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1. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 234

1910 - Berlin : Singer
— 234 - zweiten Lesung den Reichstag auf und beraumte die Neuwahlen auf den Fafchingstag des Jahres 1887 an. Der Wahlkampf war durch die Schwäche der bürgerlichen Opposition von vornherein verfahren worden. Mit der beiläufigen Frage: drei oder sieben Jahre? ließen sich große Wählermassen schwer auf die Beine bringen. Bismarck fand einen viel durchschlagenderen Trumpf in der Frage: Krieg oder Frieden? Während der ganze Regierungsapparat aufgeboten wurde, um die Wahlagitation der liberalen Parteien lahmzulegen, arbeitete die ganze offizielle und offiziöse Presse daran, bis in die entlegenste Hütte des Reiches die Lüge zu verbreiten, daß dem Siege der Oppositionsparteien eine französische Kriegserklärung an das nunmehr entwaffnete Deutschland auf dem Fuße folgen werde. Unterstützt wurde der erbärmliche Schwindel durch die Konservativen und die Nationalliberalen, die sich zum Kartell zusammenschlossen, durch dasselbe Bündnis des Großgrundbesitzes und der Großindustrie, das zehn Jahre früher die wirtschaftliche Reaktionsperiode eingeleitet hatte. Die einzige Oppositionspartei, die weder einen Mann noch einen Groschen bewilligte und den Kampf in voller prinzipieller Schärfe aufnahm, war die Sozialdemokratie. Sie hatte unter ähnlichen schwierigen Umständen zu kämpfen wie 1878 und 1881; außer über Berlin, Hamburg und Leipzig wurde der kleine Belagerungszustand auch über Frankfurt a. M. und Stettin verhängt. Wiederum lohnte sich ihre tapfere Haltung; sie musterte etwas über Dreiviertel Millionen Stimmen, wenngleich sie nur elf Mandate eroberte, dank namentlich der Feigheit, womit bei den Stichwahlen die Freisinnigen ins Lager des Kartells überliefen, um den Sieg der sozialdemokratischen Kandidaten zu vereiteln. Allein noch wurzelte sie nicht tief genug in den Massen, um diese schon immun zu machen gegen den Appell an die Furcht, womit Bismarck arbeitete. Er gewann in den Faschingswahlen eine Kartellmehrheit und hatte nun auf drei Jahre freie Hand. Der neue Reichstag bewilligte ihm nicht nur sofort die Militäroorlage, sondern auch eine (Erhöhung der Branntweinsteuer um jährlich mehr als 100 und der Zuckersteuer um jährlich etwa 40 Millionen, baneben aber auch noch aus den Taschen der Steuerzahler eine jährliche Liebesgabe von 40 Millionen für die Schnapsbrenner und von 30 Millionen für die Zuckersieber.
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