Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 92

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 92 — Der politische Geist der antiken Religionen versuchte sich noch einmal in einer neuer Bildung. Die Summe aller jener Autonomien, welche einst die Welt erfüllt, ihr Gesamtinhalt war einem einzigen zu teil geworden, es gab nur noch eme einzige Gewalt, dis von sich selber abhängig zu sein schien: die Religion erkannte dies an, indem sie dem Imperator göttliche Verehrung widmete. Man richtete ihm Tempel auf, opferte ihm auf Altären, schwur bei seinem Namen und feierte Feste; feine Bildnisse gewährten ein Asyl. Die Verehrung, die dem Genius des Imperators erwiesen wurde, war vielleicht die einzige allgemeine, die es in dem Reiche gab. Alle Götzendienste bequemten sich ihr: sie war eine Stütze derselben. Dieser Dienst des Cäsar und die Lehre Christi hatten im Verhältnis zu den lokalen Religionen eine gewisse Ähnlichkeit; aber zugleich standen sie auch in einem Gegensatze, der sich nicht schärfer denken läßt. Der Imperator faßte die Religion in dem weltlichsten Bezüge, — an die Erde und ihre Güter gebunden: ihm seien dieselben übergeben, sagt Celsus, was man habe, komme von ihm. Das Christentum faßte sie in der Fülle des Geistes und der überirdischen Wahrheit. Der Imperator vereinigte Staat und Religion; das Christentum trennte vor allem das, was Gottes, von dem, was des Kaisers ist. Indem man dem Imperator opferte, bekannte man sich zur tiefsten Knechtschaft. Eben darin, worin bei der früheren Verfassung die volle Unabhängigkeit bestand, in der Vereinigung der Religion und des Staates lag bei der damaligen die Besiegelung der Unterjochung. Es war ein Akt der Befreiung, daß das Christentum den Gläubigen verbot, dem Kaiser zu opfern. Der Dienst des Imperators war endlich auf die Greuzeu des Reiches, des vermeinten Erdkreises, beschränkt; das Christentum war bestimmt, den wirklichen zu umfassen, das gesamte Menschengeschlecht. Das ursprüngliche, älteste religiöse Bewußtsein, wenn es wahr ist, daß ein solches allem Götzendienst vorangegangen, oder wenigstens ein unbedingt reines, durch keine notwendige Beziehung auf den Staat getrübtes suchte der neue Glaube in der Nation zu erwecken und fetzte es dieser weltherrschenden Gewalt entgegen, die, nicht zufrieden mit dem Irdischen, auch das Göttliche unterwerfen wollte. Dadurch bekam der Mensch ein geistiges Element, indem er wieder selbständig frei und persönlich unüberwindlich wurde; es kam Frische und neue Lebensfähigkeit in den Boden der Welt; sie wurde zu neuen Hervorbringungen befruchtet. Es war der Gegensatz des Irdischen und des Geistigen, der Knechtschaft und der Freiheit, allmählichen Absterbens und lebendiger Verjüngung. Hier ist nicht der Ort, den laugen Kampf der Prinzipien zu beschreiben. Alle Lebenselemente des römischen Reiches wurden in die Bewegung gezogen und allmählich von dem christlichen Wesen ergriffen, durchdrungen, in diese große Richtung des Geistes fortgerissen. Von sich selber, sagt Chrysostomus, ist der Irrtum des Götzendienstes erloschen. Schon ihm erscheint das Heidentum wie eine eroberte Stadt, deren Mauern zerstört, deren Hallen, Theater und öffentliche Gebäude verbrannt, deren Vertei-
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer