1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Georg-Eckert-Institut
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- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Preußen
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Die Havel.
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2. Die Havel.
1. Der Fluß bis Spandau. Die Mark Brandenburg
ist ein Stück der großen Ebene, welche sich durch das nördliche
Deutschland ausbreitet. Durch diese Ebene zieht sich an der Küste
der Ostsee entlang ein breiter, flacher Bergrücken, der mit vielen
Hunderten von größeren und kleineren Landseen bedeckt ist und sich bis
Mecklenburg hinein erstreckt. Dort entsteht die Havel aus meh-
reren Seen jenes Höhenzuges. Nach kurzem Laufe tritt sie in die
Mark ein und durchströmt sie über 40 Meilen weit in einem groß-
ßen Bogen. Schon wenn man sich die Havel auf der Karte ansieht,
bietet sie ein ganz anderes Aussehen als andere Flüsse; sie verliert
sich oft in großen Seen, und deren sind so viele, daß sie von Span-
dau an bis über Brandenburg hinaus eine förmliche Kette von
Seen bildet. Wie die Spree und Oder hat sie einen langsamen
Lauf, und mühsam windet sie sich durch die Niederungen hindurä'.
In die Mark tritt die Havel mit dem Stolpsee; an dem-
selben liegt das frühere Kloster Himmelspfort, welches fromme
Mönche an derselben Stelle, wo die heidnischen Wenden ihren Götzen
Opfer gebracht hatten, als eine Pforte des Himmels für die zu
Christo Bekehrten errichteten. Die Havel fließt von da durch einen
Waldstrich, welcher an einzelnen Stellen von Wiesen und Ackerland
unterbrochen ist, bis zur Stadt Zehdenick; auch hier stand früher
ein Kloster; heute liegt es in Trümmern, aber die Ueberreste zeugen
noch von der Herrlichkeit des Baues, den unsere Väter hier dem
Herrn zu Ehren aufgeführt hatten. Weite Wiesenfiächen, die den
Sommer von Viehheerden belebt sind, begleiten den Fluß in seinem
langsamen Laufe neben ihren flachen Ufern an den Städten Lie-
benwalde und Oranienburg vorüber; bei Liebenmalde mündet
der Finow-Kanal, der die Havel mit der Oder verbindet, bei
Oranienburg der Neu-Ruppiner-Kanal, der nach dem Rhin
führt; hiex begegnen mir vielen Kähnen, die den im Rhinluch ge-
stochenen Torf nach Berlin und noch weiter führen. Oranienburg
ist nach Louise Henriette, der Gemahlin des großen Kurfürsten, ge-
nannt; denn sie war eine Tochter des Fürsten von Nassau-Oranien,
des Erbstatthalters in den vereinigten Niederlanden. Von hier
ab beginnt ein nasies Bruchland, und die Havel fängt an, Seen zu
bilden. Ihr stiller blauer Wasserspiegel gewährt einen lieblichen An-
blick. Wer den Thurm der Nikolaikirche in Spandau besteigt
und sich von da aus umschaut, der ist verwundert über die Herr-
lichkeit, die sich vor seinen Augen ausbreitet, und glaubt kaum, in
der Markau sein. Nach Norden hin sieht man den schönen Te-
gelschen See mit seinen von Wald bekleideten Ufern; im Vorder-
gründe schlängelt sich die Havel in mehreren Armen um die Citadelle
der Festung Spandau; nach Morgen hin aber hat man das liebliche
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8
Wie es in der Provinz Brandenburg aussieht.
nördlich davon und westlich von der Havel liegt das Ruppiner
Land und zwischen dieser und der Elbe die Priegnitz.
3. Das Rhinluch.
Die Havel strömt der Elbe in einem großen Bogen zu. Zwi-
schen beiden Armen des Bogens, der Ober- und der Unter-Havel,
laufen theils Bergplatten von unbedeutender Höhe hin, theils Niede-
rungen, die man Brüche nennt. Damit bezeichnet man tiefliegende
Strecken, in denen dürrer Flugsand und Kiefernwald mit sumpfigen
Wiesen und Torfmoor wechselt. Von diesen sind besonders zwei
wichtig: Das Rhinluch und das havelländische Luch. Ersteres
streckt sich von der Havel zwischen Liebenwalde und Oranren-
burg bis zum Einflüsse des Rhin, wo es mit dem Havelluche zu-
sammenstößt, welches sich südlich nach der Havel hin ausbreitet. Erst
am Kremmenschen See beginnt das eigentliche Rhinluch. Das
ist allermeist ein großes Torfland mit sumpfigen, nur zur Weide
tauglichen Wiesen, die man indeß trocken zu legen begonnen hat.
