1895 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Zöllner, C. Wilhelm, Schuberth, Wilhelm, Scholtze, Adolf, Pfalz, Franz
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
Leitfàil der
für
Realschulen und verwandte Lehranstalten
in 4 Teilen bearbeitet
von
Prof. Vr. Pfalz, Leipzig Prof. Dr. Schollre, Plauen
Dr. Schuberts. Großenhain Oberlehrer Zöllner, Chemnitz.
Dritter Teil.
Die Weue Zeit
bearbeitet von
Prof. vr. Pfñl;,
Direktor der Realschule I zu Leipzig.
Leipzig,
Verlag der Dürr'schen Buchhandlung.
1805.
1895 -
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: Dürr
- Autor: Zöllner, C. Wilhelm, Schuberth, Wilhelm, Scholtze, Adolf, Pfalz, Franz
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Realschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
- Geschlecht (WdK): Jungen
Drmckfehlcr
S. 7 Z. 5 v. o.: Nach Niederlanden scia Somma.
S 32 Z. 8 v. u.: Gustav Wasa statt Gustav Adolf.
S. 37 Z. 7 v. o.: 1508 statt 1580.
S- 78 Z. 7 u. 14 v. o.: Nupert statt Rnppert.
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- Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
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Feinde fallen. Darum legte man den Mörser schief und veränderte
beliebig seine Weite und Länge. So entstanden Kanonen, Flinten und
Pistolen. Lange schoß man mit Steinkngeln, erst im 17. Jahrhundert
wurden diese von den eisernen verdrängt. Ebenso schwankte man in
der ersten Zeit, aus welchem Stoffe man die Kanonen verfertigen
sollte, es gab eiserne, hölzerne, lederne. Das schwarze Pulver führte
den Untergang des Rittertums herbei, denn nun war nicht mehr
Körperkraft und Gewandtheit des einzelnen im Kampfe ent-
scheidend, sondern die Klugheit des Feldherrn und die Masse seiner
Soldaten. Die Burgen stürzten unter dem Donner der Geschütze zu-
sammen, und die ersten Diener der Fürsten waren nicht mehr tapfere
Ritter, sondern Rechtsgelehrte, die mit der Feder umzugehen wußten.
Nicht weniger groß war die Wirkung der Buchdruckerkunst.
Im 14. Jahrhundert vervielfältigte man Spielkarten und Heiligen-
bilder, auch Gebete nach Abdrücken von Holztafeln; die Kunst des
Buchdruckes fing erst an, als Johann Gutenberg ans Mainz um
1440 die beweglichen Lettern und die Presse erfand. Gntenberg
stammte aus einer Mainzer Patrizierfamilie, die infolge der Zunft-
unruhen nach Straßburg geflüchtet war. Hier errichtete er die erste
Druckerei. Er verband sich zu diesem Zwecke mit zwei anderen Män-
nern, die sich für die Sache interessierten. Johann Fust schoß das
fehlende Geld vor, und Peter Schösser, ein erfindungsreicher
Kopf, widmete sich der Aufgabe, das beste Letternmetall und die beste
Druckerschwärze zusammenzusetzen. Gutenberg unternahm sogleich den
Druck der Bibel. Aber ehe das Werk vollendet war, betrogen ihn
die Geschäftsteilnehmer um den Gewinn. Johann Fust kündigte ihm
das geliehene Kapital und nahm ihm, da er nicht zahlen konnte, sämt-
liche Drnckgerätschaften. Dann führte er in Gemeinschaft mit Schöffer,
der sein Schwiegersohn geworden war, das Geschäft fort, während der
Erfinder sich in Eltville vergeblich bemühte, eine neue Druckerei zu
gründen, und unter fruchtlosem Ringen starb. Die „schwarze Kunst" ver-
breitete sich unterdes über ganz Europa; unzählige Bücher, die billig
zu haben waren, klärten die Geister ans, und immer mehr wurden
verlangt, obgleich die Mönche vor dem Buchdruck als einer Erfindung
des Teufels warnten.
Einen bedeutenden Fortschritt machte um dieselbe Zeit die Schiff-
fahrt; besonders zeichneten sich darin die Italiener aus. Um das
Jahr 1302 verfertigte Fla vio Gioja aus Am als i den ersten
brauchbaren Schiffskompaß mit Windrose und machte es damit seinen
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in den Hafen von Palos ein. Bald darauf stattete Columbus in
Barcelona der Königin und ihrem Gemahl Ferdinand dem Ka-
tholischen Bericht über den Erfolg feiner Reise ab. Man über-
häufte ihn am Hofe mit Ehrenbezeigungen, und das Volk jubelte, wo
er sich sehen ließ.
