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1. Das Vaterland - S. 5

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
Das deutsche Volk in der Geschichte. Deutsche Freiheit, deutscher Gott, deutscher Glaube ohne Spctt, deutsches cherz und deutscher letalst sind vier chelden allzumal. ^ b{ 1. Die alten Deutschen. 1. Die Sitten der alten Deutschen. Groß, stark und schön waren die alten Deutschen. Wie Riesen blickten sie über andere Menschen hin. Weiß und rein war die Farbe ihrer Haut; in üppiger Fülle stoß das goldgelbe, blonde Haar bei Männern und Frauen hernieder, und aus den großen, blauen Augen blickten Mut und edler Freiheitsstolz. Das Leben in der freien Natur war ihre Lust. Krieg und Jagd trieben die Männer; Ackerbau und Viehzucht überließ man den Sklaven und Weibern. Freiheit war ihnen das höchste Gut, und wer hätte sie diesen Männern entreißen mögen, die mit Ungestüm in die Schlacht wie zum Tanze sprangen, die auf dem Schilde über die Gletscher und Eisberge rutschten, Ströme ableiteten zum Grabe ihrer Könige, Flüsse mit ihren Schilden aufzuhalten suchten? Der Römer Tacitus, welcher die Sitten und Lebensweise der alten Deutschen beschrieben hat, sagt: „Bei ihnen lacht niemand über das Laster; bei ihnen vermag die gute Sitte mehr, als in Rom das strengste Gesetz." Die Fülle der Kraft galt unseren Urvätern so hoch, daß sie kranke Kinder lieber töteten, als zu Krüppeln heranwachsen ließen, und daß die Alten, wenn sie sich für nichts mehr tüchtig hielten, sich selber den Tod gaben. Deshalb wurde die Kraft des Leibes auch frühzeitig gestählt, das neugeborene Kind in kaltes Wasser getaucht, das heran- gewachsene durch jede Leibesübung abgehärtet. Der Knabe ging mit dem Vater ans die Jagd oder warf sich bei Sturm und Wetter in den Strom und rang mit den Wellen. Der Jüngling sprang nackt

2. Das Vaterland - S. 10

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
10 geschah es. Am Morgen des dritten Tages — es war im Jahre 101 vor Christi Geburt — standen die Cimbern und Römer einander gegen- über. Die Vorfechter in den ersten Reihen der Cimbern hatten sich mit Ketten aneinander geschlossen. Im Frühnebel begann die Schlacht. Schon wollten die Römer erliegen' da schwinden plötzlich die Nebel, die Sonne blendet die Cimbern, der Wind treibt ihnen die Staubwolken ins Gesicht, die ungewohnte Hitze ermattet sie; es entsteht Verwirrung. Jetzt hebt das Würgen an und währt den ganzen Tag. Bojorix fällt; zwei Anführer werden gefangen; zwei andere fassen sich fest an den Händen, legen die Schwerter einer an des andern Brust und durchbohren sich so, um doch als Freie zu sterben. 90 000 Landsleute waren erschlagen. Als alles verloren war, fochten die Weiber noch fort und erdrosselten endlich in Ver- zweiflung ihre Kinder und sich selber. Die treuen Hunde verteidigten noch lange die Wagenburg. So erlagen die deutschen Stämme; aber lange noch ehrte und scheute das römische Volk das deutsche Heldentum. Duller. 3. Drums' Tod. 1. Drums ließ in Deutschlands Forsten gold'ne Römeradler horsten, an den heil'gen Götterreichen klang die Axt mit freveln Streichen. 2. Siegend fuhr er durch die Lande, stand schon an der Elbe Strande, wollt' hinüber jetzt verwegen, als ein Weib ihm trat entgegen. 3. Übermenschlich von Gebärde, drohte sie dem Sohn der Erde: „Kühner, den der Ehrgeiz blendet, schnell zur Flucht den Fuß gewendet! 4. Jene Marken unsrer Gauen sind dir nicht vergönnt zu schauen, stehst am Markstein deines Lebens, deine Siege sind vergebens. 5. Säumt der Deutsche gerne lange, nimmer beugt er sich dem Zwange; schlummernd mag er wohl sich strecken, schläft er, wird ein Gott ihn wecken." 6. Drusus, da sie so gesprochen, eilends ist er aufgebrochen, aus den Schauern deutscher Haine führt er schnell das Heer zum Rheine. 7. Vor den Augen sieht er's flirren, deutsche Waffen hört er klirren, sausen hört er die Geschosse, stürzt zu Boden mit dem Rosse. 8. Hat den Schenkel arg zerschlagen, starb den Tod nach dreißig Tagen. Also wird Gott alle fällen, die nach Deutschlands Freiheit stellen. Simrock. 4. Armin, der Befreier Deutschlands. 1. Unter der Regierung des Kaisers Augustus suchten die Römer auch ihre Herrschaft über Niederdeutschland zu verbreiten. Ein glücklicher Erfolg begleitete den Anfang dieser Unternehmung. Die Deutschen, zwar mutig, kriegslustig und freiheitsliebend, aber in mehrere Völkerschaften geteilt, unter sich uneins und der Kriegskunst unkundig, setzten keinen vereinigten und geordneten Widerstand entgegen. Von dem Rheine bis zur Elbe hin drangen die Römer vor, und schon schien es, daß ganz Niederdeutschland ihrer Übermacht auf immer unterliegen würde. Aber alles, was sie durch 25jährige Anstrengung errungen hatten, raubte ihnen ein einziger Schlag durch die Klugheit und Tapferkeit eines deutschen Helden, dessen Name noch jetzt vom deutschen Volke mit dankbarer Liebe gefeiert wird.