Wiewohl die Mark Brandenburg in vielen andern Gegenden noch
große Torflager hat, so sind doch die im Rhinluch wegen ihrer Aus-
dehnung und besonders wegen der Nähe von Berlin sehr wichtig;
wie anderwärts die Steinkohle oder auch die Braunkohle, die aus
tiefen Schachten von Bergleuten herausgefordert werden, den immer
fühlbarer werdenden Mangel an Holz ersetzen, so wird hier der
Tors als ein billiges Feuerungsmaterial gebraucht, und viele hundert
Kähne sind damit beschäftigt, Berlin mit Torf zu versorgen. Die
Ortschaften am Rande des Luches aber finden ihren Lebensunterhalt
zum großen Theile im Stechen des Torfes.
Um das Rhinluch liegen, außer vielen Dörfern, die Städte
Kremmen, Friesack, Rhinow und Fehrbellin. Hier war
es, wo der große Kurfürst am 18. Juni 1675 die Schweden un-
ter dem Feldgeschrei ,,mit Gott" mit seinem wohlgeübten, aber an
Zahl bei weitem geringeren Kriegsheere angriff und besiegte. Es
war der größte Tag seines thatenreichen Lebens und die erste
Schlacht, welche die Brandenburger, in gerechter Vertheidigung ihres
Landes begriffen, allein gewannen.
Am Ausgange des Rhinluchs stoßen nach Westen hin die Nie-
derungen der Dosse, der Dossebruch, zu demselben, in welchem
der erste König anfing, Sumpf- und Bruchland in Wiesen und
Acker umzuschaffen; sein Sohn, besonders aber sein großer Enkel,
setzten sein Werk fort. Der Letztere legte einige zwanzig neue Ort-
schaften von Inländern und eingewanderten Psälzern hier an; so
bietet die Gegend durch Viehzucht und durch Fabriken mancher Art,
z. B. von Glas, den Anblick eines der fruchtbarsten und am stärk-
sten bevölkerten Theile der Mark.
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Das Havelluch.
9
4. Das Havclluch.
' Es beginnt bei Spandau und zieht sich über Nauen und
Friesack nach dem Rhinluche hin. Wo es mit diesem sich vereinigt,
liegt der Rest eines prächtigen Waldes, der dicht bis Spandau
reicht und noch jetzt einen der schönsten Laubwälder bildet, dessen
uralte Eichen, Buchen, Linden, Birken, Erlen, Rüstern und auch Kie-
fern auf fettem Boden Bewunderung erregen.
Das Havelluch ist fast 10 Meilen lang und zieht sich in vew
schiedener Breite nach der Havel hin. Es wird von der Eisenbahn
durchschnitten, die von Berlin nach Hamburg führt. Es hat
wenig Torf und ist jetzt theils in Ackerland, theils in Wiesen und
Hutung umgeschaffen. Dies ist erst seit dem Könige Friedrich
Wilhelm I. geschehen. Vorher war es ein vom Wasser durch-
drungenes Moorland mit dünner Rasendecke; zwischen demselben
traten inselartig höhere Stellen, Horste genannt, mit Gebüsch und
Wald hervor. Im Frühjahr aber waren auch diese überschwemmt,
und so bot das ganze Luch eine einzige Wasserstäche dar. Das Vieh
fand an den Rändern selbst im Sommer nur spärliche Weide und
blieb oft im Moraste stecken. Wilde Thiere aber bewohnten die
Wildniß, und unsere Vorfahren erzählen von Bären, Wölfen und
Luchsen, Sumpf- und Waffervvgeln, Schildkröten und Schlangen, die
hier ungestört im Urwalde hausen konnten. Nur ein Weg führte
mittelst Dämmen und Fähren von Nauen nach dem Bell in und
durch, das Rhinluch nach dem Ruppiner Lande. Im Jahre 1718
begann König Friedrich Wihelm I. die Entwässerung und ver-
mehrte die Zahl der Arbeiter sogar durch Soldaten. Ein großer,
schiffbarer Hauptkanal und unzählige große und kleine Abzugsgräben,
zusammen über 17 Meilen lang, wurden durch das Luch gezogen und
Dämme schlossen größere und kleinere Flächen ein zum Schutz vor
