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1. Von 102 vor Chr. bis 1500 nach Chr. - S. 52

1880 - Berlin : Nicolai
52 trotzdem bereits damals in menschenähnlicher Gestalt sich dachten, erhellt theils schon aus dem oben Erwähnten, theils aus den uns überkommenen Schilderungen der Persönlichkeiten einzelner Götter, und konnte auch gar nicht anders sein, da man diesen ja den menschlichen so ähnliche Schicksale beilegte und sie in stete Berührung mit der Menschenwelt brachte. Jene Abwesenheit, und beziehungsweise äußerste Seltenheit der Götterbilder rührte darum auch keineswegs, wie Taeitus meinte, daher, weil sie es der Götter unwürdig erachteten, sie in der Menschengestalt abzubilden, sondern weil sie in der Kunst der Nachahmung der Menschen- wie der Thiergestalt noch eben so ungeübt, noch eben solche Anfänger wie andere Naturvölker waren. Deshalb hatten die Germanen statt der Götterbilder meist Symbole, wie z. B. den Speer Wuotans, den Hammer Donars, oder Thiere, die in reinem speziellen Bezüge zu einem bestimmten Gotte, in seinem besonderen Dienste standen, häufig als seine an die Menschen abgesandten Boten betrachtet, ihm daher geweiht, geheiligt waren, und zu seiner Ehre unterhalten wurden, wie z. B. Pferde und Eber dem Gotte Fro (Freyr); der oft vorkommende Name Roßberg mag von den auf einem Berge zu Ehren dieses Gottes unterhaltenen Pferden abzuleiten sein. Einen ganz gleichen Grund, und nicht weil es ihnen, wie Tacitus meinte, mit der Größe der Götter unvereinbar erschien, sie in Wände einzuschließen, hatte auch die große Seltenheit der Tempel — denn daß sie dieser keineswegs gänzlich entbehrten, erhellt schon aus dem Vorhergehenden — bei den Germanen; sie fühlten, daß ihre noch über die ersten rohen Anfänge nicht hinausgekommene Baukunst zur Herstellung würdiger Stätten der Götterverehrung sich wenig eigne und waren einsichtig genug, sich nicht an Aufgaben zu wagen, die ihre Kräfte überstiegen. Indessen sind Wälder und Haine doch nicht allein deswegen die dem Kultus der Ueberirdischen zumeist gewidmeten Stätten gewesen, sondern noch aus anderen tiefer liegenden Gründen. Wie oben erwähnt worden, hatten die Götter aus zwei Bäumen das Menschengeschlecht erschaffen: sehr begreiflich mithin, daß man ihnen eine Vorliebe für diese zuschrieb, daß man Waldesgründe als ihren Lieblingsaufenthalt sich dachte, und um so begreiflicher, da die eigene Neigung mit der bei den Göttern vorausgesetzten durchaus übereinstimmte. Denn der tiefe und warme Sinn für die Natur, welchen das deutsche Volk überhaupt erst in die Geschichte und Bildung der Menschen eingeführt hat, das in ihm so starke Gefühl der engsten Zusammengehörigkeit, der vollen Einheit zwischen Natur und Menschen, prägnant genug ausgedrückt in der ganzen Welt der deutschen Mythen, Sagen und Mährchen, brachte es mit sich, daß der Germane sich nirgends wohler fühlte, nirgends lieber weilte, als im Schooße der Natur, die ihm gleichsam als seine treue Freundin und nächste Genossin erschien. Darum waren Bergesgipfel, das Laubdach der Bäume, die stillen freundlichen grünen Waldwiesen voll blühender duftender Kräuter auch die liebsten, die eigentlichen Erholungsstätten der alten Deutschen, wie schon aus dem vorhin erwähnten Umstande sich ergiebt, daß sie selbst den Einherien ihres Paradieses solch' grüne Auen und Gefilde zu Tummelplätzen anwiesen. Wenn sonach der Wald, der heilige Hain, der lebendige Tempel der Natur bei den Germanen die gewöhnlichste Stätte der Verehrung der Ueberirdischen war, so lag ihr doch, wie oft mit arger Entstellung berichtet worden, keine Anbetung der Bäume selbst zu Grunde, sondern diese galt
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