3. Das Vaterland - S. 12

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
12 dessen Sinnesart beurteilte nun auch Varus den Armin, welcher ebenso freundlich als Flavius gegen den römischen Feldherrn that und oft von Varus zu Tische geladen ward. Armin ließ ihn beim Glauben, bis das Werk der Befreiung, das er heimlich im Herzen trug, zur Reife gediehen sei. Denn heimlich hatte er die Besten seines Stammes zusammen- berufen und mit ihnen in stiller Waldeinsamkeit Rat gepflogen. Alle erkannten, daß für die Deutschen nur darin Heil sei, wenn sie alle Römer, die im Lande saßen, wie böse Raubtiere auf einem einzigen Treibjagen erschlügen. Dazu lud er nun die benachbarten Brukterer und die Marsen und noch andere Stämme ein, und alle schlossen mit den Cheruskern eine Eidgenossenschaft auf Leben und Tod. Vorerst wollten sie aber die Römer durch erheuchelte Demut sicher machen, und wenn sich Römer bei ihnen zeigten, leisteten sie nicht den geringsten Widerstand. Indessen hatte Armin eine Jungfrau gesehen, die hieß Thusnelda. Keine andere im ganzen Cheruskerlande kam ihr gleich an Schönheit des Leibes und der Seele, und mit bitterem Schmerze sah auch sie die Er- niedrigung ihres Volks. Ihr Vater aber, Segest, hielt zu den Römern und hoffte durch ihren Beistand sich die Herrschaft über sein Volk zu erringen. Zu dieser Jungfrau trug Armin treue Liebe im Herzen, und treu und innig hing Thusnelda an ihm. So ging er denn zu Segest und freite um die Hand der Jungfrau, und als sie ihm verweigert ward, achtete er in seiner großen Liebe weder der alten Sitte, noch der Gefahr für seine Freiheit, wenn der Vater ihn ereilte. Er entführte Thusnelden und brachte sie heim als sein eheliches Weib. Dafür schwur ihm Segest ewige Rache, und er begann dieselbe damit, daß er den Varus vor Armin als einem Verräter warnte. Doch Segest predigte tauben Ohren; der römische Feldherr meinte, an allen den Verleumdungen sei bloß die Entführung der Thusnelda schuld, und überdies deuchte er sich klüger und verachtete den Rat eines „plumpen Deutschen." So schlug ihn Gott mit Blindheit. 2. In seinem Sommerlager an der Weser saß Varus, als er die Kunde erhielt, ein deutscher Stamm an der Ems habe sich erhoben und alle Römer, die in seinen Marken wohnten, erschlagen. Also war es verab- redet worden unter den Eidgenossen. Denn Armin, die Seele des Bundes, hatte zuvor bedacht, daß Varus in solchem Falle nicht säumen würde, mit aller Macht ins Feld zu ziehen. Und so kam's auch. Der Römer beschloß, ohne Verzug aufzubrechen und Rache zu nehmen. Beim Abschiedsmahl im Lager waren Armin und Segest zu Gaste, und Segest warnte noch einmal. Doch Varus glaubte ihm abermals nicht und gebot vielmehr dem Armin, daß dieser den Heerbann der Deutschen aufbiete und sie als Bundesgenossen den Römern zuführe. Dann brach er stolzen Mutes mit drei erprobten Legionen auf und zog in die Berge an der Weser, in die Gegend, wo jetzt Herford und Salzufeln liegen. Rasch bot Armin den Heerbann auf, und freudig nahmen die Eidgenossen ihre Schwerter, um für die Freiheit zu kämpfen. Aus wohlbekannten kiirzeren Wegen führte Armin sie hinter den Römern her und fiel