Ueberschwemmung oder als Wege nach den Grundstücken und durch
das Luch. Gleich im Frühjahre 1718 wurde auch mitten in der
Niederung das königliche'domänenamt Königshorst angelegt und
daselbst eine Musterwirthschast für Butter- und Käsebereitung einge-
richtet, wozu der König Kühe aus Ostfjsiesland und Meier aus der
Herrschaft Cleve kommen ließ. Später wurden Bauerntöchter aus
den kurmärkischen Aemtern hierher geschickt, um in der Milchwirth-
schaft unterrichtet zu werden, und wer sich geschickt und tüchtig zeigte,
kehrte mit 100 Thalern Brautschatz heim und lehrte dann in der
Heimath die vortheilhaftere Benutzung der Milch. Viele andere
Vorwerke und Gehöfte entstanden bald im Luch, und wir erfreuen
uns jetzt durch den Anblick der grünen Wiesen, Weiden und Aecker,
der zahlreichen schönen Rinder-, Schaf- und Schweineheerden. Die
Dämme und Gräbenufer sind mit Bäumen aller Art bepflanzt,
Waldstriche bieten freundliche Abwechselung, und kleine Flußfahrzeuge
beleben die größeren Wasserleitungen. Die frischen Laubwälder locken
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Wie c; in der Provinz Brandenburg aussiebt.
Am rechten Oderufer, wo die Warthe mündet, liegt K ü st rin,
eine Festung. Unterhalb Schwedt, wo die Ränder des Strom-
thales wieder sich höher erheben, verläßt die Oder die Mark Bran-
denburg. Die Wartbe ist unter den vielen Nebenflüssen, die der
Oder von rechts und links zufließen, der größte: sie durchfließt das
ganze Großherzogthum Posen, ist dessen wichtigste Wasserstraße,
und an ihr liegt die Hauptstadt Posen; sie kommt aus dem Kö-
nigreiche Polen; ihr wasserreichster Nebenfluß ist die weiter nörd-
lich fließende Netze.
Der Theil der Mark, welcher jenseits der Oder an der Warthe
liegt, heißt die Neumark.
7. Jdic Geschiebe in der Mark.
Wohl Mancher hat in der Mark, wie auch anderwärts in der
norddeutschen Tiefebene die großen und kleinen Steine aus Feldern,
am Wege und im Walde gesehen — ohne sich dabei zu fragen,
wie diese dahin gelangt sein mögen; man meint wohl, sie haben
von Anfang der Tage da gelegen, und dem Landmanne sind sie auf
seinem Felde oft rechte Steine des Anstoßes, die er gern weg haben
möchte. Und doch sind sie auf eine höchst wunderbare Weise in das
sandige Flachland gekommen, und obschon es nur Steine sind, so
geben sie doch lautes Zeugniß, wie Gott Jahrtausende voraus mit
Weisheit für seine Menschenkinder sorgt. Diese Feldsteine, welche
theils einzeln verstreut, theils in Schichten und Lagern beisammen
liegen und Höhenzüge bilden, daher auch Geschiebe genannt wer-
den, sind Wandersteine. Freilich sind sie nicht so gewandert wie
ein Handwerksbursche und ein Zugvogel; aber sie sind aus viel wun-
derbarere Weise an den Ort gekommen, wo sie liegen, als ein Mensch
oder Thier von einem zum andern Orte gelangt: denn sie sind weit
über das Meer hergetragen worden; die Kjölen in Norwegen und
Schweden sind ihre Heimath! Aber, frägst du, wie ist das zuge-
gangen, daß Steine über das Wasser gekommen sind? Noch dazu
sind es zum Theil gewaltige Granitblöcke; die größten dieser nordi-
schen Findlinge sind unter dem Namen Markgrafen st eine bei
Fürstenwalde berühmt geworden, da aus einem Stücke derselben
jene prachtvolle Schale gemeißelt ist, die vor dem Museum in Ber-
lin, in der Nähe des königlichen Schlosses steht; sie wiegt 1500 Etnr.
und hat einen Umfang von 70 Fuß, so daß 42 Steinmetzen, die
sie bearbeiteten, beim Frühstücke auf dem Rande sitzen konnten.
