1900 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo, Lange, Karl
- Auflagennummer (WdK): 30
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
126
nur dann zu einer Versammlung erscheinen zu wollen, wenn der
Schmutz der Strassen es gestatte.
Noch schlimmer wurde der Zustand der Strassen durch die
Schweine, die zuweilen aus den Ställen auf die Strasse gelassen
wurden und dann nach Belieben Löcher wühlten, in denen das
Regenwasser sich sammelte. Wer des Nachts durch solche
Strassen gehen musste, lief Gefahr, die Beine zu brechen; denn
eine Straßenbeleuchtung gab es noch nicht. Nur wenn der
Kaiser oder der Fürst des Landes oder sonst ein hoher Besuch
in die Stadt kam, erließ der Rat wohl den Befehl, dass jeder
Bürger des Abends eine Laterne vor seiner Hausthüre aufhängen
solle. Dann wurden wohl auch die schlimmsten Strassen ein-
geebnet und alle Straßen dicht mit Stroh belegt, damit sie einen
möglichst sauberen Anblick böten. Und der Dünger, den man
wochenlang im Freien vor den Stallthüren aufgehäuft hatte,
mußte dann aufs Feld hinausgeschafft werden.
Straßenpflaster gab es in den grösseren und reicheren
Städten erst seit dem 15. Jahrhundert; abgelegenere Gassen und
die Gassen der kleineren Städte blieben noch lange ungepflastert.
Schleusen kannte man nicht. Regenwasser und allerlei Unrat
aus Häusern und Ställen flössen auf die Strasse dahin, unerträg-
lichen Gestank verbreitend. Der Bürger legte vor seine Haus-
thüre wohl ein paar hölzerne Pfosten, um den Zugang zum
Hause zu erleichtern. Später stellte man oft wenigstens für die
Fußgänger in der Mitte der Strasse einen schmalen gepflasterten
Weg her, den sogenannten Bürgersteig.
In den schmutzigen und engen Gassen der rings von einer
Mauer eingeschlossenen Stadt fand die frische Luft der Fluren
und Wälder wenig Eingang, und so war es nicht zu verwundern,
dass in den mittelalterlichen Städten oft ansteckende Krank-
heiten ausbrachen, die Tausende von Opfern forderten.
Auch Feuersbrünste waren häufig und legten oft ganze
Städte oder Stadtteile in Asche. In den engen Strassen verbreitete
sich das Feuer leicht von einer Seite auf die andere; denn die
Häuser waren meistenteils aus Holz erbaut und mit Stroh oder
Schindeln gedeckt. Erst in der letzten Zeit des Mittelalters fing
man an, die Häuser mit Ziegeln oder mit Schiefer zu decken.
War das Erdgeschoß aus Steinen aufgeführt, so bestanden
wenigstens die oberen Stockwerke aus hölzernem Fachwerk. Nur
die Häuser der vornehmeren und reicheren Familien waren ganz
aus Stein gebaut. Feuerspritzen, wie wir sie jetzt besitzen,
kannte das Mittelalter nicht. Es gab höchstens kleine Hand-
spritzen und ausgepichte Feuereimer, mit denen die Bürger zum
Löschen herbeieilten.
3. Die Handwerker wohnten meist nach ihren Beschäftigungen
in besonderen Gassen beisammen, die dann von ihnen den Namen
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seinem Gefolge, und nun beginnen beide singend miteinander zu
streiten.
Sommer: „Heut ist ein freudenreicher Tag,
daß man den Sommer gewinnen mag.
Alle ihr Herren mein,
der Sommer ist fein!"
Winter: „So bin ich der Winter, ich geb' dir nicht recht;
o lieber Sommer, du bist mein Knecht!
Alle ihr Herren mein,
der Winter ist fein!"
Sommer: „So bin ich der Sommer also fein;
zu meinen Zeiten da wächst der Wein.
Alle ihr Herren mein,
der Sommer ist fein!"