Columbus hat noch drei Fahrten nach der neuen Welt gemacht,
hat Puerto Rico, Jamaica und die kleinen Antillen aufgefunden, ist sogar
an der Küste von Central- und Südamerika hingefegelt, aber nie ist
es ihm in den Sinn gekommen, daß er auf einen vierten Erdteil ge-
stoßen sein könnte, der zwischen Europa und Asien mitten inne läge.
Immer glaubte er Indien vor sich zu haben und forschte eifrig, aber
vergeblich nach einer Durchfahrt in das persisch-arabische Meer. Bittere
Erfahrungen trübten außerdem seine letzte Lebenszeit. Die Spanier,
eifersüchtig auf den Ruhm, den der Fremdling mit ihrer Hilfe er-
worben hatte, verdächtigten ihn am Hofe, indem sie ihn der Herrsch-
sucht und Grausamkeit beschuldigten, und nach und nach wurden auch
seine Beschützer, besonders der König, mißtrauisch. Columbus hatte
bei seinem Eintritt in den spanischen Dienst für sich und seine Nach-
kommen den Titel und die Macht eines Vicekönigs der Länder, welche
er entdecken würde, ausbedungen. Als seine kühnen Fahrten den ge-
wünschten Erfolg hatten, schien es Ferdinand dem Katholischen doch be-
denklich, eine so große Gewalt in die Hand eines Mannes zu legen.
Er beauftragte deshalb einen Ritter, Francisco de Bobadilla,
die Beschwerden der Kolonisten zu prüfen. Dieser Mann begab
sich nach Haiti und ließ im Übereifer den verdienten Admiral verhaften,
mit Ketten schließen und nach Spanien bringen. So endete des Ent-
deckers dritte Reise. Zwar empfing ihn das Königspaar sehr huldvoll
und erkannte seine Rechtfertigung an, ja, Bobadilla wurde sogar abge-
setzt, aber die Kolonien erhielten sofort einen anderen Statthalter.
Als Columbus zum vierten Male den Schauplatz seiner Thaten und
seines Ruhmes aufsuchte, durste er im Hasen von Domingo auf Haiti
nicht landen, angeblich, weil man Unruhen befürchtete. Mit zwei
elenden Schiffen segelte er weiter, an der Küste von Centralamerika
hin, und gelangte endlich nach Jamaica; hier fielen die morschen Fahr-
zeuge auseinander, und kaum kam er mit dem Leben davon. Ein
Jahr lang mußte er auf der Insel verweilen, während seine Begleiter-
in einem Jndianerkanoe nach Haiti zurückruderten und mit vieler
Mühe ein Schiff erbettelten, das den „Vicekönig" abholen und in die
Heimat führen sollte. Unterdes war Columbus, krank und verlassen,
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den Lohn, auf den er gerechnet hatte, die eifersüchtigen spanischen
Würdenträger schoben ihn beiseite, als er sein großes Werk voll-
bracht hatte; er starb vergessen in einem spanischen Dorfe.
Zehn Jahre nach der Eroberung Mexikos erreichte der Spanier
Franz Pizarro, immer ander Westküste Südamerikas vordringend,
das Goldland Peru. Auch hier erlagen ein kultiviertes Jndianervolk
und ihr Königsgeschlecht, die Inkas, der Mord- und Raubgier der
christlichen Eroberer, die mit ihren Waffen und ihrer Kriegskunst viel
mächtiger waren als die ungeübten Naturmenschen.
Trotz aller dieser Erwerbungen und Forschungen wußte man noch
nicht, wie sich das ersehnte Indien zu dem neuen Erdteil verhielt.
