. Reichstagsgebäude und Bismarckdenkmal in Berlin . . 29
4. Der Spreewald..........................................36
5. Der Harz...............................................47
6. Das Kyfihäuserdenkmal..................................59
7. Der Thüringer Wald. Schwarzburg vom Trippstein gesehen 64
8. Die Göltzschtalbrücke .... 75
9. Das Erzgebirge........................................ 79
10. Das Elbsandsteingebirge................................90
11. Dresden...............................................104
12. Das Riesengebirge.....................................117
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Über das unfruchtbare Erdreich breitet vor allem die gemeine
Heide (Calluna vulgaris) ihr filziges Wurzelnetz. Feuchte Luft,
wie sie das unter ozeanischem Einfluß stehende Klima mit sich
bringt, und nahrungsarmer Boden, wie der ausgeschlämmte Diluvial-
sand ihn darstellt, sind ihre eigentlichen Lebensbedingungen. Diese
Heide, die übrigens der Landschaft den Namen gegeben hat, ent-
wickelt selbst bei kleinem Wachstum reichliche, dichte Holzteile
und kleidet durch ihren graubraunen Stengel den größten Teil des
Jahres die ganze Fläche in Graubraun.1) Im Hochsommer über-
haucht sie diesen noch immer vorhandenen Grundton erst mit
kräftigem Grün, dann mit zartem bläulichem Rot. Dann zeigt die
Heide durch Millionen winziger Blütenglöckchen, daß auch hier die
Natur wahrhaft schön sein kann. Wer könnte die Zier und Mannig-
faltigkeit dieser Blüten und Knospen schildern! „Dort hängen sie
wie die reinsten Perlen an dem schlanken, schwankenden Stiel gar
nicht, hier wiegen sie sich wie Korallenkügelchen an einem hell-
grünen Seidenfädchen.“ Mit Lust verweilt das Auge auf der an-
mutigen Fülle all’ der Blütenglöckchen, die bald lila, bald rosen-
rot ihre dichten Ähren ansetzen und über die Fläche jene warmen,
schimmernden Abendrottinten ausgießen. Solch einen sonnigen
Blütentag schildert Th. Storm mit den Worten:
Es ist so still! Die Heide liegt
Im warmen Mittagssonnenstrahle,
Ein rosenroter Schimmer fliegt
Um ihre alten Gräbermale!
Die Kräuter hlühn, der Heideduft
Steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durch’s Gesträuch
In ihrem goldnen Panzerröckchen,
Die Bienen hängen Zweig um Zweig
Sich an der Edelheide Glöckchen;
Die Vögel schwirren aus dem Kraut —
Die Luft ist voller Lerchen laut.
Eingestreut in den Heideteppich findet sich die wie Stahl
glänzende, starre Stechpalme, als dichtes Gebüsch bis zu kräftigen
Bäumen vorkommend, und an feuchteren Stellen die schöne Glocken-
Dieser braune Farbenton bleibt Sommer und Winter gleich, so daß
an sonnigen, schneelosea Wintertagen Sommer- und Winterlandschaft sich kaum
unterscheiden.
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Eichen, die Schutz vor dem Sturm und vor Blitzgefahr gewähren.
Der Fernblick auf eine solche Siedelung ist von ganz besonderem
Reize. Zuerst sieht man nichts als den Hain; nur eine schwache,
blaue Rauchsäule zeigt an, daß hier Menschen wohnen. Kommt
man näher, so tauchen zuerst die mehr dem Rande genäherten
Nebengebäude auf, in einfachster Bauart aus Brettern und Balken
zusammengefügt, später wird auch der eigentliche Hof sichtbar.
Die einfachste Grundform des (sächsischen) Bauernhauses ist:
ein großes, einstöckiges Giebelhaus, der Länge nach fast durch-
gehend in drei Räume geteilt. Den Hauptzugang bildet ein großes
Einfahrtstor an der Giebelseite. Der Türbogen desselben weist
am Gesimsbalken den vollständigen Namen des Erbauers und
seiner Ehefrau auf, darunter oft einen Spruch religiösen Inhalts,
wie etwa:
Min Geschlecht lat ni vergahn,
Lat et from vor di bestahn.