4. Das Vaterland - S. 13

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
13 plötzlich bereit Nachhut an. Noch ahnte Barns nicht den ganzen Umfang der Gefahr und hielt für Übermut einzelner, was Plan und kluge Berech- nung war. Denn zuerst wollte Armin die römische Kriegsmacht schwächen und zerbröckeln, um dann die Trümmer desto sicherer zermalmen zu können. Es kamen und schwanden die Rächer wie Schatten der Nacht. Bald hier, bald dort fiel ein Römer im Engpaß. In dem Gedränge konnte Barns die Gefahr nicht überschauen; er befahl, geschlossenen Marsch zu halten, aber in der Wildnis war dies unmöglich. Endlich neigte sich der Tag, und Barns gebot dem Heere, halt zu machen, sich zu ver- schanzen, so gut es ginge, und zu verbrennen, was vom Gepäck über- flüssig sei und im Zuge nur hindern könne. Am andern Tage rückte das Heer, immer von den Deutschen umschwärmt, doch in bester Ord- nung, in der Ebene weiter, die sich an der Werra ausdehnt, und gelangte in die Gegend von Detmold, wo die hohe Teutoburg ragte. Da wird auf einmal jeder Busch lebendig, aus jeder Bergschlucht raschelte es wie viele hundert Schlangen empor, und die uralten Bäume schüttelten, wie sonst nach dem Wetter Regentropfen, jetzt Pfeile ohne Zahl auf die er- schrockenen Römer herab. Der Himmel wollte auch nicht feiern und half den Deutschen mit Sturm und Regen. Von den Güssen unterwühlt, sank die deutsche Erde unter des Römers Füßen ein; im losen Erdreich schwankend, vom Sturm gerüttelt, stürzten die deutschen Eichen über die Unterdrücker hin und zermalmten sie im Falle. Überall dringen die Deutschen heran; Schritt für Schritt kämpft der Feind um den Boden, auf dem er steht, um den Weg, um jeden Baum und Stein, und er kommt nicht eher zu Atem, als bis die Nacht hereinbricht. Da läßt Barns abermals Lager schlagen, und ermattet sinken die Römer hin; aber in jedem Augenblicke scheucht der Deutschen Kriegsgehenl sie aus der kurzen Nachtruhe empor. Als der dritte Morgen tagt, entdecken sie erst wie licht es in ihren Reihen geworden ist. Mann an Mann geschlossen, brechen sie auf und kommen aufs offene Land, das die „Senne" heißt. Da sehen sie mit Grausen die ganze Macht der Eidgenossen vor sich ent- faltet. Ringsum Deutsche, nirgends ein Ausweg! Für alle Tapferkeit ist nichts mehr feil als der Tod. Jauchzend stürzt jetzt die Eidgenossen- schaft in der verzweifelnden Römer starre Reihen. „Die Freiheit, die Freiheit!" schallt's wie Donner des Himmels den Römern in die Ohren. Wie die Saat unter Hagelschloßen sinken die Tapfersten unter deutschen Hieben nieder. Armin selbst ist überall; hier ordnet er als Feldherr die Schlacht und ruft: „Drauf, Brüder, draus!" dort kämpft er mit der Kraft von zehn Männern, Stirn an Stirn; kein Eidgenosse, der nicht mit ihm um den Preis wetteifert! Des Feindes Scharen sind zersprengt; nur wenige wilde Haufen ragen noch aus dem Meere der Schlacht empor. Jetzt wird die Flucht allgemein; doch die meisten rennen blind in die Spieße der Deutschen. Da faßt Verzweiflung das Herz des Barns, und er ^stürzt sich in sein eigenes Schwert, um sein Unglück und seine Schmach nicht zu überleben. Nur wenige aus dem großen Römerheer entrinnen; die meisten lagen auf dem Walplatze.

