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1. Die deutsche Kultur - S. 223

1907 - Leipzig : Brandstetter
Seitdem die Deutschen infolge der Völkerwanderung größere Staaten gegründet und feste Sitze gewonnen hatten, machte sich bei ihnen das Bedürfnis nach geschriebenen Gesetzen geltend. So entstanden vom 5. bis zum 9. Jahrhundert bei allen deutschen Stämmen Aufzeichnungen des Rechts, die man mit den Namen Volksrechte zu bezeichnen pflegt. Das älteste Volksrecht ist das der salischen Franken, desjenigen Stammes, der die Herrschaft über alle übrigen gewann. (Lex Salica.) Es ist entstanden, bald nachdem sich die Salfranken auf römischem Boden festgesetzt hatten, also im 5. Jahrhundert, noch vor der Begründung des fränkischen Reiches durch Chlodwig. Im 6. Jahrhundert entstanden die Gesetzbücher der rechtsrheinischen Franken, der Alemannen, der Burgunder, im 8. Jahrhundert das bojoarische, noch später die der Thüringer, der Sachsen und der Friesen. Da im fränkischen Reiche der Grundsatz galt, daß jeder Genosse eines Stammes nach seinen Stammesrechten gerichtet werden nutzte, so haben die Volksrechte der einzelnen Stämme eine große Bedeutung für das Rechtsleben. Freilich machte sich dadurch eine große Zersplitterung in der Rechtsentwicklung geltend. Dem vielgestaltigen, teils germanischen, teils römischen Sonderrechte gegenüber schuf die königliche Gewalt des Frankenreiches in den allgemeinen Reichsgesetzen (Kapitularien) auch ein für das ganze Reichsgebiet und alle Reichsangehörigen geltendes Recht. (Amtsrecht.) Die Bedeutung dieser Reichsgesetzgebung lag vorwiegend auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts; die Entwicklung des Privatrechts verblieb der Sonderentwicklung. Wo das königliche Verordnungsrecht eingriff, brachte es die Grundsätze des fränkischen Rechts zu allgemeiner Geltung. Der Plan, eine Reichseinheit auf fränkischer Grundlage zu schaffen, mußte sich natürlich in erster Linie auch auf eine einheitliche Gestaltung der Rechtspflege erstrecken. Infolgedessen erlitt das altgermanische Volksgericht in der fränkischen Monarchie mehrfache Schmälerungen. Die Könige zogen manche Sachen, namentlich Strafsachen, vor ihren Richterstuhl; auch konnte man vom Volksgericht Berufung zum Königsgericht einlegen. Die Menge jener kleinen Freien, die in irgend einem Abhängigkeitsverhältnis zu einem weltlichen oder geistlichen Großen standen, wurden immer mehr dem Volksgericht entzogen. Die Grundherren übten über ihre Hörigen das Schutzrecht (mundium) aus, wodurch diese völlig ihrer Gewalt ausgeliefert waren. Streitigkeiten, die zwischen dem Herrn und seinen Hörigen oder zwischen diesen untereinander entstanden, schlichtete der Herr als Schiedsrichter. Zwar konnte sich der Freigeborne an das Volksgericht wenden, allein nur selten mochte er dies wagen. Durch die Gewährung der Immunität (Befreiung von Abgaben und Lasten) an Klöster, Bistümer und weltliche Große wurden viele Freie dem unmittelbaren 223
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