Winter: „O Sommer, du sollst mir nichts gewinnen,
einen frischen Schnee will ich dir bringen.
Alle ihr Herren mein,
der Winter ist fein!"
Sommer: „O Winter, wir haben dein genug,
nun heb dich aus dem Land mit Fug!
Alle ihr Herren mein,
der Sommer ist fein!"
Winter: „Wohl aus deni Land laß ich mich nicht jagen,
o Sommer, du mußt meinethalb verzagen!
Alle ihr Herren mein,
der Winter ist fein!"
Sommer: Wir ziehen daher aus Österreich,
und da sieht es dem Sommer gleich.
Alle ihr Herren mein,
der Somnier ist fein!"
Winter: „So komm ich aus dem Gebirg so geschwind
und bring mit mir den kühlen Wind.
Alle ihr Herren mein,
der Winter ist fein!"
So streiten sie noch im Wettgesange eine gute Weile. Endlich stürmt
der Sommer gegen den Winter an und wirft mit grünem Laub. Der
Winter und seine Genossen verteidigen sich; sie werfen mit Häcksel.
Schließlich muß der Winter weichen. Der Sommer treibt ihn an
den Bach, die Kinder nehmen ihre Stäbe und hüpfen hinterdrein
und singen:
„Stab aus! Stab aus!
Dem Winter gehn die Augen aus.
Die Beteln und die Blumen
die bringen uns den Sommer."
Der Winter ist geflohen. Hinter dem Erlengebüsch werfen die
Winterlichen ihre unfreundlichen Strohhüllen von sich und erscheinen
mit den Sommerlichen als Boten des Lenzes. Jetzt klinqt's aus
aller Munde:
Das Vaterland.
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kurz, und hielt die Kiuder mit fester Haud ans vierte Gebot. Zu.
weilen war seine Zucht allzustreng, und Luther erinnerte sich^ daß
er einmal so hart gestäupt worden ist, wegen einer kleinen Sache,
daß er seinem Vater schier gram geworden. Die Mutter war eine
derbe Frau, guter Sprüche voll und beweglichen, witzigen Geistes.
„Dir und mir ist niemand hold — das ist unser beider Schuld"
war so ein Leibliedlein von ihr. Auch sie fackelte nicht und schlug
einmal ihren Martin wegen einer Nuß bis aufs Blut. Und doch
hat's Luther den Eltern nie vergessen, wie hart sie sich um ihrer
Kinder willen geplagt haben und wie seine Mutter das Holz auf
dem Rücken zusammenschleppen mußte. Oft sagte er: „Sie haben's
doch herzlich gut mit mir gemeint." Und später hat er bis zu ihrem
Tode gezeigt, in welch hohen Ehren er seine lieben Eltern hielt.
Als Martin in Mansfeld gelernt, was da zu lernen war, zog
er mit seiner Weisheit nach Magdeburg, allwo ihn sein Vater hin-
that. Schon aus der Reise mußte er sich das Brot vor den Häusern
ersingen. Sein Freund und Genosse hieß Hans Reinicke, eines Berg-
vogts Sohn, mit dem er zeitlebens in Freundschaft blieb. Der zog
mit ihm zu den „Nnllbrüdern", die eine Schulanstalt hatten. Ob,
was er daselbst gelernt, auch gleich Null war, wird nicht gemeldet
uns scheint es so; denn er trieb nur kurze Zeit sein Wesen dort.
Ein Jahr darauf schickten ihn die Eltern nach Eisenach, weil sie
in der Nähe Verwandte hatten, von denen sie hofften, daß sie dem
Knaben beistehen würden. Aber ob diese nicht konnten oder nicht
wollten, — Martin mußte hier erst recht, wie er es schon in Magde-
burg gethan hatte, mit andern armen Schülern vor den Thüren
singen, um Brocken für seinen Unterhalt zu sammeln. An manchen
Thüren gab's wenig und an vielen auch gar nichts. Als er so einige
Zeit herumgesungen, nahm ihn eine vornehme Frau in ihr Haus und
an ihren Tisch, weil sie den Knaben um seines hellen Singens willen
lieb gewonnen hatte. Es war die Frau Cotta, deren Mann einer
der angesehensten Bürger der Stadt war. Er stammte aus einem
adligen Geschlechte italischen Ursprungs, welches durch Handel reich
geworden war. In diesem Hause hatte unser Martin Gelegenheit,
milde Zucht und feine Sitten zu lernen. Das war für später gesorgt,
wo er so oft und viel mit den Großen dieser Welt zusammenkommen
sollte.
