1852 -
Weimar
: Albrecht
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
von Osten her in Palästina einzudringen und eroberten nach Be-
siegung der Amoriter und anderer Stämme, deren im Osten des
Jordan liegendes Land. Da diese Gegenden treffliche Weiden ent-
hielten, so baten die Stämme Rüben, Gad und der halbe Stamm
Manaste ihnen das Land zu überlassen, obgleich es nicht zum eigent-
lichen Palästina gehörte. Diese Bitte wurde ihnen unter der Be-
dingung gewährt, daß sie den übrigen Stämmen bei der Eroberung
des westjordanischen Landes Beistand leisteten. Nach siebenjährigen
Kämpfen hatte Josua erst Süd- und Mittelpalästina zum größten
Theile, sowie einige Striche von Nordpalästina erobert. Damit
glaubte er sich vorläufig begnügen zu dürfen und vertheilte durch
das Loos das Land unter die zwölf Stämme, indem er cs jedem
einzelnen Stamme überließ, sich allein ober mit Hülfe anderer den
noch unbezwungenen Theil seines Looses zu erobern. Wahrscheinlich
glaubte er das ganze Volk für gemeinschaftliche Kriegsunternchmun-
gen nicht länger zusammenhalten zu können und meinte einen An-
fang der festen Ansiedelung machen zu müssen. Die Stiftshütte mit
der Bundeslade wurde zu Silo, im Gebiete des mächtigen Stam-
mes Ephraim, aufgestellt, und an diesem Orte sollten die allgemei-
nen Versammlungen gehalten werden. Die Eroberung des Landes
war nicht die Folge rasch auf einander gewonnener Siege, sondern
sie kam in Folge einer Reihe unzusammenhängender Heldenthaten
zu Stande. Ter Moses in den Mund gelegte Grundsatz, nichts
leben zu lassen von den Einwohnern, was Odem hat, ward nicht
befolgt, viele der Besiegten wurden bloß zinspflichtig, und bedeu-
tende kanaanitische Stämme scheinen sich zwischen den Israeliten
behauptet zu haben. Einzelne israelitische Stämme führten noch
lange ein nomadisches Leben, welches Moses zu unterdrücken gesucht
hatte. Während die Lösung der gestellten Aufgabe nur durch das
kräftigste Zusammenwirken möglich war, brach unter den zwölf
Stämmen ober Staaten häufig Zwietracht und Kriege ans. Der
Krieg gegen die Kanaaniter wurde nicht mit vereinter Kraft und
daher mit geringem Erfolge geführt; ein großer Theil des Landes,
die phönicischen Küstenstädte im Norden und die philistäischen im
Süden, kam nicht in den Besitz der Israeliten. Mancher Stamm
wurde von den Feinden unterworfen oder im Verkehr mit den heid-
nischen Nachbarn von ihrem Götzendienste angelockt, und so von
den übrigen Stämmen getrennt. Die Israeliten dieser Zeit erschei-
nen als ein Volk, welches mit der Feststellung seiner einfachsten
politischen Verhältnisse noch nicht fertig geworden ist. Auch in Be-
ziehung auf die Gottesverehrung zeigt sich noch keine festgehaltene
Ordnung; Leviten werden zwar genannt, aber auch als Diener der
Götzen; dagegen verrichten Männer, die nicht levitischer Abkunft
sind, Opfer und heilige Gebräuche. Mit den im Norden wohnenden
Phöniciern standen die Israeliten in freundschaftlichen Beziehungen,
weil sie von jenen für das allmälig gebildeter werdende Leben ihre
Bedürfnisse bezogen und die Phönicier wiederum für ihren Landhan-
del den Durchzug durch Nordpalästina bedurften. Dagegen hatten
die Israeliten von andern siegreichen Nachbarn, namentlich von den
Philistern, viel zu dulden, und es fanden fortwährend feindliche
Reibungen statt.
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103
Da traten von Zeit zu Zeit begeisterte Helden auf, welche den
sinkenden Patriotismus und Glauben aufrichteten, bewaffnete Schaa-
reu um sich versammelten und ihrem Volke die Freiheit errangen. Ihre
Thaten erscheinen als durch göttliche Berufung hervorgegangen, und
ihr ganzes Ansehen beruht auf freier Anerkennung. Die Wirksam-
keit dieser Helden war daher eine zufällige und nicht selten eine sehr
rohe und grausame. Sie standen theils au der Spitze des ganzen
Volkes, theils einzelner Stamme; sie blieben nach geendigtem Kriege
gewöhnlich auch als oberste Beamte an der Spitze des Staates und
wurden Richter genannt. Die berühmtesten sind Gideon, Jephtha
und Simson.
