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1. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 265

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
265 3. Weitzt du, wieviel Kinder frühe Stehn aus ihren Bettlein auf, Daß sie ohne Sorg' und Mühe Fröhlich sind im Tageslauf? Gott im Himmel hat an allen Seine Lust, sein Wohlgefallen, Kennt and) dich und hat dich lieb. 253. Morgenlied. August Heinrich Hoffmann v. Fallersleben. 1. Die Sterne find erblichen Mit ihrem güldnen Schein; Bald ist die Nacht entwichen, Der Morgen dringt herein. 2. Noch waltet tiefes Schweigen Im Tal und überall; Auf frisch betauten Zweigen Singt nur die Nachtigall. 3. Sie singet Lob und Ehre Dem hohen Herrn der Welt, Der überm Land und Meere Die Hand des Segens hält. 4. Er hat die Nacht vertrieben; Ihr Kindlein fürchtet nichts! Stets kommt zu seinen Lieben Der Vater alles Lichts. 254. Iu nichts Böses! Wilhelm Hey. 1. Tu nichts Böses, tu es nicht! Weißt du? Gottes Angesicht Schaut vom Himmel auf die Seinen, Auf die Großen, auf die Kleinen, Und die Nacht ist vor ihm Licht! 2. Sind auch Vater, Mutter weit, — Er ist bei dir allezeit. Daß du ja kein Unrecht übest Und sein Vaterherz betrübest! Ach, das wär’ dir künftig leid. 255. Das Gewitter. Haltaus. Das Wetter war sehr schwül. Gegen vier Uhr nachmittags stiegen hinter den Bäumen des Gartens zackige Wolken auf; das waren Vor- boten eines Gewitters. Höher und höher stiegen die Wolken, und hinter ihnen war der Himmel dunkel wie die Nacht. Ein Sturmwind erhob sich und sauste vor ihnen her; er fuhr durch das Laub der Bäume

2. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 327

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
327 führen, wo er am dicksten ist: da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Hause, und wir sind sie los." „Nein, Frau," sagte der Mann, „das tue ich nicht; wie sollte iclts übers Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen, die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreißen." „O du Narr," sagte sie, „dann müssen wir alle vier Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln," und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte. „Aber die armen Kinder dauern mich doch," sagte der Mann. Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Frau zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Häusel: „Nun ist’s um uns geschehen." „Still, Gretel," sprach Hänsel, „gräme dich nicht, ich will uns schon helfen." Und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertür auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Hause lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viel in sein Rock- täschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: „Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen!" und legte sich wieder in sein Bett. Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder: „Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen!" Dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach: „Da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßfs nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts!" Gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Walde. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Hause zurück und tat das wieder und immer wieder. Der Vater sprach: „Hänsel, was guckst du da und bleibst zurück? Hab acht und vergiß deine Beine nicht!" „Ach, Vater," sagte Hänsel, „ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dache und will mir Ade sagen." Die Frau sprach: „Narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint." Hänsel aber hatte

3. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 328

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
328 nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater: „Nun sammelt Holz, ihr Kinder! Ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert." Hansel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, sagte die Frau: „Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir wieder und holen euch ab." Hansel und Gretel saßen am Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten sie, ihr Vater wäre in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte, und den der Wind hin und her schlug. Und als sie so lange gegessen hatten, fielen ihnen die Augen vor Müdig- keit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach: „Wie sollen wir nun aus dem Walde kommen?" Hänsel aber tröstete sie: „Wart nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg schon finden!" Und als der volle Mond auf- gestiegen war, so nahm Hänsel sein Schwesterchen an der Hand und ging den Kieselsteinen nach, die schimmerten wie neugeschlagene Batzen und zeigten ihnen den Weg. Sie gingen die ganze Nacht hindurch und kamen bei anbrechendem Tage wieder zu ihres Vaters Haus. Sie klopften an die Tür, und als die Frau aufmachte und sah, daß es Hänsel und Gretel war, sprach sie: „Ihr bösen Kinder, was habt ihr so lange im Walde geschlafen? Wir haben geglaubt, ihr wolltet gar nicht wiederkommen." Der Vater aber freute sich, denn es war ihm zu Herzen gegangen, daß er sie so allein zurück- gelassen hatte. 2. Nicht lange danach war wieder Not in allen Ecken, und die Kinder hörten, wie die Frau nachts im Bette zu dem Vater sprach: „Alles ist wieder aufgezehrt, wir haben noch einen halben Laib Brot, hernach hat das Lied ein Ende. Die Kinder müssen fort, wir wollen sie tiefer in den Wald hineinführen, damit sie den Weg

4. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 330

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
330 sagte zu Gretel: „Wir werden den Weg schon finden!" Aber sie fanden ihn nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Walde nicht heraus und waren so hungrig, denn sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen. Und weil sie so müde waren, daß die Beine sie nicht mehr tragen wollten, so legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein. 3. Nun war's schon der dritte Morgen, daß sie ihres Vaters Haus verlassen hatten. Sie fingen wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den Wald, und wenn nicht bald Hilfe kam, so mußten sie verschmachten. Als es Mittag war, sahen sie ein schönes, schnee- weißes Vöglein auf einem Ast sitzen, das sang so schön, daß sie stehen blieben und ihm zuhörten. Und als es fertig war, schwang es seine Flügel und flog vor ihnen her, und sie gingen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte, und als sie ganz nahe herankamen, so sahen sie, daß das Häuslein aus Brot gebaut war und mit Kuchen gedeckt; aber die Fenster waren von hellem Zucker. „Da wollen wir uns dranmachen," sprach Hänsel, „und eine gesegnete Mahlzeit halten. Ich will ein Stück vom Dach essen, Gretel, du kannst vom Fenster essen, das schmeckt süß." Hänsel reichte in die Höhe und brach sich ein wenig vom Dch ab, um zu versuchen, wie es schmeckte, und Gretel stellte sich an die Scheiben und knupperte daran. Da rief eine feine Stimme aus der Stube heraus: „Knupper, knupper, kneischen, Wer knuppert an meinem Häuschen?“ die Kinder antworteten: „Der Wind, der Wind, Das himmlische Kind.“ und aßen weiter, ohne sich irre machen zu lassen. Hänsel, dem das Dach sehr gut schmeckte, riß ein großes Stück davon herunter, und Gretel stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich nieder und tat sich wohl damit. Da ging auf einmal die Tür auf, und eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, kam herausgeschlichen. Hänsel und Gretel erschraken so gewaltig, daß

5. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 332

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
332 geduld, und sie wollte nicht länger warten. „Heda, Gretel," rief sie dem Mädchen zu, „sei flink und trag Wasser; Häusel mag fett oder mager sein, morgen will ich ihn schlachten und kochen." Ach, wie jammerte das arme Schwesterchen; als es das Wasser tragen mußte, und wie flössen ihm die Tränen über die Backen herunter! „Lieber Gott, hilf uns doch," rief sie aus, „hätten uns nur die wilden Tiere im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben." „Spare nur dein Geplärre!" sagte die Alte. „Es hilft dir alles nichts." Frühmorgens mußte Gretel hinaus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer anzünden. „Erst wollen wir backen," sagte die Alte, „ich habe den Backofen schon eingeheizt und den Teig geknetet!" Sie stieß das arme Gretel hinaus zu dem Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen. „Kriech hinein," sagte die Hexe, „und sieh zu, ob schon recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschieben können!" Und wenn Gretel darin war, wollte sie den Ofen zumachen, und Gretel sollte darin braten, und dann wollte sie’s auch aufessen. Aber Gretel merkte, was sie im Sinn hatte, und sprach: „Ich weiß nicht, wie ich's machen soll; wie komm’ ich da hinein?" „Dumme Gans," sagte die Alte, „die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte selbst hinein," krabbelte heran und steckte den Kopf in den Backofen. Da gab ihr Gretel einen Stoß, daß sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! da fing sie an zu heulen, ganz grauselig; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe mußte eiendlich verbrennen. 5. Gretel aber lief schnurstracks zum Häusel, öffnete sein Ställ- chen und rief: „Hänsel, wir sind erlöst, die alte Hexe ist tot!" Da sprang Hänsel heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm die Tür aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut, sind sich um den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich ge- küßt! Und weil sie sich nicht mehr zu fürchten brauchten, so gingen sie in das Haus der Hexe hinein, da standen in allen Ecken Kasten mit Perlen und Edelsteinen. „Die sind noch besser als Kieselsteine," sagte Hänsel und steckte in seine Taschen, was hinein wollte, und Gretel sagte: „Ich will auch etwas mit nach Hause bringen," und

6. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. uncounted

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg

7. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 1

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
Anhang für die Provinz Posen. 1. Die zwei Hasen. Hermann Konrad. Es war Herbst. Die Jagd war vorüber, da trafen sich zwei Hasen, die mit knapper Not dem Tode entronnen waren. Noch zitterten sie am ganzen Leibe. „Ach," klagte der eine, „wir armen, geplagten Hasen, was fangen wir nun an? Niemand schont uns, und das geringste Ge- räusch erschreckt uns darum schon. Es ist am besten, wir nehmen uns das Leben." Der andere stimmte zu, und so liefen sie gemeinsam der Netze zu. Als sie eben in das Wasser springen wollten, hüpfte vor ihnen ein Frosch in den Flutz. Beide standen nun am Ufer. Wie der Frosch aber nach einiger Zeit wieder auftauchte, fragten sie ihn, warum er vorhin so schnell hinabgesprungen sei. „Ich fürchtete mich vor euch," war die Antwort. Da sahen die Hasen einander an und sprachen: „Wenn es noch jemand gibt, der sich vor uns fürchtet, dann brauchen wir auch noch nicht in den Tod zu gehen." So gibt es denn noch Hasen bis auf den heutigen Tag. 2. Der Schloßberg in Posen. Otto Knoop. Sagen und Erzählungen aus der Provinz Posen. Von dem Schloßberge in Posen berichtet die Sage folgendes: Zur Zeit des polnischen Königs Kasimir des Großen wurden die Untertanen von ihren Schirmherren oder Woiwoden sehr be- drückt, obwohl der König selbst mitleidig und leutselig war. Auch Posen hatte einen solchen Woiwoden; dieser hieß Borkowski. Er war sehr böse und hatte mit dem Teufel ein Bündnis geschlossen. Mittelschullesebuch I. Anhang für Posen. 1

8. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 3

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
3 wie ich ihn habe reden lehren) sagte schmunzelnd der Bauer zu seiner Frau und aß ruhig weiter. „Herr," sprach der Knecht ängstlicher, „der schöne Glanz fiel dem Rattenbeißer aus den Schwanz, der Rattenbeißer lief in den Lämmertanz, und der Lämmertanz steht im schönen Glanz!" „Höst, Höst, wu ik äm hebb räde letzt," sagte der Bauer wieder zu seiner Frau. Da wurde es dem Knecht doch zu arg, und er schrie: „Bue, d' Schaupstall brinnt!" (Bauer, der Schasstall brennt!) „Helln o Wäde," (o Wetter) ries der Bauer, sprang auf und lief hinaus, das Feuer zu löschen. Seine „feine" Sprache aber soll er seit diesem Tage nicht mehr gebraucht haben. 4. Sangengold. Theodor Krausbauer. Was die Großmutter erzählt. Schlichte Geschichten, Märchen und Sagen aus dem Posener Land. Lissa i. P., Eulitz. Es war einmal eine arme Frau, der war der Mann gestorben, und sie hatte sieben kleine Kinder und kein Vröckchen Brot für sie zu essen. Es war aber zur Zeit der Weizenernte. „Kinder," sagte sie da eines Morgens zu ihren Sieben, „ich weiß nicht, woher wir Brot nehmen sollen; Geld, welches zu kaufen, habe ich nicht, auch keinen roten Heller. So wollen wir zu dem reichen Nachbar auf den Kornacker gehen, Sangen zu lesen. Der wird es uns wohl erlauben." Und der Reiche erlaubte es ihnen. Und so sammelten sie Ähren bis an den Abend und droschen sie aus und hatten einen ganzen Scheffel voll Weizenkörner. Die trugen sie in die Mühle, daß der Müller sie zu Mehl mahle. Das Mehl ward aber so fein, wie der Müller noch keins ge- sehen hatte. „Ei," dachte er, „das kommt mir ja gerade recht für meine Kind- taufe am nächsten Sonntage, wo ich Kuchen backen muß," nahm das Mehl der armen Frau für sich und füllte ihr den Sack mit grober Kleie. Als es nun Abend war und die Kinder der armen Frau zur Mühle kamen, das Mehl zu holen, da gab er ihnen den Sack mit der Kleie. Er aber lud das Mehl auf die Schulter, um es aus der Windmühle heimzubringen. 1*

9. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 5

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
5 „Schweig!" sagt unser Peter Sült zu ihr, und hackt mit seiner Art auf die Kiefer los, die er eben fällen will, daß die Späne umher- fliegen, und ihm tropft der Helle Schweiß von der Stirn. Nach einer Weile aber hebt sie wieder an und „Peter!" raunt sie ihm zu, „nun helfen auch des Doktors Kräutersäfte schon nichts mehr, und mit dem Husten wird's von Stunde zu Stunde schlimmer. Und nun sollst du ihr Honig zur Linderung geben und hast keinen und mußt den letzten Groschen hingeben, welchen zu kaufen. Und wo willst du dann Brot hernehmen für dich und die Kinder?" Wieder hackt unser Peter auf den Baum los, und noch stärker als vordem, als ob er die Sorgen bannen möchte. Aber nach einer Weile hat sie doch wieder ihren Mund aufgetan. Und „Peter," sagt sie, „was soll dann werden, wenn dein Weib von chrem Krankenbett nicht wieder aufsieht und stirbt und du sitzest mit deinem Häuflein Kinder allein. Da kannst du mit dem geschälten Stecken davonziehen und dein Brot mit Betteln vor den Türen suchen. Was willst du dich hier noch länger abrackern, Peter? Wirf die Art hin und zieh' in die weite Welt hinaus!" Da hat der Peter die Art hingeworfen und ist stracks davon- gelaufen, aber nicht in die weite Welt, sondern zum Lehrer, der ihnen auch jeden Sonntag die Betstunde gehalten hat; denn einen Pastor haben sie im Hauland noch nicht gehabt. Und „Lehrer," hat er zu ihm gesagt, „sagt mir die Wahrheit! Kann mir unser Herrgott helfen in meiner Not!" und erzählt ihm all sein Leid und was ihn drückt. Der Lehrer hat ihn ruhig angehört und spricht dann nach einer Weile zu ihm: „Ja, Peter, er kann's; — er kann dir helfen, so wahr dort die Sonne am Himmel steht. Du mußt nur fein stille abwarten, bis er's an der Zeit hält." Da ist Peter Sült in seinen Rodwald zurückgegangen und hat die Art wieder zur Hand genommen. Und wenn die Sorge wieder gekommen ist, ihm das Herz zu beschweren, hat er gesagt und hat Streich auf Streich dabei getan —: „Hebt euch davon, böse Gedanken! Unser Herr- gott kann mir schon helfen, wenn er will. Und er wird's auch schon tun." Und der Peter hat auch nicht lange mehr warten brauchen. Wie es Abend wird, da ist ein schweres Unwetter am Himmel heraufgezogen, mit Sturm und Regen und Hagelschauer, wie Peter Sült und all die Bauern im Hauland noch keins erlebt haben, weder im Hauland, noch in der alten Heimat im Schlesierland. Und der Sturm hat die ganze

10. (Zweites und drittes Schuljahr) - S. 7

1910 - Frankfurt am Main : Diesterweg
7 Tier dort zu finden, ging er hinein. Es war finster und feucht in der Höhle; doch von fern sah er etwas Helles schimmern. Freudig lief er darauf zu, weil er glaubte, es sei das weiße Kalb; als er aber näher kam, merkte er, daß der helle Schein nicht von dem weißen Kalbe herrührte, sondern von einem Edelstein, der auf dem Boden lag und wie ein Diamant aussah. Er hob ihn auf, und weil der Stein ein helles Licht verbreitete, so ging er weiter hinein in die Höhle, um dort vielleicht noch mehr zu finden. Noch war er nicht weit gegangen, da hörte er jemand singen, und plötzlich öffnete sich eine Tür, und der Hirt stand in einem weißen Saale, der aus lauter Eis bestand. Das Sonderbare aber dabei war, daß aus dem Eise lauter Blumen, Edelweiß, Genzianen und Bergrosen hervor- blühten. In der Mitte des Saales saß auf einem Thron von leuchten- den Eiskristallen eine wunderschöne Frau, welche ein Lied sang. Als sie den Hirten, der den Edelstein in der Hand trug, erblickte, sprang sie auf, lief auf ihn zu und rief: „Mein Edelstein!" Der Hirt gab ihr den Stein. Sie nahm ihn sofort an sich, indem sie sagte: „Ach, wie bin ich froh, daß ich meinen Edelstein wieder habe! Du hast mir meine Macht gerettet; denn ohne diesen Stein habe ich keine Macht. Ich sah mir gestern wieder einmal die Erde an, und dabei habe ich ihn wohl verloren." Dann faßte sie den Hirten bei der Hand und führte ihn an den Wänden des Saales umher; sie sagte ihm, daß all die Blumen Wunderblumen seien, und wenn er sich davon einen Strauß pflücken wolle, so werde er der glück- lichste aller Sterblichen sein. Das Edelweiß bringe Gesundheit, die Rosen Liebesglück, die Genzianen Reichtum. Der Hirt pflückte sich einen Strauß und dankte der schönen Fee. Diese begann jetzt wieder zu singen, und nun strömten aus allen Türen schöne Mädchen heraus. Sie begannen einen lieblichen Tanz, so daß der Hirte ganz davon bezaubert war. Nun forderte ihn die erste Frau auf, mit ihr zu tanzen. Er konnte nicht tanzen; aber doch tanzte er mit drei Mädchen, und als er damit fertig war, schenkte ihm jede etwas. Die erste schenkte ihm Schönheit, und sofort war der Hirt um einen Kopf größer, breit und stark, und sein Antlitz strahlte in edlem Glanze; die zweite schenkte ihm Klugheit und die dritte ein gutes Herz. Endlich winkte ihm die erste Fee und führte ihn selbst zur Höhle hinaus. Am Eingang stand auch schon das Kälbchen. Der Hirt trieb es zur Herde zurück und wollte dann in seine Hütte gehen.
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