5. Das Vaterland - S. 1

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
Wievtes Leh^- und Lesebuch zur Pflege nationaler Bildung. Von Dr. W. Jutting und Hugo Weber. Ab und B. Aiiwde fili 4—ßkwge Mm. 5. und 6. Schuljahr. Muttersprache, Mutterlaut, wie so wonnesam, so traut! Ans Vaterland, ans.teure, schließ dich au; das halte fest mit deinem ganzen Herzen! Schiller. Elfte Auflage. Leipzig und àlill Verlag von Julius Klinkhardt 1885.

6. Das Vaterland - S. 15

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
15 Schlacht im Westen und von bedrohlicher Zeit. — Lange währte die Begrüfsung, denn immer noch kamen einzelne, die sich ver- spätet hatten, bis der Sprecher an den Häuptling trat und auf den Stand der Sonne wies. Da führte der Wirt seine Gäste vor die Halle, feierlich be- traten sie im Zuge die Stufen, am Eingänge empfing sie die Haus- frau, neben ihr stand die Tochter mit den Mägden. Ehrerbietig huldigten die Männer den Frauen; die Fürstin reichte allen die Hand und fragte gebührlich nach ihren Frauen und dem Haus- stände. den Männern von der Freundschaft bot sie die Wange zum Kusse. Die Häupter des Volkes nahmen gewichtig Platz auf den Sesseln der Bühne und begannen ernstes Männergespräch, wäh- rend der Schenk und die Diener in langer Reihe einzogen; diese trugen in Holzkannen den Frühtrunk und behagliche Zukost, weifse, gewürzte Brotkuchen und Fleisch aus dem Rauchfange. Unterdessen rüsteten die Jungen ungeduldig auf dem Rasengrunde vor dem Hofe die Bahn zu kriegerischem Spiele. Die Knaben des Dorfes begannen den Kampf, damit auch sie das Lob der Krieger erwarben; sie rannten nach dem Ziele, sprangen über ein Ross und schossen mit dem Rohrpfeile nach der Stange. Bald aber ergriff der Eifer die Jünglinge, sie warfen die Speere, sie schleuderten den schweren Felsstein und sprangen ihm nach, und als Theodulf in mächtigem Sprunge den schwersten Stein geworfen und den weitesten Sprung gethan, klafterweit über die anderen hinaus, da erscholl lautes Jauchzen bis zur Halle. Und die Alten und Weisen des Volkes hielt es nicht länger auf ihren Sitzen, auch sie eilten zur Schau auf den Rasen. Gross wurde der Ring der Zuschauer; die Weiber des Dorfes standen in ihrem Festschmucke, gesondert die Männer, und im Umkreise klang immer lauter der Zuruf und das Lob der Sieger. Unter den Zuschauenden stand Ingo und achtete schweigend auf die behende Kraft. Da trat zu ihm Isanbart, ein alter Häupt- ling des Gaues, betrachtete ihn prüfend und begann feierlich, so dass die Rede der anderen verstummte: „Auch in deinem Volke, Fremdling, woher du auch stammst, übt sich wohl der junge Krieger in Sprung und Waffen. An deinem Auge und Arme sehe ich, dass du des Spieles nicht ganz unkundig bist, vielleicht gefällt dir’s, unseren jungen Männern zu zeigen, was in deiner Heimat Brauch ist, wenn du auch nicht die Kunst eines Häuptlings ver- stehst. Bist du aus dem Ostlande, wie ich vernehme, so vermagst du wenigstens die Holzkeule zu schwingen; auch dieser Wurf erweist die Kraft des Mannes, obgleich meine Landgenossen ihn wenig üben. In der Halle sah ich über dem Sitze des Wirtes ein solches Holz.“ Ingo antwortete dem ehrbaren Greise: „Wenn mir’s der Fürst gestattet und die Häupter des Volkes, so will ich versuchen, was ich ehedem gelernt.“