Wären die Granitblöcke von den Meeresfiuthen fortgewälzt wor-
den, so hätten sie nicht die scharfen Kanten bewahrt. Nur Eis-
schollen können sie unversehrt herübergetragen haben. Ein Eismeer,
wie jetzt noch am Nordpol, hat vor Zeiten von den Gebirgen Skan-
dinaviens sich bis zu den Sudeten ausgedehnt; wo wir wohnen und
fröhlich sind im Sonnenlicht, war grausiger Meeresgrund; die Fel-
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Dic Geschiebe in der Mark. — Eisenbahnen.
15
senstücke wurden durch den grimmigen Frost von den hohen Ufer-
klippen abgesprengt und auf das Eis geschleudert; dort froren sie
entweder ein oder blieben auf den gewaltigen Eismassen liegen; als
nun diese sich vorwärts bewegten und nach Süden getrieben wurden,
fielen die Steine, wenn die Schollen thauten, auf den Meeresgrund,
und so liegen sie heute in den sandigen Ebenen bis zu den Sudeten
hin als Denksteine der wunderbaren Fürsorge Gottes; denn sie sind
eine große Wohlthat für das Land seit länger als tausend Jahren.
Seht euch die Ringmauern eurer Städte an, (wenn sie noch welche
haben), hinter denen die Bürger im Mittelalter sich bargen; sehet
die Schlösser und Burgen, die Kirchen und Klöster an! Wovon sind
die meisten gebaut? Von solchen Wandersteinen. Und die, welche zu
Mauern nicht taugen, werden für den Bau von Chausseen gesucht;
ohne diese Wandersteine könnte die Provinz nicht 200 Meilen chaus-
sirte Wege haben.
8. Eisenbahnen.
Wie Strahlen von einem Sterne, gehen von der Hauptstadt
unseres preußischen Vaterlandes zur Herstellung eines schnellen Ver-
kehrs Eisenbahnen nach allen Provinzen und den benachbarten
Ländern. Zwei Eisenbahnen gehen von Berlin über den Teltow;
die eine nach Potsdam hinüber und von dort im Havelthale
weiter bis an den Plauenschen See, dann über die Elbe nach Mag-
deburg und weiter an den Rhein. Die zweite geht über den
Fläming, theilt sich hinter Jüterbog in zwei Schienenwege,
von denen einer über Wittenberg geht, die Elbe an der Mün-
dung der Mulde überschreitet und durch die Anhaltischen Län-
der und die Provinz Sachsen, die säch fischen Herzogtümer,
Kurhessen und die Bundesstadt Frankfurt a. M. führt. Die
Nebenbahn geht die Elbe aufwärts nach Dresden, der Hauptstadt
des Königreiches Sachsen. Eine dritte, die Niederschlesisch-
Märkische, verbindet Brandenburg mit Schlesien, berührt
Frankfurt, Sohrau, Liegnitz und mündet in Breslau, von wo
andere Bahnen nach Wien und Triest und nach Warschau führen.
Eine vierte geht von Berlin nach Stettin und stellt so die Ver-
bindung mit der Ostsee her; mit der Nordsee steht Berlin durch
die Hamburger Bahn in Verbindung, die durch das Havel-
land an der Elbe abwärts führt.
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Blicke in die Derganzenhcit Brandenburg».
dir dienen und den Götzen absagen!" Und schwerbewaffnet wie er
war, stürzt er jählings in die Fluth. Keuchend schwimmt das treue
Thier mit ihm dahin durch die Wogen. Doch matter und matter
wird das Pserd. Da faßt er die Zügel krampfhaft fest, und das
treue Thier strengt seine letzten Kräfte an. Nicht umsonst: schon
hat es Boden unter den Füßen; jetzt erfaßt Jaczo mit kräftiger
Hand das Gestrüpp auf der Landspitze, ein Sprung — und er ist
gerettet. Er stieg die Spitze der Landzunge hinan und sank auf seine
Kniee. „Ich danke dir, du mächtiger Christengott, du hast mir ge-
holfen; dir will ich hinfort dienen. Von den Waffen, die ich für
die Götzen geschwungen habe, besitze ich nur noch diesen Schild.
Hier, wo ich Rettung gefunden, hier lege ich ihn nieder. Nie will
ich mehr für die todten Götzen kämpfen." So 'betete er und lebte
von jetzt ab in Köpenick als Christ.
