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1. Die deutsche Kultur - S. 230

1907 - Leipzig : Brandstetter
und Rechte verkümmern und unterdrücken. Man sieht sie für eine noch schlimmere Plage an als die Raubritter, die nur äußeres Gut wegnehmen; sie seien, sagt man, wie eine Pest, welche sich zum Verderben alles alten Rechtes über das Land ergossen." Zwischen dem Volk und den Beamten begann sich eine tiefe 5xluft aufzutun. Das deutsche Volk sah sich, wie es meinte, einer Bande von geldlüsternen Schurken ausgeliefert, die das Recht nach ihrem Willen beugten und das Volk, das sie noch zu Prozessen hetzten, auf alle Weise aussogen. Insbesondere wurden die Advokaten und „Fürsprecher" mit Anklagen überschüttet, ja nicht selten war solch ein „Rechtsverdreher" körperlichen Mißhandlungen ausgesetzt. Es wurde vom Volke bitter empfunden, daß die Handhabung der Rechtspflege sehr im argen lag und selbst vom Reichsoberhaupte keine Abhilfe geschaffen wurde. Die verwirrten Rechtsverhältnisse ließen die alte Selbsthilfe im Fehdewesen wieder furchtbar aufleben. In dem Eindringen des römischen Rechts sah das Volk für solche beklagenswerte Dinge keine Besserung, es wurde vielmehr erst recht mißtrauisch gegen die Gerichte. Im Bauernkrieg erhob sich das Volk gegen die Vergewaltigung, freilich nicht mit der Fähigkeit, aufzubauen, sondern nur zu zerstören. Die Mängel der Rechtspflege führten infolge einer Beschwerde des Reichskammergerichts Verhandlungen auf den Reichstagen herbei, bis man 1531 durch die „Carolina", die Kriminalordnung Karls V., zu einer gesicherten Ordnung des Gerichtswesens kam. Freilich waren auch darin die Rechtsprechenden aus dem Volke durch gelehrte Richter ersetzt und an Stelle des mündlichen und öffentlichen Verfahrens das schriftliche und geheime getreten. Mehr als 300 Jahre sollte es dauern, bis das alte germanische Gerichtsverfahren mit Mündlichkeit und Öffentlichkeit, mit Schöffen und Geschworenen wieder in sein Recht eingesetzt wurde. 6. Das peinliche Recht. Die Carolina oder die „Peinliche Gerichtsordnung" Kaiser Karls V. war ein Versuch, die im Strafrechte schon über ein Jahrhundert lang herrschende Willkür und Grausamkeit zu zügeln, durch Gerechtigkeit das unvermeidliche Einschreiten gegen das Wüten wilder, rechtloser Triebe zu regeln. Allerdings hat die Carolina die unmenschlichen Strafen ihrer Zeit nicht gemildert, weil sie dies nicht hätte wagen dürfen; aber sie hat zum Schutze des Angeklagten gegen Willkür zweckmäßige Maßregeln vorgesehen, z. B. Ausstellung eines Verteidigers, Anerkennung der Notwehr; sie brachte das deutsche Recht gegenüber dem römischen zur Geltung, versuchte für Besetzung der Gerichte mit ehrbaren Personen zu sorgen, beschränkte die Anwendung der Folter und verlangte anständige Gefängnisse. Sind trotzdem diese 230
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