Zwar hatte der Portugiese Vasco de Gama im Jahre 1498 das
Kap der guten Hoffnung umsegelt und war nach einer zehnmonatlichen
Fahrt im Hafen von Calicut angekommen. Gewiß ein wichtiges
Ereignis, denn den portugiesischen Kaufleuten ward damit der Handels-
weg nach der Ostküste Afrikas sowohl, als auch nach Indien geöffnet,
und unter schweren Kämpfen, die den heroischen Thaten des Altertums
gleichkommen, haben sie sich wichtige Plätze gesichert, wie Diu und
Goa. Aber die Erdoberfläche war noch nicht genügend bekannt, das
Verhältnis der Erdteile zu einander noch nicht aufgeklärt. Da unter-
zog sich der Portugiese Ferdinand Magalhaes im Dienste des
Königs von Spanien 1519 dem Wagnis, Südamerika zu umschiffen, passierte
die Straße, die jetzt seinen Namen trägt, fuhr westwärts weiter und
befand sich, ohne es zu wissen, auf der Reise um die Erde. Er selbst
sah die Heimat nicht wieder; auf einer Insel der Philippinen fand er den
Tod im Kampfe mit den Wilden. Von den drei Schiffen, welche die Ge-
fahren des Großen Oceans bestanden hatten, erreichte nur eins 1522
mit 13 Mann die spanische Küste, die anderen gingen noch im indischen
Archipel verloren.
Die großen Entdeckungen jener Zeit wurden durch entsetzliche Grau-
samkeiten befleckt; unchristlich und barbarisch war es auch, daß man
die Wilden zu Sklaven machte. Da sich die Indianer für die Arbeit
in den Bergwerken als zu schwach erwiesen, so schlug ein mitleidiger
Priester, Las Casas, 1517 vor, Neger an ihrer Stelle zu verwenden.
So entstand der schmachvolle Handel mit Negersklaven.
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I. Abschnitt.
Die Nesormationsm.
I. Deutschland.
1. Kart Y.
In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, also im Anfange der
neuen Zeit, stand an der Spitze des deutschen Reiches Kaiser Karl V.
Er stammte aus den Niederlanden, denn er wurde im Jahre 1500 in
Gent geboren, wo sein Vater, Philipp der Schöne, als Herzog
von Burgund und den Niederlanden, residierte, aber erzogen wurde
er in Kastilien (in Spanien), das seine Mutter Johanna von ihren
Eltern, Ferdinand dem Katholischen und Jsabella, geerbt
hatte. Seine Erziehung war eine streng katholische, ceremoniöse, ritter-
liche. Mit Deutschland verbanden ihn seine Großeltern väterlicherseits,
Kaiser Maximilian I. und Maria von Burgund, die zugleich
Herrin der Niederlande gewesen war und diese Provinzen ihrem Sohne,
Philipp dem Schönen, hinterlassen hatte. Karl V. erbte nach und
nach alle Besitzungen seiner Eltern und Großeltern: Burgund nebst
den Niederlanden, Spanien, Neapel und Sicilien, Westindien, die habs-
burgischen Länder, und nach dem Tode seines Großvaters Maximilian
im Jahr 1519 bewarb er sich auch noch um die deutsche Kaiserkrone.
Er erhielt sie durch die Vermittlung des sächsischen Kurfürsten
Friedrichs des Weisen, obgleich König Franzi, von Frankreich
sich die größte Mühe gab, sie zu erlangen. Im Jahr 1520 wurde
Karl V. gekrönt. Als Herr so weiter Gebiete unter den verschiedensten
Himmelsstrichen konnte er wohl sagen: „In meinem Reiche geht die
Sonne nicht unter."
2. Ariedrich der Weise und Akörecht der Weherzle von Sachsen.
Durch die Leipziger Teilung im Jahr 1485 war Sachsen
in zwei Teile zerspalten worden, in das Kurfürstentum, zu dem
das Kurland und Thüringen gehörten, und in das Herzogtum, das
in der Hauptsache aus der Mark Meißen bestand.
