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1. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. VI

1914 - München : Oldenbourg
Vi Einleitung. Kleidung dienten Felle, die mit Flechtnadeln und Zwirn aus Tiersehnen zusammengefgt wurden. Als Wohnungen bentzte man am liebsten Hhlen, da sie Schutz gegen Witterungseinflsse boten und leicht zu verteidigen waren. Wo es keine Hhlen gab, schlug man die Lagersttte unter berhngen-den Felswnden auf. Fehlten auch diese, so suchte der Urmensch natrliche Boden-senkungen, hohle oder dichtbelaubte Bume u. dgl. durch einige Zutaten von seiner Hand (Windschirme, Dcher, Wnde, Umzunungen usw.) wohnlich zu machen. Haustiere gab es nicht; ebenso waren Ackerbau und Tpferei wahr-scheinlich noch unbekannt. Die W e r k z e u g e und W a f f e n, wie Messer, Beile, Lanzenspitzen :c. zc., wurden hauptschlich aus Stein hergestellt und durch kunstvolles Schlagen in die gewnschte Form gebracht. Daneben fanden auch andere Stoffe, wie Holz (zu Keulen), Hom, Knochen und Zhne (zu Dolchen, Nadeln usw.), Verwendung. Die sorgfltige Bearbeitung dieser Stoffe bezeugt, da den Urmenschen Schn-heitsgeshl und Kunstsinn durchaus nicht abgingen. Das sieht man auch aus den naturwahren Zeichnungen (Bildern von Tieren und Menschen), mit denen die Hhlenwnde hufig geschmckt wurden. Wichtige berreste aus jener Zeit sind besonders in Sdwestfrankreich, dann in Mitteldeutschland (bei Weimar) und in Bayern (bei Wrdlingen) gefunden worden. 2. Die jngere Steinzeit. In der jngeren Steinzeit drfte das Klima ungefhr das gleiche gewesen sein, wie es jetzt noch ist. Ebenso glich die Pflanzen-und Tierwelt der heutigen; wenigstens finden wir unter den Tieren die auffallen-den Vertreter der Groen Eiszeit (Mammut usw.) nicht mehr. Dagegen treten als wichtige Neuerscheinung gezhmte Tiere (Haustiere) auf, zuerst der Hund, dann das Rind, das Schaf und die Ziege, spter das Schwein und schlielich das Pferd. Die Menschen trieben Ackerbau und gewannen zunchst Gerste, Weizen und Hirse, dann Erbsen und Bohnen, spter Hafer und Roggen; ferner zog man schon Obst (pfel, Birnen, Sauerkirschen); auerdem lernte man den Flachs behandeln und durch Flechten und Stricken zu Schnren, Netzen und Tchern verwerten. Doch waren die Menschen teilweise auch noch Jger und Fischer. Die meisten Spuren ihrer Lebensweise entdeckt man in den sog. Kchen-abfallhausen, die besonders zahlreich an der nordischen Seekste (na-mentlich in Dnemark und Schleswig) vorkommen und berreste aus den verschiedenen Abschnitten der Urzeit enthalten. Je mehr indes der Ackerbau Hauptbeschftigung wurde, desto emstlicher mute sich auch der Mensch an eine gewisse Sehaftigkeit gewhnen. Demgem finden wir jetzt neben den Hhlenwohnungen die der einer (als Feuersttte dienenden) Grube errichteten Rund Htten sowie die Pfahlbauten, deren Reste in vielen Seen der nrdlichen Alpenvorlnder^) noch vorhanden sind. Die Pfahlbandrfer waren auf starken Rosten, die eine breite Plattform trugen, aufgeoaut und zwar in derartiger Entfernung vom Ufer, da einerseits eine gewisse Sicherheit (gegen pltzliche berflle u. dgl.) gegeben, anderseits ein leichter Verkehr mit dem Lande mglich war. Die Htten bestanden aus Holz oder Stroh, hatten jedoch eine aus Steinen errichtete Feuerstelle. Tische, Bnke, Webevornchtungen, ferner geflochtene Matten (aus Baumbast) und Krbe (aus x) Prchtige Funde aus dem Tegern- und dem Starnbergersee (Roseuinsel) fmden sich im Mnchener Museum fr vorgeschichtliche Altertmer, solche aus den Seen des Salzkammergutes in Salzburg.

2. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 1

1914 - München : Oldenbourg
Zweiter Hauxtteil. Die Neubildung der europischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter). (Vgl. Grundbegriffe S. Xv.) berblick. Whrend sich die wichtigsten Ereignisse des Altertums hauptschlich in Vorderasien und in den Lndern um das Mittelmeer abspielen, er-weitert sich seit der sog. Vlkerwanderung der Schauplatz der Geschichte der ganz Mitteleuropa bis an die Nord- und Ostsee. Als Vermittlerin und Spenderin der Kultur erscheint nunmehr die christliche Kirche, die auer der religisen Wahrheit auch das Erbe der griechisch-rmischen Bildung, besonders auf den Gebieten des Staatswesens, der Rechtspflege, der wirtschaftlichen Verhltnisse sowie der Kunst und Wissenschaft, ber-liefert. Neben das Christentum tritt im Abendlande das Germanen-tum. Vom Germanentum zweigt sich sodann das Romanentum ab, entstanden durch Vermischung germanischer und rmischer Bevlkerungs-teile in den ehemaligen Provinzen des Rmerreiches. Im Morgenlande behauptet sich zunchst Byzanz (Ostrom, Konstantinopel) als Sttzpunkt der griechisch-rmischen Kultur und bermittelt diese nebst dem Christen-tum den laben. Neben Byzanz kommen dann die Araber aus, die-den Islam beitreten; dieser berbreitet sich hauptschlich der Vorderasien und Nordafrika, borbergehend auch der einzelne Teile Sdeuropas. Gegen Ende des Mittelalters erliegen die byzantinische und die arabische Macht den Trken. Somit bleiben zu Beginne der Neuzeit fr die Weiterbil-dung der Kultur bor allem der christlich-romanisch-germanische und der christlich-slavische Kulturkreis^) brig. x) Unter Kultur kreis versteht man einen Kreis von Vlkern, die im wesentlichen eine gleichartige Kultur haben. Lorenz, Geschichte fr Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten Ii. 1

3. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 3

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 3 v. Neapel) und verpflichtete dessen Insassen zur persnlichen') Armut, zur Ehe-losigkeit und zum Gehorsam, auerdem zu steter ntzlicher Beschftigung. In kurzer Zeit dehnte sich der Benediktinerorden in zahlreichen Mederlassungen der das Gebiet der abendlndischen Kirche aus und entfaltete nach dem Grund-satz Bete und arbeite!" eine segensreiche Ttigkeit. Neben Gottesdienst, Aus-bung der Seelsorge u. dgl. pflegten die Mnche vor allem die Landwirtschaft und das Handwerk, unterrichteten das Volk in ihren trefflichen Klosterschulen, halfen den Armen, Unglcklichen und Kranken, beherbergten die Reisenden, vervielfltigten wertvolle Bcher, frderten die Knste und Wissenschaften-) usw. Die berlegenheit der christlichen Lehre der die heidnische lag vor allem darin, da sie nicht mehr die Natur und ihre Erscheinungen, also die Geschpfe, vergtterte, sondern den Schpfer selbst verehrte, demgem von der Vielheit der Götter zur Einheit des Gottesbegriffes fhrte (vgl. Erst. Hauptteil S. 3). Femer behauptete sie die Gleichheit der Menschen vor Gott und trug damit viel zur Uberbrckung und Milderung der Gegenstze bei, die sich nun einmal innerhalb der menschlichen Gesellschaft finden (arm, reich; vornehm, gering 2c. :c.). Allerdings lt sich die Gleichheit der Menschen im Diesseits nicht durchfhren. Dafr lehrt das Christentum den Ausgleich im Jenseits, wo das Gute belohnt und das Bse bestraft wird. Diese Lehre ist fr alle Menschen ein Sporn zum Guten, eine Abhaltung vom Bsen, fr viele Unglckliche ein Trost; ferner hlt sie manchen Reichen und Mchtigen ab, feinen Reichtum und feine Macht zu mi-brauchen. beraus wohlttig fr die menschliche Gesellschaft wirken auch die christlichen Gebote der Nchstenliebe, der Entsagung und des Opfermutes. n. Die Germanen. Land und Bevlkerung. 1. Das Land Germanien. Die ltesten nachweisbaren Wohnfitze der Germanen lagen im allgemeinen um die Ostsee, hauptfchlich um deren sdlichen Teil herum und reichten im Westen bis an die Nordfee und an (teilweife auch der) die Weser, im Sden bis an die deutschen Mittel-gebirge und im Osten bis der die untere Weichsel. Die Rhein- und Donau gebiete, besonders die Lnder sdlich der Donau sowie Bhmen, waren bis ins 4. Jahrh. von Kelten befetzt. Klima und Produkte. Germanien galt bei den Rmern als ein rauhes, unwirtliches Land, bedeckt mit ausgedehnten Wldern und Smpfen. Die wenigen fruchtbaren Gebiete trugen Getreide und Flachs, ferner Kraut und Rben sowie Obst, das aber nicht fo fein war wie die edlen Sorten Italiens. Die Bewohner zchteten hauptfchlich Pferde, Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen. In den Wldern hauste mancherlei Wild (Urochfert, Elentiere, Wildschweine, Hirsche, Bren, Wlfe, Luchse, Wildkatzen ic.) neben zahlreichen Raubvgeln. Die J) Der Orden selbst durfte Besitz erwerben und wurde sogar im Laufe der Zeit sehr reich, machte aber von seinem Reichtum einen edlen Gebrauch. a) Bald entstanden auch fog. Nonnen( Frauen-Mster, deren Insassen hnlich lebten wie die Benediktiner und sich besonders um die Erziehung und Ausbildung des weiblichen Geschlechtes verdient machten. !

4. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 5

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 5 getrnke dienten Bier (aus Gerste ohne Hopfen), Obstwein und Met (aus Honig bereitet). Die gewhnliche Beschftigung der freien Germanen waren Jagd und Krieg, ferner krperliche und Waffenbungen, auerdem die Teilnahme an den Volksversammlungen, an der Rechtspflege und an den ffentlichen Festen. Die Haus- und Feldarbeit berlieen die Männer gerne den Frauen und Alten, den heranwachsenden Kindern sowie den Knechten und Mgden. Die Stellung der Frau. Allgemein begegnete man den Frauen mit Achtung und Ehrfurcht, besonders den Priest er innen, die unvermhlt blieben. Die Brautgabe, die der Mann feiner zuknftigen Gattin darbrachte, bestand in Rindern, einem Streitro und einem Schild nebst Speer und Schwert. Damit sollte an-gebeutet werden, da die Braut die Pflichten ihres Gatten, der Landwirt und Krieger war, mit ans sich nehmen mffe. Die Kindererziehung war streng und lag, solange die Kinder klein waren, in den Hnden der Mutter. Dann unterrichtete der Vater die heranwachsenden Knaben im Gebrauche der Waffen, während die heranwachsenden Mdchen von der Mutter in den huslichen Obliegenheiten ausgebildet wurden. Smtliche Familienmitglieder standen unter der Gewalt und dem Schutze (altb. munt = Hand; vgl. unser Vormund") des Hausvaters^). Hervorstechende Eigenschaften. Von den rmischen Schriftstellern, namentlich Csar und Tacitus (Erst. Hauptteil S. 98 u. 107), werben unsere Vorfahren als fteiheitliebenb und unerschtterlich tapfer, femer als gastfreunblich, treu, ehrlich und unverborben gerhmt und den entarteten Rmern als Muster vorgefhrt. Bei den Germanen", sagt Tacitus, vermgen gute Sitten mehr als x) Unumschrnkter Herr (muntwalt) der Gesamtfamilie war der Hausvater. Wurde ein Kind geboren, so legte es die Amme vor die Fe des Vaters. Dieser konnte es aufheben oder abweisen. Wies er es ab, so wurde es ausgesetzt. Hob er es auf und gab es der Amme zurck (daher die Bezeichnung Hebamme"), so erklrte er damit, da er es aufziehen wolle. Nun gab der Vater dem Kinde den Namen und weihte es durch Wasser. In den ersten Lebensjahren gehrten die Kinder ganz der Mutter, die sie nhrte, kleidete, badete usw. Bei schlechtem Wetter, wenn es drauen strmte und tobte, oder an den langen Winterabenden drngten sich die Kleinen am traulichen Herdfeuer um die Eltern oder die Groeltern und lauschten gespannt den Erzhlungen derselben von Gttern und Helden, von den Vorfahren und ihren Taten, von Land und Leuten u. dgl. So wurden die Keime der Religion, der Heimat- und Volkskunde in die Kinderseelen gelegt. Dxr Umgang mit Knechten und Mgden, mit den Hrigen und deren Kindern bewahrte die Herrenkinder vor Hochmut und berhebung. Die reiferen Knaben wurden dann vom Vater im Waffenschnitzen und -schmieden, in Speer- und Gerwurf u. dgl. unterwiesen und wohl auch mit auf die Jagd genommen. Die Mdchen halfen der Mutter im Haushalt, lernten den Spinnwirtel, den Webstuhl, den Mahlstein handhaben und muten im Bedarfsfall (z. B. zur Erntezeit) wohl auch in der Feldwirtschaft mit Hand anlegen. Waren die Mdchen erwachsen, so traten sie durch Brautkauf und Hochzeit unter die munt" eines anderen Mannes und verlieen an der Seite des Gatten das Vaterhaus. Die erwachsenen Shne wurden in der Volks-Versammlung wehrhaft gemacht und begrndeten sich dann durch Heirat einen eigenen Hausstand.

5. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 7

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 7 kennen. Doch blieb das Metallgeld, das rmischen Ursprungs war, lange Zeit hindurch sehr selten. Der Betrieb der Landwirtschaft. Von der Almende bestimmte man jhrlich ein greres Stck zum Anbau und verteilte es wechselweise (meist durchs Los) unter die einzelnen Dorfgenossen. Gewhnlich bestellte man den Acker mit Sommer-saat, solange er Ertrag bot, und bentzte ihn dann ein oder mehrere Jahre lang als Weideland (Feldgraswirtschaft). Das gemeinsame Weide- und Waldland (mit Einschlu der Gewsser) wurde in der Weise bentzt, da jeder Anteilhaber innerhalb bestimmter Grenzen freies Weide-, Holz-, Jagd- und Fischrecht hatte. Der Gesamtbesitz einer Familie sowie deren Anteil an der Almende, d. h. ihr Anrecht auf die Mtnutznieung der Almende, bildeten zusammen eine sog. Hufe (Hube). Das Staats- und Rechtswesen. 1. Die staatlichen Verhltnisse. Wie berall entwickelte sich die staat-liche Gemeinschaft zunchst aus der Familie. Die unter sich blutsverwandten Familien bildeten zusammen ein Geschlecht oder eine Sippe, deren Mitglieder Magen hieen; die Magen wohnten ursprnglich auch in einer Dorfgemeinde oder, wenn auf mehrere Drfer verteilt, als Mark-Genossenschaft^) nahe beieinander. Mehrere verwandte und benach-barte Dorf- oder Markgenossenschaften bildeten in der Regel einen Gau, mehrere Gaue eine selbstndige Vlkerschaft. Neben dieser rtlichen Einteilung gab es von jeher auch eine persnliche; nach ihr zerfiel eine Vlkerschaft in Tausendschaften, eine Tausendschast wieder in Hundert-schasten (Verband von 100 Hufen). Spter verschwanden die Tausend-schaften und die Hundertschaften wurden Unterabteilungen der Gaue. An der Spitze eines Gaues stand der Gausrst. Die smtlichen Gau-frsten einer Vlkerschaft bildeten zusammen den Frstenrat, der die Leitung der Vlkerschaft innehatte, bei ernsten Angelegenheiten jedoch die Entscheidung der allgemeinen Vlkerschaftsversammlung einholen mute. Um im Kriegsfall eine einheitliche Leitung zu erzielen, stellte man den tchtigsten der Gaufrsten als Herzog an die Spitze der Vlker-fchaft; doch erlosch meistens sein Amt mit Beendigung des Krieges. Bei den ostgermanischen Stmmen, spter auch bei einzelnen westgermani-schen, finden wir als Volksoberhaupt einen lebenslnglichen König. Er gehrte einem bestimmten, dem kniglichen" Geschlechte an, erhielt aber seine Wrde durch Wahl (smtlicher freien Volksgenossen). Fürsten, Herzge und Könige umgaben sich mit einem sog. freiwilligen Gefolge. Dessen Mitglieder hieen Mannen und waren mit dem Gesolgsherrn durch unverbrchliche Treue bis in den Tod verbunden. Sie muten ihrem Fhrer x) Das Wort Mark" bedeutet zunchst Grenze", dann spter das an der Grenze liegende, schlielich das von der Grenze umschlossene Gebiet.

6. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 9

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 9 heit" des von ihm abgelegten Schwures eidlich bekrftigen muten. War der Tatbestand unklar, so veranstaltete man hufig Zweikmpfe oder sonstige Gottesurteile, indem man den Angeklagten zwang, einen Gegenstand aus einem Kessel voll siedenden Wassers hervorzuholen (Kesselfang) oder ein glhendes Eisen anzufassen oder mit nackten Fen darber zu gehen (Feuerprobe) u. tigl.1). Verletzte sich der Betreffende dabei ernstlich oder heilte die Wunde langsam, so galt er als schuldig. Da jedes Vergehen auch als Bruch des Landfriedens angesehen wurde, mute der Verurteilte auer der Bue an die Sippe des Geschdigten noch das sog. Friedensgeld an den Vertreter der Gesamtheit (Fürsten oder König) als Shne fr den gebrochenen Landfrieden bezahlen. Wer sich dem Ur-teil der Versammlung nicht unterwarf, galt fortan als friedlos" (gechtet) oder vogelfrei" und hie Wolf", weil ihn jeder wie einen Vogel oder Wolf im Walde tten durfte. Das Heer- und Kriegswesen. Jeder waffenfhige freie Germane war zugleich auch wehrpflichtig und mute in eigener Ausrstung und auf eigene Kosten dienen. Ausrstung, Waffengattungen und Fechtweise. Der germanische Krieger fhrte einen Schild, auerdem entweder eine lange Stolanze (Esche) oder einen mittellangen Wurfspie (Ger), daneben einen etwas krzeren Speer (die sog. Frame) fr das Handgemenge; ferner gab es Bogen und Pfeile, Keulen, Streit-Hmmer, Streitxte (Wurfbeile) und lange Streit- oder Haumesser (Aaxe). Vornehme schmckten sich mit Tierfellen samt der Kopfhaut. Sobald man durch die Berhrung mit den Rmern die Vorteile der rmischen Bewaffnung erkannte, wurde sie, besonders von den Reichen, eifrig nachgeahmt (Helm, Hmisch, Schwert). Die Hauptmasse des Aufgebotes kmpfte als Fnvolk; doch gab es tiuch eine Reiterei.als Schlachtordnung bildete man einen Keil mit den tapfer-sten Kriegern an der Spitze, der die feindlichen Reihen durchbrechen sollte. Unterlag das Heer, so mute der siegreiche Feind oft erst noch die von Frauen, Kindern und Alten verteidigte Wagenburg erstrmen (vgl. Cimbernkrieg, Erst. Hauptteil S. 84/85). Die Religion der Germanen^). Anfnglich hatten die Germanen wohl nur zwei Hauptgottheiten, den leuchtenden Himmelsgott Tiwas (spter Ziu) und die mtterliche Erdgttin Nerthus (Hertha, Berchta3), Erda). Vom Himmelsgott trennte man dann den Gewitter- und Blitzgott Donar, von diesem wieder den Sturm- und Wettergott Wuotan (den Wtenden) ab. Ebenso traten neben die Erdgttin eine Frhlings- und Sommergttin Freya sowie a) Daher die Redensarten die Feuerprobe bestehen" oder fr einen durchs Feuer gehen" oder sich die Finger verbrennen" usw. 2) Die wichtigsten Quellen fr die Kenntnis der germanischen Gttervorstellungen sind neben Tacitns und den deutschen Volkssagen zwei aus Island stammende Lieder--sammlungen, beide Edda" genannt. 3) An das Frhlingsfest der Gttin (Wiedererwachen des Pflanzenlebens) er-innert noch heute der in manchen Gegenden gefeierte sog. Berchtentag.

7. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 11

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 11 lichen Schnheit (Holda). Im deutschen Mrchen wurde die ehemalige Sturm-gttin zur Frau Holle (Schneesturm). 5. Freher (Frey, Fro Herr), der Gott des sommerlichen Wachstums, mit-unter auch Sommersonnengott, der auf goldborstigem Eber (Sonnenlicht) der die hrenfelder reitet. Mit ihm verwandt ist Baldur (Frhlingsgott), der die alles belebende Frhlingssonne darstellt. Dessen Bruder wieder ist der blinde Hdur, der lichtlose Wintergott. Durch Lokis Tcke verfhrt, ttet Hdur seinen Bruder Baldur ohne es zu wissen und zu wollen mit einem Mistelzweig (Versinnbildlichung des Kampfes zwischen Sommer und Winter, Licht und Finsternis). 6. Heimdal (Riger), der weithinsehende Wchter an der Himmelsbrcke Bifrst (Regenbogen). Mit drhnendem Horn ruft er die Götter und die Helden aus Walhalla, wenn die feindlichen Frost- und Flammenriesen nebst anderen Unholden zum letzten Weltenkampfe heranrcken. Alle diese Götter (Wjett) wohnen in der Himmelsburg Asgard. b) Die Nebengottheiten. Unter die Nebengottheiten gehren der Meergott gir, die Frhlingsgttin Ostra, die Himmelsgrtnerin Jduna, deren pfel den Asen ewige Jugend ver-leihen, und die Nornen (Wurd = Vergangenheit, Werdandi = Gegenwart, Skuld -----Zukunft), die in ein Runenseil^) das Schicksal der Götter und Menschen flechten. Die Nornen wohnen am Fue der Weltesche Yggdrasil, die ihre Wurzeln bis nach Helheim hinabsenkt, mitten um ihren Stamm die Welt der Menschen (Mid-gard) trgt und mit ihren Wipfeln bis Asgard hinaufreicht. c) Sonstige bernatrliche Wesen. Zu ihnen zhlt vor allem Soft (Loge), ursprnglich das verkrperte Erdfeuer, dann berhaupt die flammende Lohe; da diese den Menschen bald ntzlich bald schdlich ist, erscheint Loki anfnglich als Freund der Asen, schlielich jedoch als einer ihrer Hauptfeinde. Seine Kinder sind der gefrige Leichenwolf Fenrir (das alles Leben verzehrende Feuer), die Todesgttin Hel (die alles Abgestorbene2) in ihren Scho aufnehmende Erde) und die Midgardfchlange, weil sie die Erde umschlingt. Die sog. Riesen (Joten) versinnbildlichen die dem Ackerbau gefhrlichen Naturerscheinungen, z. B. berschwemmungen, Frost, Eis, Hagel, Hitze, Drre 2c. Die Frost- und Eisriesen hausen im kalten Norden; der rauchgeschwrzte Feuer-riefe Surtur wohnt im heien Sden. In der spteren Sage erscheinen die Riesen manchmal auch als feuer- oder giftspeiende Drachen (Lindwrmer) oder Menschenfresser. Auerdem bevlkern Geister aller Art (Alben, Elfen) die Umgebung des Menschen, dem sie teils freundlich teils feindlich entgegentreten (Lichtalben, Schwarzalben). So treiben im Haufe und am Herde die Kobolde (Wichtel-, Heinzelmnnchen) ihr Wesen, in den Lften die eigentlichen Elfen, in den Wldern die Schrate (Schrtlein), in den Gewssern die Nixe und Nixen (unter ihnen der herrlich singende Nck), in den Bergen und Klften die schmiedekundigen Zwerge, *) Runen sind altgermanische Schriftzeichen, etwa wie die altgyptischen Hieroglyphen. 2) Nach Helheim kommen die den Strohtod" (Tod auf dem Strohsack, also an Krankheit oder Altersschwche) Gestorbenen, während die in der Schlacht Gefallenen zur Walhalla gefhrt werden.

8. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 13

1914 - München : Oldenbourg
Die Germanen. 13 Bewohner. Deshalb beobachten wir seit dem 4. Jahrh. v. Chr. eine Be-wegung nach Westen und Sden. So drangen westgermanische Stmme bis an den Rhein vor und schoben die Kelten auf das linke Ufer des Stromes zurck. Von groer Bedeutung war der Zug der Cimbern und 118 Teutonen (Erst. Hauptt. S. 84/85). Das khne Unternehmen milang 618 zwar, wies jedoch unseren Vorfahren den Weg nach Sden. So kam es zur Germanisierung Sddeutschlands. Denn nun brachen andere west-germanische Vlkerschaften durch die deutschen Mittelgebirge und rckten zur Donau vor; der Hauptteil zog unter dem Sammelnamen Sueben (Sueven) nach Sdwesten und trieb die Walchen der den Rhein. Damit war die Besetzung des rechten Rheinufers abgeschlossen. Indes machten die Germanen am Rhein nicht halt. Im Elsa, in der heutigen Rheinpfalz und weiter stromabwrts wurde er bald ber-schritten. Schon glaubte der suebische Heerknig Ariovist das durch innere Zwietracht gelhmte Gallien, wenigstens teilweise, erobern zu knnen. Da erschien Csar; er besiegte den Ariovist, warf die Germanen zurck 58-50 und schuf fr das rmische Reich die Rheingrenze (Erst. Hauptteil S. 89). Die Westwrtsbewegung der Germanen kam zum Stillstand. Dafr suchten sie einen Ausweg nach Sdosten. So gelangten die Markomannen unter ihrem Heerknig Marbod nach Bhmen, das bisher von den um5 keltischen Bojern besetzt war. e^' 2. Die Angriffskriege der Rmer gegen die Germanen. Kaiser Augustus suchte die Nordgrenze des rmischen Reiches bis zur Donau vorzuschieben. Nachdem er selbst Dalmatien und das sdliche Pannonien unterworfen hatte, eroberten seine Stiefshne Drusus und Tiberius Ratten (mit Vindelicien), Noricum und das nrdliche Pannonien (vgl. Erst. Hauptteil S. 94). Damit war im allgemeinen die Donaugrenze gegen die Germanen erreicht. Jetzt wollte Augustus das Land zwischen Rhein, Elbe und Donau ebenfalls gewinnen, um den fortwhrenden Ein-fllen der Germanen in das linksrheinische Gebiet ein Ende zu machen. Selbst dies schien seinen Stiefshnen zu gelingen. Schon begann Tiberius Germanien als Provinz einzurichten; gleichzeitig plante er einen An-griff auf Bhmen. Die Gefahr fr die Germanen war groß. Aber die Freiheitsliebe unserer Vorfahren und ein Fehler des Augustus brachten eine Wendung. Da Tiberius sich persnlich nach Pannonien begeben hatte, um von dort aus den Angriff auf Bhmen vorzubereiten, schickte der Kaiser den bisherigen Statthalter von Syrien, Varus, nach Germanien. Dieser glaubte die stolzen Germanen ebenso behandeln zu drfen wie die knech-tisch gesinnten Syrer. Er legte ihnen einen regelmigen Tribut auf und

9. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 16

1914 - München : Oldenbourg
16 Die Hauptmchte des Mittelalters (Christentum, Germanen). Keime hherer Bildung, z. B. die Schriftkunde, gelangten zu den Germanen^) und allmhlich fand auch das Christentum Eingang. Z. Die Verteidigungskriege der Rmer gegen die Germanen. Die Grenzlande am Rhein und an der Donau blieben jedoch kein sicherer Besitz 106/67 Roms. So wurde schon im 2. Jahrh. die Donaugrenze durch die Einflle der Markomannen <167-180) ernstlich gefhrdet. Kaiser Marc Aurel trieb zwar die Markomannen und mehrere andere mit ihnen verbndete Vlkerschaften wieder der die Donau zurck (Erst. Hanptteil S. 101), sah aber wohl ein, da man die durch bervlkerung und Landnot hervorgerufene Bewegung auf die Dauer nicht aufhalten knne. Deshalb nahm er einen Teil der Eindringlinge als Kolonisten (Bauern) ins rmische 180 Reich oder als Sldner in das rmische Heer auf. Unter den spteren Kaisem traten dann ganze Vlkerschaften als freie Bundesgenossen in rmische Dienste und erhielten dafr grere Landanweisungen auf rmi-schem Gebiete oder regelmige Geldzahlungen. So wurden schlielich die Kriege gegen die Germanen hauptschlich von Germanen gefhrt. Die fortwhrenden Kmpfe um die Grenzlande seit der Mitte des 2. Jahrhunderts fhrten bei den Germanen eine nderung der staatlichen Verhltnisse herbei. Da die verschiedenen kleineren Vlkerschaften fhlten, da sie vereinzelt den Rmern nicht gewachsen waren, schlssen sich mehrere benachbarte und ver wandte Vlkerschaften zusammen und bildeten grere Stammew^Mde. So entstanden die Frgnkw (am Mittel- und Unterrhein), stlich davon (bis gegen die Elbe hin) die Smeg, nordwestlich von ihnen (a. d. Nordseekste entlang) die Friesey. Femer finden wir sdlich von den Sachsen (bis a. d. Main) im 4. Jahrh. die Thringer, sdwestlich von ihnen (am limes entlang) die Wlfltttonnert, die im 3. Jahrh. das Zehntland besetzten, und stlich von beiden (ursprnglich in Bhmen) mehrere Stmme, die dann in der Folgezeit den Hauptbestandteil der Haylv ausmachten. Von der unteren Weichsel bis zur unteren Donau breiteten sich die Gotey aus, die sich spter wieder in Ost- und Westgoten schieden. Die Goten nahmen zuerst von allen Germanen das Christentum an, allerdings in der Form des Manischen Bekenntnisses (Erst. Hauptteil S. 103). Der westgotische Bischof Uifuo bersetzte die Wm in die Sprache seiner Landsleute und schuf so das am 350 lteste germanische Sprachdenkmal. Von den Goten kam der Arianismus auch zu den anderen Ostgermanen. x) Auch die Sprache erfuhr eine Bereicherung durch zahlreiche dem Lateinischen entnommene Lehnwrter. Diese deuten noch heute darauf hin, da unsere Vor-fahren damals viele Dinge kennen lernten, fr die sie entsprechende einheimische Be-Zeichnungen nicht hatten, z. B. Ziegel (tegla), Kalk (calx), Mauer (murus), Pfeiler (pik), Pforte (porta), Fenster (fenestra), Kiste (cista), Keller (cella), Sichel (secuta), Wein (vinum), Winzer (vinltor), Wall (vallum), Pfund (pondo), Mnze (moneta), Zins (census) jc. 2) Eine aus Deutschland stammende, mit Silberbuchstaben auf purpurnes Pergament geschriebene Handschrift wird zu Upsla (in Schweden) aufbewahrt.

10. Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Das Mittelalter), die Ausgestaltung der europäischen Kultur und deren Verbreitung über den Erdball (Die Neuzeit) bis zum Westfälischen Frieden - S. 17

1914 - München : Oldenbourg
Die Ursachen der Vlkerwanderung. 17 A. Das Zeitalter der sog. Vlkerwanderung. bersicht. Im 4. und 5. Jahrh. erreichte die von Nordosten nach Sdwesten ge-richtete Blkerbewegung in Europa ihren Hhepunkt. Whrend die Nord-germanen im allgemeinen ihre Sitze behaupteten, wanderten die Ost-germanen grtenteils vollstndig aus und suchten in den ehemaligen Provinzen des Westrmischen Reiches eine neue Heimat. Die Westgermanen erweiterten ihre Gebiete ebenfalls nach Westen und Sden. In die von den Germanen verlassenen Gebiete rckten teils slavische teils sinnisch-mongolische Stmme ein (Finnen, Avaren, Ungarn). Byzanz behauptete sich in Sdosteuropa, verlor aber seine meisten auereuropischen Besitzungen an die Araber. Diese, begeistert durch eine neue Reli-gion (den Islam), erregten eine Blkerbewegung in Vorderasien und Nordasrika, suchten auch nach Europa vorzudringen, wurden jedoch in Ost-europa von Byzanz, in Westeuropa von den Franken zurckgeschlagen und konnten nur geringe Teile Europas feschalten (Sdostspanien, Sizilien). Die Ursachen der Vlkerwanderung. Die Hauptlirsache der Vlkerwanderung war die Landnot infolge der immer strker auftretenden bervlkerung. Da nun die Ausbreitung der Germanen durch die befestigte Rhein- und Donaugrenze jahrhundertelang gehemmt wurde, staute sich die Bewegung nach rckwrts und drckte vor allem auf die Ostgermanen. Diese erlitten noch einen weiteren Druck von Osten her durch die laben und die Mongolen (Hunnen), die beide westwrts drngten. So war der Druck am fhlbarsten bei den Ostgermanen, wirkte aber auch auf die Westgermanen. Weitere Ursachen waren die unseren Vorfahren angeborne Wander- und Kriegslust, der Drang nach Abenteuern sowie die Sehnsucht nach den fruchtbareren und reicheren Subern des Sdens. I. Die Wanderung der Ostgermanen. Den besonberen Anla zum Vorbringen der Ostgermanen gab der Einbruch der Hunnen in Europa. Dieses wilde Reitervolk aus Inner- 3 asten zog (um den sdlichen Ural herum) westwrts und unterwarf zunchst das Hirtenvolk der Alanen (zwischen Wolga und Don), dann die Ostgoten. Die Westgoten entzogen sich der hunnischen Herrschaft, indem sie der die Donau gingen. Damit begann die ostgermanische Wanderung, an der sich von den Westgermanen nur die Langobarden beteiligten. Lorenz, Geschichte fr Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten Il 2
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