7. Das Vaterland - S. 16

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
16 Der Fürst winkte; einer aus dem Gefolge sprang nach dem Hofe und trug eine Waffe aus Eichenholz herzu, vom Griffe nach rückwärts gekrümmt, vorn mit scharfer Schneide. Die Keule ging von Hand zu Hand, lachend wogen die Männer das leichte Werk- zeug. „Eine Waffe, dieser ähnlich, trägt unser Sauhirt, um Wölfe zu schlagen“, rief Theodulf verächtlich; aber Isanbart, fler Greis, entgegnete strafend: „Du sprichst thöricht, ich sah von solchem Holze, nicht so schwer als dies, einen Schädel brechen wie einen Thonkrug.“ Und er legte die Keule dem Wirt in die Hand. „Wer jemals in den Ostmarken über eine Walstatt geritten ist“, sprach der Fürst, „der kennt die Wunden, welche dieser Knorren schlägt. Doch von alten Kriegern habe ich gehört, dass ein Geheimnis in dem Holze liegt und dass man schwer des Wurfes mächtig wird, denn tückisch soll es dem Unvorsichtigen das eigene Haupt treffen. Nicht unwert ist dieses Holz der Hand eines Edlen, denn es war vor Zeiten eines Königs Waffe, und mein Vater brachte sie aus der Fremde heim.“ „Drum soll sie ihre Kunst dem Sohne erweisen“, rief Ingo freudig und fasste darnach. Mit kurzem Armschwunge warf er die Keule, sie flog in krausem Bogen durch die Luft; doch als alle meinten, dass sie zu Boden schlagen würde, fuhr sie wie durch eine Schnur gezogen wieder nach dem Manne zurück, er packte sie in der Luft am Griffe und warf sie wieder hierhin und dahin, immer schneller und immer kehrte sie gehorsam vom Schwünge in seine Hand zurück. So mühelos und lustig schien das Spiel mit dem Eichenkloben, dass die Zuschauer näher traten und lautes Gelächter durch den Kreis ging. „Das ist ein Gaukelspiel des fahrenden Mannes“, rief Theo- dulf verachtend. „Es ist eines Mannes Handwehr“, versetzte der Fremde ent- gegen, „schwerlich ist dein Schädel fester als diese Eisenkappe.“ Er sprach zu Wolf, und dieser legte in Weite eines Speerwurfs einen alten Eisenhelm auf einen Pfahl. Der Fremde mafs das Ziel, wog die Waffe in schwingender Hand, warf sie im Bogen nach dem Helme und sprang in gewaltigem Satze nach. Laut krachte das berstende Metall, und doch fuhr die Keule wieder zurück, und wieder packte sie Ingo mit starker Hand und hielt sie hoch. Ein Ruf des Erstaunens scholl in dem Ringe, ein Haufe sammelte sich neugierig um den zerschlagenen Helm. „Wohlan“, begann Theodulf herablassend, „hast du uns deine Gewohnheit gezeigt, so versuch es auch mit unserm Brauch. Führt den Springern die Rosse heran!“ Zuerst wurden zwei Rosse neben einander gestellt, Kopf an Kopf und Schweif an Schweif. Die Springer traten zurück und schwangen sich mit kurzem Anlaufe hinüber; fast allen glückte der