Die beiden Söhne Friedrichs des Sanftmütigen hatten
sich dahin geeinigt, daß der ältere, Ernst, das Kurfürstentum und
der jüngere, Albrecht, das Herzogtum übernahm. Kurfürst Ernst
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wurde am 10. November 1483 in Eis leben geboren, wo sich seine
Eltern nur vorübergehend aufhielten; seine rechte Heimat war Mans-
feld. Der Vater, ein armer Bergmann daselbst, aber der Sproß
eines Bauerngeschlechtes, konnte nur wenig an seine Ausbildung
wenden; doch war er auch nicht dagegen, als der wißbegierige
Sohn sich durchaus dem Studium widmen wollte. Martin Luther
verließ schon als Knabe das Vaterhaus und besuchte erst die
lateinische Schule zu Magdeburg, dann die zu Eisenach; mit Singen
vor den Thüren erwarb er sich seinen Lebensunterhalt. In Eisenach
nahm sich eine Kaufmannsfrau, die Witwe Cotta, des armen Schülers
an, von ihr empfing er Wohnung und Kost. Im Jahr 1501 bezog er
die Universität Erfurt, um nach dem Wunsche des Vaters Rechts-
wissenschaft zu studieren; aber schon nach kurzer Zeit vertauschte er
diese mit der Theologie. Ein tiefes religiöses Bedürfnis und außer-
dem eine heftige Gemütserschütterung, hervorgerufen durch den Plötz-
lichen Tod eines Freundes, reiften den Entschluß in ihm, Mönch zu
werden. Im Jahre 1505 trat er in das Augustinerkloster zu Erfurt
ein. In der Erfüllung aller Vorschriften, im Rosenkranzbeten, Fasten,
Bettelngehen und Kasteien, that es ihm keiner seiner Ordensbrüder
gleich, den Frieden der Seele fand er aber dabei nicht. Durch das unab-
lässige Studium der heiligen Schrift und der Kirchenväter gelangte er
zu der Einsicht, daß nicht die Werkheiligkeit, sondern der Glaube an
die göttliche Gnade gerecht und selig mache. In dem Vorsteher der
Augustinerklöster in Sachsen, Dr. St au Pitz, gewann er einen treu-
meinenden Gönner, der ihn tröstete, wenn er traurig war, und ihn
ermutigte, wenn er unter Zweifeln und schweren Seelenkämpfen nach
der Wahrheit rang. Durch Dr. Staupitz bekam er auch bald einen
großen Wirkungskreis, denn ans dessen Empfehlung wurde er von
Friedrich dem Weisen als Professor an die neuerrichtete Universität
Wittenberg berufen und zugleich mit dem Amte eines Predigers
an der Schloßkirche betraut. Eiue Reise, die er 1511 in Angelegen-
heiten seines Ordens nach Rom unternahm, bot ihm Gelegenheit, die
Verweltlichung der hohen und höchsten Geistlichkeit in nächster Nähe
zu beobachten. Seitdem erkannte er noch deutlicher als bisher die
Mißbräuche in der Kirche.
Einige Jahre darnach zog der Ablaßkrämer Tetzel im Auftrage
des Erzbischofs von Mainz durch Thüringen und bot Briefe oder Zettel
aus, die für die verschiedensten Sünden Vergebung verhießen. Die
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Pleißenburg in Leipzig in Gegenwart des Herzogs Georg desbär-
tigen, der im Jahre 1500 seinem Vater Albrecht dem Beherzten in
der Regierung gefolgt war. Bald trat Karlstadt zurück, und Luther
setzte den Streit mit Eck fort. So gewandt der Jngolstädter auch
war, in der Kenntnis der Bibel konnte er sich mit Luther nicht messen,
und was nicht aus der Bibel zu erweisen war, erkannte dieser nicht
als wahre christliche Lehre an. So leugnete er erst die Berechtigung
des Papsttums, dann die Unfehlbarkeit der Konzilien, und am Ende
blieben ihm als alleinige Quelle des Wortes Gottes nur die heiligen
Bücher übrig. Eck erklärte ihn für einen Zöllner und Heiden, und
der Herzog Georg verwünschte ihn mit einem kräftigen Fluche. Luther
hatte im beständigen Ringen nach Wahrheit den großen Schritt ge-
than, er hatte sich von der alten Kirche getrennt, und die Tausende,
die ihn verehrten, folgten ihm nach. Vergeblich erwirkte Eck in Rom,
daß Luther in den Bann gethan wurde. In den meisten Orten wagte
man aus Furcht vor dem Volke nicht, den päpstlichen Fluch in der
Kirche bekannt zu machen; der kühne Reformator aber verbrannte am
10. Dezember 1520 vor dem Elsterthore in Wittenberg die Bannbulle,
sowie die päpstlichen Verordnungen im Beisein vieler Professoren und
Studenten und vieles Volkes. Luther hatte Gönner, Freunde und
Mitarbeiter. Sein Kollege, der gelehrte Humanist Philipp Melanch-
thon (Schwarzert) aus Breiten in der Pfalz, schloß sich eng an ihn
an, und Friedrich der Weise nahm beide in seinen mächtigen
Schutz, indem er der Universität das Recht der Lehrfreiheit wahrte.
