Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Die alte Geschichte - S. 136

1899 - Langensalza : Gressler
136 etwas wissen und wissen auch nichts." — Ein ganz vorzügliches Talent besaß er darin, durch einzelne Fragen andere selbst auf das zu leiten, was er lehren wollte, und dann die Fehler derselben aus eine seine Weise hervorzuheben. Daß er sich dadurch auch manche Feinde machte, läßt sich leicht denken; aber ihre Verfolgungen machten auf den weisen Mann keinen Eindruck. Er war viel zu vernünftig, als daß er sich ereifert hätte, und in der That ist seine Seelenruhe bei allen Unannehmlichkeiten bewunderungswürdig. — So ging er einmal mit seinen Schülern über die Straße, und es begegnete ihm ein Mensch, den er kannte und deshalb grüßte. Der Mensch mochte aber den Sokrates nicht leiden können; kurz, er dankte ihm nicht. „Aber, lieber Sokrates," sagten die Schüler, „warum grüßest du auch einen solch unhöflichen Menschen?" „Nun," war die Antwort, „wollt ihr denn, daß ich ebenso grob fein soll?" — Ein andermal kam ihm ein anderer ungeschliffener Mensch entgegen und rannte im Vorbeigehen absichtlich an Sokrates an. Schon wollten seine Schüler dem groben Menschen nacheilen und ihn bestrafen ; Sokrates aber hielt sie zurück. „Nicht doch," sagte er; „wenn euch ein Esel mit dem Mehlsacke begegnet und an euch anrennt, nicht wahr, ihr werdet ihn nicht prügeln? Ich hätte ihm mehr ans dem Wege gehen sollen." — Er hatte eine Frau mit Namen Xantippe, die es herzlich gut meinte, aber sehr launisch und zänkisch war. Indessen, er wußte sich barein zu finden; er ließ sie sprechen, schwieg geduldig dazu, und wenn sie es gar zu arg machte, so ging er weg. Das geschah auch einmal, als sie gerade ganz entsetzlich schalt. Er ging gelassen mit seinen Schülern die Treppe hinunter und aus dem Hause hinaus. Als er aber eben die Hausthür hinter sich zumachte, goß ihm die wütende Frau von oben ans dem Fenster das Waschbecken auf den Kopf. „Dachte ich's doch," sagte er mit der größten Gelassenheit, „auf ein Donnerwetter pflegt es ja immer zu regnen." Vor diesem Sokrates fürchtete sich Alcibiades allein, und ein einziger Blick des weifen Mannes konnte ihn schamrot machen. Dabei war eine recht zärtliche Freundschaft zwischen den beiden so ganz verschiedenen Menschen, dem ältlichen, ernsthaften Sokrates
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer