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1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 215

1910 - Berlin : Singer
— 215 — furchtbaren Katzenjammer, was es bedeute, als ebenbürtige Macht auf dem Weltmarkt zu konkurrieren. Die große Industrie war durch die smnlofe Überproduktion der Gründerjahre in eine schwere Absatzkrise geraten- sie schrie nach Schutzzöllen, um sich auf dem inneren Markte hohe Preise zu sichern und so auf dem Weltmärkte durch Schleuderpreise um so sicherer die ausländische Konkurrenz zu unterbieten. Die eigenen Volksgenossen sollten weißaeblutet werden, damit die überschüssigen Produkte um so wohlfeiler an fremde Nationen abgesetzt werden konnten-In gleichem Maße aber begannen die Großgrundbesitzer, die bis dahin begeisterte Freihändler gewesen waren, nach Schutzzöllen zu schreien, denn die Grundrente begann zu sinken durch die Ueberschwemmung des deutschen Marktes mit Fleisch und Getreide, die ihrerseits eine Folge der durch den Kapitalismus treibhausartig geförderten Entwickelung der Verkehrsmittel war. Bismarck war sowohl Großgrundbesitzer wie Großindustrieller und hatte deshalb inniges Mitgefühl mit den beiden so herzbrechende Not leidenden Klassen. Aber als großer Staatsmann hatte er noch seine besonderen Sorgen. Die fünf Milliarden Kriegsentschädigung waren m leichtsinniger Weise verpulvert worden, und die Finanznot pochte drohend an die Tore der neuen Reichsherrlichkeit. Die Regierung mußte neue Steuerquellen erschließen, Steuerquellen, die massenhaft strömten und durch den Reichstag nicht nach dessen Belieben verstopft werden konnten. Die Wege dazu waren indirekte Steuern auf den Massenverbrauch, Finanzzölle, Verstaatlichung großer Erwerbs- und Verkehrszweige. So kam Bismarck in eine reaktionäre Finanz-, ©teuer-und Zollpolitik hinein. Jedoch sein Mißgeschick wollte, daß er diese Politik zunächst nicht mit den reaktionären Parteien machen konnte. Zwar mit den Junkern, die wegen seiner kapitalistischen Wirtschaftspolitik eben einen hartnäckigen Verleumdungsfeldzug gegen ihn begonnen hatten, vertrug er sich schnell, ein bekanntes Sprichwort abermals bestätigend. Aber mit dem Zentrum, das sonst zu haben gewesen märe, konnte er noch nicht anbinden, von wegen des famosen Kulturkampfes. Weder konnte das Zentrum den „diokletianischen Christenverfolger", wie es ihn nannte, fofort pardonnieren, noch konnte er fo ohne weiteres „nach Kanossa gehen", wogegen er sich so prahlerisch verwahrt hatte. Die Zeit sollte kommen, wo auch diese schönen Seelen sich fanden, aber vor-
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