So gute Folgen die Thaten der Richter auch hatten, so wurde
doch dadurch die nöthige Einheit weder allgemein noch dauernd her-
gestellt. Ihre Gewalt erscheint deshalb auch keineswegs als eine
ausreichende. „Zu selbiger Zeit war kein König in Israel; ein
jeglicher that, was ihm recht däuchte." So lautet die Klage, in
welche das Buch der Richter mehrmals ausbricht. Die Priester, die
doch am meisten die Pflicht gehabt hätten, Recht 51t üben, übten
nur Gewalt; von außen aber drängten die Feinde; die Philister
schlugen die Israeliten in einer großen Schlacht, in der sogar die
Buudeslade verloren ging. Der Netter aus dieser Noth war Sa-
muel. Moses brachte die Israeliten von dem Nomadenleben zu
festen Wohnsitzen und zum Ackerbau, Samuel hingegen führte eine
geordnete Regierung ein. Samuel, gerecht, fromm, uneigennützig
und einfach, belebte den Natioualftnu seines Volkes wieder und be-
geisterte dasselbe zum Kampfe gegen die Philister. Mit den ver-
einigten Kräften der Israeliten besiegte er die Philister, denn die
Hand des Herrn war gegen sie, so lange Samuel lebte. Die Ge-
schäfte eines Richters und (obgleich kein Levit) die eines Priesters
versah er mit Billigkeit und in der Furcht des Herrn und dadurch
wurde es ihm möglich, das Volk von dem kanaanitischen Götzendienst
abwendig zu machen und zu der Verehrung Jehovah's zurückzufüh-
ren und durch diese zu einigen. Samuel war nicht nur Richter,
sondern wurde auch von allen Stämmen als ein Prophet geachtet,
in dessen Stimme sie die Stimme des durch ihn redenden Jehovah
verehrten. Er gründete die sogenannten Prophetenschulen, in wel-
chen junge Männer in den damals verbundenen Künsten der Poesie
und Musik geübt und in allem unterrichtet wurden, was sie zur
Leitung und Belehrung des Volkes befähigte. Sie lebten nach der
alten Sitte einfach und prunklos. Aus diesen Schulen gingen nicht
allein die größten Dichter, sondern auch jene begeisterten Patrioten,
die.propheten, hervor, welche sich zu dem großen Berufe erhoben,
die Sprecher für die öffentliche Freiheit und Tugend zu sein und
das Volk und später die Könige mit kühnem Muthe an ihre Pflich-
ten und die Befolgung des mosaischen Gesetzes mahnten.
Samuel blieb Richter über Israel bis in sein hohes Alter.
Als er alt geworden war, setzte er seine Söhne üls Richter ein;
allein ihre Handlungsweise war nicht geeignet, die Israeliten ge-
tröstet Samuels Ende entgegensehen zu lassen. Sie hatten allmä-
lig die Segnungen eines geordneten Lebens kennen und lieben ge-
Dic Richter
Samuel.
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104
David.
lernt und sahen nun nach Samuels Lode neuen Unordnungen und
natürlich auch neuen Kämpfen mit den Philistern auf der einen,
mit den Ammonitern auf der anderen Seite entgegen. Diese Er-
wägungen und der kriegerische Geist, welcher damals die Israeliten
beseelte, erregten in den Israeliten den Wunsch, einen König zu
haben, welcher die Stämme vereinigt halte und sie im Kriege an-
führe. Vergebens ermahnte sie Samuel von diesem Begehren ab-
zulassen, da es im Widersprüche mit der mosaischen Gesetzgebung
stehe; er stellte ihnen vor, in welche Knechtschaft sie unter einem
König versinken würden, wie dieser über ihre Söhne und Töchter,
über ihre Knechte und Mägde verfügen würde nach seinem Wohl-
gefallen. Samuel mußte endlich nachgeben und salbte Saul aus
dem schwachen Stamme Benjamin zum König. Dieser wurde uach
einem Lüege über die Ammoniter allgemein als solcher anerkannt
(1095 v. Ehr.). Obgleich Saul ein tapferer Mann war und noch
andere glückliche Kriege gegen die Philister, die Ammoniter und
Moabiter führte, war er doch der Aufgabe als König nicht gewach-
sen und erbitterte Samuel dadurch gegen sich, daß er dessen An-
weisungen, die er als Befehle Jehovah's ehren sollte, nicht Folge
leistete. Daher salbte Samuel noch bei Lebzeiten Sauls David,
den Sohn Jsai's, aus dem mächtigen Stamme Juda zum Könige.