In Eisenach war auch die Schule besser und hatte einen
richtigen Stil, d. h.es saß nicht alles auf einem Haufen bei einander,
alt und jung, sondern es gab drei ordentliche Klassen. In andern
Schulen saßen nämlich alte Käuze von schier dreißig Jahren mit
zwölfjährigen Kindern zusammen.
Am Fuße der Wartburg lag ein Haus, welches den Franzis-
kanern gehörte. Es war ihnen von der Familie der Cottaschen Ehe-
frau geschenkt. Dort verkehrte der junge Luther viel mit den Mönchen,
die er als ehrwürdige Männer schildert.
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Martin hatte fleißig studiert; was von Anlage und Geist in ihm
war, blühte jetzt fröhlich auf. Scharfsinnig und schnellen Geistes,
gewandt im Schreiben und Reden, so zog der siebzehnjährige Luther
aus Eisenach auf die hohe Schule nach Erfurt.
Emil Frommel.
68. Wie Luther das Lied dichtete: Vom Himmel
hoch, da komm' ich her.
Es war am Morgen des Tages vor Weihnachten, den wir den
heiligen Abend nennen, da steckte Luthers liebe Hausfrau, die Käthe,
ihren Kopf in das Arbeitszimmer ihres Mannes hinein. Sie war
ein wenig hitzig und fast außer Atem. „Martin," sagte sie, „ich kann
die Arbeit nicht zwingen, und ist gar viel noch zu rüsten; thu mir
die Liebe und setze dich an die Wiege des kleinen Hans, daß du
sein hütest und ich freie Hand bekomme!" Und der große Doktor,
ob er gleich aufs Fest studieren muß, der hat sich mit seiner Bibel
ganz gehorsam und geduldiglich an des Kindes Wiege gesetzt, wie
die Käthe gesagt hatte. Und wie er so hineingelugt und sein kleines
geringes, ohnmächtiges, schlafendes Kind angeschaut hot, da ist» ihm
schier übermächtig geworden im Herzensgrund. Und es hat ihn der
Gedanke bemeistert, daß der ewige Sohn des Vaters auch so ein
armes Menschenkindlein worden sei. Und bald hat er nicht anders
können, er hat die Harfe von der Wand genommen und gestimmt,
und schnell hat's fein geklungen. Dann aller Christenheit zu gute
hat er das herrliche Lied gedichtet und gesungen:
„Vom Himmel hoch, da komm' ich her,
ich bring' euch gute, neue Mär',
der guten Mär', bring' ich soviel,
davon ich singen und sagen will!"
und wie's weiter geht. Und er ist darüber so freudig geworden,
daß er sich nachher noch gar bei seiner Käthe hat bedanken müssen,
daß sie ihn an die Wiege gestellt hatte. Nach Funke.
69. Wie lieb Dr. Luther seine Kinder hatte.
1. Der kranke Vater und sein Söhnlein.
Luther war einst sehr krank; als seine Frau Käthe in die
Kammer trat, fand sie ihn ohnmächtig auf seinem Lager. Als er
wieder zu sich kam, betete er und weinte laut, dann fragte er: „Wo
ist denn mein allerliebstes Hänschen?" Als ihm das Kind gebracht
wurde, lachte es den Vater an. Da sagte der Doktor: „O du gutes,
armes Kindlein, nun befehle ich meine liebe Käthe und dich armes
Waislein meinem lieben, frommen und treuen Gott; ihr habt nichts,
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was zu treiben und zu thun er bei Euch ist, und den kindlichen Ge-
horsam nicht verletzen. Wir sind hier alle wohl und gesund durch
Gottes Gnade. Lebet recht wohl."
