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1. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 111

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
22. Karl's V. Abdankung und Tod. 111 zehn Mal nach Flandern, vier Mal nach Frankreich, zwei Mal nach England, zwei Mal nach Afrika, vier Mal segelte ich über die Nordsee, acht Mal durchs Mittelländische Meer. Krieg habe ich angefangen, mehr gezwungen, denn aus Neigung. Schmerzlicher als alle Mühe und Anstrengung ist es für mich, Euch zu verlassen; aber nothwendig, da ich unfähig bin, meinen Beruf länger zu erfüllen. Schon früher faßte ich in Deutschland den Entschluß, abzudanken; Empörung jedoch, der französische Krieg und der Wunsch, Deutschlands Grenzen unverletzt zu erhalten, regten mich nochmals auf. Jetzt lege ich die Regierung nieder, nicht aus Scheu vor Anstrengungen, sondern weil meine längere untaugliche Herrschaft Euch nur schaden würde. Haltet fest an dem katholischen, von jeher in der Christenheit anerkannten Glauben: ohne ihn fehlt die Grundlage alles Guten und Unheil aller Art bricht herein. — Oft habe ich gefehlt in falschem Jugendeifer, aus Mangel an Erfahrung oder aus menschlicher Schwachheit überhaupt; betheure aber, daß ich nie mit Wissen, Bedacht und Vorsatz Jemanden beleidigt oder Unrecht gethan habe oder von Andern habe thun lassen. Sollte dennoch Einer glauben, er könne sich mit Recht beschweren, so bitte ich ihn, mir meine Irrthümer und Alles zu verzeihen, worüber Klage zu erheben wäre." Hierauf wandte sich Karl an seinen Sohn und ermahnte ihn, er solle seine Unterthanen lieben, gerecht herrschen und den katholischen Glauben mit der Sorgfalt seiner Vorfahren aufrecht erhalten. Ganz erschöpft von der Anstrengung und Gemüthsbewegung mußte Karl sich wieder setzen; alle Gegenwärtigen waren aufs tiefste bewegt. Philipp kniete vor seinem Vater nieder und sagte: „So unwürdig ich solcher Ehre bin und so schwer die Last meinen Schultern ist, will ich doch meinem Vater gehorchen und hoffe, mit Gottes Hülfe, die Flanderer gerecht und so zu beherrschen, das; sie keinen Grund haben werden sich über mich zu beklagen." Maria, des Kaisers Schwester, legte ihre seit 25 Jahren mit Verstand und Mäßigung geführte Statthalterschaft nieder, die Stände der meisten Landschaften huldigten Philipp und dieser beschwor ihre Rechte. Auch die Nachfolge in Deutschland hatte Karl V. seinem Sohne Philipp zugedacht, als plötzlich der unerwartete Tod des jungen Königs Eduard Vi. von England (+ 6. Juli 1553) und die Thronbesteigung der Maria Tudor (Karl's Cousine) andere Aussichten eröffnete. Philipp mußte die neue Königin von England heirathen und sollte hier die Ausgabe der Gegenreformation übernehmen. Der Besitz des englischen Reiches sicherte zugleich dem jungen Universalherrscher seine Herrschaft über die Niederlande und bedrohte den französischen Nebenbuhler noch von einer andern Seite. So wurde denn Karl's Idee von einer spanischen Succession in Deutschland, dieser Wiege der Reformation, diesem Ursitz der neuen Ketzer-Secten, aufgegeben und der Kaiser konnte seinem Bruder Ferdinand die frohe Botschaft melden, daß die spanische Linie des Hauses Habsburg auf Deutschland verzichtet habe.

2. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 112

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
112 Erster Zeitraum: 1492—1648. Nachdem Karl am 7. September 1556 die Kaiserkrone zu Gunsten seines Bruders niedergelegt hatte, schiffte er sich mit seinen beiden Schwestern, den verwitweten Königinnen Eleonore von Frankreich und Maria von Ungarn, nach Spanien ein. Am 24. Februar 1557 (seinem 57. Geburtstage, dem Tage des Sieges bei Pavia und der Kaiserkrönung in Bologna) bezog Karl eine einfache Wohnung in dem Hieronymitenkloster des heiligen Justus bei Placentia. Schon früher hatte ihn die Schönheit dieser einsamen Gegend so angesprochen, daß er den Wunsch ausdrückte, den letzten Abend seines Lebens hier zuzubringen. Mit wenigen getreuen Dienern führte Karl hier, allen Antheil an weltlichen Geschäften von sich weisend, ein stilles, höchst einfaches Leben. Musik, Pflege seines Gartens, wissenschaftliche Beschäftigungen und geistliche Uebungen füllten seine Zeit. Dieses einfache Leben stärkte Ansangs seine Kräfte, dann kehrten die alten Uebel mit erneuter Stärke zurück und er fühlte, daß sein erschöpfter Leib ihnen bald unterliegen müsse. Deßhalb soll er, wie wenigstens von einem angeblichen Augenzeugen 20 I. später berichtet wird, dem Tode mit begeisterter Kühnheit oder wehmüthiger Sehnsucht ins Auge schauend, angeordnet haben, daß sein Leichenbegängniß schon bei seinem Leben mit allen Feierlichkeiten begangen werde. Zu diesem Zwecke ließ er sein Grabmal in der Capelle des Klosters errichten, seine Diener gingen paarweise mit Fackeln in der Hand dahin. Er selbst folgte im Todtengewande und wurde feierlich in den Sarg gelegt. Während der Seelenmesse betete er mit den Umstehenden für die Ruhe seiner Seele. Die Ceremonie endete damit, daß der Sarg mit Weihwasser besprengt wurde; die Versammlung ging auseinander, Karl stieg aus seinem Sarge und begab sich in seine Zelle, voll von den schwermüthigen Gedanken, die eine so sonderbare Ceremonie hervorbringen mußte. Die Krankheit Karl's nahm zu und artete in ein Fieber aus, dem er am 21. September 1558 erlag. In dem Grabgewölbe des Escurial ist nachher seine Leiche beigesetzt worden. Seine Schwestern Eleonore (die zweite Gemahlin Franz' I.) und Maria (Gemahlin des bei Mohacs gefallenen Königs Ludwig It. von Ungarn) starben in demselben Jahre. 23. parallele zwischen Karl V. und Fran; I. (Nach Leopold von Ranke, Fürsten und Völker von Süd-Europa und Wilhelm Maurenbrecher, Karl V. und die deutschen Protestanten, bearbeitet vom Herausgeber.) Wenn die alte Sage ihre Helden schildert, gedenkt sie zuweilen auch solcher, die erst eine lange Jugend hindurch unthätig zu Hause sitzen, aber alsdann, nachdem sie sich einmal erhoben, nie wieder ruhen, sondern in un-

3. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 58

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
58 Erster Zeitraum: 1492—1648. ten Ständen betheuerte er, daß sein Herz immer in den Niederlanden gewesen. Als er sich Aachen näherte, sah die ihm in Masse entgegen strömende Volksmenge zuerst den Herrscher, der ihre Geschicke in langer und ernster Zeit lenken sollte: eine zarte Gestalt von mittlerer Größe, ein blasses, bartloses Angesicht, ruhige, anscheinend theilnahmlose Züge. Die körperliche Entwickelung war bei Karl weit hinter seinem Alter zurückgeblieben. Die epileptische Krankheit, an der er schwer litt, ist erst später von ihm gewichen. Am 23. October setzten die geistlichen Kurfürsten in gemeinschaftlicher Handlegung die Krone Karl's des Großen auf das königliche Haupt. Von Aachen zog er nach Köln, wo die Feste endeten, und von hier aus berief er seinen ersten Reichstag nach Worms, wo zum ersten Male die neue Kirchenreformation in den Kreis der Reichstagsverhandlungen eingeführt werden sollte. Man rief dem Kaiser die bedeutsame Mahnung zu: „Wirst du erst Gottes Handel ausrichten, so wird Gott deinen Handel ausrichten." 12. Der Reichstag zu Worms, 1521. (Rach Friedrich von Raumer, Geschichte Europa's seit dem Ende des 15. Zahrhdrts. und Georg Waitz, in den Forschungen zur deutschen Geschichte, bearbeitet vom Herausgeber.) Nachdem Karl V. in Aachen feierlich gekrönt worden, berief er, da. Nüru-berg, wohin die Wahlcapitulation und die goldene Bulle wiesen, wegen dort herrschender Krankheiten unzugänglich war, zu Anfang des I. 1521 seinen ersten Reichstag nach Worms, zunächst zur Bewilligung einer Reichshülfe zu dem vorzunehmenden Römerzuge, aber zugleich, um die kirchlichen Streitigkeiten zur Entscheidung zu bringen. Der päpstliche Gesandte Aleander (der welterfahrene Vorsteher der vaticanischen Bibliothek) mißbilligte es, daß eine vom Oberhaupte der Kirche bereits entschiedene Angelegenheit noch einmal weltlichen Richtern vorgelegt werden sollte, und um dies zu verhindern, wurde auf seine Vorstellung am 3. Jan. 1521 eine zweite Bannbulle erlaffen, in welcher der Fluch, der in der ersten nur bedingungsweise ausgesprochen war, in den stärksten Ausdrücken ganz unbedingt über Luther und seine Anhänger wiederholt wurde. In Worms selbst bewies Aleander in ausführlicher Rede, daß keineswegs allein die Rechte des Papstes, sondern auch die wesentlichen Grundlagen des Christenthums angegriffen worden. Man dürfe den Mönch nicht dulden, welcher an dem Glauben und den Sakramenten rüttele. Obgleich manche Punkte, welche Aleander aus Luther's Buche über die babylonische Gefangenschaft mittheilte, auf etliche Fürsten und selbst auf den Kaiser einen widrigen Eindruck machten, beharrten doch mehrere dabei, man müsse genauer untersuchen, ob Luther bloß gegen Mißbräuche oder auch

4. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 59

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
12. Der Reichstag zu Worms, 1521. 59 gegen das wahre Christenthum geschrieben habe; alle aber erklärten, wenn man sich auf Erörterungen über Glaubenssachen auch gar nicht einlasse, müsse Luther doch darüber befragt und vernommen werden, ob er das wirklich gelehrt habe und noch lehre, was ihm der Papst zur Last lege. Nicht vom religiösen, vom politischen Standpunkte aus fielen die Reichsstände Luther zu. So baten sie auch den Kaiser, ihre Beschwerden gegen die Curie abzustellen, wie er es bei seiner Erwählung zugesagt. Karl V. ging auf die Wünsche der Stände ein und legte einen Geleitsbries für Luther zur Genehmigung vor. Vergebens suchte Aleander die Ertheilung des Geleites zu hintertreiben; nur Joachim von Brandenburg erklärte sich dagegen. Die andern Fürsten, deren Gebiete Luther auf der Reise nach Worms betreten mußte, fügten ihre eigenen Geleitsbriefe bei. Auf dem Wege dahin strömte Alles dem kühnen Mönche entgegen und empfing ihn mit offenen Armen. Am 16. April in Worms angekommen, wurde Luther schon am folgenden Nachmittage durch den Erbmarfchall von Pappenheim zur Reichsversammlung in den Bischofshof geleitet. Ehe er in die Versammlung eintrat, sagte der unter den Waffen grau gewordene Georg Frunsberg: „Münchlein! Münchlein! du gehest einen Gang, dergleichen ich und mancher Oberst in unserer ernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben. Bist du aber rechter Meinung und deiner Sache gewiß, so sei nur getrost und fahre in Gottes Namen fort, er wird dich nicht verlassen!" In der Reichsversammlung saßen außer dem Kaiser nebst seinem Bruder, dem Könige Ferdinand, und dem päpstlichen Legaten 6 Kurfürsten, 28 Herzoge, 30 Prälaten, viele Fürsten und Grafen, Abgeordnete von Städten und fremden Mächten, überhaupt 200 Personen. An den Fenstern, auf den Gängen und den benachbarten Straßen hatten sich mehrere tausend Menschen eingefunden. Der Vicar des Kurfürsten von Trier, Johann von Eck (nicht mit dem ingolstädtifchen Kanzler zu verwechseln), führte das Wort gegen Luther und fragte ihn nach einem lateinisch gesprochenen Eingänge, ob er die Bücher (deren Titel man ihm vorlas) für die fetnigen erkenne und ob er ihren Inhalt widerrufen wolle? Luther bejahte die erste Frage, bat aber hinsichtlich der zweiten um Bedenkzeit. Nach einer kurzen Berathung der Fürsten erhielt er durch Eck den Bescheid: aus den kaiserlichen Berufsfchreiben habe er ersehen, worüber man ihn befragen werde, und hinreichend überlegen können, was er antworten wolle; doch bewillige man ihm, um keinen Grund zur Klage zu geben, 24 Stunden Bedenkzeit. Ant folgenden Tage (18. April) stellte Eck in der Reichsversammlung die Frage: ob Luther alle seine Bücher vertheidigen oder aber etwas widerrufen wolle? Dieser überhörte die veränderte Form der Frage und antwortete nach einer höflichen Einleitung: „Meine Schriften sind nicht von gleicher Art. Einige, zur Erklärung der Bibel und zur Erbauung geschrieben, haben selbst meine Gegner gebilligt, und sie widerufen, hieße

5. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 60

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
60 Erster Zeitraum: 1492—1648. Christum verläuguen; andere sind gegen die Irrthümer, Mißbrauche und Tyranneien des Papstthums, für die Wahrheit und die Rechte des Kaisers und der Stände geschrieben. Ein Widerruf auf Beranlassuug der letzten würde jene Tyrannei im Namen Aller zu bestätigen scheinen und das Verderben vieler Seelen nach sich ziehen. Endlich habe ich gegen einzelne Personen (Vertheidiger jenes Unrechts) geschrieben, heftiger, als es sich für einen christlichen Gottesgelehrten schickt. Gern bekenne ich diesen Fehler; allein den gesammten Inhalt der letztgenannten Schriften kann ich eben so wenig als den der übrigen widerrufen und hierdurch die Wahrheit verläugueu. Sobald man mich mit Zeugnissen der heiligen Schrift oder mit klaren, hellen Gründen eines Irrthums überführt, bin ich bereit, selbst meine Bücher zu verbrennen; denn nicht aus Anmaßung, sondern um der Wahrheit willen habe ich das Werk begonnen." Der Vicar Eck erinnerte ihn, er möge nicht auf fremdartige Dinge abschweifen und bedenken, daß man von ihm nur eine einfache und deutliche Beantwortung der Frage verlange: ob er seine Bücher widerrufen wolle; nehme er nicht einmal das zurück, was schon das Constanzer Concil verdammt habe, so werde man gegen ihn als Ketzer erkennen. Aber Luther beharrte bei seiner Antwort und verweigerte jeden Widerruf. Denn dem Papste und den Kirchenversammlungen, welche sich oft geirrt und widersprochen hätten, könne er nicht unbedingt glauben, oder gegen sein Gewissen handeln. Mit fester, unerschrockener Stimme, ganz anders als am ersten Tage, schloß er: »Hier stehe ich, ich kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen." Schon am folgenden Tage (19. April) ward ein Reichsabschied Karl's vorgelegt: „Da Luther's hochmüthige Lehre alles Bestehende angreife und umstoße, so wolle er, als Nachfolger der christlichen Kaiser und der katholischen Könige Spaniens, dessen erbliche Pflicht es sei, den alten Glauben zu beschirmen und die Beschlüsse der Concilien in ihrem Ansehen zu erhalten. Alles daran setzen, diese Ketzerei auszurotten. Leid thue es ihm, so lange gezögert zu haben; jetzt solle Luther, wie der Geleitsbrief verspreche, zurückgebracht, sonst aber als ein Ketzer behandelt werden. Den Ständen liege ob, hierüber einen christlichen Beschluß zu fassen." Doch ließ sich der Kaiser (gutentheils nach dem Wunsche des Pfalzgrafen Ludwig und des Kurfürsten von Sachsen) mit Rücksicht auf die Stimmung des Volkes („des gemeinen Mannes") bewegen, daß nochmalsmtliche Unterhandlungen mit Luther begonnen würden; dies jedock), wie die Katholiken meinten, nur damit er in sich gehe; alsdann wolle ckan auch Sorge tragen, ihm die Verzeihung des Papstes auszuwirken. Bei dkr freundschaftlichen Verhandlung in Gegenwart der Kurfürsten von Trier und von Brandenburg, des Herzogs Georg von Sachsen, des Bischofs von Augsburg und mehrerer angesehenen und gelehrten Männer ersuchte der weltmännisch-kluge Kurfürst von Trier ihn milde und herablassend: er solle selbst angeben, wie ihm und der Sache könne geholfen

6. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 61

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
12. Der Reichstag zu Worms, 1521. 61 werden? und Luther antwortete, vielleicht mit Hinweisung auf die nationale Bewegung, die ihm zur Seite stehe: „Ist es das Werk eines Menschen, so wird's in wenig Jahren untergehen; ist's aber aus Gott, so werdet Ihr es nicht dämpfen können." So mißlang auch dieser zweite Versuch, die Spaltung zu vertilgen. Am 26. April verließ Luther Worms, nachdem der Vorschlag, ihm das sichere Geleit nicht zu halten, nochmals, selbst von seinem Feinde, Herzog Georg von Sachsen, bestimmt verworfen worden; ant 26. Mai, als schon ein Theil der Stände Worms verlassen hatte, kam zu dem geistlichen Bannflüche die Acht von Kaiser und Reich hinzu. In der Aechtungs-Urkunde heißt es: „Noch zwanzig Tage gilt das sichere Geleit; später soll man ihn ergreifen und zur Bestrafung ausliefern. Jeder, der ihn schützt, aufnimmt, seine Bücher verlegt, druckt, kauft oder liefet, wird geächtet. Ohne Erlaubniß des Bischofs (Ordinarius loci) oder eines Theologen der nächsten Universität darf Nichts gedruckt und verbreitet werden, was auf Kirche und Religion Bezug hat. Jeder Uebertreter dieser Vorschriften ist ohne Weiteres als Beleidiger Kaiserlicher Majestät zu betrachten." Uebrigens trug das sog. Wormser Edict ein falsches Datum: es war vom 26. auf den 8. Mai zurückdatirt, als sei es mit der Stände „einhelligem Rath und Willen" ergangen, während doch nur noch der Kurfürst Joachim von Brandenburg, der auch Luther das Geleit verweigert hatte, erklärte, das Edict entspreche der Ansicht aller Stände (Sachsen und Pfalz waren bereits abgereist). Auf dem Rückwege von Worms nach Wittenberg verschwand Luther plötzlich, und seine Freunde klagten laut: man habe das sichere Geleit gebrochen und ihn gelobtet. Erst später verlautete: er sei auf Befehl des Kurfürsten von Sachsen aufgehoben und als Ritter Georg nach der Wartburg in Thüringen gebracht worden. Hier beschäftigte ihn vor Allem die Ueberfetzung der heil. Schrift. Solcher Ueberfetzungen gab es seit 1466 allerdings bereits etliche, allein sie waren nicht sorgfältig nach der Urschrift, sondern lässig nach der Vulgata gefertigt. Bei dieser neuen benutzte Luther den Rath von Melanchthon u. A.; im Ganzen und Wesentlichen ist sie aber sein Werk, und nach Form und Inhalt für jene Zeit und die damaligen Hülfsmittel so vortrefflich, daß selbst Gegner ihren Beifall nicht versagen können. Sie ward eine unverwüstliche Grundlage und ein unvergängliches Mittel der mannigfachsten Entwickelung unserer deutschen Prosa-Sprache. Nachdem in Worms die religiöse Neuerung durch das Reichsgesetz zurückgewiesen war, hat dieses Gesetz zunächst doch keine Ausführung in Deutschland gefunden. Vielmehr verbreitete sich die neue Lehre immer weiter; allenthalben fanden sich einflußreiche Herren und bald auch mächtige Fürsten für die Sache der Reformation. Denn der Kaiser war in Spanien und vollauf mit dem französischen Kriege beschäftigt. Wollte er des Reiches Beistand zum Kriege gegen den Erbfeind anrufen, so konnte er nicht mit Gewalt gegen

7. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 116

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
116 Erster Zeitraum: 1492—1648. des Mittelalters zu den modernen Formen ist Niemand von so großem Einfluß gewesen, als Franz I. Seine Zeit hat darin ihren Reiz, daß sich beide Elemente unmittelbar berühren. Ueberall weicht das Gewohnte, Mittelalterliche zurück: die Scholastik der Universitäten vor den Studien der freien Wissenschaften, die gothischen Thürme der alten Königsburg vor den architektonischen Schöpfungen eines durch die Anschauungen der alten Kunst angeregten Geistes; der ritterliche Krieg vor dem Fußvolk und dem Geschütz; eben so aber auch das Ritterwort und die persönliche Verpflichtung, die einst über Alles erhaben war, vor dem allgemeinen Interesse, welches das Land anerkennt, der Begriff des allerchristlichsten Königthums vor der Idee des Gleichgewichts der Mächte, zu dem selbst die Ungläubigen beitragen muffen; die strenge Zucht des altväterischen Schloßlebens vor der Geselligkeit des Hofes und ihrem ungebundenen Vergnügen. Ein recht bedeutender Ausdruck und Repräsentant dieser Zeit ist König Franz I. selbst. 24. Spanien auf dem Gipfel der Macht. (Nach Wilh. Maurenbrecher, Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit, und Ludwig Häusser, Geschichte des Zeitalters der Reformation, bearbeitet vom Herausgeber.) Die pyrenäifche Halbinsel, abgeschieden vom übrigen Europa, gleichsam ausgeschlossen vom europäischen Geiste, hat an dem Leben der europäischen Culturvölker in sehr eigenthümlicher Weise Theil genommen. Im Mittelalter ward das ganze Leben der spanischen Nation durch den Racen- und Religionskrieg zwischen den alten, eingesessenen, christlichen Landesbewohnern und den eingedrungenen Arabern islamitischen Bekenntnisses beherrscht. Durch einen solchen Kampf für Heerd und Glauben, der vom Anfange des 8. bis gegen Ende des 15. Jahrhdrts. dauerte, hatte sich ein fanatischer Kriegseifer entwickelt; man hatte gelernt, in kriegerischen Erfolgen die Ehre des Einzelnen zu sehen: der Spanier fand nur ein Leben voll Gefahren und abenteuerlicher Ritterlichkeit noch anziehend, dagegen an ruhiger und stetiger bürgerlicher Arbeit wenig Gefallen. Dabei hatte nicht einmal die Gemeinsamkeit der Interessen die einzelnen Spanier wider denselben Feind vereinigt; jeder mächtige Baron oder Graf, jede Stadt und jede Landschaft pflegte den Maurenkrieg auf eigene Hand zu führen. Was man dem Islam abgewann, bildete nicht einen Staat, sondern es entstanden viele kleine, selbständige Reiche nebeneinander, und wenn auch einzelne durch Erbschaft, Heirath u. s. w. unter demselben Regenten vereinigt wurden, so behielt doch jedes der Reiche die alte eigenthümliche Verfassung in voller Selbständigkeit. Die beiden bedeutendsten dieser Reiche, abgesehen von Portugal, waren im 15. Jahrhdrt.

8. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 63

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
13. Der Bauernkrieg. 63 außerordentlichen Steuern belegt und durch kein fremdes Kriegsvolk heimgesucht wurden, von ihren Kriegszügen aber mit reicher Beute heimgekehrt waren, — alles dieses nährte unter den Landleuten in Süddeutschland einen stillen Grimm, der nur eines schwachen äußern Anlasses bedurfte, um in Aufruhr und Empörung auszubrechen. Da einzelne Aufstände zwar immer durch Blutvergießen gedämpft, die drückenden Verhältnisse aber niemals untersucht und erleichtert wurden, so nahm die Erbitterung in furchtbarem Maße zu. Was war natürlicher, als daß die heftigen Schriften, welche Luther gegen die geistliche Herrschaft ausgehen ließ, von den Unterthanen geistlicher Herren in weltlichem Sinne genommen und die Aufforderungen, das „Joch der Pfaffen und Mönche" abzuschütteln, auf die den Aebten und Prälaten schuldigen Dienste, Zehnten und Zinsen bezogen wurden? Dabei fehlte es nicht an schwärmerischen und verschlagenen Köpfen, welche Geschick und Neigung hatten, sich des rohen Haufens zur Ausführung kühner Entwürfe zu bedienen, und die vorhandenen Funken zur Flamme anzublasen. Die Bauern ließen ein Manifest ausgehen, in welchem sie den Vorwurf, daß sie Aufrührer seien und daß das neue Evangelium dieses Unheil verschulde, zu widerlegen suchten. In 12 Artikeln waren ihre Forderungen zusammengestellt, welche sich hauptsächlich auf das Wahlrecht ihrer Prediger, Abschaffung der Leibeigenschaft, Zehnten, Antheil an der Jagd, dem Vogel-und Fischfang, Benutzung der Gemeindewaldungen, Festsetzung der Dienste, Abgaben und Pachtgelder und dgl. bezogen. Diese Schrift schickten sie an Luther mit der Aufforderung, einen Ausspruch darüber zu thun. Luther befand sich in großer Verlegenheit. Er konnte ihnen nicht Recht geben, ohne die Reden seiner Feinde, daß seine Lehre zum Aufruhr führe, zu bekräftigen, und ohne es mit den Fürsten und dem Adel, welche ihn gegen Papst und Kaiser geschützt hatten und ferner schützen sollten, für immer zu verderben. Daher richtete er eine Vermahnung an die Fürsten und an die Bauern zugleich und rieth, die Sache in freundschaftlicher Weise zu schlichten. Inzwischen wurde die Gestalt des Aufruhrs immer furchtbarer. Wie stark die Macht des Wortes gewesen war, Leidenschaften zu entflammen, so schwach erwies sie sich, dieselben zu beschwichtigen. Anstatt Luther's Ermahnungen Gehör zu geben, verbreiteten sich die Bauernheere aus Schwaben über ganz Franken, eroberten und plünderten Burgen und Abteien. Die Bischöfe entflohen, die Städte aber, die zum Widerstande zu schwach oder deren Bewohner der beabsichtigten Reformation der Kirche und des Reichs geneigt waren, öffneten die Thore und traten den Bauern bei. Zu Heilbronn nahm ein engerer Ausschuß der Bauern seinen Sitz; die Grafen von Löwenstein wurden gezwungen, im Bauernkittel dahin zu wandern und die Annahme der 12 Artikel zu beschwören. Ritter Götz von Berlichingen war einer der Bauern-Hauptleute geworden, aber,, wie er selbst berichtet, nur aus Zwang, indem er in seiner Burg keinen Widerstand zu leisten vermochte. Doch der Ueber-

9. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 64

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
64 Erster Zeitraum: 1492—1648. legenheit des Geschützes und der Reiterei, wenn beide Waffengattungen gehörig angewendet wurden, vermochten die Bauern nicht zu widerstehen. Unzählige Gefangene wurden an den Landstraßen gehängt oder sonst umgebracht, zum Theil mit grausamen Martern. Markgraf Kasimir von Brandenburg ließ zu Rothenburg alle Einwohner durch einen Herold unter Trompetenschall auf den Markt berufen und 25 der Anwesenden enthaupten. Andern Theilhabern der Empörung ließ der Markgraf die Finger abhauen oder die Augen ausstechen. Dies widerfuhr zu Kitzingen 58 Personen. Zugleich wurde die alte Form des Gottesdienstes überall wieder hergestellt, und zur Vergütigung des angerichteten Schadens eine schwere Auflage auf alle Bürger und Bauern gelegt. In den übrigen Theilen von Oberdeutschland ward die Empörung in ähnlicher Weise bezwungen und bestraft. Die Zahl derer, die in den Schlachten, oder unter Henkershand, oder in den Flammen der angezündeten Ortschaften umkamen, mochte sich in die Hunderttausende belaufen. Die blühendsten und volkreichsten Landschaften waren Einöden geworden, voll rauchender Trümmer und Leichenhaufen. Die Grafen und Herren aber, die mit den Bauern gezogen waren, verschwinden aus der Geschichte; nur Götz von Berlichingen machte eine unglückliche Ausnahme. Nach mehrjähriger Gefangenschaft in Augsburg wurde er zu immerwährender Gefangenschaft auf seinem eigenen Schlosse verurtheilt. Er mußte schimpfliche Urfehde schwören, nie die Grenzen seiner Burg zu überschreiten, nie wieder zu Pferde zu sitzen und nie eine Nacht außerhalb seines Schlosses zuzubringen, für Uebertretung eines dieser Punkte aber ein Strafgeld von 25,000 Gulden zu zahlen. Erst nach 11 Jahren ward er vom Kaiser begnadigt. Während dies in Schwaben und Franken geschah, war Thüringen und Sachsen Schauplatz einer Bewegung, die noch weit mehr als der Aufruhr in Oberdeutschland in bedenklicher Verwandtschaft mit der kirchlichen Neuerung zu stehen schien. Thomas Münzer, einer der kühnsten Freunde Carl-stadt's, wollte durch eine vollkommene Umgestaltung der Kirche und des Staates nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern die „wahre Kirche", wie sie zur Zeit der Apostel bestanden, herstellen. Er selbst behauptete, einen besondern Auftrag von Gott erhalten zu haben, die Auserwählten zu einem Bunde zu vereinigen und durch denselben das Reich Gottes aus Erden zur Erfüllung zu bringen. Er schaffte die Ceremonien, den Gesang, die geistliche Kleidung und andere Formen des Gottesdienstes ab. Bald aber ging er weiter, indem er gegen die weltliche Obrigkeit auftrat. Er ging von dem Grundsätze aus, daß alle Güter gemeinschaftlich sein müßten, weil nach der Apostelgeschichte (4, 32) die ersten Christen alle ihre Habe zusam-mengethan und in völliger Gemeinschaft derselben gelebt hätten. In Mühlhausen, einer freien Reichsstadt in Sachsen, trieb er sein Wesen wohl ein ^ahr lang, bis die anfänglichen Fortschritte des Bauernaufruhrs in Schwaben und