David war schön und stark, ein streitbarer junger Hirt, im
Saitenspiel wie in den Waffen geübt, verständig und so voll Geist,
daß man sagte, der Herr sei mit ihm. Er hütete damals noch die
Heerden seines Vaters, bis Saul in eine Gemüthskrankheit verfiel
und einer seiner Diener ihm rieth, David, einen geschickten Sai-
tenspieler, an seinen Hof zu rufen. Wirklich erheiterte Davids Laute
das trübsinnige Gemüth des Königs und diesem gefielen des Jüng-
lings Gewandtheit und Rüstigkeit sowohl, daß er David zu seinem
Waffenträger machte. Bald hatte dieser Gelegenheit, seine Uner-
schrockenheit zu zeigen, indem er in dem Kriege mit den Philistern
den Riesen Goliath erschlug, worüber die Feinde so bestürzt wur-
den, daß sie die Flucht ergriffen. Saul hatte, um zu dem gefähr-
lichen Kampfe mit Goliath zu ermuntern, dem Sieger eine seiner
Töchter zum Weibe versprochen und mnßte dem David das gege-
bene Wort halten. Als aber dessen Ruhm sich durch ganz Israel
verbreitete, und Lieder von ihm sangen, Saul habe tausend Feinde,
David aber zehntausend geschlagen, da erwachte in dem mißmuthi-
gen Könige eine solche Eifersucht, und die frühere Neigung zu dem
jungen Helden verwandelte sich in einen solchen Haß, daß er ihm
nach dem Leben trachtete. David mußte fliehen und sich bald da
bald dort verbergen. In den mannigfachen Gefahren, welche Da-
vid zu bestehen hatte, erprobte sich die Treue seines Weibes und
die zärtliche Freundschaft des edlen Königssohnes Jonathan, da beide
den Zorn ihres Vaters nicht scheuten und David retten halfen.
Auch David bewies eine edle Gesinnung, als er auf den unbewacht
schlafenden König stieß und der Versuchung widerstand, durch einen
Lanzenstoß seine unverschuldete Noth zu enden. Endlich wurde
Jonathan und zwei seiner Brüder in einer großen Schlacht von
den Philistern erschlagen, und Saul stürzte sich in sein Schwert,
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wurden die Gemmen auch erhaben geschnitten (Kameen) und dazu
gern farbige Onyxe genommen. In den Münzen zeigt sich ein all-
mäliges Sinken der Kunst. Die Malerei wurde zwar eifrig geübt,
aber die großen Meister der zunächst vorhergegangenen Zeit wurden
nicht erreicht. Die Gemälde dienen einer niedrigen Sinnlichkeit und
zeigen das Streben nach Effekts auch stellen sie oft Karikaturen und
Travestien mythischer Gegenstände dar. -
Geschichte der Corner.
binomischen Die Geschichte aller Völker der alten Welt endigt in der von
Gemchlc!" Nom, und die aller neueren Völker beginnt mit der von Nom und
steht mit dieser im Zusammenhange. Wie das Meer die Ströme,
so nimmt die römische Geschichte die aller anderen Völker auf, welche
früher in den Ländern um das Mittelmeer genannt worden waren.
Von einer kleinen Niederlassung auf dem palatiniscken Hügel an der
Tiber breitete sich das römische Volk im Verlaufe von Jahrhunderten
so weit aus, daß es zur Zeit des Augustus fast alle damals bekann-
ten Völker der Erde beherrschte. Nom wurde die Beherrscherin der
Völker vom Aufgang bis zum Untergang der Sonne. Kein Reich
hat einen größeren Umfang, keines eine längere Lebensdauer gehabt.
Das ganze westliche Europa nahm die Sprache, Bildung und Sit-
ten der Römer an, und seine Einwohner betrachteten sich als Rö-
mer. Merkwürdiger als durch die Herrschaft, welche Nom durch
die Gewalt der Waffen über andere Völker erlangt hat, ist es durch
sein inneres Staatslebe^i, seine Einrichtungen, Sitten und Gebräuche
und durch seinen Einfluß geworden, welchen es hierdurch auf alle
folgenden Zeiten bis auf die Gegenwart ausgeübt hat. In der äl-
testen Zeit ein schlichtes und einfaches Volk von Landleuten, deren
höhere Bestrebungen neben der Uebung der Tapferkeit im Kriege
allein auf die Ausbildung der Staatsverfassung gerichtet waren, be-
wahrte es Jahrhunderte hindurch, treu den Sitten und der Religiow
seiner Väter, die Tugenden der Einfachheit und Unverdorbenheit.