An Hans schreibt Vater Luther unter dem 27. Dezember:
„Gnade und Friede im Herrn! Mein lieber Sohn Hans! Ich und
Deine Mutter und das ganze Haus sind gesund. Gieb Dir Mühe,
daß Du Deine Thränen männiglich besiegst und Deiner Mutter
Schmerz und Sorge nicht noch mehrst, die so geneigt ist zu Sorge
und Angst. Gehorche Gott, der Dir durch uns befohlen hat, dort
zu arbeiten, so wirst Du leicht dieser Schwäche vergessen. Die Mutter
kann nicht schreiben und hat es auch nicht nötig geachtet; aber sie
sagt, alles, was sie Dir gesagt habe — nämlich Du solltest heim-
kehren, wenn es Dir übel ginge — habe sie von Krankheit gemeint,
davon solltest Du, wenn es geschehe, gleich Kunde geben. Sonst will
sie, daß Du diese Trauer lassest und fröhlich und ruhig studierest.
Hiermit gehab Dich wohl im Herrn!
Dein Vater Martin Luther."
Rade.
70. Luthers Wohlthätigkeit.
Luther hatte kein Vermögen. Auch sein Gehalt als Prediger und
Professor war kärglich, nur 200, später 300 Gulden, so daß es ihm
oft an Geld fehlte. Und doch war er dabei so uneigennützig, daß
er für alle feine Bücher nichts bezahlt nahm. Ein Buchhändler wollte
ihm für seine Schriften jährlich 400 Reichsthaler geben; aber Luther
wies das Anerbieten zurück und sagte: „Ich will meine Gaben nicht
verkaufen." Bei seinen geringen Einkünften unterstützte er doch die
Armen so reichlich und bereitwillig, daß er oft den letzten Groschen
ausgab und weiter den lieben Gott sorgen ließ.
Einst kam ein armer Student zu ihm, der von Wittenberg ab-
gehen wollte, und bat ihn um etwas Reisegeld. Luther gestand ihm
offen, daß er gerade kein Geld habe. Da weinte der Student und
sagte, nun wisse er keinen, der ihm helfen würde. Das jammert
Luther, er schaut sich in der Stube um und sieht einen silbernen
Becher. Den reicht er dem Studenten und spricht: „Da nimm und
reise in Gottes Namen." Der Student will den Becher nicht nehmen,
und Luthers Frau Katharina sagt mit bedenklichem Gesichfe: „Willst
du denn alles weggeben?" Da drückt Luther schnell den Becher zu-
sammen und spricht: „Trag ihn flugs zum Goldschmied und verkaufe
ihn. Ich brauche den silbernen Becher nicht."
Ein andermal bat ihn ein Armer um eine Unterstützung. Luther
besaß nur noch einen Thaler, den er selbst lange aufgespart hatte.