8. Das Vaterland - S. 17

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
17 Sprung-, aber bei drei Rossen gelang es nur einer kleinen Zahl, und über vier sprang Theodulf allein, und als er hinter den Rossen zum Haufen der anderen zurücktrat, sah er herausfordernd den Fremden an. und winkte mit der Hand zur Folge. Der Fremde neigte das Haupt ein wenig und that denselben Sprung so sicher, dass das Feld vom Beifall wiederhallte. Da rief Theodulf das fünfte Ross heran zum schweren Sprunge, nur selten vollbrachte ihn einer der Behendesten. Aber der Thüring war gereizt und entschlossen, das Äusserste zu thun. Er selbst ordnete die Pferde anders, dass der Schimmel als fünfter stand, dann sah er um sich, empfing den Zuruf seiner Freunde und wagte den mächtigen Sprung. Und er kam hinüber, nur dass er beim Niedertauchen mit seinem Rücken den Schimmel streifte. Aber während er vor- trat und sich über das Jauchzen des Volkes freute, tönte noch lauterer Zuruf hinter ihm, und umgewandt sah er den Fremden, der diesmal schnell und mühelos in seinem Rücken den Sprung vollbrachte. Der Thüring erblich vor Zorn, er ging schweigend an seinen Platz und mühte sich vergebens, den Neid herabzu- drücken, der ihm aus den Augen brach. Die Alten aber traten zu dem Fremden und rühmten seine Kunst, und der alte Häupt- ling begann: „Ich erkenne, Fremder, wenn mich nicht deine Ge- bärde täuscht, du bist nicht unkundig des Schwunges auch über sechs Rosse, den sie Königssprung nennen, und der nicht in jedem Menschenalter einem Helden gelingt. Ich sah ihn einmal, da ich jung war, mein Volk niemals.“ Und er rief laut: „Führt das sechste Ross heran.“ Da erhob sich im Kreise Gemurmel, und die Entfernten drängten näher herzu, während die Häuptlinge eilten, das Ross zu stellen. Neben Ingo aber trat die Fürstin, sie war bekümmert um die Niederlage ihres Verwandten und sprach leise zu dem Gaste: „Erwäge, Held, leicht trifft der Pfeil des Jägers den Auerhahn, wenn er die Flügel breitend seine Stimme erhebt.“ Aber Ingo sah auf Irmgard, welche in froher Erwartung hinter der Mutter stand und ihn freundlich anlachte, und er ant- wortete mit heissen Wangen: „Zürne mir nicht, Herrin, ich bin gefordert, nicht habe ich mich in den Kampf gedrängt; ungern entsagt der Mann der angebotenen Ehre.“ Er trat rückwärts zum Sprunge, hob sich gewaltig in die Luft und vollbrachte den Sprung, dass alles Volk jauchzte, und da er zurückkehrte, achtete er nicht auf die unwillige Mene der Fürstin, er freute sich, dass ihm die Kunst gelungen war und Irmgards Angesicht rosig erglänzte. Lange wogten die Zuschauer durcheinander, sprachen über die Kühnheit des Fremdlings und rühmten ihn, bis dem Wettkampfe der Männer andere Ziele gesetzt wurden. Ingo stand fortan still neben den Häuptlingen und niemand forderte ihn zu neuem Str eite. Gustav Freytag-. (Ingo und Ingraban.) 2 Das Vaterland.

9. Das Vaterland - S. 18

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
18 2. Aie Uöl'kerwanderung. 6. Attila, -ie Gottesgeitzel. In der Ebene zwischen der Donau und der Theiß in Ungarn, in einem sehr großen, von Pfahlwerk umgebenen Dorfe, erhob sich ein hölzernes, mit vielen Hallen und Gängen geziertes Gebäude, die Wohnung Attilas oder Etzels, des Königs der Hunnen. Er hatte das bis dahin unter vielen Oberhäuptern zerteilte Volk zu einer Herrschaft vereinigt. Nicht nur die Hunnen, sondern auch alle anderen, von der Wolga bis zur Donau wohnenden Völker gehorchten seinen Geboten; er war Herr der Gepiden, Langobarden, Avaren, Ostgoten und vieler Völker im südlichen Deutschland. Attila war klein von Wuchs, hatte einen großen Kopf, tiefliegende Augen, die er stolz umherwarf, eine breite Brust, sehr viel Leibeskraft und einen Gang und eine Haltung, die zeigten, daß er in allem den Gebieter darstellte, wie denn sein liebster Name Godegisel, Geißel Gottes zur Bestrafung der Welt, war. Schrecklich gegen seine Feinde und im Zorne vernichtend, war er doch auch voll Güte gegen die, welche er in seinen Schutz genommen hatte. Im Kriege führte er seine Völker immer selbst zur Schlacht; aber im Frieden saß er auch selbst vor seinem Palaste zu Gericht und sprach allen Recht ohne Unterschied. Um sich her liebte er die Pracht, aber er selbst lebte auf einfache Weise, als bedürfe seine Größe solches Zusatzes nicht. Sein Sattelzeug war ungeschmückt und wenig kostbar. Bei den Gast- mählern wurden allen Gästen goldene und silberne Geschirre vorgesetzt, er allein hatte hölzerne. Nach der Sitte seines Volkes verschmähte er Brot und aß nur ein wenig Fleisch. Nach jedem Gerichte ging der Becher herum auf Attilas Wohl, und Sänger priesen in Helden- liedern seine Thaten; aber es fehlte auch der Hofnarr nicht. Während unter den Gästen Freude und Scherz herrschte, verlor er nie den strengen Ernst. Bloß wenn sein jüngster Sohn eintrat, erheiterten sich seine Züge, und er liebkoste ihn; denn von diesem war ihm geweissagt, er allein werde Attilas erlöschenden Stamm erhalten. Dieser mächtige Herrscher, vor dem hundert Völker erbebten und Rom und Konstantinopel in ihren Grundfesten erzitterten, wenn er sein Schwert in die Erde stieß, brach im Jahre 451 mit einem Heere von 700 000 Mann ans und wandte sich gegen Abend. Er zog durch Deutschland, ging über den Rhein und fiel in Frankreich ein. Sein Zug war wie ein Heer der Heuschrecken, das in ein grünes Feld einfällt: das Land war vor ihm wie ein Lustgarten, aber nach ihm wie eine wüste Einöde. Im westlichen Römerreiche war damals ein großer Feldherr, Aötius mit Namen. Dieser brachte die ganze Macht des Reiches aus und verband sich mit mehreren deutschen