Der gefürchtete Führer der freien Ritterschaft Franzvon Sickin gen
stellte Luther die feste Ebernbnrg bei Kreuznach zur Verfügung, wenn
Gefahr drohe, und der entschlossene, für die Freiheit und Größe des
Vaterlandes begeisterte Ulrich von Hutten pries mit feuriger Be-
redsamkeit die Erlösung des deutschen Volkes von dem römischen Joche.
Luther selbst entwickelte in zahlreichen Schriften den Inhalt der neuen
Lehre. So ermahnte er in dem Buche: „An den christlichen Adel
deutscher Nation, von des christlichen Standes Besserung" die Obrig-
keiten, sich von Nom loszusagen, verkündete den Laien, daß jeder
durch die Taufe zur Priesterschaft berufen sei, und verwarf die Ehe-
losigkeit der Geistlichen samt dein Mönchswesen; in einem anderen:
„Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" behauptete er, daß es
nicht so viele Sakramente gebe, als die katholische Kirche annehme,
sondern nur zwei: Taufe und Abendmahl. Alles dies wurde in den
Städten mit Begier gelesen; das Interesse für die religiösen Fragen
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steigerte sich unter den Bürgern so, daß man kaum noch für etwas
anderes Sinn hatte.
Die schwerste Probe seines Mutes hatte Luther noch zu bestehen.
Der neue Kaiser Karlv. schrieb 1521 einen Reichstag nach Worms
aus; hier sollte auch Luthers Sache entschieden werden. Der Kaiser
sicherte dem Geladenen freies Geleit zu und ließ ihn durch einen
Herold abholen. Die Freunde Luthers besorgten, daß dem Reformator
Husens Schicksal zugedacht wäre, und rieten ihm ab, nach Worms zu
reisen. Aber er blieb fest. Und wenn soviel Teufel in Worms wären,
als Ziegel auf den Dächern, er wolle doch hinein. Am 17. April fand
das erste Verhör statt. Anfangs blendete ihn der Glanz der hohen
Versammlung. Als er gefragt wurde, ob er die in seinen Schriften ent-
haltenen Lehren widerrufen wolle, bat er sich einen Tag Bedenk-
zeit aus. Aber als er am 18. April zum zweiten Male vor dem
Kaiser und den Fürsten stand, lehnte er mit sicherer Stimme den
Widerruf ab, es sei denn, daß man ihn mit klaren Worten der heiligen
Schrift überführen könne, und schloß mit der mutigen Erklärung:
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen." Dieses
glaubensfreudige Bekenntnis machte auf die Versammlung einen tiefen
Eindruck. Friedrich der Weise war hocherfreut; nur der Kaiser äußerte
sich gegen seine Begleiter, der Mönch werde ihn nicht zum Ketzer
machen. Doch das gegebene Wort brach er nicht; er erlaubte nicht,
daß Luther gefangen gesetzt werde, vielmehr forderte er ihn selbst zur
Abreise auf. Damit glaubte er seiner kaiserlichen Zusage genug gethan
zu haben. Einige Wochen später sprach er im Einverständnis mit dem
päpstlichen Nuntius die Acht über ihn ans. Nun war das Leben des
kühnen Reformators wirklich in Gefahr, denn wer ihn tötete, erwarb sich
ein Verdienst. Da war es wieder Friedrich der Weise, der sich seiner annahm.
Luther hatte von Worms aus den Weg durch Thüringen eingeschlagen,
um seine Verwandten in dem Dorfe Möhra zu besuchen. In der
Nähe von Alten sie in wurde der Wagen, in dem er fuhr, plötzlich
von vermummten Reitern angehalten, er selbst wurde zum Absteigen
genötigt, auf ein Pferd gehoben und auf die Wartburg gebracht. Hier
verlebte er unter dem Namen „Junker Georg" zehn Monate in
ungetrübter Ruhe. Während dieser Zeit begann er die Verdeutschung
der Bibel. Mit bewundernswürdiger Meisterschaft übertrug er den
biblischen Text in die Sprache des Volkes und krönte damit das Werk
der Reformation. Das heilige Buch in der geliebten Muttersprache
zog iu jedes Haus ein und verbreitete Belehrung, Trost und Bildung