Solche Geldstücke wurden damals Joachimsthaler genannt, nach der
Stadt Joachimsthal im Erzgebirge, wo man sie prägte; davon heißen
sie heutzutage Thaler. Als Luther nun angesprochen ward, bedachte
er sich nicht lange und griff fröhlich nach dem Thaler mit den Wor-
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den Herzog auf dem Schlosse. Er muß gestehen, daß die thüringi-
schen Damen eine sehr gute Küche führen und auf die Ehre des Gast-
rechts halten. Noch hat man sich kaum niedergesetzt, als ein Eilbote
die Gräfin aus dem Saale ruft. Es wird ihr gemeldet, daß in
einigen Dörfern unterwegs die spanischen Soldaten Gewalt gebraucht
und den Bauern das Vieh weggetrieben hätten. Katharina war eine
Mutter ihres Volks; was dem ärmsten ihrer Unterthanen widerfuhr,
war ihr selbst zugestoßen. Aufs äußerste über diese Wortbrüchigkeit
entrüstet, doch von ihrer Geistesgegenwart nicht verlassen, befiehlt sie
ihrer ganzen Dienerschaft, sich in aller Geschwindigkeit und Stille zu
bewaffnen und die Schloßpforten wohl zu verriegeln; sie selbst be-
giebt sich wieder nach dem Saale, wo die Fürsten noch bei Tische
sitzen. Hier klagt sie ihnen in den beweglichsten Ausdrücken, was ihr
eben hinterbracht worden, und wie schlecht man das gegebene Kaiser-
wort gehalten. Man erwidert ihr mit Lachen, daß dies nun einmal
Kriegsgebranch sei, und daß bei einem Durchmärsche von Soldaten
dergleichen kleine Unfälle nicht zu verhüten wären. „Das wollen wir
doch sehen," antwortete sie aufgebracht. „Meinen armen Unterthanen
muß das Ihrige wieder werden, oder, bei Gott!" — indem sie
drohend ihre Stimme anstrengte, „Fürstenblut für Ochsenblut!"
Mit dieser bündigen Erklärung verließ sie das Zimmer, das in
wenigen Augenblicken von Bewaffneten erfüllt war, die sich, das
Schwert in der Hand, doch mit vieler Ehrerbietung hinter die Stühle
der Fürsten pflanzten und das Frühstück bedienten. Beim Eintritte
dieser kampflustigen Schar veränderte Herzog Alba die Farbe; stumm
und betreten sah man einander an. Abgeschnitten von der Armee,
von einer überlegenen, handfesten Menge umgeben, was blieb ihm
übrig, als sich in Geduld zu fassen und, auf welche Bedingung es
auch sei, die beleidigte Dame zu versöhnen. Heinrich von Braun-
schweig faßte sich zuerst und brach in ein lautes Gelächter aus. Er
ergriff den vernünftigen Ausweg, den ganzen Vorgang ins Lustige
zu kehren, und hielt der Gräfin eine große Lobrede über ihre landes-
mütterliche Sorgfalt und den entschlossenen Mut, den sie bewiesen.
Er bat sie, sich ruhig zu verhalten, und nahm es auf sich, den Her-
zog von Alba zu allem, was billig sei, zu vermögen. Auch brachte
er es bei dem letzteren wirklich dahin, daß er auf der Stelle einen
Befehl an die Armee ausfertigte, das geraubte Vieh den Eigen-
tümern ohne Verzug wieder auszuliefern. Sobald die Gräfin von
Schwarzburg der Zurückgabe gewiß war, bedankte sie sich aufs schönste
bei ihren Gästen, die sehr höflich von ihr Abschied nahmen.
Friedrich von Schiller.
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beten, Sie möchten die Flöte, nachdem Sie gespielt haben, nicht
in die Hand, noch unter den Arm nehmen, sondern sie auf den
Tisch legen. Sie thun es aber nicht, und die Flöte klingt un-
rein, weil sie ungleich erwärmt wird, nicht weil sie an sich un-
rein ist.“ Der König antwortete sehr gereizt: „Es ist nicht
wahr!“ — und kehrte sich um. Die folgenden Tage spielte er
eine andere Flöte, sah aber Quanz nicht an und sprach kein
Wort mit ihm; Quanz hingegen gab dem Könige kein Bravo.
So ging es ungefähr acht Tage. Da kam der König beim An-
fange des Konzerts auf seinen Lehrer zu und sagte mit freund-
licher Miene: „Mein lieber Quanz, ich habe die Flöte seit acht
Tagen auf verschiedene Art untersucht und habe nun gefunden,
dass Er recht hat. Ich werde die Flöte nicht mehr in der Hand
warm werden lassen.“
73. Der schwarze Husar.
Ein preussischer Husar wurde im siebenjährigen Kriege von
den Franzosen gefangen und in das Lager derselben gebracht.