10. Das Vaterland - S. 19

1885 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
19 Stämmen, als den Westgoten, Alanen, Franken und Burgundern; denn es galt nichts Geringeres, als den Kampf einer gebildeten Welt mit der rohen Barbarei. In der weiten Ebene, in welcher Chalons liegt, und die von den Alten die katalanischen Felder genannt wird, stießen die Heere aufeinander. Als die Schlacht ihren Anfang nehmen sollte, rief Attila die Anführer feiner Scharen zusammen und sprach: „Nichts Gemeines ziemt mir euch zu sagen, oder euch, von mir zu hören. Seid Männer! Greift an, brechet ein, werfet alles nieder! Der Römer Schlachtordnung und Schilddächer verachtet; fallet auf die Westgoten und Alanen, in denen ist die Kraft des Feindes! Müßt ihr sterben, so werdet ihr sterben, auch wenn ihr flieht. Richtet eure Augen auf mich! Ich schreite voran, wer mir nicht folgt, der ist des Todes." Die Schlacht war über die Maßen hart und blutig. Schon durchbrachen die Hunnen das Mitteltreffen, und die Römer flohen; auch die Westgoten wichen, und ihr König fiel, indem er zu seinem Volke redete. Aber sein Tod entflammte die Seinen zur Wut, und des Königs Sohn warf durch gewaltigen Angriff die Feinde in die Flucht. Bei einbrechender Nacht mußte Attila sich in seine Wagenburg zurückziehen. An 200000 Tote und Verwundete deckten das Feld; das Blut floß in Bächen und die Verwundeten tranken von dem Blute, um nicht vor Durst zu ver- schmachten. Da Attila nicht wußte, ob der Feind ihn verfolgen würde, ließ er unzählige Pferdesättel und hölzerne Schilde zu einem Scheiter- haufen auftürmen, um im Notfälle ihn anzuzünden und in den Flammen zu sterben. Zugleich gebot er, um die Feinde abzuschrecken, mit Waffen, Posaunen, Schlachthörnern und Gesang die ganze Nacht Lärm zu machen. Doch die Feinde griffen ihn nicht an. Unter den dichtesten Haufen der Gefallenen suchten sie den Leichnam des Goten- tönigs und hielten ihm auf dem Schlachtfelde ein feierliches Leichen- begängnis, unter Wehklagen und Waffengetön, geschmückt mit Hunnen- beute, angesichts Attilas, der die Bestattung nicht zu stören wagte. Attila kehrte unverfolgt über den Rhein zurück. Im folgenden Jahre machte er noch einen Raubzug nach Italien und starb kurz nachher eines plötzlichen Todes. Betrauert und begraben wurde er nach der Sitte des Volkes; die Hunnen zerfetzten ihre Gesichter mit Messern und schoren sich die Haare ab. Der Leichnam wurde in einer weiten Ebene unter einem seidenen Zelte gezeigt. Die Reiter rannten unter dem Absingen von Attilas Thaten um dasselbe herum und priesen ihn glücklich, daß er nach unsterblichen Siegen in der ruhmreichsten Zeit seines Volkes ohne Schmerzen seine Laufbahn be- schlossen und sich hinüber zu den Geistern der alten Helden begeben habe. In der Nacht wurde er in einen goldenen Sarg gelegt, dieser in einen silbernen und beide in einen eisernen; Pferdezeug, Waffen, Kostbarkeiten wurden mit ihm begraben, und darauf alle Arbeiter am Grabe umgebracht, damit keiner verrate, wo der Hunnenheld ruhe. Kohlrausch. 2* \
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