Als endlich nach der Besiegung von Karthago, Griechenland und
Asien mit den Schätzen und Reichthümern der unterworfenen Völker
-auch Luxus, Prachtliebe und verdorbene Sitten nach Rom kamen,
vereinigten die Römer mit den Lastern doch auch die Vorzüge des
feineren Lebens in der Liebe zur Wissenschaft und Kunst. Und ha-
den sie auch nicht in allen Theilen derselben sich gleichmäßig ausge-
zeichnet und nicht in allen die Griechen erreicht, so sind ihre Lei-,
stungen doch immer sehr bedeutend, ja in den mehr das praktische
und das Staatsleben betreffenden Künsten und Wissenschaften, wie
in der Baukunst, Gesetzgebung, Beredtsamkeit und Geschichtschreibung
stehen sie neben, in Beziehung aüf Gesetzgebung noch über den Grie-
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chen. Selbst als die äußere Macht des römischen Reiches längst
gebrochen war, dauerte ihre Thätigkeit für Gesetzgebung noch fort,
und sie haben in dieser so Ausgezeichnetes geleistet, daß ihre Gesetz-
sammlung für alle folgenden Zeiten ein Muster und sogar jetzt noch
brauchbar und für Millionen von Menschen gültig ist. Eine solche
Entwickelung ist ohne Vergleich in der Geschichte der Menschheit.
Vor diesem Stern erbleichen und verschwinden alle andern. Außer-
dem müssen wir die Größe der einzelnen Individuen und ihrer Tha-
ten bedenken, und die Ereignisse, welche an Großartigkeit alle an-
dern übertreffen. Alles dieses giebt der römischen Geschichte die
größte Wichtigkeit. Die Römer verdienen schon an und für sich
als ein merkwürdiges und hochgebildetes Volk die größte Beachtung;
sie verdienen diese aber auch deshalb, weil von ihnen die Bildung
zu den meisten Völkern Europas gekommen ist, und weil wir selbst
jetzt noch manche Einrichtungen bewahren, welche einst unsere Vor-
fahren von den Römern angenommen haben.
Der Name Italia wurde zuerst nur dem südlichsten, von den
Italern bewohnten Theile der Halbinsel beigelegt und erst später
auf das ganze von den Apeninnen umschlossene Land übergetragen.
Auf Etrurien wurde er erst nach dessen völliger Besiegung durch die
Römer, auf das von Galliern, Ligurern und Venetern bewohnte
Land zwischen den Apenninen und den Alpen erst seit ohngesähr
120 v. Chr. ausgedehnt. Italien wird im Norden von den Alpen,
im Westen, Süden und Osten vom Meere begrenzt; es wurde von
den Römern in das cisalpinische Gallien (das heutige Oberitalien),
in das eigentliche Italien (Mittelitalien) und in Grvßgrieckenland
(Unteritalien) eingetheilt. Seiner natürlichen Beschaffenheit nach
zerfällt Italien in zwei Theile, das kontinentale Italien und die
eigentliche Halbinsel. Das kontinentale Italien wird im W., N.
und O. von dem halbkreisförmigen Gürtel der Alpen, welche sich
von der Küste des ligurischen Meeres bis zu der des adriatischen
erstrecken, im Süden von den Apenninen begrenzt. Die Alpen
haben die Eigenthümlichkeit, daß sie nach N. ftcfr in Vorketten ab-
stufen und allmälig verflachen, nach S. steil abfallen. Oberitalien
oder die lombardische Ebene ist ein wasserreiches und fruchtbares
Tiefland von 600 Ouadratmeilen; es wurde von den Römern Gallia
cisalpina genannt, auch Gallia togata, im Gegensatz des jenseitigen
braccata. Der Hauptstrom ist der Padus (Po); er entspringt auf
den westlichen Alpen, strömt von Westen nach Osten mitten durch
das Land und theilt dieses in zwei Theile, Gallia transpadana, den
nördlichen, und cispadana, den südlichen. Der Po nimmt auf von
Norden her: den Ticinus (Ticino), welcher durch den Lacus Ver-
banus (Lago maggiore) fließt, den Addua (Adda), welcher durch
den Lacus Larius (Lago di Corno), den Ollius (Oglio), welcher
durch den Lacus Sebinus (Lago d isco), und den Mineius (Mincio),
welcher durch den Lacus Benacus (Lago di Garda) fließt. Von
Süden her ergießt sich in den Po die Trebia. Nordöstlich vom Po
ergießt sich in das adriatische Meer der Athesis (Adige, Etsch).
Die eigentliche Halbinsel ist fast lauter Gebirgsland; auf etwa
5000 Ouadratmeilen wenig über 100 Ouadratmeilen Tiefland. Die
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Das Land
Staiíen.