Er gehörte zu dem schwarzen Regimente. Ein jeder Reiter« des-
selben trug unten an seiner Mütze einen Totenkopf, und schon
der blosse Anblick eines solchen Soldaten flöfste Furcht und
Schrecken ein. Es war aber auch ganz unglaublich, wie furcht-
bar sich diese Soldaten gemacht hatten. Sie gingen so fröhlich
ins Gefecht, als ging es zum Tanze, und kehrten nie ohne
Beute zurück.
Der französische Oberbefehlshaber fragte den Gefangenen, wo
die Preussen gelagert wären. Darauf antwortete dieser: „Wo Ihr
sie nicht ergreifen werdet.“ Auf die Frage, wie stark die Armee
des preussischen Königs sei, antwortete er: „Gehet selbst hin
und zählet sie!“
Der französische General war über diese Antwort erfreut,
denn ihm gefiel die Kühnheit des wackern Preussen. Er fragte
darauf den Husaren, ob sein König viele solcher Soldaten habe
wie er. Der Husar antwortete: „Ich gehöre zu den schlechtesten,
sonst wäre ich jetzt nicht Euer Gefangener.“
Reichlich beschenkt wurde er entlassen. Allein, obgleich er
ganz ausgeplündert worden war und keinen Heller in der Tasche
hatte, so gab er doch in Gegenwart des Feldherrn das geschenkte
Geld einem französischen Soldaten, indem er sagte, dass er von
den Feinden seines Vaterlandes kein Geld annehmen dürfe. Um-
sonst trug man ihm Dienste in der französischen Armee an;
umsonst versprach man, ihn zum Offizier zu machen. Mit den
Worten: „Ich bin ein Preuße!“ wandte er dem französischen
Lager den Rücken und ging stolzen Schrittes davon.
Nach t. Archenholtz.
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Die Königin schwieg einen Augenblick, dann sagte sie: „Was
thulls denn, ob du es weißt oder nicht? Ihr Männer versteht euch
doch auf dergleichen nicht. Ihr findet alles zu teuer!"
Jetzt drang der König um so mehr in sie, den Preis zu sagen.
Aber da er es offenbar nur im Scherze that, so weigerte sich lachend
die Königin bis aufs äußerste, mußte aber endlich doch sagen, die
Haube koste vier Thaler.
„Schrecklich viel Geld für so ein Ding!" rief in komischem
Ernste der König.
In diesem Augenblicke ging ein Invalide am Fenster vorüber.
Der König rief ihn herein und sagte, als dieser in tiefer Ehrerbietung
gegrüßt hatte, zu dem erstaunten Alten: „Was meinst du wohl, was
die Haube da kostet?"
Der Invalide sagte, sich entschuldigend: „Majestät halten zu
Gnaden! Das versteht unsereiner nicht; aber viel wird sie eben nicht
kosten, vielleicht einige Groschen."
„Groschen?" rief der König mit komischer Zurechtweisung aus.
„Da irrst du! Vier Thaler hat die schöne Frau dort dafür bezahlt!
Siehst du, da das zuviel ist, so geh mal hin zu der schönen Frau
und laß dir ebensoviel geben."
Der Invalide war in großer Verlegenheit und wußte nicht recht,
was er aus dem Scherze machen sollte. Da trat die Königin schalk-
haft lächelnd herzn und gab ihm die vier Thaler, sagte aber, auf
den König deutend: „Der hohe Herr da am Fenster hat noch weit
mehr Geld als ich. Geh deshalb zu ihm hin. Er wird dir gerne
das Doppelte von dem schenken, was ich dir eben gegeben habe. Er
kann's schon."
Der Invalide blickte scheu den König an, der anfangs etwas
verblüfft dreinsah, weil er diese Wendung nicht erwartet hatte.
Schließlich machte er aber doch gute Miene zum bösen Spiel, zog
seine Börse und gab dem Überglücklichen die acht Thaler. Und mit
herzlichem Lachen setzten sich die glücklichen Gatten zum Frühstück.
