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1. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 21

1909 - Leipzig : Ehlermann
3. Monarchie 21 Wie sehr bei der'entstehung einer Monarchie religiöse Bedürfnisse mit ins Spiel treten können, sieht man aus den zahlreichen Beispielen, wo sich Dynastengeschlechter von den Göttern herzustammen rühmen^). Am leichtesten überhaupt kann der Krieg zur Be- gründung und Erweiterung der monarchischen Ge- walt führen. Auf den niedrigsten Kulturstufen, soweit irgend unsere Geschichte reicht, ist das Fehderecht die Regel, gerichtliche Entscheidung die Ausnahme. Jeder Fremde, wo- fern er nicht auf Gastfreundschaft Ansprüche macht, gilt da als Feind, der Raub für ehrenhafter als die Arbeit. Wie leicht muß es da sein, eine edle Nation unter die Waffen zu bringen! Im Kriege aber gewöhnt man sich an Gehorsam, selbst dem Trotzigsten leuchtet die Notwendigkeit desselben ein. Dem Sieger wird vieles nachgesehen, zumal wenn er seine Unterbefehlshaber zu Vasallen macht und in den Unter- jochten Klienten findet. So hat der Sieg von Marengo den Thron Bonapartes gegründet. Die ältesten Germanen pflegten in großer Kriegsgefahr vorübergehend die Herzogswürde zu errichten. Solange diese bestand, waren nicht bloß die übrigen Staatsgewalten, sondern auch ein großer Teil der gemeinen Volksfreiheit sus- pendiert. Späterhin sind die germanischen Monarchien fast ohne Ausnahmen auf kriegerischen Grundlagen aufgebaut worden: Gefolgschaft, Eintritt in römische Kriegsdienste, Eroberungen. Ehe noch die Inländer darauf verfallen, ihren großen Feldherrn als Monarchen anzuerkennen, haben es die Aus- länder bereits getan. Ihre Bitten, ihre Versprechungen richten sich an ihn. Napoleon hat einen großen Teil seiner Maßregeln zur Wiederherstellung des Thrones zuerst in Italien, gleichsam versuchsweise, durchgeführt, hernach erst in Frankreich. So z. B. die Restauration des christlichen Kalenders. Wenn in der Ratsversammlung die Stimme eines solchen Feldherrn schon mehrere Male entschieden hat, so fehlt es nie an kurzsichtigen Freiheitsmännern, welche, darüber schmollend, aus den Sitzungen wegzubleiben an- fangen. Freilich machen sie eben dadurch ihrem Gegner völlig freie Bahn; aber die Mehrzahl der Menschen will x) Die Formel „Von Gottes Gnaden" spricht die Heiligkeit und Weihe einer der Wohlfahrt eines ganzen Volkes dienenden irdischen Einrichtung aus.

2. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 23

1909 - Leipzig : Ehlermann
4. Betrachtungen über die Monarchie 23 die Staaten der Volkssouveränität in Wahrheit Demokratien sind, hat man doch in beiden Fällen, wenigstens der Form nach, die Krone meist unberührt gelassen. Jene großen aristokratischen Republiken, Polen, Venedig, das spätere Deutsche Reich, sind doch immer wenigstens der Wahlmonarchie treu geblieben. — Als die Hauptursache dieser Erscheinung muß die räumliche Größe der meisten neueren Staaten be- trachtet werden. Wie für große Staaten die Monarchie, im weiteren Sinne des Wortes, notwendig ist, so bedarf auch sie umgekehrt eines verhältnismäßig bedeutenden Staatsgebietes. Mir ist kein Beispiel bekannt, wo sich eine wahre Monarchie in einem sehr kleinen Staate ge- bildet und dauernd behauptet hätte. Man führe nicht dagegen an, daß es ja noch heutzutage so viele kleine Fürstentümer gibt. Alle diese werden sich bei näherer Besichtigung als Bruchstücke größerer Monarchien zeigen, die sich durch Erb- teilung, Sekundogenitur, Verleihung usw. vom Hauptstamme losgelöst, oder ihre Herrscher sind mächtige Aristokraten, die nur durch das Aufhören einer vormals über ihnen stehenden Reichsgewalt souverän geworden. Man hat gesagt, niemand sei groß in den Augen seines Kammerdieners. So wird sich auch in ganz kleinen Staaten, wo jedermann den Fürsten alltäglich und mit all seinen menschlichen Schwächen be- obachten kann, nicht leicht diejenige halbmysteriöse Ehrfurcht vor dem Throne bilden oder bewahren, auf welcher die Monarchie doch so wesentlich beruht. Die Erfahrung lehrt, daß eine wirkliche, solide Erb- monarchie nur auf den früheren Kulturstufen der Völker, im Zeitalter, sozusagen, der politischen Naivität begründet werden kann. Um sich einem Fürstenhause, bei aller Schwäche, vielleicht sogar Unwürdigkeit des jewei- ligen Repräsentanten, willig zu unterwerfen, Treue gegen dasselbe zu bewähren, wenn es sein muß, bis zum Tode, dazu reicht das bloße Räsonnement des Kopfes von der Zweck- mäßigkeit einer solchen Handlungsweise nur bei wenigen, starken Geistern aus. In der Regel muß ein Gefühl des Herzens hinzukommen, etwas halb Unwillkürliches, das ich politischen Glauben nennen möchte. Aus demselben Grunde haben sich auch neue Religionen mit alleiniger Ausnahme der höchsten, rein göttlichen Offenbarung durch Christum nur bei jugendlichen, einfachen Völkern bilden können. Kämen

3. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 24

1909 - Leipzig : Ehlermann
24 6. Souveränität dergleichen Institutionen erst in den Zeiten der Aufklärung und Reflexion empor, fo würde meistens der kritische Ver- stand allzu geschäftig sein, die menschlichen Zufälligkeiten und Schwächen derselben aufzusuchen, als daß sich das Gemüt dem Wesentlichen und Notwendigen darin ungestört hin- geben könnte. Soll deshalb eine Erbmonarchie oder Volks- religion die Entwicklungsstufe des politischen und religiösen Rationalismus überdauern, so muß sie „aus unvordenklicher Zeit her" überliefert worden sein. Heutzutage wird selbst der größte Held und Staatsmann schwerlich imstande sein, einen neuen Thron dauerhaft zu errichten. Solange seine Nachfolger auch Erben seiner persönlichen Größe sind, mag das Werk Bestand haben; ob viel länger, ist sehr zu be- zweifeln. Roscher, S. 37ff., mit Auslassungen. 5. Die Souveränität Die Souveränität*) ist die höchste tatsächliche Macht in einem Staate. Die Frage, wer in einem Staate der Sou- verän ist, kann nur durch eine genaue Beobachtung der ge- samten staatlichen Zustände mit Berücksichtigung der ge- schichtlichen Erfahrungen entschieden werden, dagegen niemals bloß aus den Gesetzen. Tatsächlich kann die Souveränität erworben werden und verloren gehen, ohne daß ein Buch- stabe des Gesetzes geändert wird. Am 9. November 1799 be- mächtigte sich der General Bonaparte der höchsten Gewalt im französischen Staat, aber die Konsularverfassung wurde erst am 13. Dezember 1799 erlassen. Da es oft genug zweifelhaft ist, wer in einem Staate die höchste tatsächliche Macht ausübt, so hat man nach einem allgemein gültigen Merkmal zur Beantwortung dieser Frage gesucht. Man hat gesagt, derjenigen Person oder Körper- schaft steht im Staate die Souveränität zu, welche die Grenzen ihres Wirkungskreises nach eigenem Ermessen bestimmen kann oder den Krieg zu erklären und zu führen berechtigt ist1 2). 1) Das Wort kommt von superanus (— superior), der obere, und erhielt in Frankreich nach Begründung der tatsächlich unum- schränkten Monarchie allmählich die Bedeutung der oberste; in der Wissenschaft gebrauchte es zuerst Bodin (f 1597), der Begründer des Staatsrechts. 2) Treitschke, Politik I, 2. Ausl. (1899), S. 30ff.

4. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 26

1909 - Leipzig : Ehlermann
26 6. Volksvertretung Das Volk wird durch die Volksvertretung vertreten. Die Rechtsordnung kennt nun auf allen Rechtsgebieten eine doppelte Art der Vertretung, die auftragsmäßige, bei der der Vertretene seinen Willen in den des Vertreters legt, und die gesetzliche für einen Handlungsunfähigen. Welcher Art ist nun die Volksvertretung? Politik und Zeitungsdeutsch, die von einem Mandate, Rechenschaftsberichte an die Wähler usw. sprechen, deuten auf die auftragsmäßige Vertretung hin. Und doch kann von einer solchen nicht die Rede sein. Die Mitglieder der Ersten Kammern, die der politische Radikalis- mus freilich als grundsatzwidrig beseitigen will, werden regel- mäßig nicht gewählt. Und wenn die Zweite Kammer auch eine Wahlkammer ist, so werden die Abgeordneten doch nur durch einen geringen Prozentsatz des Volkes gewählt. Jedem Zweifel macht aber ein Ende die stereotype Bestimmung der Verfassungsurkunden, u. a. Art. 83 der preußischen: „Die Mitglieder beider Kammern sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie stimmen nach ihrer freien Überzeugung und sind an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden." Da- mit ist der Grundsatz der gesetzlichen Vertretung für das an sich handlungsunfähige Volk ausgesprochen. Aus dem Wesen der Volksvertretung ergibt sich daher nichts für die Art und Weise ihrer Zusammensetzung. Auch die erblichen Mitglieder der Ersten Kammer sind Vertreter des ganzen Volks. Und die Wähler erteilen nicht einen Auftrag, sondern versehen einen öffentlichen Dienst, indem sie mitwirken bei Bezeichnung der Personen, die in der Zweiten Kammer das Volk zu vertreten haben. Das Volk ist nun gleichzeitig Gegenstand und Mittel der staatlichen Herrschaft. In beiden Beziehungen wird es durch die Volksvertretung vertreten. Als Gegenstand der Herr- schaft vertritt es die Volksvertretung, indem sie namens des Volkes Bitten und Beschwerden gegenüber der Regie- rung geltend macht. Als Mittel der Herrschaft vertritt sie das Volk, indem sie mitzuwirken berufen ist beim Erlasse der wichtigsten Staatsakte. Doch überwiegt bei der Volks- vertretung die letztere Richtung bei weitem die erstere. Von allen anderen Staatsorganen unterscheidet sich nun die Volksvertretung durch zwei wesentliche Eigenschaften, durch ihre Unverantwortlichkeit und durch ihre Unselbständigkeit. Die Volksvertretung ist rechtlich unverantwortlich. Sie trügt allerdings für ihre Beschlüsse eine Verantwortung poli-

5. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 27

1909 - Leipzig : Ehlermann
6. Volksvertretung 27 tisch und vor dem Richterstuhle der Geschichte. Doch rechtlich kann sie nie zur Verantwortung gezogen werden. Und dies wirkt noch zurück auf die Stellung der einzelnen Mitglieder. In dieser Beziehung ist die Volksvertretung dem Monarchen gleichgestellt. Die Volksvertretung ist ferner unselbständiges Staats- organ. Der unterste Vollziehungsbeamte kann unter Um- ständen in sich den Staatswillen zur Erscheinung bringen und geltend machen. Das kann die Volksvertretung nicht. Sie wirkt mit beim Erlasse der wichtigsten Staatsakte, aber regel- mäßig unselbständig in den Formen der Zustimmung und Genehmigung, während der Staatsakt selbst von einer anderen Seite ausgeht. Nach dem Vorbilde Englands hat sich nun allgemein auf dem Kontinente, namentlich auch in den größeren deutschen Staaten, das Zweikammersystem eingebürgert. Das Zweikammersystem ist erwachsen auf den besonderen Grundlagen der englischen Ständebildung, indem die großen geistlichen und weltlichen Magnaten, letztere mit erb- licher Berechtigung, in das Oberhaus, Vertreter der übrigen Ortsobrigkeiten, der Grafschaftsritter und der Städte, seit Heinrich Iii. in das Unterhaus berufen wurden. Mit einer Verbindung aristokratischer und demokratischer Elemente, wo- von man seit Montesquieu faselte, hatten die beiden Häuser nichts zu tun. Denn das Unterhaus war ebenso ständisch aristokratisch wie das Oberhaus. Der Irrtum der konstitu- tionellen Theorie hatte aber auch hier schwerwiegende prak- tische Folgen. Der Eingang der Charte constitutionelle Ludwigs Xviii. von 1814 erklärte, die alten Zeiten mit den neuen verbinden und in der Paine eine wahrhaft nationale Einrichtung erneuern zu wollen. Die Erste Kammer sollte eine besondere Vertretung der Reste der alten ständischen Gesellschaft, die Zweite Kammer eine auf Wahl beruhende Vertretung der modernen staatsbürgerlichen Gesellschaft sein. Nun war aber durch die französische Revolution die ständische Gesellschaft derart entwurzelt, daß der Versuch, ihr eine be- sondere Vertretung zu geben, nicht gelingen konnte. Schon die Verfassung des Bürgerkönigtums von 1830 hat ihn auf- gegeben. Und ähnlich ist es den andern romanischen Staaten er- gangen. Die Erste Kammer, entweder ernannt oder auf Grund eines besonderen Wahlsystems gewählt, verbürgt

6. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 28

1909 - Leipzig : Ehlermann
28 6. Volksvertretung neben der Zweiten noch die Vielseitigkeit der Erwägung, aber vertritt nur denselben Strom der öffentlichen Meinung, der sich in der Wahlkammer geltend macht. Der Versuch, der in Frankreich mißlang, fiel in Deutsch- land auf besseren Boden. Hier war die alte ständische Gesell- schaft überhaupt noch viel fester begründet und lebensfähiger gewesen. Durch die Mediatisierungen waren überdies den Einzelstaaten neue aristokratische Elemente zugeführt worden, die man nicht einfach in der allgemeinen staatsbürgerlichen Rechtseinheit untergehen lassen konnte. So wurde denn in den Mittelstaaten und später auch in Preußen die Erste Kammer eine besondere Vertretung der Reste der alten ständischen Gesellschaft, die Zweite Kammer auf Grund der Wahl eine solche der modernen staats- bürgerlichen. Eine besondere politische Bedeutung neben der Wahl- kammer hat die Erste Kammer nur da behaupten können, wo sie wie in Deutschland ein selbständiges politisches Prinzip in sich trägt und nicht denselben Zug der öffentlichen Meinung vertritt. — In den deutschen Kleinstaaten reichten die Elemente zur Bildung von zwei Kammern nicht aus, so daß hier das Einkammersystem besteht^). Das Volk ist jedoch nur rechtlich eine Summe gleicher Individuen. Tatsächlich zerfällt es nach den mannigfaltigsten Interessen politischer, sozialer, religiöser und nationaler Natur in die verschiedensten Gruppen. Das macht sich auch in der Zusammensetzung der Volksvertretung geltend. Wiederum nicht rechtlich, denn rechtlich ist jedes Mitglied Vertreter des ganzen Volkes, doch tatsächlich bilden sich nach politischen, sozialen, religiösen und nationalen Gesichtspunkten innerhalb der Volksvertretung Parteien* 2), die auch außerhalb ihrer das politische Leben beherrschen. Die Partei hat daher x) Vgl. Anhang Nr. 3. 2) Als liberal bezeichnete sich zuerst eine Partei in der spa- nischen Volksvertretung 1812 in Cadiz; der Ausdruck „liberale Ideen" für alle die bis dahin unbestimmt als Ideen von 1789 bezeichneten Bestrebungen und Anschauungen kam 1815 auf (der russische Zar gebrauchte ihn als einer der ersten). Konservative nannten sich seitdem diejenigen, die den Zusammenhang mit der geschichtlich entstandenen Ordnung aufrecht erhalten wissen wollten. Unter Junkertum im engeren Sinne ist der Landadel, im weiteren Sinne das Gutsbesitzertum zu verstehen.

7. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 29

1909 - Leipzig : Ehlermann
7. Selbstverwaltung 29 keinerlei staatsrechtliche Bedeutung, ihr Bestand wird von der Rechtsordnung geflissentlich übersehen. Sie besteht nur tatsächlich als eine politische Erscheinung. — Die in Deutsch- land übliche Bezeichnung für die Volksvertretung des Einzel- staates ist die des Landtags. Bornhak, Grundriß, S. 60ff. 7. Die Selbstverwaltung Der Begriff der Selbstverwaltung ist in der deutschen Literatur ursprünglich ein rein politischer gewesen, er be- ruhte auf der Reaktion gegen den durch das konstitutionelle System verschuldeten Ministerial-Despotismus. Die Minister- verantwortlichkeit gegenüber dem Landtage vernichtet die Selbständigkeit und freie Entscheidung aller dem Minister untergebenen Behörden und Beamten, da ja er und er allein für die Verwaltung seines Ressorts „die Verant- wortung" trägt. Hat der Minister die Majorität des Land- tags auf seiner Seite oder ist er selbst der Führer und Ver- trauensmann der herrschenden Partei, so ist er hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit gedeckt, und je rücksichtsloser er im Interesse und nach den politischen Anschauungen seiner Partei handelt, desto mehr ist sie mit ihm zufrieden. Dieser Miß- stand wurde in Preußen durch das reaktionäre Ministerium in den Jahren 1862—1859, also kurz nach Einführung der konstitutionellen Verfassung, in schärfster Weise zum allge- meinen Bewußtsein gebracht. Diese rücksichtslose Partei- regierung entsprach dem konstitutionellen Ideal vollkommen, da sie die überwiegende Mehrheit beider Häuser des Landtags auf ihrer Seite hatte. Um dieser üblen Folge des Konsti- tutionaüsmus entgegenzuwirken, suchte man Mittel gegen dieselbe. Dafür war an und für sich jed e Einrichtung geeignet, welche die Zuständigkeit und Machtbefugnis des Ministers beschränkt. Die hierzu dienenden Mittel sind sehr zahlreich und von sehr verschiedenem juristischen Charakter. Da sie aber alle demselben politischen Zwecke dienen, nämlich dem konstitutionellen Ministerabsolutismus Schranken zu setzen und die Gefahr einer rücksichtslosen Gesetzesinterpretation zu verhüten, so hat man sie unter einen und denselben poli- tischen Gesichtspunkt gebracht, sie zu einem „System" ver- einigt. Dafür brauchte man auch einen einheitlichen Aus- druck, ein politisches Schlagwort. Unter dem Einfluß von

8. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 3

1909 - Leipzig : Ehlermann
Hu9 dem Vorwort zur ersten Huflage Viele Gebildete kennen nicht einmal die verfassungs- mäßigen Zustände im Bundesstaate oder in den Einzel- staaten auch nur einigermaßen gründlich. Nun werden nicht erst seit gestern auch die Schulen für das schwächliche Staatsbewußtsein verantwortlich gemacht, wobei darauf hingewiesen wird: Kenntnisse, zu denen die Schule nicht wenigstens den Grund legt, lassen sich im Leben nur lücken- weise erwerben. Unzweifelhaft ist politische Erziehung Auf- gabe jeder Schule, ebenso unzweifelhaft aber wird ohne Mitwirkung der Familie.keine Schulmeisterei jemals Staats- bürger erziehen. Nur in Anlehnung an den Gang der ge- schichtlichen Erzählung und durch Einsicht in die historische Entwicklung läßt sich das Verständnis für die Bedeutung des Staates und seiner Organe erschließen. Einen geson- derten Unterrichtszweig kann Staatskunde zwar auf Fach- und Fortbildungsschulen, aber weder in den höheren Lehr- anstalten noch in den Lehrerseminaren bilden. Es brauchen doch auch wahrlich nicht alle aus der Schulbank alles „ge- habt" zu haben! So mag denn der Geschichts- sowie der Deutschlehrer bei einzelnen reiferen oder besonders begabten Schülern die Selbsttätigkeit auch auf die moderne staatswissenschaftliche Prosa lenken, mag bei geeigneter Gelegenheit in taktvoller Beschränkung und vorsichtiger Auswahl sich aus dieser Prosa etwas berichten lassen und dies dann kurz besprechen, um Lust zum Weiterstreben anzuregen. Gerade dabei wird, so hoffe ich, dieses in seiner Art völlig neue Lesebuch als ein Mittel zum Zweck staatsbürgerlicher Vorbildung gute Dienste tun. Es bietet die wissenschaftlichen Ergebnisse in zusam- menhängender, sorgsam ausgewählter, nirgends — wie mich l*

9. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 31

1909 - Leipzig : Ehlermann
8. Eiqentumsordnung Bl schaft ausgesagt, daß sie sich selbst verwaltet, so setzt das stillschweigend immer eine höhere Macht voraus, von der sie auch verwaltet werden könnte. Der Begriff ist daher un- anwendbar auf die höchste, oberste, souveräne Macht, da bei ihr ein Verwaltetwerden unmöglich und undenkbar ist. Da- gegen findet dieser Begriff der Selbstverwaltung überall da Anwendung, wo eine obere Gewalt die ihr zustehenden Hoheitsrechte nicht unmittelbar mittels eines eigenen, zu ihrer ausschließlichen Disposition stehenden Apparates durch- führt, sondern sich darauf beschränkt, die Normen für die Ausübung dieser Hoheitsrechte aufzustellen und ihre Durch- führung zu beaufsichtigen, während die Durchführung selbst ihr untergeordneten politischen Körpern übertragen oder überlassen ist. Laband I, S. 97f. 8. Die Btgentumsordnung der europäischen Kulturstaaten Als die Griechen, Römer und Germanen nach langen Wanderungen in ihre festen Wohnsitze einrückten und diese später erweiterten, stießen sie überall auf bereits ansässige Bevölkerungen, denen sie nach ihrer Besiegung den Grund und Boden ganz oder teilweise gewaltsam abnahmen. Im Vergleich mit der grausamen Härte der antiken Kriegs- gebräuche muß es noch als ein mildes Verfahren bezeichnet werden, daß die während der Völkerwanderung in das römische Reich einrückenden Germanen regelmäßig bloß ein bis zwei Dritteile der Feldmark für sich in Anspruch nahmen und daß nur ausnahmsweise einzelne Volksstämme sich nach Tötung oder Vertreibung der bisherigen Besitzer den ganzen Grund und Boden des eroberten Landes an- eigneten. Die Eigentumsordnung wurde daher gleich ur- sprünglich auf das siegreiche Schwert gegründet. Aber auch später waren große politische Umwälzungen sehr häufig von einem gewaltsamen Umsturz der Eigentumsordnung be- gleitet. Für die Einführung der Reformation z. B. war überall neben den religiösen Motiven auch das rein materielle Streben der Landesherren maßgebend, sich der reichen Kirchengüter zu bemächtigen, so daß Karl V. sagen konnte, es handle sich bei der Reformation weniger um die Kirchen- lehre als um das Kirchengut. Fast vollständig wurde die Säkularisation in Deutschland durch den Reichsdeputations-

10. Lesebuch zur deutschen Staatskunde - S. 5

1909 - Leipzig : Ehlermann
Inhaltsverzeichnis H- Allgemeiner Ccü Seite 1. Der Ursprung und die Entwicklung des Staates (Paulsen). 9 2. Die Staatsformen (Bluntschli)...............................14 3. Die Entstehung der Monarchie (Roscher)......................19 4. Betrachtungen über die Monarchie im allgemeinen (Roscher) 22 5. Die Souveränität (Menger)...................................24 6. Das Wesen der Volksvertretung (Bornhak).....................25 7. Die Selbstverwaltung (Laband)...............................29 8. Die Eigentumsordnung der europäischen Kulturstaaten (Menger) 31 9. Staat und Gesellschaft (Bornhak)............................32 10. Staatliche Sozialpolitik (Gustav Maier)....................35 11. Der Anarchismus (Menger)...................................39 B«. Vas Deutsche Reich 12. Die Entwicklung des Staatsgedankens in Deutschland (Sohm) 44 13. Der Ständestaat im Unterschied vom konstitutionellen Staate (von Below).................................................52 14. Deutsche Grundrechte und Pflichten (Bluntschli)............63 15. Das Reich als Staat und Bundesstaat (Anschütz) .... 69 16. Der Kaiser (Geffcken)......................................77 17. Das Wesen des Bundesrats (Laband)..........................83 18. Der Reichstag (Loening)....................................87 19. Der Reichskanzler und der preußische Ministerpräsident (zum Teil nach Bismarck).........................................97 20. Kirche und Schule (Nehm)..................................101 21. Der Staatsbedarf und die Staatseinnahmen (Zeitlin) . . 106 22. Die Staatsschulden (Zeitlin)..............................113 23. Deutschland als Staat der Weltpolitik (Lamprecht) . . . 116
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