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Gestaltung der Halbinsel ist ganz durch den Gebirgszug der Apenni-
nen und ihrer Verästungen bedingt. Mau unterscheidet vier Haupt-
massen, die ligurischen Apenninen am Golf von Genua, welche steil
gegen das schmale Küstenland abfallen; die etruskischen zwischen den
Duellen der Trebia und des Tiberis; die römischen mit vulkanischer
Beschassenheit mit dem Caeu8 Trasimenus bei Perugia, dem Lacus
Vulsiniensis bei Bolseua, dem Albanersee und -dem See Regillns;
die neapolitanischen Apenninen oder die wilde Gebirgslandschaft der
Abruzzen, die Heimath der kriegerischen Samniteu und Marser am
I.aen8 Fucinus (Lago di Celano). Die höchsten Gipfel der Apen-
ninen liegen nicht im Hanptkamm, sondern seitwärts, östlich der
über 9000 Fuß hohe 6ran Sasso d’Italia. Im Süden theilen sich
die Apenninen in zwei Zweige, welche in einem Halbkreise den ta-
rentinischen Meerbusetl umgeben. Der Gebirgszug der Apenninen
ist auf der Ostseite höher und tritt der Küste näher, so daß sich
weder Raum für selbständige Berggrnppen, noch für größere Flüsse
findet. Die schmale Ostküste ist dem Verkehre vom Gebirge her we-
niger offen und auch das Adriameer der Schifffahrt weniger günstig.
Auf der westlichen Seite bleibt das Gebirge dem tyrrhenischen Meere
ferner, und es giebt auf dieser breiteren Küste bedeutende Vorketten
und Verzweigungen, sowie auch größere Flüsse. Die Westküste ist
wärmer und feuchter, fruchtbarer und für den Verkehr in's Innere
geeigneter. Daher war hier von Alters her der Sitz der italischen
Kultur. Unter den östlichen Küstenflüssen ist nur der Aufidus (Ofanto),
in der apnlischeu Ebene durch die Schlacht bei Cannä bemerkens-
wertb. Nach der Westküste fließt der Arnus, an dessen Mündung
die Sümpfe von Pisa und die Maremmen liegen. Der Hauptfluß
Mittelitalicns ist die Tiber, welche die Grenze zwischen Etrurien
und Latium bildet. Südlich von der Tibermünduug breiten sich die
Ebenen der römischen Campagna aus und längs der latinischen Küste
bis Terracina oder dem alten Anxur die pontinischen Sümpfe. Der
Liris (Garigliano) und der Vulturnus durchströmen die vulkanische,
fruchtbare Ebene von Kampanien, auf welcher sich der Vesuv erhebt.
In den Golf von Salerno mündet der Silarus (Selo).
Südwestlich von Italien und nur durch das Fretum Siculum
(die Meerenge von Messina) von demselben getrennt liegt die Insel
Sicilien. Sie hat die Gestalt eines Dreiecks (daher Trinakria ge-
nannt), dessen Spitzen die Vorgebirge Pachynum im S., Pelorum
im O., Drepannm und Lilybaeum im W. sind. Der nördliche Theil
der Insel ist gebirgig und im O. nahe an der Meerenge erhebt sich
der 10,000 Fuß hohe Feuerberg Aetna. Die große Fruchtbarkeit
machte die Insel im Alterthum zu einer ergiebigen Kornkammer der
Römer. Südlich von Sicilien liegt Melite (Malta), westlich die
ägatischen, nördlich die liparischen Inseln. Westlich von Mittelitalieu
liegt Sardinien; es war sehr fruchtbar, auch reich au Silber und
Edelsteinen, die Einwohner aber wegen ihrer Tücke und Feigheit
verrufen. Nur durch eine Meerenge wird von Sardinien getrennt die
gebirgige Insel Korsika, deren Einwohner einen trotzigen und ver-
schlossenen Charakter hatten. An der Westküste von Italien liegen
ferner die kleinen Inseln Capreä (Capri), Pithekusa (Jschia) und
das eisenhaltige Jlva (Elba).
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Italien gehört zu den reichsten und fruchtbarsten Ländern. Die
Milde des Klima's und die Güte des Bodens gewährten Früchte
aller Art und gute Weiden. Die älteste Bevölkerung trieb vorzugs-
weise Ackerbau und Viehzucht. Hirse scheint die Hauptfrucht der
Po-Ebent gewesen zu sein, Dinkel oder Spelt des mittleren Italiens,
während Kampanien Waizen von besonderer Güte erzeugte, und in
Sicilien der Waizen wild wuchs. Das mittlere Italien war reich
an wohlschmeckendem Obste; Wein, Feigen und Oliven gediehen am
besten in den südlichen Gefilden Kampaniens und Großgriechenlands.
Die Korsen lebten gleich den Sarden in ihrem Berglande mehr von
Viehheerden; ihr Honig stand wegen seines herben Geschmackes hin-
ter dem von Hybla in Sicilien zurück, aber ihr Harz zum Auspichen
der Weinfässer kam dem vom Silawalde in Brlittium gleich. Um
Tarent blühte der Gartenbau, Hipponium bot liebliche Blumen dar,
in Pästum blühten jährlich die Rosen zweimal. In den fetten Wie-
sengründeu Umbriens weidete das Opfervieh; die Eichenforste Mit-
telitaliens luden zur Schweinezucht ein; in der Ebene Oberitaliens
beschäftigte man sich vorzüglich mit der Schaf- und Ziegenzucht.
