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1. Vaterländische Geschichte - S. 207

1900 - Berlin : Nicolai
207 lichere Straße zu ziehen, wurde von den sich entgegenstellenden russischen Truppen vereitelt. Darum mußten sie wieder den mittleren Weg einschlagen und darüber zu Grunde gehen. Tod und Verderben war das Los der meisten Krieger. Wen der Hunger verschonte, den raffte der Frost oder das Schwert der Verfolger dahin. Tiefer Schnee bedeckte die Landschaft. Ein eiskalter Wind fegte über die unabsehbare Fläche. Nirgends fand man ein schützendes Obdach. Viele erfroren an dem mit Mühe angezündeten Wachtfeuer. Das Fleisch gefallener Pferde war zuletzt die einzige Nahrung. Von den rastlos nachfolgenden Kosacken wurden viele Flüchtlinge niedergehauen oder gefangengenommen. Mehr und mehr schmolz das Heer zusammen. Der weite Weg war mit Leichnamen verhungerter, erstarrter oder erschlagener Krieger und Pferde bedeckt. Das Kriegsgerät hatte man zum größten Teil im Stiche gelassen. Eine reiche Ernte hielt endlich der Tod bei dem Übergange über die Beresina, der unter fortgesetzter Beunruhigung der Feinde nur langsam vor sich ging. Unter der Last der Flüchtlinge brach eine der beiden in Eile hergerichteten Brücken, und in den von Treibeis erfüllten Fluten fanden viele ein nasses Grab. Die meisten von denen, die sich noch auf dem diesseitigen Ufer befanden, fielen in die Hände der Feinde. Nachdem Napoleon noch den Jammer dieses Überganges gesehen hatte, verließ er die Trümmer seines Heeres und reiste, tief in Pelze gehüllt, auf einem Bauernschlitten durch Deutschland nach Frankreich. In Paris angekommen, machte er bekannt: „Der Kaiser-ist gesund, aber die große Armee ist so gut wie verloren." Erst gegen Ende des Jahres kamen die ersten der geretteten Flüchtlinge an. Elend, zerlumpt, gänzlich ausgehungert, wankten wenige Tausende solcher „wandelnden Leichen" durch Deutschland. Mit heiligem Entsetzen betrachtete das Volk die lebendigen Zeugen des geschlagenen Hochmuts. Wie aus einem Munde erklang der Ausruf: Das sind Gottes Gerichte! Auch der Kindermund gab die Wahrheit kund: „Mit Roß und Mann und Wagen, So hat sie Gott geschlagen! — Ritter ohne Schwert, Reiter ohne Pferd, Flüchtling ohne Schuh, Nirgends Rast noch Ruh, Kranke ohne Wagen, So hat sie Gott geschlagen!" (Aus einem Gedichte von F. August, damals Gymnasiast in Berlin, später Direktor des Köllnischen Gymnasiums daselbst.)
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