10. Die Geschichte der neuern Zeit - S. 65

1876 - Köln : DuMont-Schauberg
13. Der Bauernkrieg. Franke» ihm den Gedanken eingaben, in der allgemeinen Gährung und bei der Bestürzung der Fürsten sein neues Gottesreich über die Grenzen des mühl-hauser Gebiets auszudehnen. Daher verkündigte er jetzt in seinen Predigten, daß die Zeit der Erfüllung nahe sei. Im Franziscaner-Kloster wurden Büchsen gegossen und das Landvolk strömte in Hausen herbei, um unter Theilnahme am großen Heereszuge gegen die sündige Welt reiche Beute zu machen. Doch das Verderben war ihm schon nahe. Landgraf Philipp von Hessen, ein junger, thatkräftiger Fürst, hatte die Rebellion trt seinem Lande durch Waffengewalt bezwungen und sich darauf mit dem Herzog Heinrich von Braunschweig, mit Georg von Sachsen und einigen andern benachbarten Fürsten vereinigt, und diese stellten ein Heer von 6000 Mann, meist Reisige und Adel, auf. Münzer ließ seine Leute auf einem Berge bei Frankenhansen eine Wagenburg errichten, um den Angriff der Reiterei zu erschweren, und er verhieß den Seinen gewissen Sieg nach dem Beispiele Gideon's, Jöüathan's und David's, die auch mit wenigen Erlesenen viele Tausende von Heiden überwunden. „Lasset euch nicht erschrecken," schloß er, „und greift die Feinde kühnlich an. Ihr dürft das Geschütz nicht fürchten, denn ihr sollt sehen, daß ich alle Büchsensteine, die sie gegen uns schießen, im Aenitel auffangen werde. Ihr sehet, daß Gvn auf unserer Seite ist, denn er gibt uns jetzo ein Zeichen. Der Regenbogen, der eben am Himmel steht, bedeutet, daß Gott uns, die wir den Regenbogen im Panier führen, helfen will, und droht den mörderischen Fürsten Gericht und Strafe." Diese Rede und die Erscheinung des Regenbogens • gab denen, welche zu schlagen begehrten, das Uebergewicht über die friedlich Gesinnten. Darauf stimmten die Anführer das Lied: „Komm, heiliger Geist" an und die Menge fiel mit vollen Kehlen ein. Aber anstatt mit ihrer starkem Masse auf die an Zahl schwachem Fürstlichen den Angriff zu thun, blieben die Bauern hinter der Wagenburg stehen und blickten im Vertrauen aus die Verheißung ihres Propheten gen Himmel, nach den Engeln, welche herabsteigen und für sie streiten sollten. Als die Reiterei in ihre Wegenburg einbrach und die Vordersten niederstach, wandten sich alsbald die Uebrigen zur Flucht gegen die Stadt Frankenhausen, welche sich ohne Widerstand ergab. Von den dort Ergriffenen wurden sogleich 300 enthauptet. Münzer ward, auf dem Boden eines Hauses im Bette liegend, gesunden und durch seine Brieftasche verrathen, welche er unvorsichtig auf dem Bette neben sich hatte. Auch er ward enthauptet und der Kopf auf einer Stange im Felde aufgesteckt; die Fürsten aber zogen ein jeder in fein Land, um die Ueberrefte des Aufstandes zu bezwingen. Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken. Iii. 2. Aufl.
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