3. Wie die Mark ein deutsches und christliches Land
geworden ist. In diesem letzten und größten Kampfe Albrechts
gegen die Wenden, stand Herrschaft und Christenthum auf dem
Spiel. Darum gelobte der Markgraf dem Herrn eine Pilgerfahrt
nach dem heiligen Lande, wenn er ihm den Sieg verleihe. In Be-
gleitung seiner Gemahlin löste er sein Gelübde und brachte aus Pa-
lästina Johanniter- und Tempelritter mit nach der Mark. Er begabte
sie reichlich mit Ländereien, auf denen sie Städte (z. B. Templin)
und Dörfer anlegten. Sein ganzer Eifer war nun seinem verödeten
Lande zugewandt. Viele deutsche Ritter, ehemalige Kampfgenossen,
erhielten Burgen und Grundstücke, alte wendische Adelige wurden
freundlich behandelt und vermischten sich durch Heirathen mit den
Deutschen. Zahlreiche Einwanderer aus Sachsen und Franken rief
er herbei, auch aus Holland und Friesland. Sie trockneten Sümpfe
aus, dämmten Gewässer ein und brachten den deutschen Pflug mit
zur Bearbeitung des schweren Bodens. Namentlich sorgten auch
die Feldklöster für besseren Anbau. Sie lehrten dem wendischen
Landvolke Ackerbau und gute deutsche und christliche Sitte. Die
Sandhaiden wurden Gärten, und an Stelle elender Lehmhütten er-
hoben sich steinerne Kirchen und Klöster, und rings um dieselben, wie
um viele Burgen, blühten gewerbfieißige Städte empor. Die Flüsse
waren von reichbeladenen Kähnen belebt, die Straßen voll Wagen
und Karren mit Kaufmannsgütern; manche Städte trieben sogar
Handel bis über's Meer. Albrecht der Bär hatte das Glück, daß
er nach schweren Kämpfen den eroberten Ländern ein wahrer
Vater sein konnte. In seinem Alter sah er die Früchte seines
treuen Wirkens. Seine Nachkommen folgten unter vielen Kämpfen
dem Beispiele ihres Ahnherrn. Sie erwarben die Lausitz und die
Uckermark, das Land Lebus und die Neumark. Da gründeten sie
Landsberg, Bärwalde und Königsberg in der Neumark, Frankfurt
an der Oder in dem Lande Lebus, dazu Kölln an der Spree; auch
entstanden unter ihnen die beiden Klöster Lehnin und Chorin, wur-
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Tic Mark untc: fccn Ibaicin oder Witteisbachern.
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den von ihnen in frommer Mildthätigkeit mit Gütern reich ausge-
stattet und zu Begräbnisstätten des Fürstenhauses geweiht. Besonders
ausgezeichnet sind Johann I. und Otto Iii., die gemeinschaftlich mit
seltener Brüderlichkeit regierten. Sie brachten den größten Theil
ihres Lebens aus dem Pferde zu und ließen ihre Klingen niemals
rosten; sie haben auch die meisten Eroberungen gemacht. Unter den
Anhaltinern ist die Mark Brandenburg ein christliches und deutsches
Land geworden.
Die Mark unter den Barern oder witteisbachern.
(1324 — 1373.)
3. Wie es in der Mark unter den Daiern herging.
Nach dem Tode des letzten der Anhaltiner, des Markgrafen Wal-
demar, brach in der Mark die gräulichste Verwirrung aus. Das Land
dünkte den Nachbarn eine willkommene Beute; vier Jahre wußte man
nicht, wer Herr im Lande war. Da herrschte überall das Faustrecht,
d. h. der nur hatte Recht, der es sich mit der Faust erkämpfte. Zahl-
reiche Räuberbanden, Stellmeiser genannt, machten die Landstraßen un-
sicher. Gegen solch Unglück half es nichts, daß der deutsche Kaiser Lud-
wig der Baier seinen 12jährigen Sohn Ludwig mit der Mark belehnte.
