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1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 110

1910 - Berlin : Singer
— 110 — schen Scheins verwirklichen, aber es zeigte sich nun sofort, daß sich dieses Reich wirklich nur auf einige auserlesene Kreise beschränkte. Obgleich die Horen die ersten literarischen Kräfte für sich gewonnen hatten, neben Goethe und Schiller auch Männer wie Fichte und Herder, so fielen sie doch beim großen Publikum gänzlich ab und mußten schon nach drei Jahren eingehen. Was Lassalle zu seiner Zeit von der bürgerlichen Klasse in Deutschland sagte, daß nämlich ihre großen Dichter und Denker wie die Kraniche über sie dahingeflogen seien, das gilt schon für die Zeit, wo Goethe und Schiller ihre Meisterwerke schufen. Sie vereinigten sich dann zu dem Tenien-kampse, durch den sie ein vernichtendes Strafgericht über das literarische Elend in Deutschland abhielten. Nach diesem tollen Wagstück, wie Goethe sagte, wollten sie sich nur großer und würdiger Kunstwerke befleißigen; es folgte ihr Wettkampf in der Balladendichtung, und dann trat Goethe mit seinem herrlichen Epos Hermann und Dorothea, Schiller mit seiner gewaltigen Tragödie Wallenstein hervor. Goethes Gedicht verschmolz in vollendeter Weise antike Form mit modernem Geiste. Mitten hinein in die kleinbürgerlichen Kreise, die nun doch einmal seit Jahrhunderten den Schwerpunkt des deutschen Lebens gebildet hatten, schritt der Dichter, und was er aus ihnen schöpfte, war die schlichte, die unversiegliche Kraft, die in aller Not und allem Wirrfal der Zeit den deutschen Namen für eine große Zukunft rettete. Schiller aber schuf sein dramatisches Meisterwerk im Wallenstein. Er wollte damit, die alte Bahn verlassend, aus des Bürgerlebens engem Kreis auf einen höheren Schauplatz gelangen. Man mag darüber streiten, ob Wallenstein wirklich auf einem höheren Schauplatze spielt als Kabale und Liebe; eine bürgerliche Dramatik, die sich wurzelecht entwickelt und verzweigt hätte, wäre leicht aller historischen Dramatik überlegen gewesen. Aber Schiller hatte am eigenen Leibe erfahren, wie sehr in Deutschland die sachlichen Vorbedingungen fehlten, das bürgerliche Drama auf eine klassische Höhe zu erheben. Da sich eine Erneuerung des deutschen Lebens nur dadurch vollzog, daß europäische Kriege über seine Grenzen hereinbrachen, so brachte Schiller große historische Kämpfe auf die Bretter, die nach seinem eigenen Wort die Welt bedeuteten. Die oft gehörte.anficht, daß Schiller im Wallenstein ein Bild Napoleons habe geben wollen, trifft nicht zu; zu der Zeit, wo er dieses Drama schuf, war der General Bonaparte noch ganz unbekannt. Nichts lag dem Dichter ferner, als die
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