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1. Handbuch der Israelitischen Geschichte von der Zeit des Bibel-Abschlusses bis zur Gegenwart - S. 53

1888 - Leipzig : Engel
- 53 — Fünfter Abschnitt. Yom Erlöschen des Gaonats Ibis zur Vertreibung der Juden aus Spanien und Portugal (1038—1497). a) Die Juden in Spanien, Portugal und Frankreich. § 1. Allgemeine Betrachtungen über die äusseren Schicksale der Juden in diesem Zeiträume. Die Zeit vom 11. bis zum 16. Jahrhundert ist die traurigste im Leben der in christlichen Staaten sich befindenden Juden. Die jüdische Geschichte dieses Zeitraumes ist mit Blut beschrieben und nimmt sich aus wie ein riesenhaftes Bruchstück aus dem Tagebuche eines Henkers; sie ist, wie ein berühmter christlicher Schriftsteller sagt, die Geschichte der Schmach des menschlichen Geschlechts. Sie umfasst alles Ekelhafte und Grausame, was menschlicher Aberglaube, Vor-urtheil, Glaubenswuth und der Fanatismus der Priester, die Barbarei der Fürsten und des Pöbels jemals an Verbrechen verübten. Die Verfolgungen der Christen unter den römischen Kaisern waren nur Spielereien gegen die Verfolgungen der Juden im Mittelalter. Alle Schandtkaten der europäischen Völkergeschichte, alle Greuel der Religions- und Bürgerkriege findet man in der Geschichte der wehrlosen Juden. Ueberall wurden sie als Andersglaubende gehasst, wie Sklaven verachtet, zurückgestossen und auf das grausamste hingemetzelt. Umsonst sprach für sie die Stimme der Menschlichkeit und das hohe Gebot der Liebe aus Jesus Munde; umsonst waren in ihrer Mitte Talente, Tugenden, Wissenschaften und Reichthümer; was sie erfassten, schien den fanatischen Völkern glanzlos und durch sie entheiligt zu sein. Es war bei aller Reinheit der Sitten, bei aller Unterwürfigkeit unter die weltliche Macht schon das ein todeswürdiges Verbrechen, ein Jude zu sein. Schon der Name Jude brachte Tod und Elend über das unglückliche Haupt. An vorgeblichen Ursachen zu Verfolgungen konnte es niemals fehlen; denn wenn ein einziger Jude ein Verbrechen beging, sagte man immer, die Juden begingen es, eine Formel, die noch heute nicht ganz erloschen ist. Uebersieht man den fürchterlichen Druck, die blutigen Verfolgungen, den Hohn, die Schmach, die zahllosen Trübsale, unter welchen die Juden in diesem Zeiträume seufzten, und erwägt man dabei den Glaubensmuth und die Glaubens- kraft derselben, so wird man sich der Bewunderung und Achtung gegen sie nicht enthalten können. In verborgenen Winkeln und Höhlen, unter dem Schutze der verschwiegenen Nacht, in verschlossenen Kellern und dumpfen Höhlen verehrten sie den Gott ihrer Väter, immer bewies der Jude die unüberwindliche Kraft seines Glaubens und siegreich überstand er alle Gefahren. Nach menschlichem Urtheile müsste jeder, dem man diese Leiden und Verfolgungen vorausgesagt hätte, die Ueberzeugung hegen, mit dem Judenthume werde es auf Erden bald ein Ende nehmen. Das gemeinsame Unglück aber vereinigte die Leidensgenossen zur Bewahrung ihres Kleinods und musste auch Nichtjuden auf die Erhabenheit einer Religion aufmerksam machen, deren Bekenner mit solcher Opferfreudigkeit und Hingebung für ihre religiöse Ueberzeugung die grössten Leiden erduldeten.
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