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1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 193

1910 - Berlin : Singer
— 193 — 4. Der Norddeutsche Bund. Das neue Deutschland, das aus dem Kriege von 1866 hervorging, trug somit die Unfertigkeit an der Stirn geschrieben. Oesterreich verzichtete fortan auf jede Einmischung in die deutschen Angelegenheiten, aber damit waren auch seine deutschen Provinzen für Deutschland verloren. Die Staaten nördlich des Mains bildeten den Norddeutschen Bund, einen angeblichen Bundesstaat in der furiosen Form, daß die preußische Hausmacht, die sich durch Einverleibung Schleswig-Holsteins, Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts noch beträchtlich verstärkt hatte, mit erdrückendem Gewicht über einer Menge kleiner Vasallen stand. Die Staaten südlich des Mains aber, Bayern, Württemberg, Baden und ein Teil von Hessen-Darm-stadt, hingen in der Luft; es stand bei ihnen, einzeln oder gemeinsam, europäische Mächte zu spielen oder auch in eine „nationale Verbindung" mit dem Norbbeutschen Bunb zu treten, ganz wie es ihnen beliebte. Von vornherein lag auf der Hand, daß dieser Zustand unmöglich bauern konnte, und tatsächlich glaubte auch niemand an seine Dauer. Allerdings waren die deutschen Provinzen Oesterreichs für jede irgend absehbare Zeit verloren, aber die Mainlinie konnte Deutschland nicht für immer zerreißen. Nicht der preußische Schulmeister hatte in der Schlacht von König-grätz gesiegt, wie ein schönrednerisches Schlagwort die Siege der Zündnadel erklären wollte, sondern der Zollverein, der seit Jahrzehnten ein großes Wirtschaftsgebiet geschaffen hatte. Die ökonomischen Bedürfnisse dieses Wirtschaftsgebietes, von dem die kapitalistische Produktionsweise täglich neue Striche eroberte, waren der reale Boden, aus dem die nationalen Einheitsbestrebungen erwuchsen. Die politischen Bande, die dieses Wirtschaftsgebiet mit Oesterreich verknüpften, konnten um so leichter zerrissen werden, je mehr sie zu drückenden Fesseln seiner ökonomischen Konsolidierung geworden waren, aber um so weniger ließen sich feine eigenen ökonomischen Zusammenhänge durch staatsrechtliche Tüfteleien lösen. Die süddeutschen Staaten konnten nicht europäische Macht spielen: sie konnten auch nicht zu französischen ober österreichischen Vasallen werben, es sei benn, daß ein großes, seit dreißig Jahren zusammengewachsenes Wirtschaftsgebiet, das sich im aufsteigenden Aste der kapitalistischen Entwickelung befand, in tausend Trümmer zerschlagen wurde, und das gehörte zu den historischen Unmöglichkeiten. Mehring: Deutsche Geschichte 13
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