Zur Rinderzucht und Jagd benutzte man vorzüglich die Waldungen
in Lukanien und Bruttium, doch weidete man daselbst auch in der
heißen Jahreszeit das feine Wollenvieh, welches man in Kalabrien
für die Webereien in Tarent zu ziehen bemüht war. Die Pferde-
zucht gedieh am besten in Sicilien, doch lieferte auch Venetien einen
dauerhaften und flüchtigen Schlag von Pferden, wie Ligurien gute
Maulthiere. Das tyrrhenische Meer zeichnete sich durch seine Schal-
thiere aus, das adriatische durch große Fische und Seevögel. Den
Po empfahlen seine Schwäne. Die Waldungen im diesseitigen Gal-
lien, bei Luna und bei Pisa in Etrurien lieferten Schiffs- und> an-
deres Bguholz. Die Steinbrüche bei Luna, Gabii und Tibur gaben
gutes Material für den Häuserbau. Etrurien war durch mineralische
Quellen und Bäder ausgezeichnet; auch Neapel hatte warme Bäder,
ebenso Sinucssa und Änxur. Viel besucht waren auch die Bäder
auf der vulkanischen Insel Pithekusa; der beliebteste Badeort aber
war das reizende Bajä in Kampanien, zugleich ein Ort der Ueppig-
keit und der Ausschweifung. Etrurien und Sardinien lieferten See-
salz, Etrurien und Umbrien hatten Kupferbergwerke; Elsen wurde
von der Insel Elba geholt und an der etrurischen Küste geschmolzen.
Blei fand sich auf der Bleiinsel bei Sardinien, Silber in Sardinien,
Gold in Oberitalien. Die Gallier in Oberitalien zeichneten sich
durch ihre goldenen Halsketten und Armbänder, die Umbrer durch
ihr schweres Kupfergeld, die Tusker durch ihre Bronzen aus. Li-
gurien endlich lieferte Marmor und feine Holzarten. Die Natur
Italiens hat aber auch ihre schlimmen Seiten; bald bricht das un-
terirdische Feuer der Vulkane gewaltsam hervor; bald stürzen sich
plötzliche Wasserfluthen der Alpenströme und apenninischen Berg-
wasser über die gesegneten Fluren. Der Westen Mittelitaliens wird
häufig von ungeheuren Regengüssen heimgesucht. Starke Gewitter
sammeln sich zu allen Zeiten am Saume der Gebirge und entladen
sich mit der Wuth von Orkanen; nicht selten wird das Land durch
Donner und Blitz aus heiterm Himmel in Erstaunen gesetzt. Der
rasche Wechsel der glühenden Hitze und eisigen Kälte erzeugt gefähr-
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liche Fieber; der Gluthhauch des Scirokko erschlafft die Menschen
und versengt die Pflanzen. Nicht bloß die pestilenzialischen Aus-
dünstungen der Maremmen und der pontinischen Sümpfe bringen
Krankheit und Tod, sondern die Malaria, welche den Keim des
Verderbens in die frischeste Brust versenkt, ist mit ihrem Pesthauche
über einen großen Theil des Flachlandes von Italien verbreitet.
Die schroffen Gegensätze in der Natur des Landes haben auch dem
Charakter der Bevölkerung etwas Gewaltsames und Leidenschaftliches
mitgetheilt. In Beziehung auf die Küstenentwickelung steht Italien
den günstigen Verhältnißen Griechenlands bei weitem nach. Im
Norden wird Italien dnrch die Alpenkette von dem kontinentalen
Europa getrennt, aber nicht gänzlich abgeschnitten. Eine Straße
führte längs der ligurischen Küste nach Gallien, und im Osten führ-
ten aus den Tiefebenen der Donau, Sau und Drau alte Völker-
straßen über die julischen Alpen durchillyrien nach Italien. Höchst
günstig war die Lage der Halbinsel in der Mitte des Meeres, wel-
ches Asien, Afrika und die gesegnetsten Küstenländer Eurvpa's ver-
bindet und machte sie geeignet zum Sitze der Herrschaft über das
Mittelmeer und alle an dieses grenzende Länder.
