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1. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 78

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 78 — Vielleicht meinte man, dies unmenschliche Schauspiel so minder abschreckend zu machen: für unser Gefühl ist es doppelt empörend, daß Maschinist und Dekorateur aufgeboten wurden, um die Todeskämpfe von Verurteilten zu verlängern und mit dem Prunk der Bühne zu umgeben. 3. Nichts zeigt so sehr den ungeheuren Unterschieb zwischen der ~enk= und Empfinbiingsweise des römischen Altertums und des heutigen Europa, als die Beurteilung, welche die Schauspiele des Amphitheaters damals und setzt bei den Gebilbeten fanben. Wenn man in der ganzen römischen Literatur kaum einer Aeußerung des Abscheus begegnet, den die heutige Welt gegen diese unmenschlichen Lustbarkeiten empfinbet. so darf man wohl behaupten, daß diese Schauspiele auch den Besten und Gebilbetsten unendlich unschuldiger erschienen, als sie waren. Die Ursachen, welche zwischen der sittlichen Anssassuug der damaligen und der heutigen Welt einen so unermeßlichen Abstanb 'hervorbrachten, sinb hauptsächlich brei: die Scheidung der Menschheit in eine berechtigte und eine unberechtigte Hälfte, die Macht der Gewohnheit und die blenbenbe und berauschende Großartigkeit und Pracht in der Ausstattung der Schauspiele. Dem römischen Altertume war der Begriff der Menschenrechte fremd und deshalb auch die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Menschenlebens an sich, die zarte Fürsorge für seine Erhaltung. Die geringe Entwicklung des Völkerrechts, vor allem aber das Institut der Sklaverei befestigte zwischen der berechtigten und unberechtigten Menschheit eine weite und imüberfteigtiche Kluft, nährte bei jener die Gewohnheit, die Existenz dieser mit einem besonderen Maßstabe zu messen und gering zu achten, ihre Leiden und ihren Untergang ohne Teilnahme anzusehen. Die Kämpfer der Arena waren Landesfeinde, Barbaren, Verbrecher, Sklaven oder verlorene Menschen; ihre Existenz war für die Gesellschaft eutweber gleichgültig oder schädlich. — In einer rauhen und kriegerischen Zeit hatte Rom das etruskische Schauspiel bei sich eingeführt; anfangs selten gesehen, war es langsam häufiger und erst nach Jahrhunderten gewöhnlich geworden. Allmählich übte die von Geschlecht zu Geschlecht vererbte, tiefer und tiefer wurzelnde Gewohnheit ihre unwiderstehliche Gewalt. Keine Macht ist so ungeheuer als diese, sie ist die einzige, welche den ursprünglichen Wiberwillen am Gräßlichen in Behagen zu verwandeln vermag, und niemand ist imstande, sich dem Einfluß des Geistes zu entziehen, der sein Zeitalter durchbriugt. Eublich bars man nicht vergessen, daß das Amphitheater, mich abgesehen von den Kämpfen der Arena, eine große Anziehungskraft zu üben vermochte; benn hier und hier allein bot sich ein Schauspiel, so überwättigenb groß, wie es die Welt nie, webet-vorher, noch nachher gesehen hat. Weitn es in der Kaiserzeit noch etwas gab, was den Traum von der vergangenen römischen Größe hervorrufen konnte, so war es der Anblick des im Amphitheater der Flavier versammelten Volkes. Das Bewußtsein, einer Nation anzugehören, die auch in ihrem Sinken noch so gewaltig erschien, mochte manche Brust mit einem stolzen Gefühl schwellen. Der Bau der Flavier würde mit Recht von den Zeitgenossen den Wundern der Welt beigezählt. Aus 80 mächtigen Bogen gegrünbet, erhob er sich mit vier Stockwerken bis zur Höhe
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