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1. Von 102 vor Chr. bis 1500 nach Chr. - S. 35

1880 - Berlin : Nicolai
35 Wohl hatte sich auch bei den Römern eine würdigere und tiefere Auffassung des Weibes geltend gemacht, als bei den übrigen Völkern des Alterthums; aber im Schmutze ihrer Laster konnte die sittliche Bedeutung des Weibes bei ihnen nicht leicht zur Erscheinung kommen oder doch nur in vereinzelten Beispielen hoher und ausnahmsweiser Tugendhaftigkeit. Was aber bei ihnen eine seltene Tilgend und das Ergebniß tiefer Geistesbildung war, das sahen sie bei den Germanen als eine natürliche, unmittelbare. Allen angeborene Eigenschaft und Sitte vor sich, und das war es, was den Tacitus so außerordentlich ergriff. Sie glauben, sagt er, es sei etwas Heiliges und Prophetisches im Weibe! Weiber verkündeten ihnen die Zukunft und opferten den Göttern. Die Weiber zogen mit zur Schlacht; ihr Zuruf spornte die Krieger zur Tapferkeit; vor ihnen zählten sie ihre Wunden; ihr Lob war ihr höchster Gewinn; der Gedanke, sie gefangen zu sehen, das Unerträglichste. Ihre Ehen wurden heilig gehalten; sie hatten nur Eine Frau und der blieben sie treu; nur bei den berühmten Männern und Fürsten, deren Verbindung begehrt ward, kamen mehre Gemahlinnen vor. Die Frau brachte dem Manne keine Mitgift; sondern er warb um sie mit Geschenken, die aber zum Krieg und Ackerbau gehörten; je nach dem Vermögen schenkte er ein Joch Stiere, ein gezäumtes Pferd, Schild, Lanze und Schwert. Auch die Braut schenkte dem Manne Waffen. Das waren die Heiligthümer und Götter ihrer Ehe; sie erinnerten die Frau, wenn sie über die Schwelle schritt, daß sie die Genossin des Mannes sei in Allem, in Leben und Tod. Die Geschenke wurden übrigens von den Verwandten der Frau geprüft. Gewiß hatten sie, wie Alles, was bei ernster Veranlassung geschah, eine symbolische Bedeutung; es mochte auch darin der Erweis liegen, daß der Mann wehr- und waffenfähig und im Stande sei, den Heerd zu schützen. Sehr selten waren Beispiele des Ehebruchs; an der Frau ward er augenblicklich und streng bestraft; mit geschorenem Haupte ward die Ehebrecherin durch das Dorf gepeischt. Bei einigen Stämmen war den Wittwen die Wiederverheirathung nicht gestattet. Für Frevel ward es gehalten, die Zahl der Kinder zu beschränken oder sie zu tödten. Die Kinder der Herren und Knechte wuchsen ohne Unterschied mit einander im Hause auf. Die Hingeschiedenen wurden ohne Prunk bestattet; nur die angesehenen und berühmten Männer wurden mit einer eigenen Holzart verbrannt. Nur Roß und Waffen, nicht kostbare Gewänder und Wohlgerüche, folgten in’s Grab. Sie hatten keine Grabmäler, — einfacher Rasen deckte den germanischen Grabhügel: die hohen Denkmäler, meinten sie, würden den Todten drücken! Sie weinten und jammerten nicht lange um den Geschiedenen; aber desto länger dauerte die Herzenstrauer und das treue Angedenken. Die Feindschaft des Todten, wie seine Freundschaft zu erben, war heilige Pflicht der Verwandten. Doch war statt der Blutrache die friedliche Sühne nicht ausgeschlossen, die dem ganzen Hause zu Gute kam. Sie bestand natürlich in Vieh, welches ja den ganzen Reichthum des Volkes bildete. Die Gastfreundschaft fand sich zwar auch bei vielen anderen Völkern; aber von keinem ward sie weiter getrieben, als von den Germanen. Wenn Gast und Gastfreund Alles verzehrt haben, schreibt Tacitus, dann gehen Beide zum Nachbar, der sie mit Freuden empfängt. Den Charakter edler Menschlichkeit und gemüthvollen Wesens trägt, ganz im Gegensatz zu der Herzlosigkeit der gebildeten Griechen und Römer, auch die milde Behandlung, welche die Germanen ihren Sclaven zu Theil 3*
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