Die älteste Die älteste Bevölkerung Italiens ist von Norden her einge-
^Jtalicns^ wandert und durch neue Einwanderungen immer weiter nach dem
Süden bis nach Sicilien hinabgedrängt worden. In Sicilien wohn-
ten die Sicaner und die diesen verwandten Siculer, Völker des kel-
tischen oder gallischen Völkerzweiges, welcher in ältester Zeit von
Osten her ganz Westeuropa bevölkerte. Von den Ligurern, einem
anderen gallischen Stamme, vertrieben, waren die Sicaner aus Gal-
lien in Italien eingewandert und dann immer weiter nach dem Sü-
den gedrängt worden. Sie halten früher in Mittelitalien, nament-
lich in Latium gewohnt, und es scheinen in der ältesten Zeit an der
ganzen Westküste von Italien und in Gallien bis an die Pyrenäen
keltische Stämme angesiedelt gewesen zu sein. Auch auf Korsika
wohnten Ligurer. Wie diese keltischen Stämme auf Einwanderungen
von Nordwesten her hinweisen, so deuten Stammsagen alter italischer
Völker, namentlich des unteren und mittleren Italiens auf Einwan-
derungen aus dem Osten und Nordosten, wo pelasgische und illyrische
Stämme angrenzten und von wo theils längs der adriatischen Küsten,
theils später zur See Einwanderungen erfolgten. Ueber die Ab-
stammung der einzelnen italischen Völker wird historische Gewißheit
schwerlich zu gewinnen sein. Das Volk der Latiner ist ans der
Vermischung zweier Völkerschaften, einer griechischen und einer un-
griechischen, erwachsen. Das südlich von der Tiber liegende Küsten-
land hatten Siculer inne. Da rückten die Aboriginer, ein Volk
pelasgischen Stammes, von den Sabinern bedrängt, in das Land,
unterwarfen oder vertrieben die Siculer und nahmen nun den Na-
men Latiner an. Auch die lateinische Sprache, in welcher man ein
griechisches und ein altkeltisches oder germanisches Element unter-
scheidet, bestätigt diese Entstehung des latinischen Volkes. Ein ähn-
liches Verhältniß scheint aber auch bei den übrigen Völkern Italiens
stattgefunden zu haben. Mit Ausnahme der etruskischen Sprache,
welche einen von der lateinischen Sprache sehr verschiedenen Cha-
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Aber nicht nur das Land, auch das Volk, welches dasselbe be-
wohnte, war von der Natur hoch begünstigt. Große Gaben waren
dem glücklich organisirten Volke der Griechen verliehen: eine unge-
meine Feinheit, Beweglichkeit und Gewandtheit des Geistes; das
Streben nach möglichster Entwickelung aller Kräfte; die Kraft und
der Trieb innerhalb des Ganzen der Nationalität viele individuelle
Gestalten zu erzeugen und auszubilden; das Bedürfniß und die Fä-
higkeit veraltete Formen abzustreifen und sich neue anzueignen; ein
kräftiges Ringen nach Freiheit im Staatsleben; ein klarer, die For-
men der erscheinenden Natur scharf erkennender und in die Gedan-
kenwelt tief eindringender Blick; endlich das lebendigste und feinste
Gefühl für das Schöne und.erhabene.
Dagegen finden sich, wie bei jeder irdischen Erscheinung, so
auch in dem Charakter der Griechen manche Schattenseiten: heftige
Leidenschaften, eine große Reizbarkeit, ein unüberwindlicher Leicht-
sinn, fortwährende Eifersucht und Zwietracht unter den verschiedenen
Staaten und im Innern derselben, Neid und Gewinnsucht und so-
gar schändliche Verrätherei und Grausamkeit.
Die älteste Geschichte Griechenlands bis zur Heraklidenwande-
rung um 1100 vor Chr. ist völlig mythisch; alle Begebenheiten, die
Schicksale einzelner Menschen und ganzer Stämme, werden auf eine
gedachte Welt von Göttern bezogen. Wir bekommen in diesen Er-
zählungen von dem Thun und Treiben von Göttern und Halbgöt-
tern zu hören, von Abenteuern der Helden und Riesen, den Ver-
heerungen von Ungeheuern, von Wundern und Zaubereien. Aber
gerade diese Periode, welche für die Geschichte die dunkelste ist,
strahlte in der Vorstellung der Griechen in einem besonders hellen
Glanze und wurde vou den Dichtern in ihren Gesängen verherr-
licht, als eine Zeit, in welcher die großen Heroen, von den Göttern
geleitet, wirkten und litten. Die Poesie hatte diese Sagen nicht
erfunden, sondern aus den bereits im Volke vorhandenen ihren
Stoff gewählt. Lange Zeit war der Glaube an die Wahrheit die-
ser Sagen allgemein verbreitet; den Heroen geweihte Orte und
Tempel und ihre Gräber erhielten bei dem Volke die Erinnerung
an sie lebendig.
