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1. Die deutsche Kultur - S. 229

1907 - Leipzig : Brandstetter
5. Das Eindringen des römischen Rechts. Schon bei der ersten Berührung der Germanen mit den Römern gewann das römische Recht Einfluß auf die deutsche Rechtspflege; im Mittelalter aber wurde das heimische Recht und das alte Volksgericht von ihm mehr und mehr verdrängt. Schon im 13. Jahrhundert begann es teilweise Eingang in Deutschland zu finden; im 14., mehr noch im 15. wurde es auf deutschen Universitäten gelehrt; im 15. und zu Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden unter seinem Einflüsse die „Stadt- und Landrechte"; um die gleiche Zeit fing man an, Doktoren des römischen Rechts als Mitglieder der Gerichtshöfe und zu anderen öffentlichen Ämtern zu verwenden, und im Laufe des 16. Jahrhunderts waren die oberen Gerichte insgesamt mit gelehrten Richtern besetzt. Dem Kaiser und den Landesfürsten wurde die Überzeugung beigebracht, daß sich für das „römische Reich" auch nur das römische Recht gezieme. Die Kaiser begünstigten seine Einführung, wurde ihre Stellung doch dadurch weit über das bisherige Maß erhoben („der Kaiser ist ein lebendiges Gesetz, das über alle anderen geht, ein irdischer Gott", sagte ein römischer Jurist beim Reichstag zu Nürnberg 1524). Die Landesfürsten wünschten das Eindringen des neuen Rechts, denn je mehr die alte Gerichtsverfassung verschwand, desto mehr wurde ihre Macht befestigt. Das deutsche Volksgericht kannte nur den Laienrichter, den ungelehrten Richter; in den landesherrlichen Gerichten aber wurden die vom Landesherrn ernannten und absetzbaren Beamten willige Werkzeuge für die Willkürherrschaft der Fürsten. Von den Kanzleien des Kaisers und der Fürsten verbreitete sich das römische Recht weiter, bis es sich bei der Errichtung des Reichskammergerichts im Jahre 1495 allgemeine Anerkennung und gesetzliche Bestätigung erworben hatte. Die Aufnahme des römischen Rechtes ist nicht vom Volke ausgegangen, sondern von oben, von den Landesherren dem Volke aus-gezwungen worden. Wie wenig wohltätig das neue Recht vom Volke empfunden wurde, gab sich in einem wilden Haß und im heftigsten Widerstände kund. „Nach der verabscheuungswürdigen Lehre der neuen Rechtsgelehrten", sagt ein damaliger Schriftsteller, „soll der Fürst im Lande alles sein, das Volk aber nichts. Das Volk soll nur gehorchen und Steuern zahlen und Dienste verrichten und obendrein nicht bloß dem Fürsten gehorchen, sondern auch seinen Beamten, die sich als die eigentlichen Herren des Landes aufzuspielen beginnen und die Geschäfte so zu gestalten wissen, daß die Fürsten selbst möglichst wenig regieren." Ein anderer Beobachter sagt: „Im Volke werden sie (die Juristen) von hoch und niedrig verachtet und gehaßt, weil sie demselben, wie die Klage geht, alle seine alten Gewohnheiten 229
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