Es sollte noch Schrecklicheres kommen. Der Papst in Rom war ein
Feind der Baicrn. Er rief die wilden Schaaren der Polen und heid-
nischen Litthauer in das Land, und der Bischof von Lebus zeigte ihnen
den Weg. Da sah man des Nachts den Himmel weit und breit ge-
röthet von den Flammen, die Hunderte von Kirchen, Klöstern und
Dörfern vernichteten. Da zitterten die Lüfte vom Wehgeschrei der
Beraubten und derer, die in die Knechtschaft geschleppt wurden. Die
Barbaren zerstörten die christlichen Aitäre, ritten durch die Kirchen,
ließen die Pferde aus den Taufsteinen saufen und beschmutzten die
heiligen Gefäße! Und dazu gab ein Papst jeinen Segen! Ihn ver-
klagte vor Gott das Wehgeschrei von 6000 unglücklichen Gefangenen,
welche durch die Moräste gepeitscht und in die finstern polnischen
Wälder geschleppt wurden, von dannen kein Entrinnen war. Und
als die Unmenschen fort waren, da lugten die Kirchthürme ohne Dach
und Glocken, und die von Brand geschwärzten Mauerüberreste ins
Land wie große Wegweiser, wo man das Elend suchen könne. Auf
jedem Schritte traf man Arme und Bettler. Wo noch ein Haus fest
war, ein Schloß mit rothem Ziegeldache in die Luft ragte, da schau-
ten sie sich drinnen fürsichtig um, trauten selbst nicht dem wohlge-
kleideten Manne, vielweniger dem in Lumpen gehüllten. Er mußte
froh sein,, wenn man ihm ein Stück Brot aus dem Fenster zuwarf.
Und um das Maß des Elends voll zu machen, belegte der Papst
aus Feindschaft gegen den baierischen Markgrafen das Land mit dem
großen Bannfluch, Interdikt genannt. Da durfte kein Glockengeläut
erschallen, kein frommer Gesang durfte die Herzen erbauen, die noch
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Bücke in die Vergangenheit Brandenburgs.
erhaltenen Kirchen waren verschlossen, dem Sterbenden wurde das
heilige Abendmahl versagt; mitten im Elend dieses Lebens wurden
die so schrecklich Heimgesuchten auch aus der Kirche des Herrn aus-
gestoßen, mußten leben und dahinsterben ohne Trost und Erquickung
durch himmlische Speise.
4. Der falsche Waldemar.
Als der Frühling kam des Jahres 1348 — Markgraf Ludwig
war im schönen Lande Tyrol, wo er auf den Bergen die Gemsen
zu jagen liebte — erschien zu Wolmirstädt vor der Burg des Erz-
bischofs von Magdeburg ein Pilgersmann und ließ sagen, daß er
dem Erzbischöfe etwas Wichtiges mitzutheilen habe. Der Erzbischof
aber saß gerade mit vielen Gästen zu Tische, denn er feierte ein Fest.
Da die Diener dem Pilger das sagten, sprach er: „Könnt ihr mich
nicht zu eurem Herrn führen, so bittet für mich um einen Becher
Weins." Als sie den Trank brachten, that der Pilger einen kräfti-
gen Zug aus dem Becher, ließ dann einen Siegelring mit fürstlichem
Wappen hineinfallen und bat, daß man den Becher dem Erzbischof
bringe. Der hatte kaum den Ring gesehen, als er rief: „Das ist
Markgraf Waldemar's Ring!" — Deß verwunderten sich die Gäste
über die Maßen; aber der Erzbischof ließ den Pilgersmann in das
Zimmer führen und forschte von ihm, wer er wäre. Der war nicht
befangen, wie sonst wohl Pilgersleute sind in vornehmer Gesellschaft;
sein Auge ließ er ruhig über die Versammlung schweifen, und obgleich
sein Haar schon ergrauet war, trat er doch fest und sicher auf. End-
lich sprach er: „Ich bin Markgraf Waldemar. Sie haben vor 29
Jahren einen andern Mann statt meiner begraben. Um eine Sünde
abzubüßen, zog ich in das heilige Land. Nun aber ist die Kunde zu mir
gedrungen, daß mein Land unter fremden Herrschern im Unglück seufze,
und ich bin wieder heimgekommen, daß ich meines Volkes Leiden mil-
dere." Das war eine wunderliche Rede, aber sie fand Glauben. Der
Pilgersmann glich an Gestalt und Angesicht dem alten Markgrafen;
auch hatte er eine Narbe an der Stirn, wie Waldemar sie gehabt.
Der Erzbischof von Magdeburg und viele Fürsten fielen dem Manne
zu. Als er in die Mark zog, entstand großer Jubel; die Bürger
holten ihn festlich in ihre Städte und wußten kaum, wie sie ihn ehren
sollten. Da stand es schlimm um die Herrschaft des Baiern in
Brandenburg. Nur drei Städte blieben ihm treu; das waren Frank-
furt, Spandau und Brietzen. Sie schlossen ihre Thore zu und ließen
die baierischen Fahnen von ihren Mauern wehen. Britzen hielt sogar
einen Sturm aus und schlug das Kriegsvolk Waldemar's zurück.
