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1. Lesestoffe aus allen Teilen der Geschichte - S. 207

1910 - Münster i. Westf. : Schöningh
— 207 — Leitung in lange Bänder sich erhalten hatte — in drei Felder geteilt, bereit Hufen vielgespalten und Beet für Beet sorgfältig versteint waren. Der Acker war nicht ohne höhere Kultur. Ein feinmehliger weißer Weizen wurde in das Winterfeld gesäet. Waid wurde im Norden des Rennstiegs immer noch eifrig und mit großem Vorteil gebaut. Obschon vor dem Kriege der fremde Indigo dem einheimischen Farbstoffe Konkurrenz machte, konnte der jährliche Gewinn Thüringens durch den Waid doch uoch auf drei Tonnen Goldes angeschlagen werden. Der Flachs ward sorgfältig durch die Wasserröste zubereitet, und die hinten Blüten des Mohnes und die schwanken Rispen der Hirse erhoben sich inmitten der Aehrenselder. An den Abhängen von warmer Lage aber waren in Thüringen und Franken damals überall Rebengärten, und dieser alte Aubau, welcher jetzt in denselben Landschaften fast untergegangen ist, muß in günstigen Jahren doch einen trinkbaren Wein hervorgebracht haben, sogar noch aus den Vorbergen des Waldgebirges; denn es werden in den Chroniken einzelne Weinjahre als vortrefflich gerühmt. Auch Hopfen wurde fleißig gebaut und zu gutem Biere benutzt. Schon säete man von Futtergewächsen den Spörgel und die Pferdebohne. Die Wiesen, hochgeschätzt, häufig eingezäunt, wurden sorgfältiger behandelt als zweihundert Jahre später; die Maulwursshauseu zerwerfen und die Abzugsgräben, ja sogar Bewässerungsgräben ziehen und erhalten, war gewöhnlich. Schon war Erfurt Mittelpunkt eines großen Samenhandels und höheren Gartenbaues, auch von Blumen und feinen Obstsorten. Im ganzen war, wenn man verschiedene Zeiten miteinander vergleichen bars, die landwirtschaftliche Kultur um 1618 nicht geringer als etwa um 1818. Der Gegensatz zwischen dem Landmann und dem Städter war damals größer als jetzt; der „dumme Bauer" war in den Stuben der Handwerker uoch immer ein Lieblingsgegenstand unholder Scherze; als charakteristische Eigenschaften wurden ihm Roheit, Einfalt, unredliche Pfiffigkeit, Trunkliebe und Freude am Prügeln nachgerühmt. Aber wie abgeschlossen und arm an wechselnden Einbrücken fein Leben auch bamals war, man würde sehr unrecht tun, wenn man ihn für wesentlich schwächer und untüchtiger hielte, als er jetzt ist. Wohl war seine Unkenntnis frember Verhältnisse größer; beim es gab für ihn noch keine regelmäßigen Zeitungen und Lokalblätter, und er selbst war zumeist nicht weiter gewanbert als bis zur nächsten Stadt, wo er seine Produkte verkaufte. Auch war er in Tracht, in Sprache und Liebern nicht mobifch wie die Stäbter; er gebrauchte gern alte, berbe Worte, welche der Bürger für unflätig hielt; er schwor und fluchte altertümlich. Doch deshalb war sein Leben nicht arm an Gemüt, an Sitte, selbst nicht an Poesie. Noch hatte der verklingende deutsche Volksgesang einiges Leben, und der Land mann war der eifrigste Bewahrer desselben: noch waren die Feste des Bauern, sein Familienleben, seine Rechtsverhältnisse, seine Käufe und Verkäufe reich an alten, sinnigen Bräuchen, au Sprüchen und ehrbarer Darstellung seines Wesens. Auch die echte beutsche Freube an hübscher Handwerksarbeit, das Behagen an sauberen und kunstvollen Erbstücken
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