Treten wir durch die große Bogentür, die gewöhnlich aus
einem unteren und oberen Stück besteht, in das Haus ein, so
stehen wir auf der Diele, deren Boden aus festgestampftem Lehm
hergestellt oder auch wohl mit Steinfließen belegt ist, was das
Ausdreschen des Kornes sehr erleichtert. Die Diele ist so geräumig,
daß ein langer Erntewagen mit vier Pferden bespannt darin Platz
finden kann; der Mangel eines Ausfahrtstores nötigt aber zum Zu-
rückziehen jedes eingefahrenen Wagens. Zu beiden Seiten der
Diele befinden sich Stände für Rinder und Pferde, meist offen,
das Vieh mit dem Kopfe nach innen, daß es von der Diele aus
gefüttert werden kann. Über der Diele und den Viehständen ist
bis zum Dachfirst hinauf die Getreide- und Heuernte auf zwischen
die Balken gelegte Bretter und Stangen aufgespeichert. Haben
wir die Diele überschritten, so kommen wir zu dem „Flet“ mit
dem Herde, über dem sich ein gewaltiger Rauchfang erhebt, ge-
füllt mit allerhand Fleisch waren. Das Flet ist der Mittelpunkt
des ganzen Hauses. Hier schaltet und waltet die Hausfrau, von
hier kann sie die Ein- und Austretenden übersehen, das Gesinde
in seinen Arbeiten beobachten, das Vieh überwachen.1) Hier steht
Die Vorzüge des Herdplatzes im Flet hat niemand besser als der Osna-
brücker Justus Möser in seinen „Patrotischen Phantasien“ geschildert, und wir
können uns nicht enthalten, seine Worte hier abdrucken zu lassen: „Der Herd
ist fast in der Mitte des Hauses und so angelegt, daß die Frau, welche bei
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stark geltend, „Jedes östlich gerichtete Tal zeigt den verschiedenen
Wert der schattigen und der sonnenbestrahlten Hänge, am schönsten
der tiefe Talzug von Groß-Aupa im Süden der Schneekoppe; auf
seiner „Sonnenseite“ verteilen sich die Holzhäuschen weit über die
steilen Bergwiesen als auf der gegenüberliegenden Tal wand, wo
breite Waldstreifen weit abwärts reichen gegen den Grund.“ Das-
selbe gilt von dem Riesengebirge im großen und ganzen. Gerade
in dem Gegensätze des breiten dunkeln Waldgürtels seiner nörd-
lichen Abdachung und der böhmischen Baudendörfer, die Feldbau
und Obstbaumpflege bis zu erstaunlichen Höhen einzubürgern
suchen, liegt einer seiner Hauptreize.
Der Fuß des Gebirges gehört noch dem Pflanzengebiete
der Ebene an, zu deren charakteristischen Bäumen die Eiche
und die Kiefer gehören; ihn belebt der Ackerbau. Die natürliche
Feldfrucht des armen Bodens und des schon rauhen Klimas ist der
Hafer, ernstlich mühen sich aber die Bewohner ab, der rauhen
Natur auch noch „das liebe Brot“ abzuringen.1) Die Kartoffel
steigt an den Berglehnen so hoch empor wie die geselligen An-
siedelungen der Menschen. Oft vertritt die Stelle des Feldbaues
der Heuertrag der Wiesen. Diese finden sich in allen Höhenlagen
des Gebirges, und infolgedessen ist die Beschaffenheit des Grases
und seiner Kräuter sehr ungleich. Man teilt die Wiesen des Riesen-
gebirges gewöhnlich in drei Klassen: gute, mittelmäßige und
schlechte. Die besten Wiesen sind in der Regel die Tal wiesen.
Auf sie folgen die Grasplätze an den Abhängen der Berge, die,
damit sie ergiebiger werden, mit der Jauche der Viehställe gedüngt
werden müssen. Das schlechteste, magerste Gras bringen die Gras-
plätze auf den höchsten Gebirgsflächen, die Hochweiden; denn sie
können wegen ihrer großen Entfernung von den Wohnungen und
der Unmöglichkeit der Zufuhr nicht gedüngt werden und sind der
ganzen Rauheit des Klimas ausgesetzt. Dieses Gras lohnt erst in
zwei Jahren die Mühe des Abmähens. Für die besten Wiesen des
Riesengebirges werden allgemein die in den Sieben Gründen (S. 117)
gehalten; die südliche, von drei Seiten durch die höchsten Berge
geschützte Lage dieses gewaltigen Längstales, die vielen Wälder,
die eine größere Feuchtigkeit der Atmosphäre bewirken, der hier-
aus folgende Reichtum an Quellen und Bächen und das dadurch
begünstigte Verwittern des Gesteins und schnellere Urbarwerden *)
*) Die Grenze lohnenden Roggenbaues legt Partsch auf 680 m.
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und Zweige, von Moosen und Flechten umkleidet. Mit dem Knie-
holze zusammen finden sich zahlreiche Alpenpflanzen. Sie verleihen
den fahlen, gelbgrünen Hochweiden wenigstens stellenweise einigen
Schmuck und kommen endlich allein noch auf den höchsten Gipfeln
vor. ln ungezählter Menge erscheint das goldige Hieracium alpinum,
den Wanderer mit seinem gelben Scheine weithin erfreuend, und
mit rosenrotem Teppich überzieht die Gebirgswände die liebliche
Primula minima. Kein anderer Teil des deutschen Mittelgebirges
hat einen so ausgeprägt alpinen Charakter wie das Riesengebirge;
das empfindet auch der Wanderer an sich selbst, wenn er auf der
Höhe des vegetationsarmen Kammes in der kühlen, stark bewegten,
mäßig trockenen Luft dahinschreitet.