Orte! (O. W. v. Horn).
3. Unterrhanentreue in schwerer Zeit.
Als in der schweren Prüfungszeit nach dem Frieden zu Tilsit
(1807) die preußische Königsfamilie sich in Königsberg und Memel
aufhielt, zeigte sich in allen Volksklassen die innigste Teilnahme, die
im stillen Schmerze der Liebe von Herzen kam uni), zu Herzen ging.
Jeder, vom ersten bis zum letzten, beeiferte sich, sein Mitgefühl, so
gut er konnte, auszudrücken, und jene Zeit ist reich an schönen,
milden, rührenden Zügen der reinsten Hingebung und Anhänglichkeit.
Unter anderen kam aus der Weichselniederung bei Kulm ein Land-
bauer, der Sekte der Mennoniten angehörig, mit Namen Abraham
Nickel, nebst seiner Frau zum Könige und der Königin. Der ehrliche
Mann, treuherzig und bieder, wie er war, brachte ein Geschenk von
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\
3000 Stück Friedrichsd'or, und die Frau trug einen Korb mit frischer
Butter. Er sprach schlicht und einfach, nach der Sitte jener Leute
mit bedecktem Haupte und der Anrede Du also: „Gnädigster Herr!
Deine getreuen Unterthanen in der Weichselniederung haben mit
Schmerz erfahren, wie groß Deine Not ist, die Gott über Dich, Dein
Haus und Land verhängt hat. Das thut uns allen leid, und darum
sind unsere Gemeinden zusammengetreten und haben gern und willig
diese Kleinigkeit zusammengebracht. Von ihnen bin ich geschickt und
komme nun in ihrem Namen, unseren lieben König und Herrn zu
bitten, diese Gabe aus treuen Herzen wohlwollend anzunehmen. Wir
werden nicht aufhören, für Dich zu beten!" Die Bäuerin aber über-
reichte mit offenem, freundlichem Angesichte ihren Korb voll frischer
Butter der Königin mit den Worten: „Man hat mir gesagt, daß
unsere gnädige Frau Königin gute, frische Butter sehr liebt, und daß
auch die jungen Prinzen und Prinzeßchen gern ein gutes Butterbrot
essen. Diese Butter hier ist rein und gut aus meiner eigenen Wirt-
schaft, und da sie jetzt selten ist, so habe ich gedacht, sie würde wohl
angenehm sein. Die gnädige Königin wird auch meine kleine Gabe
nicht verachten; Du siehst ja so freundlich und gut aus; wie freue
ich mich, Dich einmal in der Nähe so sehen zu können!" — Solche
Sprache verstand die Königin; mit Thränen der Rührung im Auge
drückte sie der Bauernfrau die Hand, nahm das Umschlagetuch, das
sie gerade trug, ab und hing es der gutmütigen Geberin um mit den
Worten: „Zum Andenken an diesen Augenblick!" — Auch der König
nahm die Gabe treuer Liebe gern, quittierte aber über den Empfang,
und daß er späterhin reich und königlich vergalt, darf nicht erst ver-
sichert werden. — Als mehrere Jahre nachher den Abraham Nickel
das Unglück traf, durch Brand sein Wohnhaus nebst Ställen zu ver-
lieren, ließ der König das Gehöfte des Bauern besser, als es vorher
gewesen war, wieder herstellen. Die gute Gesinnung aber, welche
jene Gemeinde in Preußen zu jener Zeit bethätigte, hatte auf ihn
einen so tiefen und günstigen Eindruck gemacht, daß er, so oft von
diesen friedlichen und harmlosen Leuten die Rede war, ihrer immer
mit besonderem Wohlwollen gedachte. Eylert.
- 4. Vergeben, vergessen.