Die mythische Periode der griechischen Geschichte endet mit der
Heraklideuwanderung um das Jahr 1100 v. Chr.; aber auch da
fängt noch keine rein geschichtliche Zeit an; die Auffassung der Ueber-
lieferung ist noch immer mehr mythisch als geschichtlich. Wahre,
beglaubigte Geschichte ist an Geschichtschreibung gebunden, und diese
beginnt bei den Griechen nicht lauge vor den Perserkriegen. Durch
Darstellungen gleichzeitiger Geschichtschreiber, besonders des Herodot
und Thucydides, ist uns hauptsächlich nur ein Jahrhundert von dem
Ausbruche der Perserkriege an bekannt.
Vorzüge und
Fehler des
griechischen
Volksgelstes.
Mangelhafte
Kenntniß der
griechischen
Geschichte.
1852 -
Weimar
: Albrecht
- Autor: Zeiß, Gustav
- Sammlung: Geschichtsschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Antike
- Geschlecht (WdK): Jungen
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etruskischen Städten Clusium (dem heutigen Chiusi), Cortona, Ar-
retium (Arezzo),'Perusia (Perugia), Volsinii (Bolseua) und anderen.
In Clusium stand ein labyriuthartiges Grabmal des Königs Por-
senna, welches ^fünf Pyramiden von je 70 Fuß Breite und Tiefe
und 150 Fuß Höhe enthalten haben soll. Zu Tarquinii (in der
Nähe des heutigen Corueto) findet man unterirdische Gewölbe von
erstaunlichem Umfange, bei Fiesole, dem alten Fäsulä, sind noch
die Trümmer einer Stadtmauer und eines kolossalen Theaters übrig.
In anderen Gegenden Etruriens haben sich Neste von alten Kanä-
len, Mauern und Wohngebäuden erhalten. Diese Ruinen gehören
zum Theil einer Zeit an, in welcher Nom noch nicht gegründet war;
sie zeigen, daß Etrurien in sehr früher Zeit eine hohe Kultur und
einen großen Wohlstand besaß.
Die Verfassung der Etrusker war aristokratisch-hierarchisch; die
Lukumonen, welche zugleich die Priester und der Adel waren,
herrschten über die leibeigenen Bauern. Jede Stadt bildete mit
einigen unterthäüigen kleineren Orten einen besonderen Staat. Der
gesammte Priesteradel der Stadt war die regierende Behörde, ein
Mitglied desselben hatte auf Lebenszeit die königliche Würde. Spä-
ter traten an die Stelle der Könige jährlich wechselnde Magistrate,
welche vorzugsweise Lukumonen hießen. Der König bewirkte die
Vollziehung der im Senate gefaßten Beschlüsse, berief und leitete
die Versammlungen der herrschenden Kaste, hatte den Vorsitz bei
allen Festen und heiligen Handlungen, war Anführer im Kriege
und entschied mit mehreren Räthen an jedem neunten Tage (Nun-
dinen) die Rechtsstreite. Die Abzeichen der königlichen Würde wa-
ren das Purpurkleid, der goldene Kranz, das mit einem Adler ge-
schmückte Scepter, eine besondere Art von Sessel, von den Römern
der curuliscke Sessel genannt, und 12 den König begleitende öffent-
liche Diener oder Lictoren, von denen jeder einen Bündel Stäbe
mit einer Art trug.
Zwölf Städte bildeten einen Staatenbund, und deren gab es
vor der römischen Zeit drei. Die berühmtesten von den zwölf Städ-
ten des eigentlichen Etruriens waren Clusium (Chiusi), Perusia
(Perugia), Cortona, Arretium (Arezzo), Volaterrä (Volterra),
Tarquinii, Volsiuii (Bolsena), Cäre und Veji. In einem Tempel
der Göttin Voltumna nahe bei Volsinii wurden die Versammlungen
des Bundes gehalten, welche aus den 12 Vorstehern oder Lukumo-
nen der 12 Städte bestanden. Zu dem in Oberitalien bestehenden
etruskischen Bunde gehörten Felsina oder Bononia (Bologna), Ve-
rona, Mantua, Adria, Jguvium und andere Städte. Der südliche
etruskische Bund umfaßte Kampanien und enthielt Capua, Pompeji,
Herculanum, Atella. Der etruskische Städtebund in Oberitalien
erlag den Angriffen der Gallier wie der Bund in Kampanien den
Samniten, so daß nur der mittlere Bund in Etrurien sich behaup-
tete. Die Verbindungen der etruskischen Staaten hatten den Zweck
der Vertheidigung gegen äußere Feinde; jede Bundesstadt blieb so
selbständig, daß sie sogar besondere Büudnisie schließen durfte, wenn
diese nur den Grundsätzen des Bundes nicht zuwider liefen. Die
12 Lukumonen der 12 Städte eines Bundes beriethen auf einer-
allgemeinen Versammlung die Angelegenheiten des Bundes und faß-