1893 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Staude, Richard, Göpfert, Armin
- Auflagennummer (WdK): 2
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1890
- Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch, Lehrerbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Thüringen
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
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edler König, daß ich die Botschaft meines Herrn ausrichte.^ Die gute Königin Helche ist gestorben, meines Herrn Land und Haus ist verwaiset. Darum sendet er mich, für ihn zu werben um Eure Schwester Kriemhild, die Witwe Siegfrieds."
König Günther versprach dem Boten Antwort auf den siebenten Tag und hieß indessen die Gäste gut beherbergen. Alsbald sandte er nach seinen Verwandten und vornehmsten Mannen und hielt mit ihnen Rat, ob man Etzels Werbung annehmen solle. Alle
rieten ihm dazu. Nur Hagen sprach: „Wer klug ist und König
Etzel kennt, thut es nicht; denn die Heirat wird uns allen große Sorge machen." Ihm erwiderte Giselher: ,,Wir haben an unserer Schwester viel wieder gut zu machen, und besonders du, Hagen. Darum sollten wir sroh sein, wenn wir ihr endlich etwas Liebes anthun können." Doch Hagen antwortete: „Wenn Frau Kriemhild die Krone trägt in König Etzels Reich, dann gewinnt sie manchen
Mann zu Dienst und wird uns Leid anthun, so bald sie es fügen
kann." Aber die Könige beschlossen dennoch, die Werbung anzunehmen, wenn es der Schwester recht wäre. Unmutig ging Hagen davon.
Alsbald erhielt Kriemhild Kunde von der Botschaft Etzels. Doch sie wollte durchaus nichts von der Heirat wissen. Mit Mühe
E überredeten Gernot und Giselher die Schwester, wenigstens den edlen Rüdiger zu empfangen. Rüdiger kam und richtete seine Botschaft aus. Die Königin antwortete ihm: „Wer meinen scharfen Schmerz kennt, der kann mir nicht raten, noch einen Mann zu lieben;
I denn ich habe den besten verloren, den es gab, um ihn muß ich bis an mein Ende trauern." Doch Rüdiger sprach: „Treue Liebe und Freundschaft tröstet im Leid; die will Euch mein König geben. Auch macht er Euch zur Herrin über zwölf Kronen und über Land und Leute von dreißig Fürsten, die er mit seiner gewaltigen Hand bezwungen." Da sprach Kriemhild: „Lasset die Sache ruhen bis morgen früh, da will ich Euch meine Antwort sagen." — Jetzt kam