Dafür gab Markgraf Ludwig der Stadt den Namen „Treuenbrietzen,"
wie sie heißt bis auf den heutigen Tag.
Die Baiern behaupteten, daß der Pilgersmann ein Betrüger sei.
Kaiser Karl Iv., dem man die Sache vorlegte, entschied zuerst, er
sei wirklich der ächte Waldemar, und bald darauf wieder, er sei es
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Die Mark unter Kurfürsten aus dem Hause Hohenj»llern.
23
man sich ergeben wolle. Die Feste war gewonnen, aber der Vogel
ausgeflogen. Auf geheimen Pfaden hatte sich Dietrich von Quitzow
geflüchtet, irrte als Geächteter von Land zu Land und starb endlich
im Elende, doch ungebeugt im tiefen Walde. Wie dem Schlosse Frie-
sack, so erging es auch anderen Raubburgen, z. B. Plaue, und all-
mählich beugten sich die trotzigen Herren der Mark vor der Donner-
stimme jenes groben Geschützes und wurden treue Diener des neuen
Herrn. Nicht wenig trug dazu auch das sanfte Wort und gewin-
nende Wesen der Gemahlin Friedrichs, „der schönen Else" (Elisabeth
von Baiern), bei, die auch eine unvergeßliche Wohlthäterin der Armen
war, wie eine andere Elisabeth von Baiern, die Gemahlin Friedrich
Wilhelm Iv., es ist. — Der Anfang der hohenzollerschen Herrschaft
in der Mark ist also die Beugung des verwilderten Adels und die
Beschützung der Städte und der Bauern gewesen.
2. Wie Burggraf Friedrich Kurfürst von Branden-
burg wird. (30. April 1415 und 18. April 1417.) Auf der
großen Kirchenversammlung zu Kostnitz sollte eine Heilung der Kirche
am Haupte, dem Papste, und an den Gliedern, den Geistlichen,
vorgenommen werden. Hierzu bedurfte der Kaiser weisen Rath und
kräftige Mithilfe des Burggrafen Friedrich. Er bedurfte aber auch
seines Geldes. Bis auf 400,000 Goldgulden wuchs das Darlehn,
das der Hohenzoller dem Kaiser gab. Das konnte dieser ihm nim-
mer bezahlen. Darum wollte er ihm dafür das Land Brandenburg
erb- und eigenthümlich übermachen. Solches geschah am 30. April
1415. Es war am Tage des Evangelisten Lukas, als der Burg-
graf, nunmehr Erzkämmerer des heiligen römischen Reichs und Kur-
fürst von Brandenburg, in Berlin einzog. Voraus, auf mächtigem
Streitrosse, in hellglänzender Stahlrüstung, das Visir des mit Gold
verzierten Helmes zurückgeschlagen, kam der Kurfürst selbst; ihm zur
Rechten ritt der Bischof von Lebus, zur Linken der von Branden-
burg. Ihnen folgten viele märkische und fränkische Ritter mit ihren
Knappen und Reisigen. Unter dem Zudrange des Volks ging der
festliche Zug durch das Teltower Thor zu dem „hohen Hause" in
der Klosterstraße. Es war mit Eichenlaub geschmückt, von den Zin--
nen des Dachs und aus allen Fenstern heraus wehten die Fahnen
und Banner der märkischen Städte, aber über dem Eingänge des
Palastes rauschte das schwarze und weiße Panier der Hohenzollern.
Pfeifer, Posauner und Pauker standen auf dem Balkon, und das
Schmettern ihrer Instrumente begrüßte den nahenden Zug. Ganz
anders empfingen jetzt die adeligen Herren ihren Kurfürsten. Feierlich
wurde ihm gehuldigt, freundlichst erwiederte er die ihm dargebrachten
Huldigungen. Aber noch höhere Ehre und noch größere Feierlichkei-
ten erwarteten ihn. Am 18. April des Jahres 1417 wurde er zu
Kostnitz von dem Kaiser feierlich und össentlich mit der Mark be-
lehnt. Ein glänzender Zug von Rittern versammelte sich vor Frie-
drichs Herberge. Dieser bestieg im kurfürstlichen Schmucke sein Roß,