In jene weit gedehnten Hochflächen, auf deren fahlgrünen
Matten von kurzem, hartem Grase die Strauchmassen der Krumm-
holzkiefer als dunkle Flecken sich scharf abheben, schieben sich
oft Moore, kenntlich an den wehenden weißen Flockenbüscheln
des Wollgrases. Sie finden sich besonders auf den breiten Rücken
und Hochebenen der Oberfläche. Die Flachheit der Bodenform und
die anhaltende Durchfeuchtung mit dem Schmelzwasser des Schnees
und den reichen Niederschlägen des Sommers begünstigen ihre
Bildung in hohem Maße. Namentlich sind flache Einsenkungen und
breite Talmulden mit wenig ausgesprochener Neigung des Bodens
für die Moorbildung geeignet. In diesen Vertiefungen wird näm-
lich das Schmelz- und Regenwasser festgehalten. An dem Rande
solcher stehender Gewässer siedeln sich dann zahlreiche Wasser-
moose, vor allem das Sumpf- oder Torfmoos (und gemeines Borsten-
gras) an, und sie wachsen von ihm aus nach der Mitte des Wasser-
spiegels. So entsteht allmählich eine Moosdecke, die im Laufe der
Zeit den Wasserspiegel ganz verschließt, dabei aber auch immer
mehr an Dicke zunimmt und auf ihrer Oberfläche anderen, an-
spruchsvolleren Sumpfgewächsen (Seggen und Wollgras, auch Torf-
heide) einen geeigneten Ansiedelungsplatz gewährt. Den Torf
bildenden Pflanzen folgen die Torf liebenden. Indem nun aber
dieses schwimmende Land die ursprüngliche Mooshaut, nicht bloß
in der Breite, sondern auch in die Dicke wächst, senkt es sich
unter den Wasserspiegel, aber nur so weit, daß die auf dem ver-
modernden Moose von neuem wachsenden Pflanzenarten noch über
den Wasserspiegel emporragen. Werden nun diese neuen Ansiedler
größer, so wird auch die schwimmende Moosdecke wieder schwerer;
wieder sinkt sie tiefer in das Wasser, verfault und gewährt einer
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Stubeneingange gegenüber eine Tür in den geräumigen Stall; eine
zweite Tür, durch die das Vieh ein- und ausgeht, ist an der Vorder-
seite des Hauses angebracht. Hinter dem Hausflure liegt die Milch-
kammer, die sich zum Teile schon dem kühlen Boden der an-
lehnenden Bergwand anschmiegt. Durch sie wird das klare, kalte
Wasser einer Qelle geleitet, um die aufbewahrten Vorräte in mög-
lichster Frische zu erhalten. In einem langen hölzernen Troge
schwimmen da Zinkgefäße mit Milch und Holzwännchen mit Butter,
auf seinem breiten Bande aber stehen Bretter mit dem bekannten
Koppenkäse, der nur aus Kuh- und Ziegenmilch bereitet wird, ohne
jede Zutat von Kräutern. Das abfließende Bächlein ergießt sich
seitwärts der Baude in einen Trog, den ein ausgehöhlter Baum-
stamm bildet, an den die heimkehrenden Herden zur Tränke ge-
führt werden und aus dessen oberer Einflußröhre das Wasser zr.m
täglichen Gebrauche entnommen wird. Der Dachraum oder Boden
dient zur Aufbewahrung des Futtervorrates und gewöhnlich auch
als Schlafstätte der erwachsenen Kinder und des Gesindes. Der
Aufgang zu diesem Bodenräume führt meist durch eine Giebeltür
vermittelst einer Leiter, mitunter an der Bergseite über einen höl-
zernen Steg. So ist die Baude in ihrer ursprünglichen Weise; all-
mählich aber hat sich mit dem zunehmenden Fremdenverkehre aus
mancher derselben ein förmlicher Gasthof herausgebildet, mit einem
geräumigen Gastzimmer und zahlreichen, freilich stets sehr kleinen,
im oberen Stockwerke gelegenen Schlafkammern, deren jede einige
Betten aufweist. Indes ist die wahre Natur der Baude dadurch
nur in seltenen Fällen ganz verwischt; ein Rest erfreulicher Ein-
fachheit und Urtümlichkeit geblieben.
Man unterscheidet Winterbauden und Sommerbauden. Beide
haben im wesentlichen dieselbe Einrichtung, die Sommerbauden
sind aber leichter gebaut, denn sie werden nur während der wenigen
Monate bewohnt, in denen das Vieh die Hochwiesen abweidet. Die
Winterbauden liegen meist dorfmäßig beisammen und haben auch
Benennungen wie wirkliche Dörfer, wie z. B. Hain, Baberhäuser,
Brückenberg1), Wolfshau und Klein-Aupa. Die Sommerbauden
J) Dieses Baudendorf ist berühmt geworden durch „die Bergkirche unseres
Erlösers zu Wang“, die auf Kosten Friedrich Wilhelms Iv. aus ihrer Heimat
in Norwegen am Wangsee bei Drontheim nach mancherlei Schicksalen hierher
übertragen und stilgerecht ergänzt worden ist. Sie ist ein gutes Beispiel jener
norwegischen „Stavekirker“ (Holzkirchen), deren bauliches und dekoratives
System bis in das zwölfte Jahrhundert hinaufreicht.