Friedrich Wilhelm Iii. war ein Freund schöner Blumen. Einst
hatte ihm seine Tochter, die Kaiserin von Rußland, eine seltene Blume
von herrlicher Farbenpracht und angenehmem Dufte geschenkt, die
der König von seinem Hofgärtner Fintelmann auf der Pfaueninsel
aufs sorgfältigste pflegen ließ. Er nannte diese Blume nach seiner
Tochter: „Meine liebe Charlotte". An drei Tagen in der Woche
durfte das Publikum die Pfaueninsel besuchen und die vielen herr-
lichen Gewächse und seltenen Pflanzen sehen und sich daran erfreuen.
Da bemerkte eines Tages der Hosgärtner zu seinem größten Schrecken,
daß die dem Könige so werte Blume abgepflückt war. Unruhig
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derten, so wurden sie ungebärdig und zerschlugen, was ihnen zur
Hand kam. Mehrmals bedrohten sie uns mit dem Säbel in der
Faust. Wir waren dann froh, wenn wir mit einigen derben Püffen
davonkamen. Denn wir bedachten, was Vater sagte: „Wenn uns die
Schufte eins geben, daß wir das Aufstehen vergessen, so kräht kein
Hahn danach." Als es den Eltern einmal nicht möglich war, den
lästigen Gästen Fleisch vorzusetzen, da machten sie kurzen Prozeß und
fingen ein paar junge Hühner vom Hofe weg, die sie selber in der
Küche brieten. Damit waren sie auf den Geschmack gekommen, und
täglich wurden ein paar Hühner weggeschlachtet, zum Jammer meiner
Mutter. Zuletzt war nur noch ein Hahn übrig, der Liebling meines
Bruders Ludwig. „Sein" Hahn war sein größter Stolz; denn im
ganzen Dorfe gab es keinen stattlicheren. Bisher hatte das kluge
Tier sich den Nachstellungen der bösen Franzosen mit Geschick ent-
zogen, und Ludwig und ich jubelten laut, wenn er den Häschern
wieder einmal über die Hecke ins Feld entwichen war. Als er aber
eines Tages unter den Küchenfenstern auf und ab stolzierte und durch
Krähen sein Futter forderte, da flog plötzlich ein schweres Stück
Brett auf ihn und schlug ihn zu Boden. Der Franzose, der es ge-
worfen hatte, sprang schnell hinzu, ergriff den Hahn, eilte in die
Küche und schlug ihm den Kopf ab. Da stand Ludwig; die Thränen
stürzten ihm aus den Augen; er erhob die geballte Faust gegen den
Franzosen und schrie: „Warte, du Unmensch! Wenn ich groß bin,
zieh' ich in den Krieg gegen euch und euern Lumpenkaiser!" Zum
Glücke verstand der Franzose die Worte nicht, sondern lachte uns nur
höhnisch ins Gesicht.
Als aber nach sechs Jahren der König von Preußen das Volk zum
Kampfe gegen die welschen Unterdrücker aufrief, da gehörten zu den ersten,
die sich in Frankfurt stellten, auch wir, mein Bruder Ludwig und ich.
Nach siegreich beendetem Kriege kam Ludwig, mit dem eisernen
Kreuze geschmückt, aus Frankreich zurück. N. Berl. Lesebuch.
76. Die drei Gesellen.
1. Es waren drei Gesellen,
die stritten widern Feind
und thäten stets sich stellen
in jedem Kampf vereint.
Der ein' ein Österreicher,
der andr’ ein Preusse hiess,
davon sein Land mit gleicher
Gewalt ein jeder pries.
Woher war denn der dritte?
Nicht her von Östreichs Flur,
auch nicht von Preussens Sitte,
von Deutschland war er nur.
2. Und als die drei einst wieder
standen im Kampf vereint,
da warf in ihre Glieder
Kartätschensaat der Feind.
Da fielen alle dreie
auf einen Schlag zugleich;
der eine rief mit Schreie:
„Hoch lebe Österreich!“
Der andre, sich entfärbend,
rief: „Preusssfi lebe hoch!“
Der dritte, ruhig sterbend,
was rief der dritte doch?
10
Das Ssatcrlaub.