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1. Die alte Geschichte - S. 98

1899 - Langensalza : Gressler
98 Lucius Tarquinius hieß dieser siebente König der Römer; Tarquinius den Stolzen ober Grausamen (superbus) nannten ihn seine Unterthanen. Denn die durch Blut errungene Herrschaft glaubte er nur durch Härte behaupten zu können, und für sein unruhiges Gewissen fanb er nur in tyrannischen Handlungen Beruhigung. Immer besorgt, man könnte ihn ermorben, ging er nie ohne eine starke Leibwache aus. Den Senat betrachtete er immer mit Mißtrauen; viele der angesehensten Männer schaffte er ans dem Wege; ja, er wütete gegen seine eigene Familie, und fast alle Ver-toanbte würden unter nichtigen Vorwänben hingerichtet. Nur einer von diesen erhielt sein Leben, der schlaue Brutus. Als dieser sah, wie mißtrauisch Tarquin war und wie er sich besonders vor seinen nächsten Verwandten fürchtete, stellte er sich ganz dumm und albern, sprach wie ein Narr, machte läppische Gebärden und ließ sich von den Höflingen zum Possenreißer gebrauchen. Er erreichte seinen Zweck; alle hielten ihn für blödsinnig, nannten ihn darum Brutus übet: Dummkopf, und der König buchte: „Den kannst bu leben lassen; der wirb bir gewiß keinen Schaben bringen!" Einmal kam zum Könige ein altes, häßliches Weib. Sie trug neun große Bücher unter dem Arme, fragte bett König, ob er sie kaufen wolle und forberte eine große Summe bafür. Tarquiu wies sie ab und meinte, das fei zu teuer. Da warf die Frau brei ba-von ins Feuer, wieberholte dann ihre erste Frage und verlangte denselben Preis. „Du bist wohl unklug!" rief Tarquin; „mache, daß bu wegkommst!" — Und die Frau warf roieber drei Bücher in die Flamme. „Nun, König," kreischte sie, „willst bu die letzten brei, aber für benfelben Preis, wie für alle neun? Besinne bich wohl, sonst werfe ich auch sie ins Feuer." — Tarquin erstaunte. „Halt," beichte er, „mit den Büchern muß es boch eine eigene Bewandtnis haben." Er ließ geschwind die Auguren (Wahrsager) kommen, und die rieten ihm, er solle die Bücher unverzüglich kaufen, kein Preis fei für sie zu hoch. Das Weib erhielt nun, was sie gefordert hatte, und die kostbaren Bücher würden in einem Tempel aufbewahrt. Aber was enthielten sie benn? Es waren Weissagungen in griechischen Versen, welche prophetische Frauen, die man Sibyllen nannte, aus-
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