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1. Die deutsche Kultur - S. 141

1907 - Leipzig : Brandstetter
sende von Landeskindern, die teils freiwillig geworben, teils in empörendster Weise „gepreßt" wurden, an fremde Staaten, namentlich an England und Holland, in deren Diensten sie in Kanada, am Rap der guten Hoffnung oder in Indien kämpften und starben. Hessen-Rassel verkaufte 34 000 Mann an England und ließ sich 5 Mill. Mark dafür zahlen. Während des Kolonialkrieges von 1756—1760 lieferten Braunschweig, Hessen, Ansbach, Waldeck und Anhalt zusammen gegen 30 000 Mann an die Engländer und erhielten dafür ungefähr 36 Mill. Mark. Dieser schmähliche Menschenhandel dauerte Jahre lang fort. Friedrich der Große äußerte in seinem Unwillen darüber, er wolle nächstens für die durch sein Gebiet ziehenden „verschacherten" Soldaten eine Viehsteuer erheben, um zu zeigen, wie nach seiner Meinung die gewissenlosen Fürsten ihre Landeskinder behandelten. Ihre unbeschränkte Herrschaft ließen die Fürsten durch ein neu geschaffenes Beamtentum ausüben. Der Staat dehnte seine Verwaltungstätigkeit immer mehr aus, wodurch das städtische Selbstverwaltungsrecht mehr und mehr zusammenschmolz. Die Gemeindebeamten bedurften der landesfürstlichen Bestätigung und mußten ihr Amt nach den Anweisungen der Regierung verwalten. Die Verwaltung konnte nicht mehr als Ehrenamt besorgt werden, sondern mußte durch besoldete Beamte geschehen. Zu Bürgermeistern der Städte wurden Rechtsgelehrte eingesetzt und an Stelle der städtischen Räte traten fürstliche, ebenfalls juristisch gebildete Kanzler und Räte. So bildete sich ein eigner Beamtenstand, der sich als Träger der fürstlichen Macht über den Bürgerstand erhob und oftmals herrisch, ja tyrannisch gegen die Bürger auftrat. Trotz aller Schattenseiten, trotz übler Eigenschaften der Herrscher, der Höfe und der Beamten, hat der neue Staat fördernd auf die Kultur gewirkt. Neben den despotischen, ihr Land aussaugenden, sittenlosen Fürsten standen solche, die wahre Fürsorge für ihr Land und Volk zeigten: Landgraf Georg Ii. von Darmstadt, Ernst der Fromme von Gotha (namentlich und allen Fürsten voraus um die Schule und Kirche bemüht), Karl Ludwig von der Pfalz, Kurfürst Johann Philipp von Mainz und vor allem der Große Kurfürst von Brandenburg. Sie förderten das geistige Leben, Kunst und Wissenschaft durch ihre Fürsorge für das niedere Schulwesen und Errichtung von Akademien und Universitäten. Vor allem aber machte sich ihre Fürsorge auf wirtschaftlichem Gebiete geltend. Gegen den rückständigen Geist in den Städten, der sich am schärfsten in dem verknöcherten Zunftwesen äußerte, vertraten die Fürsten einen gesunden Fortschritt. Das fremde Vorbild führte manchen Fürsten dazu, den Blick ins Weite über Deutschland, über Europa hinaus zu richten. (Die Kolonialpläne des Großen Kurfürsten.) Durch die Aufnahme fremder 141
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